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Myanmar ist Burma ist Birma

monks
Photo © racoles

Business as usual, mögen sich die birmesischen birmanischen Generäle rund um Than Shwe gedacht haben, als vor ein paar Tagen einige Mönche auf die Straße gingen, um gegen die hohen Lebensmittelpreise zu demonstrieren. Ein bißchen Tränengas, ein paar Stockhiebe, Verhaftungen der Organisatoren – die altbewährten Methoden eben. Seit die Militärs in den 60ern die Macht in Myanmar an sich gerissen haben, gibt es das ja quasi vierteljährlich.

Dass sich das ganze zum Flächenbrand ausweitet, und dass die internationale Öffentlichkeit plötzlich Anteil nimmt, war nicht vorherzusehen. Myanmar kommt in der Presse normalerweise höchstens auf den Reiseseiten vor (und heißt häufig immer noch Burma oder Birma oder so), und politische Aktivisten genießen im In- und Ausland den Bekanntheitsgrad armenischer Zweitligaclubs.

Außer Aung San Suu Kyi. Nachdem die Niederschlagung der Proteste gegen eine völlig verfehlte Wirtschaftspolitik 1988 tausende von Toten gefordert und das Land nachhaltig destabilisert hatte, ließ die Führung 1990 freie Wahlen zu, die die Opposition trotz aller Repressalien mit 81 % gewann. Was nicht geplant war. Also wurde die Führerin Aung San Suu Kyi eingesperrt und das Ergebnis für ungültig erklärt. Studentenproteste, Militäreinsatz, Tränengas, Stockhiebe, Verhaftungen und Tote – business as usual.

Fast: Aung San Suu Kyi bekam den 1991 den Friedensnobelpreis und damit eine Menge Aufmerksamkeit. Was auch nicht geplant war. Politische Studentenvereinigungen in den USA begannen zu der Zeit, zum Boykott gegen in Myanmar investierende Firmen auszurufen, Universitätsrektorate schlossen sich an. Selbst der Staat Massachusetts hob ein Gesetz aus der Taufe, das Kooperationen mit jenen Konzernen untersagte.

Und da hat der Spaß ein Loch. Für die meisten Firmen ist es ziemlich irrelevant, ob ein paar Schlaghosen tragende, Wollpullis häkelnde Studenten zum Boykott ihrer Waren aufrufen. Wenn aber ein Bundesstaat keine Aufträge mehr vergibt, macht sich das bemerkbar. Man hat also die Wahl, entweder nicht mehr in Myanmar zu investieren, oder auf Aufträge aus öffentlicher Hand zu verzichten.

Oder man klagt. Was die Konzerne auch gemacht haben (und sie haben natürlich Recht bekommen). Aber nicht nur die Konzerne, sondern auch die EU. Das sei nicht fein für den Wettbewerb, meinte sie. Klar müssten Sanktionen her, aber bitte keine so drastischen. Ein Embargo, schön und gut, aber bestehende Verträge dürften nicht betroffen sein, und Staatsmonopolisten wie die birmesische birmanische Öl- und Gasgesellschaft sowieso nicht. Macht ja auch Sinn, den Staatsmonopolisten für viel Geld das Öl wegzukaufen, damit die Generäle mit dem gleichen Geld die Kampfhubschrauber aus europäischer Fabrikation kaufen, ohne sie betanken zu können. Oder so. Nachhaltige Friedenspolitik nennt man das.

Dass das Militärregime in Myanmar sich seit 1988 kaum auf den eigenen Beinen halten kann, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Seltsam hilflose Stabilisierungsmanöver wie die periodische Schließung der Universitäten oder die Verlegung der Hauptstadt mitten in den Dschungel dokumentieren neben dem Willen der Machthaber, alle Register zu ziehen, vor allem eines: ihre Angst.

Da tut es gut, Freunde zu haben. China zum Beispiel, klar, das international regelmäßig die schützende Hand über den kleinen Nachbarn hält. Aber man sollte sich nicht blenden lassen: Europa auch. Beispielsweise durch durch Investitionen europäischer Firmen in Myanmar. Merke: Human rights is not the business of business. Das gilt in besonderem Maße für Total, das in Zusammenarbeit mit dem oben genannten Staatsmonopolisten die Gasvorkommen in Yadana ausbeutet. Total avanciert damit, wie Aung San Suu Kyi schon 1996 meinte, zur Hauptstütze der Militärjunta. Auf mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen nicht nur in Myanmar, sondern in Yadana selbst (wie Zwangsarbeit und Zwangsumsiedlung), unter Beteiligung des Konzerns, angesprochen, meinte Total, so was mache Total nicht. Großes Indianerehrenwort.

