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Kopfwäsche mit Nebenwirkungen

Nachdem Andi mich gestern in den Kommentaren zum StudiVZ-Artikel ausgiebig beschimpft hat, verfasste er einige sehr interessante Gedanken zum Thema „Ergoogleung fremder Leben“ (ich hätte da jetzt gerne einen akademischeren Titel zur Hand, habe ich aber nicht). Diese Gedanken will ich denen, die die Kommentare nicht mitlesen, was ein schwerer Fehler ist, nicht vorenthalten.

1. Warum sollen die Stücke meiner Person, die sich im Netz finden lassen, über meine tatsächliche Person aussagekräftiger sein als z.B. Stephen Kings Romane über Stephen King? Genau diese vorurteiligen Kurzschlüsse „Frau = hat keine Seele“, „schwul = pädophil“ oder „Säufer im StudiVZ = echter Säufer“ sind doch, was wir bekämpfen müssen und nicht billigen!

2. Ganz abgesehen davon, daß hier mal wieder die Heuchelei seitens der Personaler und der Mächtigen maßlos ist: Nur weil die Eskapaden eines Herrn Hartz, Mayer-Vorfelder oder Beckenbauer nicht in Blogs und auf Flickr verewigt sind, heißt das nicht, daß sie brave Engel waren oder daß sie bessere Arbeiter sind als ein studiVZler. Aber eben auch nicht unbedingt schlechtere. Warum will man es solchen Leuten unhinterfragt durchgehen lassen, über die Form unserer Lebensläufe zu bestimmen? Mein Lebenslauf ist mein Leben, und das gestalte ich bestimmt nicht, wie es sich Peter Hartz wünscht.

3. Man glaubt es kaum, aber ich bin seit 2000 im Usenet unterwegs, in den letzten Monaten jedoch zeitbedingt nicht mehr so häufig. Man findet unter meinem Klarnamen Lustiges, Kluges und vielleicht auch Erhellendes, aber auch Dummes und Peinliches, das ich heute nicht mehr so schreiben würde.

So what?

Ist es verboten, sich zu ändern? Ist es unvorstellbar, aus seinen Fehlern zu lernen? Ist es falsch, ein Mensch zu sein??

Und wenn es das nicht ist: Warum sollte ich mich für meine Äußerungen schämen? Hinter den meisten stehe ich nach wie vor, und bei den anderen habe ich meinen Fehler eingesehen bzw. dafür um Entschuldigung gebeten. Warum sollte mich das dann erpreßbar machen bzw. warum sollte ich mich davon erpressen lassen? Sind nicht umgekehrt die die Schweine, die einem die Jugend nicht verzeihen können? Wollen wir von solchen Kreaturen beherrscht werden, die selber nie Menschen waren oder ihre Leichen ganz, ganz tief im Keller vergraben haben?

Meine Antwort ist klar. Glasklar.

Und ich kann zum Abschluß nur nochmal auf die Präzedenz des homosexuellen Outings zurückkommen, an der wir uns meines Erachtens ein großes Beispiel nehmen sollten. Denn wie anders ändern sich Einstellungen, wenn nicht, daß Oma Erna sieht, daß der nette Nachbar, der ihr immer die Tüten hochträgt, ja weiter nett bleibt, auch nachdem er sich als warmer Bruder offenbart hat? Wie anders, wenn nicht, daß Artur Kowalski merkt, daß dieser Wowereit oder dieser Westerwelle gute Arbeit leisten können, obwohl sie“™s gern mit Männern machen? Wie anders, wenn nicht, daß man sagt, man ist schwul und das ist gut so, und es gibt nichts, wofür man sich schämen oder entschuldigen müßte, und wer einen trotzdem angreift oder nicht einstellt, ist eben ein hoffnungsloser Ewiggestriger, den die Härte des Gesetzes treffen soll?

Wie anders sollen wir Menschen unter Menschen sein?

In diesem Sinne lade ich jetzt meine Bikinifotos in den Flickr.

36 Kommentare

  1. 01

    Buddhistisch betrachtet hängt da jemand ‚gedanklich‘ zu sehr an der Vergangenheit. Also Fokussiere/Refelektieren und Vergangenes eben dieses sein lassen.

