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200 ml

Die echten Abenteuer finden heutzutage nicht nach dem Verzehr von Drogen statt, nicht in der Bundeswehr und auch nicht im Swingerclub. Barfuß durch die Arktis, Bungeejumpen, als Mensch mit Haupthaar durch die Sächsische Schweiz flanieren – alles Kinderkram.

Das letzte verbliebene Abenteuer besteht darin, Sonnenöl aus seinem Urlaubsland nach Hause zu transportieren. Im Handgepäck.

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Und auch dann, wenn man es selber erst nach den Kontrollen merkt: der Adrenalinwirbel ist unvergleichlich. 200 ml! Wir lagen uns jauchzend in den Armen. Bonne und Clyde. Atta und Jarrah. Robin und Little John. You name them. Wir sind krasser.

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200 ml. Und ja: Sie war voll.
Man könnte sagen: voll bis zum Anschlag.

Während des Fluges entwickelte ich zur Strafe eine Flugangst.
Der Pilot wies etwas zu ausführlich darauf hin, dass unsere siebenstündige Verspätung* auf einen schweren Defekt der Maschine zurückzuführen sei, dessen Reparatur halt so lange gedauert habe. Ich starrte meine Lieblingslektorin an: „Wir sitzen in einem reparierten Flugzeug.“ – „Mhm.“
Meine Lieblingslektorin verstand den Ernst der Lage nicht. Wenn man ein Auto aus der Werkstatt abholt, muss man immer noch einmal zurück, weil einer der Mechaniker vergessen hat, sein Pornoheft aus dem Motor zu holen oder eine Schraube nicht richtig angezogen hat.

Dann ratterte die Maschine los, in den unerträglichen Lärm der losen Schrauben mischten sich Werbeeinspieler dieser Fluglinie, eine Frauenstimme sang: „Wir lieben Fliegen“ und hinter mir furzte ein Kind. Das Kind hatte ich schon vorher entdeckt. Es war das hässlichste Kind auf der ganzen Welt, gehüllt in ein Podolski-Shirt.

Ich fand keine sitzbare Stellung, mein Magen drückte, mein Kopf vibrierte. Ich wand mich, stieß auf, knetete meine Hände. Meine Lieblingsstoikerin las. Ich versuchte auch zu lesen. Stundenlange Reparatur. Verdammt. Und da schreiben die Verbrecher von der ZEIT über Peking. Wen interessiert Peking, wenn bei deutschen Fluglinien Schrauben locker sind und Pornohefte die Motoren in ihrem Lauf behindern?

Die Frauenstimme sang immer noch in Endlosschleife von ihrer Liebe zum Fliegen, der Kinderfurz hatte meine Nase erreicht. Ich fingerte nach den Kotztüten. Und da dachte ich zum ersten Mal, als ich aus dem Fenster schaute: „Ganz schön hoch. I’m not even supposed to be here.“

* Ich möchte an dieser Stelle den Leser bitten, einen Moment zu verharren und sich vorzustellen, das wäre am 11. September passiert. „Fliegt ihr schon mal vor, wir kommen dann nach.“ – „Du räudige Nachgeburt einer an Scharlach erkrankten Hündin, wir müssen da kurz hintereinander reinfliegen!“ – „Beim Barte des Propheten, mein kahlrasierter Freund, soll ich das Flugzeug etwa am Boden entführen? Bin ich Luke Skywalker?“ – „Da hast du nicht ganz Unrecht. Ich rufe in Waziristan an. Hast du die Vorwahl?“ – „Irgendwas mit 034, du, ich habe da im Duty-Free-Shop eine fan.tas.tische Handtasche gesehen. Ähm. Für meine Frau natürlich. See you, Gruß an die anderen. *wink*“

27 Kommentare

  1. 01
    Christian

    Malte, I’m glad you are back!

  2. 02
    mc bastard

    very niccccccceeee nicht?

  3. 03

    * ist wirklich zum totlachen…

  4. 04
    leo

    200ml haha, penibel…

  5. 05
    rin

    da ist jemand aber NICHT über London geflogen… im Zweifelsfall geht’s dann einfach nicht weiter. Und alle hintendran verpassen ihren Anschluss.

    Trotzdem, Glückwunsch zu dieser Leistung ;)

  6. 06
    Jan(TM)

    … als Mensch mit Haupthaar durch die Sächsische Schweiz flanieren …
    Hängen da neuerdings die Äste so tief?

  7. 07
    Patrick

    Tja, wenn es damals am 11. September so gelaufen wäre, dann würden heute vielleicht viele Menschen noch leben.

  8. 08

    Irgendwie war der Text echt mies. Besonders das Vorurteil der Pornohefte lesenden Mechaniker.

  9. 09
    Maltefan

    Sehr hypsch :-).
    Danke, Malte

  10. 10

    Nico is Mechaniker, weitersagen…hihi… der Nachsatz ist reines Gold wert. ALso digitales Gewicht…Der burnt…

  11. 11
    Jan-Henrik

    200ml… das ist gar nichts gegen ein großes Schweizer Taschenmesser was ich 2006 ausversehen im Handgepäck auf dem Flug von San Francisco nach NEW YORK mithatte.
    Oder Teppichmesser von Athen nach Berlin wie meine Kunstlehrerin.

  12. 12

    An Herrn G.: Bin leider kein Mechaniker, aber finde die Stereotypen mit denen Malte teilweise arbeitet schlicht und ergreifend stumpf. Dann lieber weglassen und einen zweifelhaften Gag weniger haben.

