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In der einen Hand ein Snickers

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Alles anders heute. Normalerweise ist Andreas bei uns für obskure Musik zuständig und normalerweise sind mir die Kommentare, in denen ich als Guido Westerwelle, baldiger moderater Rassist oder Pubertierender bezeichnet werde, die liebsten.

Nun hat aber Neuraum in den Kommentaren zu „Zaunlos glücklich“ ein Video der weißrussischen Band Lyapis Trubetskoj gepostet und dankenswerter den Refrain übersetzt:

In der Linken ein „Snickers“,
In der rechten Hand – „Mars“
Mein PR-Manager ist
Karl Marx

Und auch wenn ich kluge Leser verabscheue und es mir am liebsten wäre, wenn nur noch Kotz- oder Fickfingersmileys in den Kommentaren stünden, kommt jetzt die vollständige Anmerkung von Neuraum und dann das Video. Verleugnung meines Masochismus.

Die Ideen, die hinter dem G8-Gipfel stecken, sind so abstrakt und amorph, so undefinierbar… Und die Gastgeberin und ihre Gäste sind in Wirklichkeit so machtlos, dass außer dem Zaun als Symbol keine weiteren Angriffsziele zur Verfügung stehen. Um nicht missverstanden zu werden: die Einwände der Demonstranten gegen die Praktiken der globalisierten Wirtschaft sind durchaus gerechtfertigt, und das Primat der Ökonomie über das Wohlbefinden der Menschen ist eindeutig falsch, aber das Sich-Im-Recht-Fühlen reicht nicht angesichts der Realität. Vor allem aber: die Mächtigen hinter dem Zaun sind genauso Getriebene wie wir – bloß auf einem anderen Niveau. Das Gipfeltreffen ist eine Show, die zwangsläufig alle Proteste gegen sich selbst zur Show machen lässt. Das Problem der Macht kann sowieso nur über die Wahlen entschieden werden, und das ist gut so. Lieber eine 20-30-40-jährige Evolution, als hecktisches Handeln unter Druck. Erziehung der Politiker im für manche enttäuschenden Tempo bringt mehr. Ich behaupte das als einer, der Erfahrung mit anderen politischen Systemen hat. Konsens zwischen Millionen abgezweckter Egoismen ist der bessere Weg, als radikaler Umschwung im Namen einer Ideologie, selbst wenn diese verspricht, viele Leute glücklich zu machen. Zwischen einem Projekt und seiner Realisierung treffen wir immer wieder auf den schwachen Glied der Kette – den Menschen. Wir können uns nicht über ihn hinwegsetzen.

Das Spektakel im Heiligendamm ist ein Witz, obwohl diese sieben Männer und die eine Frau ihre Ernsthaftigkeit behaupten. Den Protestlern scheint es auch ernst zu sein.

23 Kommentare

  1. 01
    MC BASTARD

    …………./´¯/)…………(\¯`\
    …………/….//…………..\\….\
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    du wolltest einen fickfinger, du kriegst einen… weil ich großzügig bin leg ich noch einen drauf :D (bitte nicht ernst nehmen…)

  2. 02
    2raum

    @Neuraum: Aus der Seele gesprochen. Mit tiefen Respekt da ich es nie hätte niederschreiben können.

    Guter kontroverser Block übrigens…

  3. 03
    2raum

    „Blog“ natürlich…

  4. 04

    Malte, wieso verstehe ich eigentlich so selten, was du eigentlich sagen willst?

  5. 05
    Acid

    Vielleicht will er gar nichts sagen, nur was schreiben.
    Kurzweil wird viel zu oft unterschätzt.

  6. 06
    y

    Endlich Russendisco bei Spreeblick.

  7. 07

    „obskure Musik“ ist das doch gar nicht. ziemlich gute popmusik mit einem wunderbaren video. großartige bildsprache.

    danke malte ;-)

  8. 08
    Malte

    @ stylewalker
    das ist eine gute frage

  9. 09

    Huh, jetzt fühle ich mich geschmeichelt, danke Malte. Ein wenig gloria mundi tut gut :)

    @ y

    Original-Russendisko aus Berlin wird mit „k“ statt „c“ geschrieben :)

  10. 10
    Acid

    Lyapis Trubetskoy – das Video hätte ich gern in HD.

  11. 11
    taucher

    das Video ist genial, in HD wäre natürlich ganz cool, wie Acid schon meinte. Ansonsten: falls das jemand nochmal ganz übersetzen könnte, wäre ich sehr dankbar…

  12. 12
    jochi

    @taucher: habe hier diese englische Übersetzung des Textes gefunden:

    I am dine off / Gold bars / Diamond dessert / Oil cream
    My name is Beelzebub / Master of stratosfear
    I am realy cool / Respect to me infinity

    On the left hand „Snickers“ / On the right hand „Mars“
    My pr-manager is Carl Marx

    I am dinner cities / I am drinking seas
    My beard covers sky
    Thunders and lightnings, / fogs and rains
    Ministers and leaders / kises my boots

  13. 13
    V'kar

    Endlich ein guter Kommentar zum Thema, vielen Dank! Und gute Musik direkt dazu, sehr schön :)

  14. 14

    Kann jemand eine gute deutsche Übersetzung (am besten direkt aus dem Russischen) und Hinweise darauf, wie das russiche Original auszusprechen ist, nachliefern? Ich hab erstmal einen Ohrwurm.