  2. 02

    Free your mind and your ass will be posted. I’ll jerk off to it.

  3. 03
    Regine

    Anschauliches Beispiel: Kein Job wegen des Blogs der Freundin
    Auch hier stellt sich die Frage der Beweiskraft: verbarg sich hinter dem Blog tatsächlich seine Freundin?
    Die Idee, Google mit eigenen Daten zu überfluten und damit eine gewisse Belastung der Personal-Abteilungen hervorzurufen, gefällt mir immer noch gut.
    Auch der Beantwortung der Frage, wie sich die Personaler entscheiden wollen, wenn sie über jedeN BewerberIn fündig werden, sehe ich mit Spannung entgegen. Es werden diejenigen Unternehmen das qualifiziertere Personal bekommen, die schon jetzt dazu in der Lage sind, das menschliche Potential ihrer MitarbeiterInnen erfolgreich in den Arbeitsablauf zu integrieren.
    Für ein ordentliches Datenrauschen in den Netzen dieser Welt!

  4. 04
    Matou

    lächerlich.

  5. 05
  6. 06

    Wie schön wäre es, wenn im Entscheidungssystem „Nehmen vs. Nicht nehmen“ eines „Personalers“ auch der Aspekt Güte bzw. Respekt vor eingestandenen Fehlern des Bewerbers vorhanden wäre. Die Praxis, bspw. Lebensläufe so hinzulügen, dass sie lückenlos sind, die Glattbügelung von Bewerbungsgesprächen auf eine Form, die möglichst fehlerlos ein bestimmtes Pensum an symbolischen Grundvoraussetzungen (Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit etc. – ihr kennt das) abarbeitet, ohne Raum für Abweichungen (vulgo: Kreativität) zu lassen, widerspricht dem. Warum sollte also ein für Personalentscheidungen zuständiger nicht den Google- oder StudiVZ-Eindruck als Zünglein an der Waage wertend heranziehen, wenn die Bewerber sowieso alle gleich glatt gebügelt sind? Es ist selten, dass ich etwas als naiv einschätzen würde, aber der zitierte Kommentar von Andi ist es in meinen Augen.

  7. 07

    ich gebe maloxp recht. das sind schöne und hehre gedanken, die malte hier verbreitet. die würde ich auch aus meiner sicht unterschreiben. aber leider spricht die realität oft eine andere sprache. zum beispiel durfte ich auch schon erleben, dass ein örtlicher rechter jugendverband meine internette offenheit dazu nutzte, aus dem zusammenhang gerissene teile von veröffentlichungen meinerseits zu einer hetzenden pressemeldung zu machen. gegen sowas ist leider kaum ein kraut gewachsen.

  8. 08

    @6
    Ich weiß nicht, ob ich hier von Naivität sprechen würde. Eher von Idealismus. Ich würde mich wohl auch eher in der Ecke suchen.

  9. 09
    Regine

    @ darkrond, 7: Wenn man sich davon beeinflussen lässt, ist nicht nur dagegen kein Kraut gewachsen, sondern damit ein Kraut gegen einen selbst gewachsen.

  10. 10

    Da setz ich glatt ein AMEN drunter!

  11. 11
    Tina

    Ein schlechter Trainer macht immer wieder dieselben Fehler, ein guter Trainer macht immmer wieder neue.

  12. 12

    das thema ist noch nicht ganz durch und wird es wohl auch nicht so schnell sein. das thema „authentisches handeln“ kommt gerade erst in gang – zum glück.

  13. 13
    Maltefan

    @darkrond:
    Derartiges habe ich auch schon erlebt, was ich auch schon ausführlich an anderer Stelle in den Kommentaren geschrieben habe.

    Deswegen: Ja, mein Gott, ich habe kein Problem damit, wenn jemand sich bewusst dafür entscheidet, der gespannten Weltöffentlichkeit jeden persönliche Pups mitzuteilen. Allerdings befürchte ich, dass viele das machen, ohne sich vorher über die möglichen Konsequenzen im Klaren zu sein. Die sollten vielleicht nochmal nachdenken.

