Vor gar nicht allzu langer Zeit…Anfang Juni 2006…Gefühlte Ewigkeiten her.
10:25 Uhr morgens. Aufwachen.
10:25 UHR MORGENS??!! Waaah! *damn wecker* Batterie alle. *fluch*
Es ist doch ein Werktag, heute war doch was? Mir fällt ein, dass heute eines der freien Trainings der holländischen Nationalmannschaft ist. Wann fing das nochmal an? Um elf? Und letztes Mal war es doch so voll.
Also DuschenAnziehenKaffeeKippeKameranichtvergessen. Jetzt aber schnell. Zum Glück nur 1 Minute bis zum Stadion wenn ich schnell radle. Und das mach ich dann auch.
Dort angekommen stellt sich heraus, dass zwar nicht mehr los ist als letztes Mal, aber der Holländeranteil um ein Vielfaches größer. Und diesmal nur Gegengerade und Südtribüne offen. Gegengerade muss sein, denke ich mir. Irgendwo in der Mitte, sonst sieht man ja nichts. Also an den Ordnern Stewards vorbei, mittlere Treppe hoch und ab ins oranjefarbene Zuschauermeer. Alles voll. Mist.
Wenig gibt einem ein dämlicheres Gefühl, als in einer sitzenden Publikumsmenge einsam rumzustehen und verzweifelt zu versuchen, irgendwo einen Platz ausfindig zu machen. Ein leerer Platz? Ach nein. Deutsche sind auch da, die mit ihren Handtüchern irgendwelchen Klamotten Plätze für nicht mich reservieren.
Etwas zupft an meinem linken Hosenbein. Ich schaue herunter und sehe einen etwa 30jährigen Afrikaner im Jogginganzug, der mich freundlich angrinst. “Hier iseh noch ein Plaatz.” sagt er mit nicht identifizierbarem Akzent und deutet auf die gefühlt einzige und wunderschönste Plastikschale des Universums neben ihm. Überrascht, ja baff, setze ich mich reflexartig neben ihn. “Danke, hatte ich gar nicht gesehen.” Muss lächeln.
Robben, van der Sar und Kumpanen laufen ins Stadion ein. Jubel, Getröte und Getose. Alles Orange. Das es nur ein Training ist, interessiert gerade keinen. Ich schaue mich um. Auf der Tribüne sitzen nur niederländische Fans oder Leute aus Freiburg, die an einem Werktagmorgen eben Zeit haben: Weiter hinten eine Kindergartengruppe, Opas mit Enkeln, Studenten und streikende Ärzte.
Mein Nachbar stubst mich an. “Du Fähn von hoolländischee Team? Speak english?” Ich nicke und wir kommen ein wenig ins Gespräch, während wir der Mannschaft beim Warmlaufen zuschauen und unverständliche Fangesänge ignorieren. Lukas heißt er, kommt aus dem Sudan und macht einen Deutschkurs, momentan. Was er denn mit seinem Arm gemacht habe, frage ich, und deute auf den Gips an seinem rechten Arm. Ach, er arbeite auch als Bauer und da sei das passiert.
Nach etwas Plauderei schauen wir wieder dem Training zu und ich mache einige Fotos. Beobachte Politje, Polizisten und Vertreter der Medien. Ein Training eben, nicht so wirklich spannend. Vor allem wenn man nicht vergleichen kann, wie die Spieler sonst so im Training sind.
Plötzlich erscheint ein Schatten hinter meinem Sitznachbarn und mir. Der holländische Familienvater hinter uns beugt sich vor und stößt Lukas an. *insert niederländisch*, er sagt irgendetwas, was wir beide nicht verstehen und schaut Lukas fragend an. Dieser ist wiederum ziemlich verwirrt und so meine ich reflexartig nur “Can you speak english oder deutsch?” Die Miene des Mannes erhellt sich und er wendet sich mit recht schlechtem Englisch wieder meinem Sitznachbarn zu. “Do you play football?” Lukas nickt zögernd. Wirkt leicht irritiert, aber mit einem nachdenklichen Blick in seinen Augen. Hat die Frage wohl nicht wirklich verstanden, so aus heiterem Himmel. “For what team?” wird er gefragt. Lukas fängt an zu lächeln “Ähh, from Sudan. I mean: Ähem…You know Sudan?” — “REALLY? For the NATIONAL Team of Sudan?” Die Augen des Holländers werden groß und man merkt, wie seine beiden Söhne auf ihren Plätzen schon unruhig hin und her rutschen.
Eine kurze Pause, dann erhellt sich Lukas’ Blick und er nickt, und dann eine gefühlt noch größere Pause, in der man die Gehirnwindungen des Familienvaters vor sich hinrauschen fühlt und in der man so ein schmuckes Grillenzirpen wie bei den Simpsons abspielen möchte. Dann meint er “Would you mind taking a picture? With me and my sons?” Lukas grinst mich für eine hundertstel Sekunde an und meint dann: “Yes, no problem.”
Daraufhin aufstehen, Kamera anmachen, positionieren, klick. Und nochmal mit den Jungs. Und alle zusammen. Und nochmal mit dem Spielfeld im Hintergrund. Lukas scheint das zu überstehen, tapfer lächelt er auch noch nach dem 15en Foto. Denn es sind auch noch andere Niederländer auf die Szenerie aufmerksam geworden und wollen mit ihm fotografiert werden. *Me and the National Player* Nach 7 oder 8 Minuten setzt er sich wieder neben mich, hat einige Leute abgewimmelt und schaut grübelnd auf’s Spielfeld. Hinter uns besichtigt sich die Familie die Fotos auf der Digicam und diskutiert Unverständliches.
Ich wende mich nach dem Halligalli wieder dem Spiel Training zu. Fußballvolleyball oder so wird gerade gespielt. Die freuen sich wie der Weihnachtsmann, wenn sie einen Punkt machen, die niederländischen Spieler. Und das im Training. Was die wohl genommen…ach nee. Auf einmal kommt ein Flüstern von der Seite. “Hey!” Ich drehe mich um und schaue Lukas fragend an. Er grinst und meint:
“You know, I was never a good footballplayer as a child and I’ ve never played it ever since.”