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Ziemlich Lessig

Der Mann kann reden. Er ist Anwalt. Noch dazu ein amerikanischer, eine Tatsache, die ihn die Wichtigkeit des Wie möglicherweise noch vor dem Was umso genauer kennen lässt.

Eines seiner Bücher habe ich gelesen und war beeindruckt von seiner Intelligenz und den Argumentationsketten, und so pilgerte ich gestern Abend wie etwa 200 weitere Gäste ins DBB-Forum, in das die Bundeszentrale für politische Bildung mit Unterstützung der Journalistin Anjana Shrivastava unter dem mir immer noch unverständlichen und völlig verkorksten Titel „Pistolen und Eisenbahnen – Die Technologien der Macht und die Emotionen des kleinen Mannes“ zur Podiumsdiskussion mit Lawrence Lessig und Peter Baldwin eingeladen hatte.

(Ich ließ übrigens Turbonegro dafür sausen, so alt bin ich schon.)

Es ist bekannt, dass Lessigs Vorträge absolut sehenswert sind, egal, ob man Freund oder Kritiker seiner Theorien zur freien Kultur, zum Copyright, zum Urheberrecht ist. Wer jemals auf Kongressen oder anderen Veranstaltungen war, weiß Ausnahmeredner wie ihn enorm zu schätzen.

Denn Lessig trägt nicht einfach nur vor, sondern er erzählt eine Geschichte. Mit einem Anfang, diversen Spannungsbögen und einem Ende. Und mit zurückhaltenden, aber sehr wichtigen weil unterstützenden Worten und Bildern, die per Keynote (nicht Powerpoint!) und PowerBook auf der Leinwand hinter ihm erleuchten. Ohne sich dabei zu oft zu dieser Leinwand zu wenden und ohne in seiner Rede zu stocken bedient Lessig fast unmerklich diese Präsentation mit einer kleinen Fernbedienung in seiner Hand, und so beobachten die Zuschauer fasziniert ein perfektes Zusammenspiel von Bild, Text und Rede.

Der Mann ist ein Profi. Und so erwische ich mich dabei, wie es mir ob des unterhaltsamen Vortrags immer schwerer fällt, seine Gedankengänge mit meinen abzugleichen, sie auf ihren individuellen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Lessig reitet rasant, witzig und spannend durch das 20. Jahrhundert der Medien und Technologien, Konsumenten und Kreativen, er zitiert, argumentiert, fragt uns alle und antwortet stellvertretend selbst. Und landet am Ende beim scheinbar einzig logischen Schluss, bei den Creative Commons nämlich, die er maßgeblich mitgestaltet und für deren Organisation er arbeitet und wirbt.

Man muss aufpassen, sich durch diese wirklich begeisternde Form der Darbietung nicht zum Evangelisten überrumpeln zu lassen, sollte sich aber ebenso vorsehen, Lessig als Blender zu verurteilen. Denn das ist er nicht.

Lawrence Lessig weiß, wovon er spricht, er steht auf der „richtigen Seite“, er ist aktiv und es scheint keinen anderen Zweck seiner Arbeit zu geben als die Sache, um die es geht.

Um diese Sache geht es auch beim als „Gegner“ geladenen Peter Baldwin, der sich bemüht, Lessigs Thesen gekonnt zu zerlegen und ihnen zu widersprechen.

Leicht ist das für den Autor von „Disease and democracy“ nicht, denn nachdem Lessig elegant, durchaus populistisch und mit langsamen und klaren Worten durch seine Argumente surfte, nuschelt Baldwin ziemlich schwer verständlich in sein Mikrofon, klickt sich durch ein paar eher unglückliche Beispiele in seiner Präsentation und behauptet mal eben, der Großteil der heutigen (Pop-) Kultur würde aus Collagen bestehen. Im Gegensatz zu früher.

Zwischendurch schnäuzt er in sein Taschentuch, denn er hat Schnupfen, der arme Kerl.

Baldwins Auftritt hätte also nur noch unglücklicher sein können, wenn er im Freien stattgefunden und mit seiner Rede auch der Regen eingesetzt hätte. Was sehr schade war, denn es ist nicht unmöglich, Lawrence Lessig herauszufordern. Und gerade Baldwins Sorgen um die individuelle Privatsphäre hätten ein spannender Diskussionspunkt werden können, doch auch diese gingen im Nasenauswurf unter.

In der folgenden Publikumsdiskussion, die leider mit nur zwei Wortmeldungen keine wirkliche solche wurde, zeigten sich beide Redner als freundliche und Diskurs-offene Experten, auch hier lag jedoch der Ball bei Lessig.

Outro: Während der anschließenden geselligen Runde konnte ich ein paar Spreeblick-Leser sowie Linda Link kennenlernen (ihr Bericht ist hier), nette Bekannte treffen und mir von Sebastian Bödeker ein Buch schenken lassen, ein schöner Abend also.

Turbonegro haben bestimmt mehr gerockt, aber dafür hatten wir Häppchen.

8 Kommentare

  1. 01
    Stefan_K

    … und wir hatten wieder keine Ahnung davon und waren bei den Culture Vultures auf der saulangweiligen Einstein-Eröffnung. Mist. Hab‘ vor lauter Auf-Die-Häppchen-Warten noch nicht mal die Ausstellung gesehen. Grrrrr.

  2. 02
    Jörg

    auf seiner webseite kann man übrigens den links zu einigen video-aufzeichnungen folgen, er ist wirklich ein guter redner, präsentator.

  3. 03

    wg. Keynote oder PowerPoint: Danke für die Klärung ;)

  4. 04

    Konnte man an den Überblendungen sehen. :)

  5. 05

    Nun denn, dein Redebeitrag war ebenfalls nicht unbeeindruckend..

    Mich persoenlich haben seine Buecher zwar nie wirklich mitreissen koennen, seine Art der Praesentation dafuer aber umso mehr. Bemerkenswert sind besonders die historischen Parallelen, die er zieht, ebenso die Aktualitaet seiner Beispiele.

    Ein gelungener Abend. Auf dass er uns bald mal wieder in Berlin besucht.

  6. 06
    bastian

    Zum Thema fällt mir ein, dass Lessig gerade sein Buch „Code and Other Laws of Cyberspace“ in einem Wiki zu einer Version 2 ausbauen möchte :

    http://codebook.jot.com/WikiHome

  7. 07

    … dabei hätten mich diese pistolen WIRKLICH interessiert….;-)

  8. 08

    die bücher sind klasse….