    Und wie Du schon schriebst: Es sind meistens nicht, die großen, bewußten Outings, die entsetzlich backfiren können, sondern die kleinen Gedankenlosigkeiten, die dann aus dem Zusammenhang gerissen, verdreht, und gegen einen verwendet werden.

    Ich habe das Gefühl dass bei Andi das Vorurteil mitschwingt, man wäre überangepaßt, wenn man vor derartigem Seelenstriptease mit dem Hinweis auf mögliche Konsequenzen warnt. Es geht allerdings nicht darum, sich anzupassen, sondern nur darum, sich zu überlegen, ob wirklich absolut _jeder_ wissen muss, was ich so treibe, und ob mir in jedem Fall gefallen würde, was jemand mit diesem Wissen anstellt.

  14. 14
    Maltefan

    @Regine:
    Schon mal erlebt, was so ne richtig schöne Hetzkampagne mit einem anstellt?

  15. 15

    Tatsache: Arbeitgeber sind bei Einstellungsentscheidungen i.d.R. Risikovermeider. Manche Arbeitgeber bzw. Personaler urteilen rücksichtsvoll – sehr viele eben nicht. Es mag ein Fehler sein, als Arbeitgeber ein Faible für glatte Lebensläufe zu haben – indes:

    Es ist so. Kann man nicht wegdiskutieren. Die „freie“ Wirtschaft ist halt nicht immer sehr freiheitlich gesinnt und human – schon garnicht im Umgang mit Arbeitnehmern.

    Wer als Bewerber nicht unabhängig ist, sondern in einer beinahe prekären Lage, sich einem Arbeitgeber präsentieren zu müssen, während dieser beinahe unendliche Auswahl möglicher Kandidaten für die jeweilige Position hat: Wer eines Tages in eine solche Lage kommt, der sollte gut überlegen, welche Spuren er für die „freie“ Wirtschaft im Internet hinterlässt.

    P.S.
    Lang lebe das Pseudonym!

  16. 16

    @ 8: Nein, Idealismus ist das nicht, denn Andi hatte das ja nicht als „Zielvorgabe“, auf die es sich hinzuarbeiten lohnt, formuliert. Naiv ist es deswegen, weil anzunehmen, eine Mehrheit der Personalchefs würden irgendwann auf den Menschen achten statt auf symbolisches Kapital zu achten (zumindest in Deutschland und den USA -> Interessant dazu Geert Hofstedes Klassifikationen in „männliche“ und „weibliche“ Organisationskultur), ein Trugschluß ist. Denn genau für die Fähigkeit, die Wirklichkeit eines sich bewerbenden Menschen auf ein paar Zahlen und Fakten zu verkürzen, sind sie Personalchafs geworden.

  17. 17
    Regine

    @Maltefan: Ich wüsste nicht, was ich im Hinblick auf Identitätsbeschädigung für schlimmer halten sollte: mich in vorauseilendem Gehorsam untertänigst zu verbiegen oder gekampagnenhetzt zu werden …

    Prinzipiell stimme ich Dir zu in Sachen kleine Gedankenlosigkeiten und Vorsicht mit der Information, die man über sich preisgibt. Ich seh da auch keinen Widerspruch bzw. weil es eben unwägbar ist, warum es eineN wann wie erwischt, kann man gar nicht alle Eventualitäten abdecken. Das ist jedoch keine Aufforderung zur Gedankenlosigkeit oder Unachtsamkeit.

    Dazu noch ein Zitat von meinem Lieblingsphilosophen: „Kritik ist die Kunst, nicht dermaßen regiert zu werden.“

  18. 18
    Maltefan

    @Regine:
    Es erstaunt mich einigermaßen dass es für einige hier eine schlimme Verbiegung der eigenen Persönlichkeit darzustellen scheint, vielleicht nicht an jedes schwarze Brett der Welt die Meldung zu hängen, dass man heute morgen hart geschissen hat, am besten incl. Porträt des Haufens.