Die Junta ist jedenfalls angeschlagen, und es bleibt nur zu hoffen, das sie darauf verzichtet, die Demonstranten zu massakrieren. Allerdings berechtigt weder der Blick in die Vergangenheit noch die Berichterstattung prodemokratischer Exilantenzeitungen (wie The Irrawaddy) zu großer Hoffnung.

Sollte allen Zweifeln zum Trotz die Revolte politische Konsequenzen haben, und das Militärregime gestürzt werden, bleiben die Zukunftsaussichten für Myanmar düster. Keine der oppositionellen Parteien wäre wohl in der Lage, das entstehende Machtvakuum zu füllen, und die Sezessionsbestrebungen ethnischer Minderheiten erhielten neuen Auftrieb. Zwar sind viele der Unabhängigkeitskriege in den Randgebieten Myanmars in den 90er Jahren offiziell beendet worden (beispielsweise mit den Shan und den Karen), allerdings handelt es sich um „heiße“ Waffenstillstände: Die meisten Gruppen sind nach wie vor bewaffnet, Gefechte sind zwar nicht mehr an der Tagesordnung, aber von „Frieden“ kann keine Rede sein. Im letzten Jahr haben sich die Militäroperationen (auch unter Einsatz von Kindersoldaten) insbesondere gegen die Karen verstärkt – Landminen, Verbrennung von Dörfern, Folter, Hinrichtungen, systematische Vergewaltigungen und Zwangsarbeit waren die Folgen für die Zivilbevölkerung.

Deren tatsächliche Lage kann man sich (auch außerhalb der Konfliktgebiete) nur schwer vorstellen. Was den Human Development Index anbelangt, belegt Myanmar den 130. Platz (von 177): 21,6 % der Bevölkerung hat täglich weniger als einen US-Dollar zur Verfügung, 21,2 % der Menschen sterben vor der Vollendung des 40. Lebensjahres, 22 % der Bevölkerung hat keinen Zugang zu Trinkwasser und 32 % der Kleinkinder gelten als unterernährt. Der UNAIDS Global Report 2006 geht von 360.000 HIV-Infizierten aus, was eine der höchsten Raten weltweit darstellt.

Und es besteht wenig Anlass zur Hoffnung, dass sich an diesen Zahlen was ändert. Ob die Spiele jetzt in Peking stattfinden sollen oder nicht, ein umfallender Sack Reis wär wichtiger.

Weitere Artikel:

Interessantes Interview im hr-der Tag-Podcast über die Situation der Mönche in Burma, Religion und Revolte.

Dossier der fidh über das Engagement Totals in Myanmar.

Zwei Artikel aus dem monde diplomatique über die chinesischen Interessen in Myanmar, einmal von André und Louis Boucaud, und einmal – im größeren Kontext des Asean-Gipfels in Malaysia 2005 – von Jean Claude Pomonti.

Sammlung birmesischer birmanischer Blogs bei Robert Basic. Ich glaube aber, das es keine gute Idee ist, sich ausschließlich über Blogs und SpOn zu informieren, der, soweit ich das sehe, sich meistens mit der Übersetzung bestehender Berichte aus den Blogs und einigen Interviews begnügt – nicht überall, wo Opposition draufsteht, ist Demokratie und Menschenrecht drin, viele oppositionelle Gruppierungen werden von teilweise westlichen Interessengruppen getragen, die häufiger mal kein Wohlwollen verdient haben, und nicht alles, was nach „vor Ort“ aussieht, ist es tatsächlich. Auch wenn ich den frommen Wunsch Roberts teile, mehr Aufmerksamkeit für Einzelpersonen schütze sie vor staatlichen Übergriffen, dürfte der Effekt alles andere als nachhaltig sein, weil wir in ein paar Wochen wahrscheinlich nicht einmal mehr wissen werden, wie die Hauptstadt Myanmars nochmal heißt.

