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Tiere in the Haus!

Menschen brauchen Haustiere. Blödsinn, brauchen sie gar nicht.

Kinder brauchen Haustiere. Und Kinder gelten ja in unseren Breitengraden, zum Erstaunen vieler Eltern und trotz täglicher „Ich lass mich jetzt ungeachtet möglicher Spätfolgen für meine Kniegelenke einfach mit voller Wucht auf diesen steinernen Gehweg fallen, wenn ich kein Eis bekomme“-Dramen oder „Wie gefällt dir dieses zum Zwecke der Schleuderwinkel- und Schwung-Verbesserung an einer Schnur befestigte Metall-Spielzeugauto auf deinem anderthalbjährigen Schädel?“-Experimenten auch als Menschen.

Nun sind Kinder und Tiere je nach Größe des Tiers und grundsätzlicher Gewaltbereitschaft des Kindes eine gewagte Kombination. Ich selbst, schon als Kind eher pazifistischer Natur (also Schisser), habe höchstpersönlich bereits vor Beginn meiner Schulzeit diverse Haustiere kommen und gehen sehen.

Unser Albino-Kaninchen (weiß mit roten Augen) setzte seinem jungen Leben bei dem Versuch, ein Stromkabel zu durchbeißen ein jähes Ende, ein Wellensittich dachte, ein geöffnetes Fenster bedeute Freiheit und ein Hase, ich weiß nicht mal mehr, ob es unserer war, ist ertrunken. Sein Lieblingsplatz war nämlich ein leerer Plastikeimer, der immer auf dem Balkon stand und als eines Tages versehentlich ein zweiter, mit Wasser gefüllter Eimer daneben stand, sprang der arme Hase in den falschen Eimer. Obwohl dieser eine ganz andere Farbe hatte als seiner.

Man lernt daraus, dass Hasen mit Farben nicht so viel anfangen können und dass Kinder meist eher gar nicht auf Haustiere aufpassen. Noch heute quälen mich manchmal Albträume, in denen ich in verschiedenfarbige Eimer springen muss von denen einer (ich weiß natürlich nicht, welcher) mit Wasser gefüllt ist. Moderiert werden meine Versuche von Ulla Kock am Brink und dann wache ich schweißgebadet auf.

Eltern seien also gewarnt: Tiere sterben, manchmal sogar auf natürliche Art und Weise, und bei Kindern hinterlässt der plötzliche Tod der geliebten Schmuse-Tarantel oft unvorherseh- und unheilbare psychische Schäden, denn natürlich leiden die Kleinen sehr unter dem Ableben der Tiere. Zumindest zehn Minuten lang, denn dahinten fährt gerade ein Müllwagen, den man sich unbedingt ansehen muss.

Unsere Familie blieb bisher vom üblichen Kleinstvieh wie Hamstern, Kaninchen und Mäusen verschont, denn wir haben einen Hund. Dieser würde sich zwar sicher sehr über handliche Spielkameraden freuen, doch die Kinder selbst äußerten bis vor kurzer Zeit keinen Wunsch nach Erweiterung des häuslichen Zoos.

Nun begab sich aber letzte Woche ein Kindergeburtstag, bei dem das unangefochtene Knüller-Geschenk ein kleines, durchsichtiges Kunststoff-Etwas war, welches mit Luftlöchern, einer Tür und einem Henkel ausgestattet entfernt an ein kleines tragbares Haus erinnert. Der Zweck dieses Etwas ist die Aufbewahrung und Beobachtung von Insekten, Käfern und anderen Erdbewohnern, die man nicht gerne um 7 Uhr morgens aufs eigene Kopfkissen geschüttet bekommt. Eine Lupe (zum Observieren) und eine Pinzette (zum Sezieren) liegen dem Etwas bei. Und da der Kindergeburtstag im Freien stattfand, haben wir seit einigen Tagen neue Haustiere.

Schnecken.

Fünf Schnecken. Wenigstens waren es mal fünf, ganz am Anfang, aber eine ist beim Lüften im Park entwischt („weggerannt“ wäre irgendwie der falsche Begriff). Die verbleibenden vier Schnecken schienen sich jedoch recht wohl in ihrer neuen Behausung zu fühlen. Für frisches Futter wurde in Form von Blättern schließlich gesorgt und die Aussicht war auch prima, immerhin stand der Plastik-Bungalow mit seinem schleimigen, aber durchaus hübschen Inhalt wahlweise auf dem Balkon oder einem Fensterbrett.

