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Doch noch ein paar Sätze zu Böhmermann, NEO MAGAZIN ROYALE und #varoufake

Die vom NEO MAGAZIN ROYALE und Jan Böhmermann behauptete Fälschung des bei Günther Jauch gezeigten und viel diskutierten Videos eines Auftritts von Yanis Varoufakis, bei dem er irgendwie auf eine Art Deutschland den Finger gezeigt hat (keine Sorge, der Satz ist bald vorbei), ist Satire. Was das Team vom NMR anscheinend getan hat: Sie haben den Finger nicht rein- sondern rausmontiert. Alle Angaben ohne Gewähr.

Neben dem, was sowieso diskutiert wird, fallen mir noch ein paar Sachen ein, die ich aufschreiben möchte. Nämlich hier:

Subversion

Das Subversive Festival ist mir erst jetzt bekannt geworden, ich freue mich aber umso mehr darüber. Sieht interessant aus. Zu den bisherigen Rednerinnen und Rednern gehörten neben Yanis Varoufakis auch Oliver Stone, Slavoj Žižek und Saskia Sassen. Im NMR-Video zum Fakefake bekomme ich den Eindruck, dass die Redaktion für die Aktion mit dem Festival in irgendeiner Form kooperiert hat, auch das ist interessant.

Subversion hat nur manchmal etwas mit Software zu tun, in erster Linie soll sie – bei positiver Betrachtung – „die bestehende soziale Ordnung (Autoritäten, gesellschaftliche Zugehörigkeiten und Hierarchien, Ausbeutung von Gruppen, Machtkonzentrationen usw.) in Frage stellen bzw. verändern“. Nur mal so.

Recherche

Wenn Jan Böhmermann sich beschwert, dass ihn niemand angerufen hätte, um die Echtheit des Finger-Videos zu prüfen, zeigt er imho, dass es ihm weniger darum geht, die Recherchequalitäten der ARD / der Jauch-Show bloßzustellen (denn die Forderung, ihn anzurufen, ist natürlich absurd). Hätte die Redaktion besser recherchieren müssen? Ja, bestimmt. Kann eine noch so lange Recherche Irrtümer oder Verfehlungen komplett ausschließen? In diesen Zeiten™ wohl kaum. Gerade wir, die wir gerne mal irgendein Foto ohne mindestens Ein-Klick-Recherche ungeprüft weiter-twittern oder -posten, sollten uns dessen sehr bewusst sein. Selbst wenn wir keine Ö-R-Redaktion sind.

Neulich stieß ich in meiner Timeline auf das Foto eines angeblichen Bio-Tests an deutschen Schulen, dessen Hintergrund ich anders kenne, als er dargestellt wurde (Kurzfassung: Der „Test“ ist gar keiner und der Fragebogen stammt aus dem Ethik-Unterricht, um u.a. über Gender-Klischees zu sprechen). Meine Nachfrage bei der „Quelle“, ob das Foto wirklich von der ihr stammte, blieb unbeantwortet. Soundsoviel tausend Retweets. Große Aufregung. Weil: Egal.

Sinn und Zweck

Ohne die Sätze Böhmermanns am Ende des Clips wäre die Aktion nicht die, die sie ist. Böhmermann sagt: „Liebe Redaktion von Günther Jauch. Yanis Varoufakis hat unrecht. Ihr habt das Video nicht gefälscht. Ihr habt einfach das Video nur aus dem Zusammenhang gerissen und einen griechischen Politiker am Stinkefinger durchs Studio gezogen. Damit sich Mutti und Vati abends nach dem Tatort noch mal schön aufregen können: ‚Der Ausländer! Raus aus Europa mit dem! Er ist arm und nimmt uns Deutschen das Geld weg. Das gibt’s ja wohl gar nicht. Wir sind hier die Chefs! So!‘ Das habt ihr gemacht. Und der Rest ist von uns.“

Und das ist es, was wichtig ist, und warum es auch albern ist, jetzt so zu tun, als würde sich „Deutschland“ oder „das Internet“ über den Finger aufregen. Zumindest in meiner Timeline ist die Botschaft, um die es tatsächlich geht, größtenteils richtig angekommen, scheint mir. Und ohne diese würden Böhmermann und sein Team jetzt auch nicht so gefeiert werden.