  15. 15

    @ Jakob, taucher:

    Text an sich ist nicht sonderlich Sprektakulär.

    Russisch im Translit:

    Ja em na obed zolotye slitki
    Brilliantovyj desert, neftjanye slivki
    Mne imja Vel’zevul „” hozjain stratosfery
    Ja nereal’nyj cool „” moj respekt bez mery

    V levoj ruke „” «Snickers», v pravoj ruke „” «Mars»
    Moj piar“”menedzher „” Karl Marx
    V levoj ruke „” «Snickers», v pravoj ruke „” «Mars»
    Moj PR-manager „” Karl Max

    Kapital!

    Ja jem goroda, morjami zapivaju
    Moja boroda nebo zaslonjaet
    Grom i molnii, tumany i dozhdi
    Moi botinki lizhut ministry i vozhdi

    V levoj ruke „” «Snickers», v pravoj ruke „” «Mars»
    Moj piar“”menedzher „” Karl Marx
    V levoj ruke „” «Snickers», v pravoj ruke „” «Mars»
    Moj PR-manager „” Karl Max

    Kapital!

    Spontane Übersetzung:

    Ich speise zu Mittag Goldbarren,
    Diamantenes Dessert, die Erdölsahne
    Man nennt mich Beelzebub – Herr der Stratosphäre
    Ich bin unglaublich cool – Respekt ist unermesslich

    In der Linken ein „Snickers“, in der rechten Hand – „Mars“
    Mein PR-Manager ist Karl Marx

    Kapital!

    Ich schlucke ganze Städte, spül‘ runter mit den Meeren
    Mein Bart verdeckt den Himmel – vom Himmel nichts zu sehen
    Donner und Blitze, Nebel und Regen
    Minister und Führer lecken meine Stiefel

    In der Linken ein „Snickers“, in der rechten Hand – „Mars“
    Mein PR-Manager ist Karl Marx

    Kapital!

  16. 16

    @Neuraum: Danke, ein Grund Russisch zu lernen. Spanisch als Agit-Modesprache für Revoluzzerlieder dürfte ja irgendwann mal out sein und russische Revolutionslieder gibt es genug ;-)

  17. 17
    Pablo

    Diesen Masochismus haett ich auch gern um mir ueber das unverstanden-sein, unter dem man als archetypischer jugendlicher zu leiden hat hinwegzuhelfen.

    Kann man sich den irgendwo kaufen?

  18. 18

    @ Jakob

    Außer „No pasaran!“ kenne ich eher nichts mehr. Man braucht aber nicht Russisch zu lernen, es sei denn, man möchte russische Dichter im Original lesen. Man kann sich entspannen: die Russen büffeln sowieso vorzugsweise Englisch und Deutsch. Erst danach kommen Chinesisch und Japanisch :)

  19. 19
    Johannes

    Gut geschrieben und hat mich mal wieder zum Grübeln gebracht. Um Verfechtungen von Ideologien lässt sich wirklich streiten. Eine Sache eignet sich allerdings nicht für jahrelange Diskussionen: die Zerstörung der Erde insbesondere der Treibhauseffekt bewirken ja schon heute Klimawandel und Naturkatastrophen. Und die Geschwindigkeit dieser Entwicklung wird von Statistik zu Statistik schneller.

  20. 20
    heinz

    Ist ja ganz fetzig das Ding, warum aber bitte sind da fast ausschließlich Herren zu sehen, denen es um etwas anderes als reines Kapital geht?
    Das ist irgendwie poplinks mit billiger Ideologie-Schelte. Kickt einfach nur gut, wenn man nicht weiter nachfragt, worum es denn nun genau geht…

  21. 21
  22. 22
    heinz

    @neuraum
    sehr spritzig – aber genau da liegt das Problem: daß das muntere Liedchen des Herrn Trubeckoj mit dem „Kapital“ vom ollen Karl nichts oder fast nichts zu tun hat. Sein Problem ist eines mit postkommunistischen totalitären Diktaturen, in erster Linie mit seinem rechtmäßig gewählten Väterchen Lukaschenko. Weiter wirft er dann mehrere andere Herren in diesen Topf, wie Mahmud Nachname-vergessen aus Iran, dessen PR-Manager öfters eher Herr Hitler zu sein scheint. Poplinks stimmt also nicht, sondern eher Totalitarismus-Kritik, wie man sie hierzulande in der FAZ findet, recht platt im Kern also. Verstehe die eitel Freude über den Zong hier nicht ganz, wenn man es auf Rostock bezieht, müßte es eher heißen: in der Linken ein Burger, in der Rechten eine Hut-Pizza, mein PR-Manager ist Che Guevara…
    Falls ich da irgendwas gründlich falsch verstanden habe, klärt mich auf. Ansonsten hast du natürlich recht: statt Pop-Videos mal wieder Marx konsumieren!