Man unterschätzt den Gesprächsstoff, den Schnecken liefern können. So wusste ein fünfjähriger Freund der Familie nach Sichtung der Weichtiere zu berichten: „Man kann Schnecken zähmen. Wenn man ihnen regelmäßig Futter gibt, werden sie ganz lieb.“

Noch während unsere Gedanken um die bitteren Erfahrungen des jungen Mannes mit jähzornigen und angriffslustigen Schnecken kreisten, fiel unser Blick auf eines der Tiere im Plastikhaus. Das sah nicht gut aus. Der kleine Racker hatte sich seit einiger Zeit nicht mehr aus seinem eigenen Haus getraut und die vertrocknete Ummantelung, die ihn umgab, ließ entweder auf Hungerstreik oder Freitod schließen. Oder beides.

Wir befreiten den armen Kerl aus dem Spielzeug-Biotop und legten ihn zur besseren Begutachtung seines Gesundheitszustands auf die Spülablage. Ein wenig Wasser dazu, vielleicht hat er ja nur Durst. Nichts. Kein Mucks. Auch nach einigen Stunden nicht. Sicher war er ganz natürlich an seinem hohen Alter zu Grunde gegangen, redeten wir uns ein. Und gingen Müllautos gucken.

Am Abend unserer Rückkehr nach Hause jedoch war die Überraschung groß. Denn weder Freitod noch Durst waren die Gründe für die Introvertiertheit von Nummer Vier gewesen. Und tot war er (sie?) auch nicht, ganz im Gegenteil: durch gezielte Täuschung und cleveres Tote-Schnecke-Machen hatte das Tier den Weg in die Freiheit und zu einer Schale mit Erdbeeren gefunden, eine Strecke von schätzungsweise 20 Zentimetern zzgl. Schale hoch und in die Schale rein. Und da saß die Schnecke nun, auf einer Erdbeere trohnend und höhnisch grinsend. Zumindest kam uns das so vor.

Zur Feier der Wiederauferstehung bekamen die übrigen drei Kumpels ebenfalls Erdbeeren zum Abendbrot. Und der kluge Hypochonder heißt jetzt Gerhard. Denn er wollte rein. Und kam rein. Wenigstens vorübergehend.

25 Kommentare

  1. 01
    Lord of Karma

    Oh Johnny! Danke! Das war wieder eine herzerfrischende Geschichte. Erinnert mich irgendwie an meine Kindheit, als Kinder noch auf der Straße spielen konnten. Wir sammelten immer Schnecken, zeichneten eine „Rennbahn“ auf den Teer und veranstalteten dann ein Schneckenrennen. War ganz schön zeitaufwendig… :)
    Man durfte die Tiere nicht berühren, aber es war erlaubt vor ihnen auf ihren „gewünschten“ Weg zu spucken, weil sie ja dann schneller „liefen“! Haha…das waren halt noch Zeiten. Jetzt bin ich 40 und wenn ich sowas meinen Kindern erzähle wundern die sich nur, wie ihr Alter so verrückt sein konnte….
    Irgendwie ist schon was dran an dem Spruch: „Früher war alles besser“!
    Danke für diese schöne Geschichte, die mich „Back in Time“ brachte….

  2. 02

    Scheckenrennen… gute Idee, das sollte sie eine Weile beschäftigt halten. ;) Ich schlag das mal vor, wird sicher ein… Renner!

  3. 03

    Schnecken als haustiere :D – wenn das mal nichts ist – johnny, müsste ihr mit denen gassi gehen – schnecken an der leine wow :D wie lange dauert das gassi gehen – 7 stunden? (wäre dann ja kaum zeit fürs bloggen)

  4. 04

    „Hase sprang in den falschen Eimer.“
    Mann, da hätte ich vor Lachen fast den Kaffee in meine Tastatur gespuckt. Sehr schöne Geschichte.

  5. 05
    ulla

    Och wie schön. Nehmt ihr auch heimatlose Schnecken auf, die sonst im Hof bei dem Versuch den Weg zu überqueren, leider zum großen Teil überfahren werden?
    Wär doch eine nette Idee, ein Schneckenasyl für meteorologische Flüchtlinge oder so ähnlich.
    Ein 4jähriger Junge, auf den ich einmal wöchentlich aufpasse, sammelt gelegentlich Kellerasseln (die aber eigentlich Steinasseln heissen müssten, weil sie ja im Garten unterm Stein wohnen) zur Beobachtung in einem Plastikbehalter. Vielleicht kann ich ihn ja dazu überreden, demnächst Schnecken aufzunehmen. Obwohl, er gibt den Tierchen immer ein bisschen zuviel Wasser, „damit sie nicht verdursten“. Können Schnecken schwimmen?

