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It’s a game

freak

Ich bin kein Computerspiel-Experte. Nicht mehr. Ich bin „raus“, wie man so schön sagt. Ich gehöre zu der Generation, die noch „Telespiel“ gesagt hat und das letzte komplett durchgespielte Game liegt über sechs Jahre zurück.

Speziell in der Zeit direkt danach waren nämlich die abendlichen Herausforderungen überhaupt nicht „Half Life“, ganz im Gegenteil, und obwohl auch Windelinhalt durchaus die Bezeichnung „Resident Evil“ verdient, beschränkte sich der spielerische Anteil meiner Abende auf das Ausprobieren einiger neuer Games und den ein oder anderen halbherzigen Versuch, mal wieder richtig einzutauchen in diese endlos faszinierende Welt der Rätsel und Monster, der Abenteuer und Gefahren, der großen Taten, niedlichen Helden und fiesen Feinde. Und der bunten Pixelformen, die man in bestimmte Reihenfolgen oder Konstellationen bringen muss und von denen man dann nachts träumt.

Mein Kurztrip zur Games Convention hatte also weniger privates Interesse an Computerspielen als Hintergrund, obwohl ich neugierig war und die Gelegenheit gerne genutzt habe. In erster Linie wollte ich aber die d-frag-Crew treffen, ein paar Vertreter von Firmen sprechen, die Interesse am Sponsoring unserer Blogs bekundet haben, und einen guten Bekannten aus der Branche wiedersehen.

Trotz meiner längeren Abstinenz und meiner völligen Unkenntnis der aktuellen Szene verbindet mich dennoch mit den steuerbaren Welten auf den Bildschirmen jeder Größe sehr viel. Das erste von Papa bei Quelle gekaufte TV-Spiel (Universum, schwarzweiß, Pong mit einem Schläger pro Seite als „Tennis“, mit zweien natürlich „Fußball“), später „Donkey Kong“, „Defender“, „Joust“, „Phoenix“, „Frogger“ und „Galaxia“ (?) zunächst auf dem eine Mark schluckenden Automaten und dann endlich zu Hause auf dem Atari 2600. „Mario“ und „Zelda“ auf dem Nintendo, „Lara“ auf der Playstation und „Myst“ auf dem Mac, „Tetris“ und „Tony Hawk“ auf dem Gameboy – doch, doch – sie alle haben mich als der Teil unserer Popkultur ebenso sozialisiert wie Musik, Bücher und Filme.

Kein Wunder also, dass ich das Glänzen in den Augen der vielen jungen Messebesucher absolut nachvollziehen konnte, denen sich in den Hallen voller Hard- und Software eine fast elternfreie und aus ihrer Sicht geradezu paradiesische Zone voller visueller und akustischer Bombardements präsentierte. Und trotzdem genauso klar, dass ich als Vater etwas skeptisch auf die teilweise auftretenden Horden von aufgeregt „Boah!“ und „Krass!“ rufenden Halbstarken blickte, die durchaus dem gängigen Klischee des etwas zu schwabbeligen Game-Nerds entsprachen. Aber wenn ich mich recht erinnere, waren wir damals beim Sichten und Tauschen unserer Sammelalbum-Aufkleber („Ham wa, ham wa, ham wa, ham wa nich, ham wa“) auch nicht gerade eine intellektuell diskutierende Gruppe von kleinen durchtrainierten Sportskanonen und Leseratten.

Wie so oft findet man eben das, was man sucht. Und so zeigte der wirklich faire Blick auf die knapp 30.000 täglichen Besucher der Messe ein eher schwer zu klassifizierendes Publikum quer durch den wild wuchernden Garten der Pubertät sowie (mal ganz abgesehen von den professionellen Besuchern aus der Branche) viele „Erwachsene“, die im Großen und Ganzen kaum Anzeichen von Verwahrlosung zeigten. Ehrlich gesagt fand ich das Publikum weniger stumpf als jenes, das sich einem bei der Cebit oder IFA offenbart. Und ich bemerkte ein wenig erstaunt, dass relativ viele Mädchen und Frauen unter den Besuchern waren, die nicht den Anschein der genervten Begleitung erweckten sondern aus eigenem Interesse an den Konsolen und speziell den Handhelds zu spielen schienen. Die Konsole oder der Game-PC ist offenbar als elektronisches Familien-Entertainment ergänzend zum DVD-Player, Fernseher und Internet-Terminal Realität, was die zufriedenen Gesichter der meisten Branchen-Vertreter im „Business-Center“ der Ausstellung erklären könnte.

An dieser Stelle standen etwa 87 Kapitel aus meinem bisher nicht erschienenen Buch „Warum Computerspiele zwar irgendwie schon ’süchtig‘ machen und warum man davor aber keine Angst haben sollte weil ja andere Medien wie zum Beispiel Bücher auch fesseln und Spiele schließlich Interaktion fordern und immer noch besser als Fernsehen und was ist eigentlich verdammt nochmal mit Medienerziehung in diesem Land?“, das wohl auch nie erscheinen wird, aber die Ladezeiten der Seite überstiegen dadurch zwei Stunden und daher habe ich den Part lieber gelöscht und zitiere stattdessen lieber Herrn Oborski von der Firma d-frag, der während eines Gesprächs auf der Messe die wunderschönen Worte „Ein gutes Spiel muss mich zum Weinen bringen!“ formulierte.

