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VICE in Deutschland

vice

Das aktuelle Lieblingsthema der Tagespresse heißt „VICE“. Das kostenlose Magazin, vor einem Jahrzehnt in Kanada geboren und nun erstmalig auch mit deutschsprachigen Inhalten erhältlich, wird von Harald Peters in der Berliner Zeitung gleichzeitig liebevoll und hämisch als „Mischung aus Punkrock, jugendfreier Amateurpornografie, BZ und Geo“ umschrieben (auch wenn offen bleibt, was „jugendfreie Pornografie“ ist) und amüsiert und schockiert im Moment zunächst die Autoren der klassischen Feuilletons, die gerne eine Einladung zur Erstausgabenparty hätten.

Netterweise gibt es die VICE-Inhalte nicht nur gedruckt, sondern auch (komplett?) im Netz und so kann man sich einen prima Eindruck der ersten deutschen Ausgabe verschaffen.

Danach erkennt man auch, wie schlau VICE gemacht ist. Neben einer angenehm verwirrenden Mischung aus Themen, die auf der Hand liegen und die dennoch kein „normaler“ Redakteur in selbige nehmen würde (schwule Nazis, niedliche Babies), überhaupt nicht blöden Tipps (Hey DJ, Fuck You!) und spannenden Artikeln aus der Originalausgabe (Skate and destroy) ist es vor allem die Cleverness, mit der VICE „Tabuthemen“ als offensichtliche „Boah!“- und „Krass“-Faktoren nutzt um die junge Leserschaft zu locken, um dann möglichen Vollidioten-Vorwürfen mit wirklich guten und „echten“ Stücken wie Grimewatch den Wind aus den Segeln zu nehmen, die überzeugt.

Noch kommen einige der besten Beiträge scheinbar „von drüben“ und auch die Kommentare zu den Online-Artikeln scheinen noch nicht richtig zugeordnet zu sein. Auch die streckenweise etwas krampfig wirkende hohe Frequenz von Fäkal- und Porno-Sprache kann nerven, aber wie gesagt: es wäre falsch, VICE auf ein Wichsblatt für untersexte Skater-Kids zu reduzieren. Einen Beitrag wie „Hippie-Faschisten“ hat sicher kein Kind getippt und wer gut aufpasst stellt schnell fest, dass VICE es ebenfalls sehr klug vermeidet zu den nicht ganz leicht verdaulichen Themen Stellung zu beziehen oder gar eine pädagogische Position einzunehmen.

An diesen Stellen nämlich bildet VICE einfach nur ab, stellt hier und da genau die Frage, die man selbst auch gestellt hätte und enthält sich der Wertung. Völlig uneigennützig ist das natürlich nicht und man darf sich zu Recht fragen, ob die nicht nur von VICE genutzte und längst in den Mainstream eingezogene, inhaltliche und visuelle „Junkie-Ästhetik“ irgendeinen sogar künstlerischen Sinn macht oder nur Zeichen einer völlig degenerierten Gesellschaft ist; und wie bei vielen Dingen, die man sich fragt, muss man auch hier selber antworten. Denn VICE tut das nicht.

VICE ist keine Kopf- und Demographie-Geburt aus dem Hause Springer & Jahr. VICE ist, wenn man dieses abgelutschte Wort noch benutzen darf, echt. Ob man es mag oder nicht tut dabei nichts zur Sache, fest steht, dass das Ding schon jetzt Pflichtlektüre für alle „Jugend-Redaktionen“ ist, denn irgendwo müssen die Themen fürs überüberübernächste Heft ja herkommen, wenn man sich schon selber nicht mehr auf die Straße traut.

Die Herstellung der ersten deutschsprachigen Ausgabe von VICE war sicher ein nicht ganz einfacher Spagat, erstmal muss schließlich auch genug Rummel her, damit es alle mitbekommen. Die amerikanischen bzw. kanadischen Ausgaben, von denen ich einige ältere kenne, haben eine sehr eigene Sprache und halten eine wirklich einzigartige Balance aus Respektlosigkeit und Kompetenz. Wäre klasse, wenn VICE Deutschland das auch hinbekommt. Viel Glück dabei!