Vorwürfe

Wie oben schon erwähnt: Recherchefehler passieren. Doof, aber sie passieren. Was mich aber schon während der Sendung maßlos geärgert hat, war die Vorgehensweise der Jauch-Redaktion, über den tatsächlich gesprochenen Text während des Vortrags von Varoufakis (der Text selbst steht noch nicht zur Fake-Disposition, oder?) drüber zu moderieren und nur den Satz „… stick the finger to Germany …“ nebst Bild stehen zu lassen. Das war so auffallend manipulativ, dass ein bisschen Aufregung durchaus berechtigt ist.

Wer hat gewonnen?

Böhmermann has Dendemann.
Böhmermann wins.

11 Kommentare

  1. 01
    Tobias Friedrich

    Wie so oft, well said!

  2. 02
    JST

    Böhmermann hat für mich gewonnen, weil er alle in die Irre geführt hat. Und weil er genau damit gezeigt hat, wie manipulierbar Medien sind und wir MedienkonsumentInnen noch dazu.

    Ansonsten alles so, wie du es sagst.

    Winke winke – JST

  3. 03
    JK

    In dem von Jan Böhmermann produzierten Video wird eine der Veranstalterinnen des Subversive-Festivals gezeigt (sie zeigt den Mittelfinger während sich anscheinend in Kroatien befindet).
    Außerdem bezeichnet der Kameramann des originalen Videos an dieser Stelle schon am Dienstag Jan Böhmermann als Comedian (die Aufzeichnung von Neo Magazin Royale fand doch erst später statt?!). http://www.theguardian.com/world/video/2015/mar/17/yanis-varoufakis-middle-finger-video-greece
    Also kennen sich die beiden auch?!

    Jetzt kommt die verwirrende Stelle:
    Ich finde auf youtube kein Video von Varoufakis-Rede von vor dem 12.02.2015 und alle mit Mittelfinger.
    Wenn der Kameramann bis zu diesem Tag im Alleinbesitz des Videos war, könnte die Manipulation ja noch weiter gehen. Wir hätten dann das Original-Video noch gar nicht gesehen.

    Start: Fake-Video mit Varoufakis Mittelfinger erstellen
    1. Fake: Böhmermanns manipuliertes Video (Mittelfinger wegretuschiert)
    2. Fake: Das Video mit Mittelfinger doch als echt verkaufen
    3. Fake (Fakt?): Das Video mit Mittelfinger ist nicht echt ?

    Wo ist der Denkfehler?

  4. 04
    tijuana

    Dieses Video überhaupt zu zeigen war unterste Schublade der Jauch-Redaktion(was auch immer die jemals Gutes geleistet hat). Und einen Minister derart platt und respektlos anzugehen, war das nächste. Und der Übersetzer mit seinem „getürkten“ Video war noch die Kirsche auf dem Sahnehäubchen der Dunghaftigkeit.

  5. 05

    Was heißt denn hier Recherchefehler. Die hatten den Mann mehr oder weniger vor Ort im Studio, zentraler im Zugriff kann man eine Person doch gar nicht haben, wenn man ihn so etwas fragen möchte – ohne ihn vorführen zu wollen. Und der gesprochene Text von Varoufakis in dem Clip kann doch bei etwas Englischkenntnissen nicht so missverstehen zu sein – also auch ohne Recherche hätte man hier erkennen können, dass der Mann im Konjunktiv spricht.

    Jauch hat simpel keinen investigativen Journalismus gemacht. Klappe zu. Und natürlich Böhmermann die Recherchequalität der ARD in diesem Punkt bloßstellen. Nicht hinsichtlich der Tatsache, dass diese bei ihm hätte anrufen sollen. Aber hinsichtlich der Tatsache, dass man bei Varoufakis hätte anrufen sollen. Jauch ist vom Boulevard zur Yellow Press abgestiegen mit der Nummer. Sie war schlicht unterirdisch – und ich will so einen Journalismus nicht von den Gebühren der Beitragszahler finanziert sehen.