Der ältere Sohn zeigt in letzter Zeit derart erhöhtes Interesse an meinem alten Gameboy, dass man bereits jetzt mit eingeschränkten „Computerpielzeiten“ beginnen muss, damit genug Zeit für die anderen, ganz realen und ebenso von Kindern eingeforderten Herausforderungen wie Schwimmen, Rollschuhlaufen, Fahrradfahren und anderes Knieaufschürfen bleibt.

Ich möchte nämlich, dass Computerspiele kein schlechte Laune, asoziales Verhalten oder Streit ins Haus bringen. Sondern das, was sie eben auch mit sich bringen können: Spaß und intellektuelle Herausforderungen in Sachen „logisches, flexibles und gemeinschaftliches Denken, Handeln und Reagieren“. Er wird es brauchen können.

Gemeinsam (hoffe ich) haben wir in den kommenden Jahren noch viele Monster zu besiegen, viele Matches zu gewinnen, viele Rätsel zu lösen und viele Abenteuer zu bestehen. Und ich muss sechs Jahre aufholen.

Post Scriptum:

Mein schönstes Messe-Erlebnis

Ich betrachte den neuen Nintendo-Handheld (den mit den zwei Bildschirmen) mit dem Spiel „Nintendogs“ und habe sofort eine nette Hostess neben mir.

Sie: „Soll ich ihnen das mal erklären?“

Ich: „Ja, gerne.“

Sie zeigt auf den Bildschirm: „Also, das hier ist ihr Hund. Mit dem können sie jetzt spielen. Nehmen sie mal den Stift und streicheln sie ihren Hund!“

Ich schaue sie skeptisch an: „Was bitte soll ich?“

„Den Hund streicheln!“

„Mit dem Stift?“

„Ja, für ihre Hand ist der Bildschirm ja zu klein. Machen sie doch mal. Dann freut er sich! Man kann auch Bälle werfen und ihn füttern.“

Ich hab ihr den Gefallen getan, aber ich kam mir wirklich sehr bescheuert vor und war froh, dass mich keiner gesehen hat. Wie ich den Hund streichelte. Mit dem Stift.

Er hat sich aber wirklich gefreut und nach etwa 12 Minuten hat er mir auch die Bälle wiedergebracht.

25 Kommentare

  1. 01

    Da sag noch mal einer, dass Google nicht die passenden Anzeigen zum Artikel findet:

    „Lebe deinen Seelenplan – und finde wahre Glückseligkeit und Freude in deinem Leben.“

  2. 02

    „Hunde – jetzt billig auf Ebay.“ ;)

  3. 03

    ich hab mit dem ganzen zeug auch nicht mehr viel am hut, möchte ich auch nicht: ich würd sonst nur noch viel mehr zeit vor dem bildschirm hängen. ich aberglaub, um einen hund mit einem stift zu streicheln muss man schon etwas schräg drauf sein

  4. 04
    Flo

    …nach etwa 12 Minuten…

    Hmm, das scheint ja dann doch zu fesseln. Irgendwie.

  5. 05
    shensche

    daddelweiber: also meine beiden schwestern sind auch spielerinnen. die grosse meistens Jump’n’Run auf ihrer PS2, die kleine alles mögliche auf ihren zahlreichen konsolen. und das relativ unabhängig von meinem einfluss!
    ich musste gerade fast weinen bei der finalen mission von GTA:SA. nach ca. 45 minuetiger, adrenalin- und schweisstreibender aktion biss CJ dann doch ins grass. bandejos! meine erste sucht: http://www.heimcomputer.de/tele/gwdonkeykong.html. Nintendo saugt heutzutage arsch, knuddeln mag ich lieber mit meiner freundin und nicht mit meiner konsole.

  6. 06

    Hey Johnny,

    das Spiel heißt „GALAXIAN“ und ist meines Wissens von Atari gewesen – gab’s dann auch für den 2600 – Scheiße, ich hab damals meine ganze Kohle in den „GALAGA“ geschmissen, bis ich gemerkt habe, dass da auch 5 Peseten und 5 Pence Stücke reingepasst haben (Juchuuh wir fahren nach Spanien in Urlaub, kiloweise mussten dann die 5 Pesetenstücke mit nach Hause geschmuggelt werden) – Tipp: Sehr gut sind die „MAME“ games für Old School Retro Gamer

    http://www.mame.net

    HD

  7. 07

    Was mich zurzeit wirklich fesselt,mich lauthals zum lachen bringt, aber oft auch zur Verzweiflung treibt, ist…Monkey Island 1. Aus dem Jahr 1990.
    Und dann hab ich mal noch Day o the Tentacle ausgegraben. Geniale Spiele. Und alles in der sagenhaften 256-Farben Version ;)

  8. 08
    Samuel

    Und ich kann heute noch die meisten der Dudelmelodien und Landschaften auswendig aus dem Apple-Tetris auf dem kleinen Mac SE ….. schon der Hammer. ;)

  9. 09
    Benjamin

    Nettes T-Shirt :)

  10. 10

    sehr schoen geschrieben. der hund hat mir am besten gefallen.