Anmerkung: Falls sich jemand der VICE noch nicht kennt fragt, wozu man ein kostenloses Magazin rausbringt: Es geht um die Marke. VICE startete als Magazin, ist aber inzwischen Platten- und Modelabel und macht Filme. It ain’t what you do, it’s the way that you do it.

30 Kommentare

  1. 01

    Klasse Teil. Nicht weniger spektakulär war seinerzeit das Musikmagazin Bodystyler, für das QWERTZwerker bereits fleißig geschrieben haben.

    Eigentlich nichts Neues also.

  2. 02
    Stefan_K

    Lieber Johnny, lieber Max,
    ich wollte eben mal wieder die (B)-Funktion nutzen, datt tut aba nich klappen. Sitze mit Firefox 1.05 auf Mac OS 10.3.9

    Any idea?

    Vielen Dank im voraus, Jungs!

  3. 03

    Mein erster Eindruck: unausgegoren, die Schreibe teilweise un- oder überüberpointiert. Keine Stellung zu beziehen sehe ich nicht als lobenswert an sondern als Schwäche. Mal abwarten, wie es sich entwickelt.

  4. 04

    Stefan_K: Max ist dran.

  5. 05

    http://www.viceland.com/germany/v1n0/htdocs/skate.php

    Hammer!

    Gibts bestimmt wieder nur in Berlin, also die
    gedruckte Ausgabe.

  6. 06

    Mir persönlich etwas zuviel Pseudo-Irgendwas-Garnichts, und vorallem nicht „echt“. Sprach- und Bild-Stil sind wohl eher von b0g.org (und Ähnlichem) übernommen und auf mehr Massentauglichkeit getrimmt.

    Und Artikel wie „Hippie-Faschisten“ sind tiefgründig, aber enthalten nichts Neues, noch eine klare Stellungnahme. Einfach zuviel Pseudo..

  7. 07

    Oh Yeah! Danke für den Hinweis. Großes Magazin, da muss die Arbeit Spaß machen.

  8. 08
    bussibaer

    herrliches magazin.
    mir gefiel am besten der artikel über den dj=spasti!
    erfrischendes rumpöbeln und herzallerliebste selbstironie.
    bookmark!

  9. 09

    lame. weiss jemand aus aus welchen tempo-ausgaben hier recycled wurde? ;)
    aber „echt“ wirds schon sein. ist ja das traurige.

  10. 10

    Das mit dem Glatzenbashing ist doch nicht wirklich wahr … oder? Sowas gibt’s doch nicht wirklich, ODER?

    Ich mein, in was für einer Fäkalwelt leben wir eigentlich? Beim Gucken von Irreversible (Feuerlöscher-Szene) wollten wir auch nicht so recht gläubig werden.

  11. 11
    Der Eine

    good work, PR has left the building.

  12. 12

    Grml. Kann man den UMFANG der Trackbacks, oder wie auch immer ihr das da oben nennt, irgendwie regulieren?

  13. 13

    Ich habs da grade schon bei den Fotos (http://www.viceland.com/germany/v1n0/htdocs/pictures_jp.php) gepostet (und kann meinen eigenen Kommentar nicht wiederfinden?!?):

    Das Elend wird salonfähig, mit Weichzeichner oder Gegenlicht ztur Kunst gemacht. Und wenn man sowas öfters sieht (und das nehme ich bei dem Zeitungsformat doch stark an), gewöhnt man sich daran, oder bekommt selber einen Kick, wenn man sich sowas ansieht. Ich weiß nicht. Ich brauchs nicht. Und ich ob ich Leute mag, die sowas brauchen, wird sich herausstellen.

  14. 14

    verehrter qwertzhase: für den bodystyler haben damals nicht nur „qwertzwerker“ geschrieben, sondern auch auch teile des von euch so liebevoll umhätschelten spreeblick-imperialisten-konzerns. just for the record.

