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Old Clash Fan Fight Song Club Gig Review Pt. II

billy bragg

Nochmals: Billy Bragg in Berlin. Mit Interview. Aber vorher ClickClickDecker.

Bestimmt bin ich zu alt für sowas oder auch zu arrogant, aber ClickClickDecker haben es schafft, mich bereits nach anderthalb Songs zu langweilen.

Kevin Hamann ist ClickClickDecker und bestimmt ein prima Kerl, mit dem man einige Biere bei netten Gesprächen konsumieren kann. Er hat schon sehr viel Musik in seinem Leben gemacht und viele Texte geschrieben, Mädchenherzen fliegen ihm zu, sagt man, und seine Mitmusiker lächeln auf der Bühne so zufrieden, dass man ihre gute Behandlung durch den Chef vermuten kann. Beim Besuch seiner Website jedoch warnt der aktuelle Albumtitel „Nichts für Ungut“ schonmal vor, und Songs wie „Wenn man alles verliert“, „Sozialer Brennpunkt Ich“, „Ich kenne meine Schwächen“, „Wer erklärt mir wie das hier funktioniert“ usw. usf. bestätigen die Vermutung, dass wir uns im popdeutschen Jugendzimmer mit Klappschrankbett befinden, dort, wo Charakter mit Selbstmitleid verwechselt wird und die Antwort auf alle Fragen „Ich weiß auch nicht“ lautet.

Ein Blick in die Presseinformation zum neuen Album macht die Sache nicht besser: „(…) es geht um Feigheit, Müdigkeit, Resignation und dergleichen Grundlagen des Daseins (…)“. Meine Fresse. Wie alt ist der Mann? 14? Oder 83?

Es ist natürlich völlig egal, was ich von ClickClickDecker halte, denn ich bin jenseits der Zielgruppe und genau jene sollte sich freuen, dass Pop-Opas wie ich (ich wollte dann doch nicht „Popopas“ schreiben) ihre Botschaften nicht verstehen, so soll das ja sein. Wenn man mir langweiliges Geschrummel mit dem Charme einer Dauerentschuldigung präsentiert und das dann „schlau“ nennt, dann bekomme ich schlechte Laune, immerhin diese Regung konnten mir ClickClickDecker also entlocken, bevor der alte Mann Billy Bragg auf die Bühne kam und den jungen Milden in den Arsch trat.

Ich könnte seitenweise über Billy Bragg schreiben und hatte damit begonnen und mich komplett verrannt, und da dieser Artikel heute noch online gehen soll, gibt es hier nun einfach kurz kommentierte Videos, die die Dringlichkeit, Leidenschaft und Ehrlichkeit (für die Definition bitte mal googlen) dieses Mannes besser transportieren als zu viele Worte.

Old Clash Fan Fight Song

Der Song, den Billy unter dem Namen „Johnny Clash“ aufgenommen hat und der angeblich enstanden ist, nachdem er sich durch einen gemieteten Verstärker auf der Bühne in Boston an den Sound des ersten Clash-Albums erinnerte. Der Text besteht fast ausschließlich aus Clash-Referenzen, den Titel bitte mit imaginärem Smiley verstehen. Bragg widmet den Song der jungen Dame mit Kamerateam, die ihn im Foyer der Halle fragte, ob er Billy-Bragg-Fan sei. Er sei zu alt dafür, habe er geantwortet, aber er wisse, dass Bragg extrem gut aussehen würde, ein brillianter Sänger sei und außerdem über einen enormen… Back-Katalog verfüge. Die Geschichte ist wahr und Bragg hat der dann doch peinlich berührten Dame nach dem Interview seinen Popkomm-Pass mit seinem Namen gezeigt.


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I Keep Faith

Schon wieder The Clash. Billy Bragg berichtet von seinem Job Ende der Siebziger, in dem er von latent rassistischen und sexistischen Kollegen umgeben war und sich nicht traute, dagegen zu sprechen. Erst der Besuch der „Rock against Racism“-Demo mit Konzert, bei dem auch The Clash spielten, machte ihn mutiger und brachte ihn dazu, seine Stimme zu erheben. Bragg betont dabei, dass es nicht die Band war, die ihm diesen Mut gegeben hat, sondern die anwesenden 100.000 Menschen im Publikum, die wie er dachten und fühlten. Und so ist „Keep The Faith“ eine Homage an das Publikum und an das, was man gemeinsam erreichen kann.