    Was im „normalen“ Leben ganz normal ist, nämlich dass man seiner Oma und dem Eisverkäufer um die Ecke nicht erzählt, wem man gestern einen geblasen hat und wie’s geschmeckt hat, das scheint im Netz auf einmal eine Zumutung zu sein.

    Klar kann man auch mit ganz old-fashioned media Opfer von Hetzkampagnen werden. Das Neue ist doch jetzt bloß: Früher musste man sich richtig anstrengen, um Material zu finden, mit dem man jemandem schaden kann. Man musste den betreffenden vielleicht sogar persönlich kennen oder musste wenigstens mit Leuten Kontakt aufnehmen, die ihn kennen. Heute reicht doch ein Name, und wenn die betreffende Person nur gedankenlos genug war, wird einem das Rohmaterial Waschkörbeweise frei Haus geliefert.

    Ich habe zum Thema Paris Hilton und wie Promis mit der Presse umgehen schon mal kommentiert, dass man das geschickt und weniger geschickt machen kann. Medienschlampen, die sich mit der Bildzeitung ins Bett legen, sollten nicht allzu erstaunt sein, wenn das nach hinten los geht und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in die falsche Richtung geht.

    Neu ist daran nur, dass das heute jedem Deppen passieren kann. Ansonsten gab’s die Illusion, dass man die Medien zwar mit Information aus seinem Privatleben fluten, aber trotzdem einigermaßen kontrollieren kann, wie man wahrgenommen wird, schon immer.

  19. 19
    wer nicht fragt bleibt dumm

    ach er also der andi schreibt selbst auf einer seiner seiten über sich „Weil altkluge und überhebliche, allumfassende Besserwisserei in pseudodistinguierten Worten mir diebische Freude bereitet„… was soll mann dazu noch sagen

  20. 20
    Regine

    @Maltefan: „Es erstaunt mich einigermaßen dass es für einige hier eine schlimme Verbiegung der eigenen Persönlichkeit darzustellen scheint, vielleicht nicht an jedes schwarze Brett der Welt die Meldung zu hängen, dass man heute morgen hart geschissen hat, am besten incl. Porträt des Haufens.“

    – Ironiemodus an –
    Das sind wahrscheinlich genau die Stolperfallen, aus denen die Hetzkampagnen entstehen und weswegen eine Bewerbung erfolglos bleibt.
    – Ironiemodus aus –

    Im Ernst, um solchen Haufen-Content geht es mir nicht. Vielmehr ist es eben ein tiefer Eingriff in die Persönlichkeit, wenn man aus Angst vor Repressionen nicht mehr der eigenen Identität gemäss handeln kann. Jüngste Beispiele aus der deutsch-deutschen Geschichte muss ich wohl nicht erwähnen.
    Und Opfer von Hetzkampagnen zu werden, dafür braucht’s gar keine Medien, sie sind nur ein Mittel, das genutzt werden kann, Stichwort Stalking und Mobbing usw.
    Generell ist es eine Illusion, kontrollieren zu können, wie man wahrgenommen wird, dafür müsste man ja jederzeit und jedenorts in die Köpfe Aller hineinschauen können, mit denen man zu tun hat und zu tun hatte (denn möglicherweise hat sich ihre Sichtweise geändert und wofür sie einem heute applaudieren, dafür wirst Du morgen gesteinigt).
    Und ja, ich finde es bedenklich, wenn Menschen überwiegend damit beschäftigt sind, sich auf ihre Wirkung nach aussen zu konzentrieren, bestenfalls sind sie dann einfach nur oberflächlich, schlimmstenfalls erpressbar.

  21. 21
    Maltefan

    @Regine
    Was für eine Identität ist das, die von einem verlangt, die Bikinifotos von der letzten Mallorca-Sauf-Party mehreren Milliarden Menschen zugänglich zu machen?

    Ich sagte ja bereits dass einem auch ohne Netz schlimme Dinge passieren können. Je sorgloser man aber alle möglichen Details der persönlichen Geschichte für wirklich absolut jeden zugänglich macht, desto leichter macht man es einer großen Anzahl von Menschen, einem schlimmes zuzufügen.

