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Kein Märchen

Es war einmal vor langer Zeit, da stand ein Fussballverein im Wald kurz vor seiner Insolvenz. Das war in der Oberliga, eine Million Euro Schulden, Spieler wurden veräußert, man hatte gerade nochmal so den Abstieg verhindert. Das ist alles noch gar nicht allzu lange her, 2002 genauer gesagt. Dann kam Rotbäckchen Milan Sasic nach Koblenz, brachte Wein mit, baute das Team um, verhinderte den Abstieg und stieg eine Saison später in die Regionalliga auf. Und stieg eine Saison später in die zweite Liga auf. Und spielte eine großartige Hinrunde, zumindest für Koblenzer Verhältnisse.

Und wie das immer so läuft, wenn’s viel zu gut läuft, läuft’s meistens schief. Die alte Hexe Vize-Präsident Rech fühlte sich als König von Gottes Gnaden schwadronierte schon von kommenden goldenen Zeiten:

„Erst einmal geht es nur um den Klassenerhalt, aber wenn wir immer nur Fünftletzter werden wollen, steigen wir irgendwann wieder ab. Mittelfristig kann unser Ziel nur die 1. Liga sein, da wir uns ja schon in der zweiten befinden.“

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer wird 2020 deutscher Meister? Die goldenen Zeiten waren allerdings schnell vorbei, im Januar wurde bekannt, dass gegen die TuS ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet wurde. So kann’s gehen.

Jedenfalls läufts nicht mehr ganz so gut bei der TuS, hat sich im Wald verlaufen. Fünf Niederlagen in den letzten sechs Spielen. Schlimm, sowas. Da muss man als Präsidium – wie heißt es so schön? – die Reißleine ziehen.

Und jetzt kommt das Meta-Märchen: Als Sasic damals, 1995, nach Deutschland kam, hat er bei der SG Gebhardshain/Steinebach angeheuert. Kreisliga B, damals. Sasic kam, drei Aufstiege folgten. Sasic ging, und die SG Gebhardshain/Steinebach spielt inzwischen wieder da, wo sie hingehört: in der Kreisliga B.

So, liebes Präsidium der TuS Koblenz, lieber zukünftiger Bundesligist: Wenn man die Reißleine zieht, sollte man darauf achten, dass man nicht den kompletten Club die Toilette runterspült.

Keine Kommentare

  1. 01

    besser hätte ich es auch nicht zusammenfassen können.

    wer ist denn nun neuer Trainer bei der TuS?

  2. 02

    Wissen se glaub ich noch nicht; Peter Neururer hat anscheinend seine Bewerbungsunterlagen schon losgeschickt. Betreff: Ehemaliger Oberliga-Spieler sucht zukünftigen Oberligaclub. Oder so.

  3. 03

    Haha, ein toller Text! Gefällt mir sehr gut. Koblenz sollte wirklich aufpassen. Es geht manchmal schneller als gedacht. Sasic war ein guter Trainer. Und Peter Neururer kann eine Mannschaft zwar gut vor einem Abstieg retten, jedoch nicht sonderlich weit nach vorne bringen. Siehe Hannover 96!

  4. 04

    Entweder Koblenz stellt Otto Rehhagel als neuen Trainer ein oder die TuS verabschiedet sich nach den letzten vier Spielen gegen 1860, Hansa Rostock, Aue und Freiburg wieder für 25 Jahre aus dem Bundesliga-Unterhaus …

  5. 05
    Nick

    Jetzt ist es raus: Uwe Rapolder

  6. 06

    Nicht die schlechteste aller sich bietender Alternativen, wie ich finde. Otto Rahhagel wirkt ja immer wie schlechtz geschnittenes Speed: kurze Zeit ist alles super, und dann kommt der Absturz umso nachhaltiger.

  7. 07

    Das Märchen ging noch weiter. Rapolder kam, erzählte den Spielern, dass sie immer noch Fußball spielen könnten und – sie glaubten es.

    1860, Hansa und Aue jetzt auch.

    Der Abstieg wurde verhindert.

    Im Abspann der Geschichte, noch während die ganze Stadt feierte, kam es dann die Tage noch zu einer Jahreshauptversammlung des Vereins, die dem Schalke der 80er gut zu Gesichte gestanden hätte.

    Hier konnte der alte Rest-Vorstand gerade noch seine Komplettabwahl verhindern. Neuer Vize ist jetzt der Opositionsführer: Schauspieler, Regisseur – und Stadionsprecher – Dirk Zimmer.

  8. 08

    Wie lang das Märchen vorhalten wird, das ist hinwiederum eine Frage, die wir nächstes fJahr an selber Stelle beantworten werden. Als Fußballfan ist man ja gläubiger Analogist – schaumer mal, dann sehmer schon.

  9. 09

    Für die TuS ist auch die Regionallige Märchen. Daher wird’s noch etwas länger andauern.

  10. 10

    Klingt da Defaitismus mit durch?

  11. 11

    Nein, gar nicht. Wenn man gesehen hat, wie hier der Nichtabstieg gefeiert wurde, wird klar, dass die Stadt weiss, dass das an ein Wunder grenzte.

    Hier wurde 2004 noch Oberliga gespielt. Das darf man nicht vergessen. Sportlich ist man zwar jetzt zweitklassig, Verein und Umfeld aber haben mit dieser Entwicklung nicht annähernd Schritt halten können.

    Wer weiß, es wird fleißig gearbeitet. Wenn hier schnell vernünftige Strukturen geschaffen werden, sehe ich hier durchaus Potenzial für Freiburger Verhältnisse. Das hieße dauerhaft 2. Liga mit möglichen kurzen Ausflügen in die 1.

    Geschieht das aber nicht, ist alles andere als ein Abstieg auch nächste Saison wieder ein Wunder.