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A New England

Der Klassiker, hier mit der dritten Strophe der Cover-Version von Kirsty McColl, die im Jahr 2000 bei einem tragischen Unfall ums Leben kam und dabei das ihres Sohns rettete.

Braggs Bemerkung, dass das mitsingende Publikum sogar einen Cockney-Akzent hätte, beweist sowohl seinen Charme als auch seinen Humor. Und seine Fähigkeit, bei aller Ehrlichkeit auch mal lügen zu können, ohne rot zu werden.


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Beste geänderte Textzeile während des Sets übrigens:

„Sexuality – Young and warm and wild and free Morrissey!“

Interview: You can either be Rick Wakeman or the Sex Pistols

Viel Zeit hatten wir nicht, aber kurz konnte ich mit Billy Bragg über sein eigenes Weblog reden.


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Hat jemand Interesse am Videomitschnitt seiner „Keynote“, die eher ein Gespräch war? Halbe Stunde? Dann pack‘ ich das in den nächsten Tagen auch noch online.

Mehr Billy Bragg in Berlin mit Text, Ton und Video beim Sprachzentrum!

Update: Schickere Fotos vom Billy-Bragg-Gig und anderen Popkomm-Konzerten gibt’s bei Christian Lehner.

18 Kommentare

  1. 01
    Ohrenschmauß

    Joa, ich hätte Interesse. Wäre nett, wenn du das noch online stellen könntest.

  2. 02

    Einer reicht, wird gemacht. :) Dauert aber noch’n bisschen.

  3. 03

    „Hat jemand Interesse…?“
    Ich bitte Dich! Welch Frage. Natürlich.

  4. 04
  5. 05
    BeBo

    ja bitte!

  6. 06

    Je découvre votre blogue. Il est très bien et le contenu aussi, surtout.
    Très intéressant, merci pour l’information

  7. 07

    Ich wäre hoch erfreut, wenn der komplette Videomitschnitt käme. Das da oben war schon so wunderbar, da kann man nur drei Mal mit dem Kopp an die Wand rennen, dass man so etwas verpasst hat…

  8. 08
    Henrik

    Jaja, Spiegel TV – ohne rot zu werden. Online bei SPON

  9. 09

    Ich war die Tage bei Paul Weller, und wenn man die beiden mal vergleicht, dann scheint Billy Bragg doch um einiges lustiger und authentischer gealtert zu sein als PW.
    Nicht nur die Musik wirkt trotz ihrer unleugbaren Patina lebendiger, auch der Witz ist besser. Wesentlich besser.

  10. 10

    oje ein clickclickdecker-verriß, das hat er allein schon für „wer hat mir auf die schuhe gekotzt“ nicht verdient, aber ich bin jung und muss das wohl sagen. sein neuestes projekt „bratze“ zusammen mit der tante renate ist ne spur schneller, aber nicht zwingend weniger weinerlich :-)

  11. 11

    ClickClickDecker hatten nicht den Hauch einer Chance gegen so jemanden wie Billy Bragg. Sind auch gelangweilt rüber zu LayLow. Und haben später bei Billy mitgesungen :-)

  12. 12

    Etwas fuer die Clash/Bragg Fans das ich gerade gefunden habe (hoffe mal das ist hier noch nicht irgendwo verlinkt worden und ich habe es uebersehen):

    The Neighborhoods & Billy Bragg „I Fought the Law“ 1989.

  13. 13

    Der Mann ist wirklich kein Jahr gealtert, seit ich ihn vor gefühlten 100 Jahren im Hamburger Onkel Pö gesehen hab‘. Vor ca. 80 Zuschauern, denen er zwischen den Songs wunderbare Geschichten erzählte, so zB wie man in Bruce Springsteen Manier Autos klaut (mit US Flagge im Hintergrund) oder wie er vor 5000 deutschen Gewerkschaftern das Riff von Smoke On The Water spielte, diese daraufhin begeistert mitklatschten und beschloß nie wieder in Deutschland zu spielen.

    Hat er eigentlich Levi Stubbs‘ Tears gespielt? Mein Favorit, noch vor New England.

  14. 14

    Boogie, nee, leider nicht. Auch einer meiner Favoriten, absolut.