    Gut, wenn es wirklich integraler Bestandteil der Persönlichkeit ist, sich zu exhibitionieren … Ich bin überhaupt sowieso die Letzte, die mit sowas ein Problem hat. Ist ja nicht mein Leben.

    Dass hier aber wirklich viele sehr wütend auf ihr Recht pochen, dass man nicht mal kopfschüttelnd seine Befremdung darüber ausdrücken dürfen soll, wie sorglos sie sich im Netz bis aufs Unterhemd (oder noch weiter) ausziehen, wundert mich ehrlich gesagt schon.

    What ever happened to Privatsphäre? Scheint nicht mehr modern zu sein, insofern ist es auch nur konsequent dass die meisten Leute anscheinend mit einem Überwachungsstaat überhaupt kein problem haben.

  22. 22

    Ich denke, Andi hat insoweit Recht, als letztlich jeder selbst entscheiden kann, welche Daten er von sich preisgibt. Andererseits – längst nicht alle, die heute bei StudiVZ unterwegs sind, wissen wirklich, was sie da tun. Da sind nicht nur alte Usenet-Hasen dabei, sondern auch 18jährige Mädchen, die unabsichtlich ihr Sexleben offenlegen.

    Wer noch nicht erlebt hat, was für umfangreiche Informationen auch und gerade Feinde mittels Google und Social Networks sammeln können, der rechnet auch nicht damit. Und so denkt nun mal – auch wenn das im konkreten Fall von Andi anders sein mag – die Mehrheit der StudiVZ-User.

  23. 23
    Regine

    @Maltefan: „Je sorgloser man aber alle möglichen Details der persönlichen Geschichte für wirklich absolut jeden zugänglich macht, desto leichter macht man es einer großen Anzahl von Menschen, einem schlimmes zuzufügen.“

    Oder Gutes ;-), das weiss man eben nie …

    Dann kommt noch dazu, dass nicht alles im Netz objektive Fakten sind, es gibt ja Dienste, die gefakete Urlaubspostkarten verschicken, nur damit Leute sich nicht dafür rechtfertigen müssen, dass sie lieber zu Hause bleiben. In dem Fall dann auch noch bei heruntergelassenen Fensterläden, nur um nicht vor dem sozialen Umfeld die Hosen herunterzulassen.
    Zum Beispiel. Dass es solche Dienste gibt, die sich ökonomisch halten können, zeigt also, dass es solche Leute gibt, die solche Dienste in Anspruch nehmen.
    Über’s Netz kann ich meinen Urlaub selbst faken oder meine Website gleich noch mitfaken lassen.

    Wo will ich damit hin? Nicht alles, was im Netz steht, ist so wahr, dass es beweisfähiges Material ist.
    Woher willst Du wissen, dass die 4 Regines hier mit einer realen Person identisch sind? Ich weiss ja auch nicht, ob Du ein identischer Maltefan bist ;-)
    Genau das mein ich mit Kritik und genau das mein ich mit der Erzeugung eines ordentlichen Rauschens.
    Bloß weil ich einen Plazes-Channel eröffnet habe, heisst das noch nicht, dass jedeR jederzeit einsehen kann, wo ich gerade bin. Denn niemand weiss, ob ich wirklich da bin, ausser die Leute, die auch da sind.
    Wenn Prominente schlau sind, nutzen sie das Netz auf diese Weise, um sich Privatsphäre zu schaffen.

    EDIT: Wäre sicher eine gute Geschäftsidee, so ein Dienst für Promis, gibt’s sicher schon …

    Bloß weil es ein Foto von mir im Ballermann gibt, unter dem steht, dass ich vorgestern dagewesen bin, heisst das noch nicht, dass ich da vorgestern war. Es bedeutet noch nichtmal, dass ich in der Wirklichkeit existiere, Beispiel virales Marketing über gefakete Blogs.
    Das wiederum kann auch meine Privatsphäre schützen, über’s Netz kommunizieren, irgendwo zu sein und tat-sächlich woanders zu sein.

    Die vermeintliche Offensichtlichkeit, mit der Informationen im Netz verfügbar sind, erspart Dir nicht die Recherche und Überprüfung in der Realität.

