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Milchkleid im Gespräch

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Noch ein bisschen, immer noch ein bisschen mehr Luft in den Kaugummi zu pusten, die Blase noch ein bisschen protziger anschwellen und das fragile Gebilde noch ein bisschen schillern zu lassen, das ist doch das Ziel, eigentlich, oder? Platzt sie, die Bubble, ist es aus, vorbei.

Judith Sombrays Illustrationen stellen die in tausend Fragmente zerberstende Blase an den Anfang. Mit wenigen Strichen erzählt sie von der Kraft des Fallens und der Ästhetik der Sehnsucht.

Julia: Du hast Grafik, Menschen und Dinge studiert, schreibst du auf deiner Site. Wie sind die Menschen — die, die du zeichnest?

Judith: Die Menschen, die ich zeichne, vorwiegend sind es ja Frauen, sind wahrscheinlich haupsächlich so wie ich. Nicht unbedingt, was ihr Äußeres betrifft, das aber mitunter auch. Ich baue gerne Details ein, die mir tagsüber an irgendjemandem aufgefallen sind. Zeichnen ist für mich eine Art Sprache, ich drücke damit, allerdings unbewusst, vorallem Innenwelten aus. Das fällt mir meist erst im Nachhinein auf.

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Julia: Zu mir sprechen diese Innenwelten sowohl von Verletzlichkeit als auch von ruhiger Kraft. Das überforderte mich anfangs, ich konnte weinen und gleichzeitig fliegen. Wie reagierst du selbst, wenn du dir deine Illustrationen mit zeitlichem Abstand ansiehst? Wie verändern sie sich?

Judith: Hui, dass die Bilder so starke Reaktionen hervorrufen können, freut mich sehr. Es ist ganz unterschiedlich, wie ich sie in der Rückschau sehe. Manche kann ich eine zeitlang nicht mehr leiden, und mag sie dann wieder. Andere mag ich immer. Manche sind mir einen Tag nach dem Zeichnen schon zuwider, aber das kommt äußerst selten vor. Das hat mit Sicherheit mit der eben erwähnten „Innenwelt-Verarbeitung“ zu tun. Natürlich ändern sie sich auch, was die Technik angeht. Ich sehe genau, wie ich über die Jahre sicherer geworden bin. Aber, um es unschön auszudrücken, da geht noch einiges.

Julia: Wem geht das nicht so… Wie gehst du denn vor, technisch jetzt?

Judith: Inzwischen zeichne ich meistens mit Bleistift vor, oft ohne Vorlage, bei komplizierteren Dingen/Haltungen/Winkeln such ich mir bisweilen eine, oder mach schnell ein Bild mit der Webcam. Wenn ich zufrieden bin, zeichne ich mit Finelinern verschiedener Stärken nach, manchmal coloriere ich dann noch per Hand oder am Rechner.

Julia: Die wievielte Bleistiftversion schafft es bis zum Fineliner?

Judith: Die erste. Oder erst mal gar keine. Ich ändere nicht lange herum. Eigentlich ist es nur bei Auftragsarbeiten so, dass ich mehrere Versionen erstelle/versuche. Ansonsten ist das Bild in dem Moment gut genug, um ausgearbeitet zu werden, oder nicht. An manchen Themen bleibe ich sowieso hängen, die tauchen zwangsläufig öfter auf.

Julia: …Nacktschnecken…

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Judith: Oh, ja, die Nacktschnecken. Die sind während meiner Diplomarbeit aufgetaucht und schauen seitdem immer mal wieder vorbei. Es gibt eine Kurzgeschichte dazu, in der sich die Zunge eines Mädchens nachts in eine Nacktschnecke verwandelt und auf Reisen geht, morgens kommt sie allerdings immer rechtzeitig zurück. Nur einmal nicht.

Julia: Wo ist sie, was ist passiert?

Judith: Kurzgefasst: die Protagonistin, ein Mädchen namens Lore, wacht auf und entdeckt, dass ihre Zunge verschwunden ist. Ich weiß nicht mehr recht, wie ich damals auf diese Idee gekommen bin, habe aber neulich gehört, dass es tatsächlich ein ähnliches Phänomen (ein Tier ersetzt die Zunge) im Tierreich gibt, bei Fischen.

Jedenfalls rennt Lore zum Arzt, der ihr nicht helfen kann, und sie erstmal sediert. Lore begibt sich nach Hause, um dort in einen Beruhigungsmittelschlaf zu fallen, der von der heimkehrenden Nacktschnecke beendet wird. Die Schnecke erklärt Lore, wieso sie zu spät kommt. Und dass sie in ihrem Mund lebt, gewissermaßen als Zungenersatz. Als die Schnecke darum bittet, nun in ihr zuhause zu dürfen, um endlich zu schlafen, endet die Geschichte wie folgt:

Lore setzt die Schnecke auf ihre Wange und öffnet vorsichtig den Mund. Sie fragt sich verwaschene Dinge, Wieso die Schnecke sprechen könne, ob sie einen kompletten Sprachapparat habe und wohin ihre Ausscheidungen gelangen, da merkt sie, daß in ihrem Rachen getastet wird und eingekoppelt. Lore wartet und fragt dann mit nachtmüder Zunge: das wird nie wieder geschehen, nein? Ihr Mund bleibt still.

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Milchkleid aka Judith Sombray, 27, studierte in Augsburg das Leben, Gestaltung und Kommunikations-Design. Nach dem Abschluss zog es sie nach Hamburg, dort arbeitete sie in kleinen und großen Werbeagenturen. Doch das Werben machte sie nicht froh. Seit einem guten Jahr ist sie nun als Illustratorin und Grafikern selbstständig tätig.

13 Kommentare

  1. 01

    großartige bilder, wundervolle ideen, poesie in wort und bild!
    :love

  2. 02

    die ju* :five

    :-D

  3. 03

    Das ist ja wirlich wundervoll!

  4. 04

    einfach nur toll… bilder und text (nacktschnecke)

  5. 05
    mucgöre

    geniale Illus und toller text…

    cu
    grit

  6. 06
    sunny

    sexy, love

  7. 07

    Die Judith :D Immer wieder schön…

  8. 08

    ju*! schön mal wieder von dir zu lesen und zu sehen. Nicht nur deshalb hätte das Interview ruhig etwas länger sein können…

    Seltsam dass ich vor ein paar Tagen einen ähnlichen Traum gehabt habe, wie die Geschichte mit der Nacktschnecke.

  9. 09
    Thorsten

    wunderbar“¦ :)

  10. 10
    daHien

    ju! verdammt coole sache, parker! :D

  11. 11
  12. 12

    Ich habs auch gerade gefunden und gelesen. Selbst wenn da kein Name dran gestanden hätte, könnte man erahnen, dass es um die Ju* geht :D Schön un dmehr davon!