    Übrigens vergessen Kinder doch nicht alles Tragische so schnell.
    Ich habe mit ca. 5 Jahren zum ersten Mal (bewusst) mit angesehen, wie mein Papa ein Kaninchen schlachtet. Meinem Häschen flüsterte ich ins Ohr „keine Angst, dich kriegt er nicht“. Nächtelang konnte ich nicht schlafen, ohne mein Kuschelhäschen ganz fest unter der Decke an mich zu pressen und bin in Panik verfallen, wenn ich es morgens nicht finden konnte, weil ich Angst hatte, es würde sonst auch als Braten auf unserem Tisch landen.
    Der Braten war übrigens lecker.
    Und mein Häschen ist inzwischen fast 28 Jahre alt.

  6. 06
    Trinity

    Klasse Geschichte!!! Habe als Kind auch wahnsinnig gerne mit den kleinen Schleimschneckchen gespielt, die Eichhörnchen waren immer zu schnell für mich :-) Einmal haben mein Vater und ich im Urlaub die Schneckehäuser mit pink- und lilafarbenen Edding-Stiften angemalt und das Viehzeugs wieder ausgesetzt. Noch heute machen wir beim Spazierengehen Scherze darüber, ob irgendjemand eins unserer lebendigen Kunstwerke gefunden hat.
    Ach ja, die Kindheit war doch was Schönes!

  7. 07

    Wer in früher Kindheit selbst miterleben durfte, wie der eigene über alles geliebte Hund von einem Auto brutal zu Tode gefahren wurde, der überlegt sich zukünftig mehrmals, ob er seinen Kindern überhaupt mal ein Tier schenkt. Die Frage nach den psychischen Auswirkungen eines solchen Vorfalls ist mehr gerechtfertigt als ihr glaubt …

  8. 08
    der erhobene Zeigefinger

    Am besten, laßt die Finger von Schnecken oder sonstigen Lebewesen, wenn ihr nicht ganz genau wißt, dass es ihnen gefällt, wenn ihr sie gerade anfasst, rumtragt, als Haustier benutzt …

    Schnecken können sich nicht wehren. Und wir sind nicht in der Lage ihre Gefühle zu erkennen. (Jonny, du konntest nicht mal erkennen, ob Nr. 4 noch lebt oder schon Tod ist.) Also denkt mal nach und stellt euch vor, IHR wärt so ein Wesen….

    …vielleicht esst ihr dann auch keine Tiere mehr…

    Für Friede, Freude und Eierkuchen ;)

  9. 09

    Ich stell mir ganz oft vor, ich wäre eine Schnecke.

  10. 10
    ulla

    Die Klugscheisserin says: lasst schreibt sich wegen des kurzen Vokals mit ss, Johnny schreibt sich mit h, tot als verb klein und mit t hinten. Leben und Tod sind keine Gefühle, sondern Zustände.
    Und wer denkt an die Gefühle des Eierkuchens, wenn er mit blutiger Erdbeermarmelade beschmiert zerrupft und verschlungen wird?

    Entschuldigung, ich muss mich immer einmischen.
    Schöne Grüße an Gerhard.

  11. 11

    Eierkuchen sind doch auch schon fast Lebewesen – mehrere sogar. Zu Klump gehauen, noch bevor sie als frühe Vögel die Würmer fangen konnten. schluchz.

  12. 12
    der erhobene Mittelfinger

    @ulla: genau, Eierkuchen sind auch nur Lebewesen

    schöne Grüsse (haha ein Fehler) an:
    Johnny
    Jonny
    Jony
    Johnnie
    Schohnny
    und den ganzen Rest

  13. 13
    der erhobene Mittelfinger

    @QWERTZwerker: Muß da nicht erst noch Mamma-Vogel und Papa-Vogel gevögelt haben????

    die Fehler sind für ulla ;)

  14. 14
    ulla

    An Mittel und Zeigefinger: Fünf Finger winken freundlich zurück. War doch nur Spaß und nicht böse gemeint.
    Und Johnny kann doch gar nichts dafür, wenn ich an meinem ersten Tag hier gleich klugscheissen muss.