  24. 24
    Maltefan

    Simon: Guter Text, und sprechende Beispiele.

  25. 25
    Maltefan

    Regine: Das geht alles völlig an meinem Punkt vorbei. Es ist unerheblich, ob das alles stimmt, was im Netz über Dich zu finden ist. Es braucht auch gar nicht beweisfähig zu sein. Erstaunlich, dass man das überhaupt erwähnen muss.

  26. 26
    Regine

    Maltefan: Wo Du’s sagst, ich hatte auch schon den Verdacht, dass Deine Antworten an meinem Punkt vorbeigehen ;-)

  27. 27
    Maltefan

    Regine: Du meinst also, wir reden aneinander vorbei … ;-)
    Mir geht’s darum, was jemand mit dem Zeug anstellen kann, was über einen im Netz zu finden ist. Ob das alles stimmt oder nicht interessiert doch keinen. Im Zweifelsfall wird’s sogar noch ein bisschen verdreht und aus dem Zusammenhang gerissen.

  28. 28
    Regine

    Maltefan: Diesen Standpunkt teile ich mit Dir ;-)

    Und frage mich: was tun?
    Das ist der Moment, wo die Kritik ins Spiel kommt. Die Verdrehungen werden wirkungslos, wenn wir anfangen, die Information, die wir serviert bekommen und die uns umgibt, kritischer auf ihren tat-sächlichen Gehalt zu hinterfragen. Das Ergebnis: wir sind nicht mehr dermaßen regierbar (nicht nur seitens des Staates, ich denke da auch an „die Medien“). Und Hetzkampagnen verlieren an Wirkung. Verhetzung greift nur bei Menschen, die bereit sind, sich verhetzen und verblenden zu lassen.
    Was natürlich nichts daran ändert, dass es solche Menschen gibt und weiterhin geben wird. Ich bin nur nicht bereit, mich von Dummheit regieren zu lassen, daher meine Sympathie zu Andi’s Positionen.

  29. 29
    Maltefan

    Regine:
    „Die Verdrehungen werden wirkungslos, wenn wir anfangen, die Information, die wir serviert bekommen und die uns umgibt, kritischer auf ihren tat-sächlichen Gehalt zu hinterfragen. Das Ergebnis: wir sind nicht mehr dermaßen regierbar (nicht nur seitens des Staates, ich denke da auch an „die Medien“). Und Hetzkampagnen verlieren an Wirkung.“

    Wovon träumst Du eigentlich nachts? ;-P

  30. 30
    Regine

    Jedenfalls nicht schlecht :-0

  31. 31

    wichtiger als andere leute zu ergooglen ist noch das selfgoogling. passendes projekt dazu gerade online gegangen.
    http://datenform.de/googleportrait.html

  32. 32

    Und ich hatte mich schon gewundert, weshalb mein Blog gestern plötzlich doppelt so viele Besucher hatte wie sonst :-) Vielen Dank.

    Wenn ich nun im oben verlinkten WiWo-Artikel folgendes lese…

    Oder Gisela M. Die Wirtschaftsprüferin galt als aussichtsreichste Kandidatin für den Geschäftsführerposten in einem öffentlichen Unternehmen. Schließlich hatte sie zuvor bereits in einem vergleichbaren Job brilliert — wohl auch, weil sie die nötige Durchsetzungskraft besitzt: Während ihrer Amtszeit hatte die Niedersächsin Unregelmäßigkeiten in der Bilanzierung des öffentlichen Betriebes aufgedeckt. Es kam zum Eklat mit dem Bürgermeister und zu einem öffentlichen Ränkespiel, das sogar vor Gericht landete. Am Ende setzte sich Gisela M. durch. Die Medien feierten sie als Heldin — zu ihrem Nachteil. Den Lokalbericht fand jetzt auch ihr potenzieller Arbeitgeber im Netz. Sein Urteil: „žSicherlich eine hochkompetente Managerin, aber eben auch sehr wehrhaft und korrekt.“ Zu korrekt. Den Job bekam sie nicht.
    …dann wundere ich mich aber ein wenig, warum Punkt 1 und 3 meines zitierten Kommentars oben so viel mehr Beachtung zu erfahren scheinen als Punkt 2. Kann es wirklich sein, daß eine Frau nicht eingestellt wird, weil sie zu integer ist? Will irgend jemand für eine solche Firma arbeiten? Will irgend jemand in einer solchen Welt leben? Und wenn nicht, warum tun wir dann nichts dagegen?