    Außerdem wäre es vielleicht ganz gut gewesen irgendwann am Anfang in den Text mit einfließenzulassen, dass es das Handgepack beim Rückflug aus einem Urlaubsland ist. Ich hatte das erst zu spät geschnallt und fand es dann nicht mehr witzig, weil ich mich darüber geärgert habe, zu spät zu merken das Kontrollen am Flughafen gemeint sind und nicht jede beliebige andere.

  13. 13
    Malte

    @ Nico
    Ich möchte ja jetzt deinen Ärger nicht ins Unermessliche steigern. Aber ich habe geschrieben:

    Sonnenöl aus seinem Urlaubsland nach Hause zu transportieren. Im Handgepäck.

    Und Handgepäck ist nun einmal ein klar mit dem Fliegen in Verbindung stehender Begriff.

  14. 14
    Samuel

    @nico: das Leben ist hart.

    super Text, besonders der Nervenkitzel durch die 200ml!

  15. 15
  16. 16
    leo

    Moralisten gegen Humoristen. Ring frei!

  17. 17

    ach der Sternchen-Nachsatz. Ich halte Malte einfach mal seine Angst zu Gute. In Angstzuständen entwickelt der Mensch merkwürdige Fantasien. Zur Ablenkung vom eigentlichen Schicksal. Ok. Die meisten Menschen behalten diese Fantasien dann aus gutem Grund für sich, aber hier haben wir eine Sondersituation. Einen Blogger. Einen verängstigten Blogger. Das ist eine für moralische Messungen ungünstige Ausgangslage.

  18. 18
    heidrun

    was fällt dir ein, hier witzig sein zu wollen, malte!
    das ist spreeblick, intellektuelle plattform, aus der man fürs leben lernt, und nicht irgendein blog oder sowas. denk doch mal an die reichweite!

  19. 19

    Ach Leute, Humor und sich mit Hilfe simpler Vorurteile über andere lustig zu machen, da ist ein unterschied. Bei einer Karnevalsveranstaltung habe ich auch mal folgenden Witz gehört. Was ein Schwarzer aufm Motorrad ist. Die Antwort erspar ich euch mal. Auch wenn es nicht so krass ist jetzt mal mit ’nem flapsigen Spruch ’ne Berufsgruppe hops zu nehmen, an Hand eines billigen Vorurteils, so ist es eben doch auch nicht gerade sehr originell. Oder würde diesen Witz einer als originell bezeichnen? Ich denke wenn jemand solche Kritik erfährt, dann wird er vielleicht mal auf seine Klischees von den dummen , hässlichen, notgeilen Handwerkern und den ebenso dummen, blonden und hinterwäldlerischen Friseurinnen, die noch nicht mal was vom W-LAN mitbekommen haben, absehen.

    Sonst passiert es eben, dass hier Leute ein Bild von ihm bekommen, als den LSD konsumierenden Mathefeind der es im Leben zu nichts gebracht hat, außer dass er sich auf einem Blog mit Büttenredenniveau über einzelne Berufsgruppen lustig macht, ihm dabei die halbe Szene, der er angehört, unkritisch applaudiert.

    In diesem Sinne: Jeder sollte froh sein kritisiert zu werden.

    Das mit dem Handgepäck.. Es soll auch Reisen geben, bei denen ebenso zwischen Handgepäck und dem anderen eben unterschieden wird. Vielleicht setze ich auch zu wenig Smileys oder hier nehmt es zu ernst, das war eigentlich eher selbstironisch gemeint. Wenn du nach Natursekt googlest kriegst du vielleicht auch biologisch hergestellten Sekt, obwohl ja andere Leute anderes damit verbinden. Wie auch immer.

  20. 20
    matze

    @nico dann lachst Du halt zur Strafe nicht.
    Ich fands komisch.

    @malte, dann schreib halt das nächste Mal, „Der Mechaniker hat noch Goethes Faust im Handschuhfach vergessen.“

  21. 21
    Malte

    Sonst passiert es eben, dass hier Leute ein Bild von ihm bekommen, als den LSD konsumierenden Mathefeind der es im Leben zu nichts gebracht hat, außer dass er sich auf einem Blog mit Büttenredenniveau über einzelne Berufsgruppen lustig macht, ihm dabei die halbe Szene, der er angehört, unkritisch applaudiert.

    verfilmt hätte ich das dann gern mit oliver korittke und brad pitt

    @ matze
    so leicht kommt man hier nicht raus.
    „willst du damit etwa andeuten, dass automechaniker nicht goethes faust im motor verlieren?!“

  22. 22
    heidrun

    ich lese ausschliesslich arno schmidt, während ich tragwerke repariere. da kann man sich ja auch am besten konzentrieren, in so ner werkstatt.
    @ nico: ich glaube dir nicht, dass du solche vorurteile nicht hast. ich tus einfach nicht. und ich traue malte zu, obwohl ich nicht seiner „szene“ angehöre, dass er mechaniker trotzdem anständig behandelt.
    „Jeder sollte froh sein kritisiert zu werden.“ aber nur von leuten, die die texte auch lesen. die namen atta & jarrah sagen dir schon was, oder?

  23. 23
    welcher humor?

    o.T.

  24. 24

    „Mensch mit Haupthaar durch die Sächsische Schweiz flanieren“

    Ich finds witzig. Als Mecklenburger.

    Weniger witzig finde ich, dass Malte einer der ersten ist, die hinter jedem Negerkuss den KKK sehen.

    Sind Minderheitenwitze nur okay, wenn sie nicht gegen Frauen, Ausländer Behinderte, Juden und Schwarze gehen?
    Das ist keine rhethorische Frage.

  25. 25
    Malte

    Weniger witzig finde ich, dass Malte einer der ersten ist, die hinter jedem Negerkuss den KKK sehen.

    damit kannst du mich nicht meinen