  6. 06
    Gondor

    Was Böhmermann „so ganz nebenbei“ auch deutlich gemacht hat, auch die Jauch Redaktion betreibt offensichtlich eher eine propagandistische Agenda als inhaltlich, professionell ein Interview vorzubereiten. Der Mann ist Wirtschaftwissenschaftler und Finanzminister Griechenlands und alles worüber in den Medien diskutiert wird ist ein Stinkefingerclip („-fake“).

    Natürlich ist Böhmermann Clip eine geniale Voführung der „Schnellschuss“-Medien, die sich eher allzu gern instrumentalisieren lassen als auch nur ansatzweise sauber journalistisch zu arbeiten. Allerdings ist Jauch (inkl. Redaktion) ein nur allzu dankbares Ziel, so als Opportunist, der offensichtlich alles gedankenlos abliest was man ihm auf seine Karten schreibt.

    Insofern ist es v.a. den kritisierten Medien gegenüber konstruktiver (entlarvender?) sich inhaltlich mit dem auseinanderzusetzen was Yanis Varoufakis sagt (auch im Clip) als sich auf die unsägliche, völlig überflüssige Stinkefingerdiskussion einzulassen.

  7. 07

    Für mich ist der »Mutti-Vati« Satz ebenfalls der Schlüsselsatz.

    »Ruft mich einfach an« bezieht sich, IMHO, auf einen Coup den Böhmermann mit Stefan Raab gelandet hat. Seiner Redaktion hat man ein Video untergeschoben, das anscheinend zeigt, dass es im chinesischen Fernsehen eine Kopie von Stefan Raabs »Blamieren oder Kassieren« geben sollte. Das zeigte Raab auch stolz in seiner Sendung. Allerings war das, wie angedeutet, von Jan Böhmermanns Team produziert worden.
    Hier ging es ebenfalls um die Tatsache, dass Redaktionen die Dinger aus dem Netz fischen und wenig hinterfragen oder die Plausibilität prüfen.
    Dass Böhmermann die Sache noch auf eine höhere Ebene gehoben hat, ist nahezu genial.

    Und: Ja, das zeigt vermutlich, dass auch Jauchs Redaktion die Dinge in einem bestimmten Zusammenhang zeigt und die Wahrnehmung ein wenig steuert.

  8. 08
    Barney

    Wie schon geschrieben wurde, geht hier weniger um Recherche als viel darum, dass ein Satz im Konjunktiv komplett aus dem Kontext gerissen wurde. Das war ja nicht das erste Mal, dass Jauch negativ auffiel. Er hat bereits in seiner Sendung angemerkt, dass er Hartz4 richtig finde und damals Angela Merkel vor den Wahlen hoffiert wie im Staatsfernsehen von Nordkorea. Diesem Mann muss man ans Bein pissen. Er macht unglaublich viel Geld mit seiner Sendung und es ist keine Geschmacksfrage, Jauch vergewaltigt da den Journalismus und es wird endlich Zeit diesen überzahlten Kerl zurück zum menschelnden Stern TV zu schicken, wo er einsame Pandabären anmoderieren kann.

  9. 09
    CJ

    ich denke, daß Böhmermanns Ziel nur die Erhöhung der Präsenz von Böhmermann selbst war. Aufmerksamkeit für die eigene Aktion generieren. Wenn er was vorführt, dann vor allem, wie man die sympathisch-kritisch-intelligent-aufgeklärten Menschen, die darin Medien/Jauch Kritik erkennen – für BöhmermannRedaktions – PR instrumentalisieren kann …

  10. 10
    Lukas

    Jauch führt sich doch konstant selbst vor. Wer ihn sieht und seine Redeweise sowie „Inhalte“ hört weiß, dass hier jeweils eine PR-Veranstaltung anstatt unabhängiger Journalismus stattfindet.