    Um abgesehen davon mal meine persönliche „Googlability“ anzusprechen, mache ich mir, kurz vor dem Diplom, schon Gedanken. Ich bin seit mindestens 1999 unter meinem Namen im Netz unterwegs, und entsprechend findet man nicht nur mein (gepflegtes) Blog und meine (seit mehr als drei Jahren fast komplett vernachlässigte) Filmsite, sondern auch ein paar unkritische Hausarbeiten, einige Debattierturnierergebnisse, Tausende unlöschbarer Useneteinträge und bei genügend tiefer Suche selbst eine Handvoll eher peinlicher Gästebucheinträge aus der Zeit, als man sich noch in Web-Gästebücher eingetragen hat.

    Obwohl ich eigentlich immer darauf geachtet habe, keine Dinge zu veröffentlichen, die mir privat sind, denn es stimmt natürlich, nur weil alles raus kann, muß es das noch lange nicht, frage ich mich schon, was ein Personaler, ein Feind oder auch „nur“ ein Date mit meinen Äußerungen anfängt. Es wird sicher nicht jedem gefallen, wie ich über den Bundesminister des innern Terrors Schäuble abledere. Oder daß ich zur schwindenden proisraelischen Fraktion gehöre. Oder Sinéad O’Connors Zerreißen des Papstbildes mag. Oder „World of Warcraft“ spiele. Oder oder oder, man muß nur mal ins Gästebuch meiner alten Filmsite schauen, um zu lesen, wie sich Menschen aufregen können, nur weil man ihren Lieblingsfilm „Armageddon“ beleidigt hat, und das noch mehr als sechs Jahre, nachdem ich das Machwerk gesehen und darüber geschrieben habe. Ich hätte bedeutend weniger Beschimpfungen und andere, durchaus unschöne Sachen erleben müssen, wenn ich mich nie darüber oder über andere Dinge geäußert hätte.

    Aber das sind doch meine Meinungen. Das sind doch die Sachen, die ich tue. Das sind doch Teile davon, wie ich war und bin.

    Und das ist auch gut so.

    Und ich bin kein Christ, aber wer ist ohne Sünde, den ersten Stein zu werfen und mir vorzuwerfen, wie ich bin? Schäuble bestimmt nicht, und ich habe auch nicht vor, für ihn zu arbeiten. Personaler, die Leute nicht einstellen, weil sie zu integer sind, bestimmt nicht. Feinde, die mich hassen, weil ich „Armageddon“ hasse, bestimmt nicht. Dates, die lieber einen glattgebürsteten Andi statt the real thing haben wollen, bestimmt nicht (zum Glück ist mir das noch nicht passiert).

    Alles, was ich mir wünsche, ist mehr Mut, dazu zu stehen, wie man ist. Denn es ist doch gut so. Und niemand, niemand hat das Recht, über einen zu richten. Das gilt, wenn fünf Menschen wissen, wie man ist, genauso, wie wenn es fünf Millionen wissen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, daß Schindluder mit meinen Äußerungen getrieben wird, bei fünf Millionen Menschen ungleich höher ist als bei fünf.

    Das kann man naiv nennen. Oder idealistisch.

    Aber für mich heißt es menschlich.

  33. 33
    Maltefan

    @Andi
    Ich denke, unsere Meinungen zum Thema sind gar nicht so weit auseinander. Mein Punkt ist lediglich, vor dem Posten ein bisschen zu überlegen — ob man sich wirklich wohl fühlt damit, wenn das alles jetzt auch Leute wissen, die einen nicht leiden können, z.B.

  34. 34

    Stimmt, das Gehirn sollte man vorher immer einschalten :)

  35. 35
    Regine

    Das seh ich auch so ;-)

  36. 36