  15. 15
    winke-winke-Hand

    @ulla: die finger gehören an meine Hand. habs nicht böse aufgefasst – ist nur Spaß.

    http://www.visuelles-denken.de/Bilder/c_winken.jpg
    (Nein, die Frau im Bild bin ich nicht, hab nur irgend ein „winken“ bild ergoogelt – in Wirklichkeit bin ich ein Hund – äh, eine Schnecke)

  16. 16
    S.

    sehr gelacht. vor allem. der kock am brink traum.

    solche träume sollten generell von frau kock am brink moderiert werden.
    ich hab‘ da so’nen alljährlichen ballett-traum (mach‘ ich nicht mehr seit x jahren), dem bisher der richtige moderator fehlte.
    steh auf einer bühne mit hundert elfengleichen eleven. überrage alle um längen und tanze wie elefant im minimundusladen.
    linda de mol wäre vielleicht auch noch dafür zu haben.
    danke – schöner text

  17. 17

    Ich halte mir auch Haustiere.
    Spinnen!
    Die halten mir wenigstens die lästigen Fliegen und auch Mücken vom Hals. Und ab und zu kriegen sie auch Ameisen zu fressen, wenn diese sich mal wieder ins Haus wagen, da es in deren Bau zu heiß wird. Was wünscht man sich mehr als Spinne. Und wenn die mageren Zeiten anbrechen, kann man als Spinne immer noch Hautschuppen futtern…

  18. 18
    kissa

    Ich hab so mit 9 oder 10 Jahren mir auch Schnecken gehalten. Vorher hatten meine Schwester und ich eine Raupe. Eine schöne fette gelbe haarige, die laut Schmetterlingsbuch das Ziel hatte, einmal ein Admiral zu werden. Was sie auch ziemlich schnell in die Tat umsetzte. Sie verpuppte sich in einer Ecke ihrer Kiste. Dann waren Ferien, wir fuhren weg und meine Mutter, die nur einen nutzlosen Karton auf dem Balkon sah, machte diesen platt und damit auch alle Zukunftspläne der Raupe. Daraufhin kamen die Schnecken. Erst 2 Weinbergschnecken, von denen eine wohl immer noch in der alten Wohnung rumkriecht. (Ich fand einige Jahre nach ihrer Flucht Fraßspuren an meinem Mathehefter, die verdächtig nach Schnecke aussahen. Ebenso wie die Tapete hinterm Schrank.) Die verwaiste zweite Schnecke wurde dann wieder freigelassen und durch einen Karton voller Hainschnirkelschnecken ersetzt, die alle Namen bekamen und Rennen an Wäscheleinen durchführten. Wann die dann wieder in ihren natürlichen Lebensraum entlassen wurden, weiß ich nicht mehr. Irgendwann hatte meine Mutter dann jedenfalls die Nase voll, und es gab einen Kater.

  19. 19

    „Man kann Schnecken zähmen. Wenn man ihnen regelmäßig Futter gibt, werden sie ganz lieb.“

    Ist ganz besonders wichtig bei der Gemeinen Werschnecke (Helix lycanthropia L.) :-D

    Aber der Hase, der wortwörtlich im Eimer war, doch eher ein Kanninchen?

  20. 20

    *looool*
    Sehr gut! You made my day!
    Bei uns im Garten lagern übrigens Dutzende toter Tiere – meine Schwester und ich haben jeden Vogel, der gegen unsere Fenster flog, unter Tränen neben dem Kompost bestattet. Und die unzähligen Igel, die bei uns starben (PS: Igel haben immer Flöhe…)
    Heuschrecken sind übrigens auch dankbare Haustiere… Jedenfalls für eine Weile, dann sind sie so oft gegen den Deckel das Glases gesprungen, dass sie sterben. Schädel-Hirn-Trauma vermutlich.

  21. 21
    sissi

    ich hoffe, es handelt sich bei den vier inhaftierten gastropoden (musste spontan an hannibal lector denken, der war doch auch hinter plexiglas…?) nicht um weinbergschnecken. diese unterliegen nämlich der bundesartenschutzverordnung… :)))

    und von wegen sie oder er: „Die Tiere sind zwittrig in zeitlicher Abfolge, d.h. es begatten sich Männchen – mit einem Vorspiel – die dann zu Weibchen werden (…)“

    aber das macht doch irgendwie gar keinen sinn, oder?

  22. 22
    pedro

    sehr schön!

    ich habe als kind auch schneckenrennen veranstaltet, allerdings ging der spaß daran schnell verloren, da die kleinen schleimis selten in die gleiche richtung aufbrachen. an wäscheleinen hab ich damals noch nicht gedacht… das lesen der kommentare warf bei mir die frage auf, ob die idee des schneckenrennens aus einem g+u ratgeber „kinder“ stammt und nur die blagen stundenlang beschäftigen soll, oder ob kinder automatisch irgendwann auf den trichter kommen, kriechtiere zu sportlichen leistungen zu animieren… wer weiß.

    gruß, pedro.

  23. 23
    Haustier

    Haustier says to ulla: Scheißen tun wir aber wennschonklugdannbitteweiterhin mit ß.