Und auch der Spiegelfechter hat einige Texte zusammengetragen, darunter einen exzellenten Artikel von Harald Neuber bei Telepolis.

46 Kommentare

  1. 01
  2. 02

    Zunächst einmal ein großes Lob für den Artikel. Chapeau!
    Aber ein wenig Klugscheißerei kann ich „leider“ nicht unterdrücken: Wenn Ihr Euch für den Begriff „Birma“ entscheidet, so muss es „birmanisch“ heißen. „Birmesisch“ ist eine falsche Ableitung des Wortes „burmesisch“ ;-)

  3. 03

    Hier gibt es Schablonen zum download.

  4. 04
    Micha

    Dass ist doch endlich mal wieder ein richtig guter Spreeblick-Artikel :-) Interessant, brisant und mit guter Schreibe!

  5. 05
    Frédéric

    @ Spiegelfechter: Danke für den Hinweis! Ich habs geändert.
    Und das mir, dem Sprachwissenschaftler…

  6. 06
    MIAUUU

    selbst die tagesschau ist sich nicht sicher, wie sie das land jetzt nennen soll. intereesante diskussion: http://blog.tagesschau.de

  7. 07
    Florian

    ja, wirklich, interessant Frederic, bitte mehr davon..
    Ich weiß nicht, wie Spreeblick sich selbst definiert, aber wenn es zu sehr in Berliner Kiez und Medienblabla abrutscht, kritisiert es nicht mehr, sondern macht mit ohne Gegenwehr (nur die Amalgamierung bringts).
    Und für den ganzen Internetschwachsinn ist doch schon Riesenmaschine da, und youtube und was nicht alles.
    Als Demonstration von X 2.0 ist das ja fein, aber zum Beseelen eines Mediums ungut, eher ähnlich Bravo 1.0 nur +1 und älter.

  8. 08

    Du hast mein „Business as usual“ geklaut!

    http://www.simoncolumbus.de/?p=337

    Aber ansonsten ;) ein gelungener Artikel. Ich hatte schon drauf gewartet, wann ein (und welcher) Spreeblicker als erstes was dazu verzapft.

  9. 09

    „Myanmar kommt in der Presse normalerweise höchstens auf den Reiseseiten vor (und heißt häufig immer noch Burma oder Birma oder so).“

    Den Namen Birma gibt es aber schon seit dem 6. Jahrhundert, wenn man der 222. Ausgabe der Süddeutschen Zeitung glauben darf. Myanmar ist wohl eher ein aufgepfropfter neoauthentischer Name, der „Stark und schnell“ bedeutet. Also: wer Myanmar sagt, folgt der Sprachereglung der Militärregierung…

  10. 10

    @Andi Leser

    Nicht wirklich – laut Wikipedia ist der Begriff „Myanmar“ genau so plausibel, wie der Begriff „Burma“:

    „Der Begriff Myanma soll bis auf das 6. Jahrhundert zurückgehen. Er entstammt der Schriftsprache und findet sich daher eher in historischen Dokumenten, während Bama umgangssprachlich verwendet wird. Seit den 1920er-Jahren gab es Bestrebungen, einen einheitlichen Begriff für alle im jetzigen Myanmar beheimateten Volksgruppen zu finden. So wurde mehrmals Bama durch Myanma ersetzt und umgekehrt.“

    Letztendlich wurde die Neubennung durchgeführt, weil man die kolonialen Wurzeln ablegen wollte – so wie mehrere afrikanische Nationen es auch machten. Oder kämst Du auf die Idee „Zimbabwe“ „Rhodesien“ zu nennen? Der einzige „Schönheitsfehler“ im Falle „Myanmar“ ist, dass die Umbennung von der Militärjunta vorgenommen wurde und daher ein Symbol für deren „illegitime“(?) Herrschaft ist.

  11. 11
    TH

    Am morgigen Samstag um 12 Uhr wird es eine Kundgebung vor der chinesischen Botschaft in Berlin geben (Treffpunkt U/S Jannowitzbrücke). Ebenfalls morgen ab 14 Uhr Demonstration in Köln ab Heumarkt.
    Gefunden unter:
    http://www.asienhaus.de/burma

  12. 12

    Was sagen eigentlich die Trekkies zum Red Shirt Day, der grade durch die Blogs verkündet wird?