  11. 11
    Zyme

    unter mo’s aussage (sorry für das apostroph ;) „ein gutes spiel muss mich zum weinen bringen!“ verstehe ich vor allem, dass man als spieler einen emotionalen bezug zur handlung bzw. den charakteren aufbauen kann. die einzigen spiele, welche mich bisher auch auf emotionaler ebene erreicht haben sind deus ex, beyond good & evil, mafia und darwinia. bei deus ex z.b. die szene, in welcher man als protagonist einen dialog zweier obdachloser verfolgt, die sich im krankenhaus über die tödliche epidemie „gray death“ sowie die tatsache, dass dem großteil der bevölkerung kein heilmittel zur verfügung gestellt wird, unterhalten:

    „Christ. You see the guy begging for a cure? / Yeah. What about him? / It won’t help. There is no cure. / How do you know? / They show you stuff in the military. You wanna know the real battlefield, it’s microscopic. We can’t even see it. Lucky for me, I got immunizations, but that guy… Well, once you’re infected, you’re infected. / And what about me? / I don’t know… you got lucky. Not a bad thing to be… / I wish to hell they’d give us the all-clear. / You making a play today? / Nah, scavenged some copper wiring, wanted to get back and try it out on the sculpture. / Christ, you and the sculptures. What’s this one called? / „The Man Who Was Thursday.“ / Makes as much sense as the last one. What was it called? „Napoleon“ something or other? / „Napoleon of Notting Hill.“ / Doesn’t seem much use for sculpture today. / There’s always tomorrow.“

  12. 12

    Holger: Es war damals auch anders möglich, die Automatenaufsteller zu bescheißen. Einfach die Markstücke an einem Faden mit Tesafilm befestigen, ein Stück weit in den Schlitz halten und irgendwann wieder rausziehen. Das hat wirklich geklappt. Heute schätzungsweise nicht mehr.

    Übrigens machen Nostalgie-Attacken die Materie immer wertvoller, als sie eigentlich war. Das gilt für „Telespiele“ (F1-Kommentatoren nennen Videospiele heute immer noch so …), für Frauen, für Autos und für jegliche Art Wundergeschichte aus tiefster Vergangenheit. Ich musste mich doch jüngst sehr wundern, Maniac Mansion innerhalb von 15 Minuten durchspielen zu können. Das mir in Erinnerung gebliebene fabelhafte Ghosts’n’Goblins hat man als Profi in knapp 6 bis 7 Minuten durch! Und Out Run sieht wirklich zum Kotzen aus. :-)

    Aber es gab ja auch wirklich tolle Spiele (abgesehen von Berserk auf dem 2600er und Missile Command am gläsernen Spieltisch mit Trackballs): Rollenspiele auf dem C64. Nie werd ich die langen langen intensiven Wochen mit Spielen wie The Bard’s Tale, Pool of Radiance oder Wasteland vergessen – dazu waren diese Spiele auch noch knallhart und nur was für Nerds, die auch Bock hatten, Karten mitzuzeichnen. Womit auch schon gleich der Einstieg in ein echteres soziales Umfeld geschaffen worden ist, nämlich hin zu den Pen&Paper-Rollenspielen. Bei denen lernt man dann auch erst kennen, wie irre wirklich manche Menschen/Jugendliche sind (und dass Rollenspieler irgendwie immer stinken und ungewaschen sind).

    Tja, und so kam es dann auch, dass ich später beruflich als Redakteur in dieser Branche tätig war (PC Spiel (ehemals ASM), PC Power, Powerstation, Inside Multimedia, Big N (64 Power), ComputerBILD Spiele …). Und es auch heute noch nebenberuflich bin. Die Liebe zu den Spielen an sich hatte dadurch, wegen der professionellen und hastigen Herangehensweise, irgendwie zu leiden.

    Einen kleinen Verweise erlaube ich mir dann doch noch: http://www.qwertzwerk.de/2005/07/16/ok-this-looks-like-the-old-mansion/

    /godmode ON
    /giveall
    Syntax Error

  13. 13

    Wo gibt es eigentlich dieses geniale T-Shirt zu kaufen?

  14. 14

    Zyme, genau so. Und sehr gute Auswahl! Daher auch dein Nickname aus Deus Ex?

  15. 15

    Ich habe zuerst ja Angst gehabt, ich könnte den Hund mit dem Stift verletzen…aber er hat meine Streicheleinlagen glaube ich ganz gut überlebt…

  16. 16

    @ Mo

    danke und ja, mein pseudonym entspricht dem namen der fiktiven droge ‚zyme‘ aus deus ex. obwohl im nachhinein „da ultimate master blaster armageddon superstar“ eine nette alternative gewesen wäre…