  15. 15

    Neurodancers are back!

  16. 16
    the_stephan

    Johnny’s grundsätzliche unaufgeregtheit und urteilsvorsicht schätze ich sehr. Mir dagegen geht da bei einigem echt das messer in der tasche auf & ich muss schwer gegen den impuls ankämpfen, meine eigenen eltern zu werden, sozusagen. Und das sind eben die schnell und leicht zugänglichen sachen. Na gut, dann qäul ich mich mal durch die aufwendigeren sachen durch und gucke, ob sich’s die waage hält und ob es da tatsächlich ein vertretbares zusammenspiel von promo-provo und dann eben doch sehr lohnenswertem gibt. (Aber diese pitbullnummer, iiiks, da hab ich dann schon eher keinen bock mehr).

  17. 17

    Stephan, ob das bei den etwas nervigen „Provo“-Nummern bleibt, warte ich ab, denn die passen mir auch nicht. Aber: Genau das ist das Ziel. Ich bin 40. Ich soll das schlimm finden.

    Was nicht bedeutet, dass es damit nicht schlimm ist. :)

    Mal sehen. Die US-Ausgabe fand ich irgendwann ziemlich cool.

  18. 18

    Du bist vierzig?! („Ich soll das schlimm finden“ ist ne coole Reaktion *g*) Auch wenns in nem Blog bescheuert klingt – dann hast Du Dich aber gut gehalten…

  19. 19

    omg, ich bleib dann lieber bei Coupé …

  20. 20
    klausi

    mag zwar echt sein, aber einfach nur abgedroschene extreme zeigen um ueberhaupt noch reaktionen vom publikum zu bekommen, weil es eh schon alles gab und alles irgendwie ausgeluischt ist, finde ich irgendwie arm. ich mag das ding ueberhaupt nicht, zumindest die englische variante. die deutsche ist mir noch nicht in die finger gekommen…

    gruesse vom hudson,
    klausi

  21. 21

    Hi. Ich bin der Chefredakteur vom Vice Magazine in Deutschland. Ich freue mich, Eure vielen Kommentare und Artikel darüber, wie sehr Leute uns hassen etc., zu lesen. Niemand hat behauptet, dass es in Deutschland einfach sein wird. Übrigens, wer auch immer den Spreeblick Artikel geschrieben hat, soll sich bitte bei mir melden.
    Cheers

  22. 22

    Ach der Hector mal wieder. Seltsam, heute so ganz ohne Beleidigungen im american style? Mir war so komisch, als ich seltsame Einträge bei uns im QWERTZwerk gesehen habe …

    Johnny, melde dich besser nicht bei ihm, sonst gibt’s böse Schimpfmails mit Drohung von Klagen, da du ja fremde Grafiken benutzt, etc. etc.

  23. 23
    Mo

    jesus, you fucking dumbshit Germans, vice is the worst fucking thing that happened to the publishing industry. there is nothing „fresh“ about vice – it is nothign but a advertising vehicle and you people buy into it. What does the success of vice worldwide prove? that people are fucking idiots and that humanity is doomed.

  24. 24
    Ace

    I don’t have to read this magazine to see fucked up people, they live right around my corner, sit next to me in the train, stand in queue in front of me. If you get a kick out of it, alright. That doensn’t mean that any highgloss magazine with fashion pics was better. Who knows, perhaps the next fashion pics I’m gonna see are fucked-up people

  25. 25
    lexalot

    also mich unterhalten sie prächtig,aber ich bin auch gemütlich

  26. 26
    the eight

    seh das heft als informativ an und nicht wertend ist da genau das richtige kann doch jeder selber denken (sollte)
    und das ganze für 0 cash da überblätter ich gern bischen werbung irgendwie muss es ja finanziert werden
    die einzige negativkritik ist wie tobias K sagt abstumpfung wie mit afrika aber das hat auch jeder selbst in der hand

    find ich gut