  13. 13

    Danke Frédéric. Mehr Inhalt und weniger Web2, Gadgets und Berlininzucht.

  14. 14

    Ich finde nicht, dass es keine Anzeichen für ein Lückenfüllen gäbe: Die Oppositionsführerin wurde ja mit überwältigender Mehrheit gewählt und im Ausland gibts auch einiges an lebhafter Opposition, man denke nur an die feministischen Verbände im Nachbarland. Auch der Sezessionismus ist ja primär eine Reaktion auf die Diktatur, ich kann mich nicht entsinnen, dass vorher das der Fall gewesen wäre.

  15. 15
    jo

    Ich mach meinen Feedreader an und dachte erst, ich lese grade bei Netzpolitik.
    Dann der Blick nach links und da sehe ich Spreeblick. Ihr könnt das also auch. Find ich gut!

  16. 16

    Man muss mal sagen dass Frederic eine richtige gute „Erweiterung“ von Spreeblick ist! Mit solchen guten Artikeln zum aktuellen politischen Geschehen wertet er die Attraktivität Spreeblicks richtig auf!

  17. 17
    feinfinger

    irgendwie ahnte ich so was wird hier thematisiert –
    ich kauf mir nen spreeblick Tshirt

  18. 18

    Free Burma!
    International Bloggers‘ Day for Burma on the 4th of October

    Blogger aus aller Welt bereiten einen Aktionstag zur Unterstützung der friedlichen Revolution in Burma vor. Wir wollen ein Zeichen für den Frieden setzen und den Menschen, die ihr grausames Regime ohne Waffen bekämpfen, unsere Sympathie bekunden. Diese Blogger haben vor, am 4. Oktober 2007 ihre normalen Blog-Aktivitäten einzustellen, um nur einen einzigen Artikel zu veröffentlichen: Ein rotes Banner mit dem Text „žFree Burma!“.

    Quelle: http://www.free-burma.org

  19. 19

    Echt verwirrend mit Myanmar, Burma und Birma. Jeder nennt es doch wieder anders.

    PS: Bevor die Moenche dieses mal in die Presse kamen kannte ich nur Burma

  20. 20
    jan

    „Myanma sind seit jeher die Bezeichnungen für die größte Bevölkerungsgruppe der Bamar in ihrer eigenen Sprache und für ihr Land“ wp

    halte ich daher nicht für eine gute namenswahl, da die minderheiten nicht berücksichtigt werden

  21. 21
    Fritz

    Der Diktator heißt Than Shwe…

  22. 22
    corax

    @ jan / Nr35

    In welchem Land lebst du?

  23. 23
    Fritz

    Danke für die Inkognito-Korrektur des Namens (s. o.)

  24. 24
    Frédéric

    Fritz, sorry, wollte mich vorher bedanken, aber da stürzte mein W-lan ab, was es gerade ständig macht. Also jetzt nachträglich: Dankeschön.

  25. 25
    Fritz

    Nee, schon gut. Das war mehr ein Kommentar auf die Durchstreich- und Korrekturpraxis hier, die ich sehr gut finde.

  26. 26

    Thank you for helping. FREE Burma!!!

    Bush slammed the UN and the rulers of Myanmar in his UN speech last week. The only country that has any influence over Myanmar is China, and they can’t and won’t push too hard. There is too much Oil & Gas there that they need.

    The UN must do something, but they never use military force to fight.
    That is a huge problem.

    Illegal drug and ruby fortunes are a BIG part of this too.

    absurd thought –
    God of the Universe wants
    complete narco states

    criminals in power
    loving the corrupt drug war

    absurd thought –
    God of the Universe says
    shoot peaceful protesters

    calling for democracy
    which you must never allow

    absurd thought –
    God of the Universe thinks
    keep trying communism

    you can never KILL too much
    pursuing Utopia…

    http://free-burma.org/

    http://absurdthoughtsaboutgod.blogspot.com/

    :)
    .

  27. 27

    Na los:
    Wie heißt die Hauptstadt? Wie siehts gerade aus, in Burma? Dacht ich mir.

    Betroffenheitskonsum, widerlich. Geht euch doch an Conterganfotos einen runterholen.