Am Samstag hieß es: Kinoabend! OmU soll’s sein! Ab ins Babylon, egal was läuft!
Vorweg: Ich bin mit Comics aufgewachsen und schon als Kind hieß mein klarer Favorit unter den Superhelden „Batman“.
Batman hatte keine Superkräfte. Er konnte nicht fliegen, die Zeit nicht zurückdrehen, keine Eisenbahnzüge mit bloßer Hand stoppen oder abstürzende Flugzeuge auffangen. Batman trat für bedingungslose Gerechtigkeit ein und kämpfte gegen die ganz „normalen“ Bösen.
Batman war also wie ich, wenn man davon absah, dass er Millionär und ziemlich gut trainiert war und dass er abends länger wach bleiben durfte. Und glücklicherweise musste ich auch nicht das Leid des jungen Bruce Wanye teilen, dessen Eltern vor seinen Augen erschossen worden waren (der Akt, der ihn später zu Batman werden ließ). Und ich kämpfte nicht besonders oft. Aber sonst waren wir uns ziemlich ähnlich.
Batman und ich, wir wussten Bescheid.
Superman, Spiderman, Die Fantastischen Vier – das alles interessierte mich höchstens ein paar Hefte lang. Batman war einfach cooler. Er machte mehr Sinn. Und (sehr wichtig!) er hatte die cooleren Gadgets: Ich hatte mir einen Batman Utility Belt selbst gebastelt, diesen Gürtel, in dem Batman seine speziellen Waffen, Werkzeuge und endlos langen Seile aufbewahrte, mit denen er sich durch die Nächte von Gotham City hangelte. Ich klebte die gelben Plastikhüllen von überraschungseiern an einen alten Plastikgürtel, bewahrte darin alles auf, was hineinpasste (nicht viel sinnvolles also) und bildete mir ein, damit die Welt retten zu können. Noch heute mache ich Batman für meine technophile Vorliebe für alles Blinkende, das man bei sich tragen kann und das endlos Batterien verbraucht, verantwortlich.
Meine Begeisterung und Identifikation mit Batman hielt an, bis auch er wie seine atomar verseuchten Kollegen in den anderen Heften anfing, gegen Ausserirdische und Monster zu kämpfen. Vermutlich begannen zeitgleich meine Interessensgebiete neue Wege einzuschlagen (Frauen machten plötzlich mehr Sinn in Strumpfhosen als Männer) und so verlor mich Batman für viele Jahre, bis sich in den 80ern Leute wie Alan Moore und Frank Miller der Figur annahmen. Sie holten Batman zurück aus dem Weltall in die großstädtische Nacht, tauschten blaues Trigema gegen schwarzen Kunststoff und Metall und setzen sich mit der schizophrenen Psyche des Bruce Wayne auseinander. Und so hatte mich Batman mit neuen Klassikern wie „Year One“ oder „Dark Knight“ zurück.
Ich hole etwas weiter aus, um klar zu machen, dass mir das Thema „Superhelden“ nicht fremd ist, im Gegenteil. Ich liebe diese Kultur, mochte neben den ersten Batman Verfilmungen auch die der X-Men Serien, obwohl auch diese mir als Hefte niemals viel gaben. Und ich habe zwar die erste Spiderman Verfilmung nicht gesehen, aber viel Gutes darüber gehört und mich daher immer ein wenig darüber geärgert, den Film im Kino verpasst zu haben.
So war ich also nicht unfroh darüber, dass im Babylon an diesem Abend kein indonesischer Dokumentarfilm, sondern „Spiderman 2“ lief. Großes Kino, tolle Bilder, grandiose Flug- und Kletterszenen hatte ich erwartet. Spannende Auseinandersetzungen mit der Person Peter Parker und seinem klebrigen Alter Ego.
Weit, sehr weit gefehlt!
Kein Drama. Keine psychologischen Einblicke. Kein „Wow!“, wie man es selbst als CGI-verwöhnter Kinogänger des 21. Jahrhunderts bei der „Herr der Ringe“-Trilogie von Peter Jackson erfahren durfte.
Stattdessen musste ich hochgradig alberne, völlig unwitzige Slapstick-Szenen ertragen und wurde als Zuschauer wie so oft in amerikanischen Großproduktionen für gehirnamputiert erklärt, indem man mir simpelste Zusammenhänge der „Geschichte“ wiederholt in schlimmsten Dialogen erklärte. Ich musste grottenschlechtes Schauspiel ebenso ertragen wie die sicher aufwändigen, aber dadurch nicht überzeugenderen Renderings der Hauptfigur, die sich so artifiziell durch die Häuserschluchten hangelte, dass Southpark Charaktere im Vergleich wie menschliche Darsteller anmuten.
Ich war nicht nur unbeeindruckt, ich war gelangweilt, enttäuscht und sauer. Und als sich nach ca. 30 Minuten endlich das Böse in Form der Figur Doc Ock manifestierte, die schon im Comic recht albern war, im Film aber endgültig zu einer aggressiv blöden Witzfigur wird, überprüfte ich durch einen Blick zu meiner Sitznachbarin unsere Meinungsübereinstimmung und wir verließen das Kino.
Was für ein unglaublicher Scheißfilm.
Nun kann man einen Abend so nicht ausklingen lassen. Ein schlechter Film verdirbt einem die Laune wie kaum etwas anderes. Ersatz musste her. Die Zeit war auf unserer Seite, das Wetter ebenso und wir erreichten pünktlich das Freilichtkino Hasenheide, um uns das Spiderman-Kontrastprogramm „Vergiss mein nicht“ zu geben.
Und so nahm unser Samstagabend doch noch eine tolle Wendung und stimmte uns auf später folgende gute Gedanken zu gutem Whisky ein.
„Vergiss mein nicht“ ist ein Meisterwerk aus dem Hause Charlie Kaufmann (Being John Malkovich, Adaption) mit einer großartigen, liebenswert nervigen Kate Winslet und einem ebenso großen, nur ganz selten Grimassen schneidendem Jim Carrey, der um seine Erinnerung an seine Liebe und damit um sie und sich selbst kämpft. Ein Film zwischen moralischem Drama, Neuzeit-Kritik, urbaner Komödie und Märchen, der herausfordert, bewegt, inspiriert und Spaß macht.
Und selbst wenn mir sehr klar ist, dass zwei so unterschiedlich gemeinte Filme wie „Spiderman 2“ mit „Vergiss mein nicht“ nicht zu vergleichen sind, sind doch die Kriterien, die die Qualität eines Films bestimmen immer die gleichen, egal welchem Genre er zuzuschreiben ist:
Bewirkt der Film etwas beim Betrachter? Wie entlässt er ihn in seine eigene Welt, wenn der Abspann zu Ende ist? Und vor allem: Lohnt es sich, zwei kostbare Lebensstunden dafür zu opfern, sich den Film anzusehen?
Im Fall von „Spiderman 2“ waren selbst 30 Minuten zu viel. Im Fall von „Vergiss mein nicht“ war keinen Sekunde verschwendet.
Ach ja: Eine Gemeinsamkeit haben die beiden Filme. Kirsten Dunst spielt sowohl in „Spiderman 2“ als auch in „Vergiss mein nicht“ mit. In letzterem kann man sie im gerippten Unterhemd sehen. Wieder ein Argument für „vergiss mein nicht“.