Ein Teenager, grundsätzlich eher nicht so gut drauf, heiratet seine erste große Liebe und setzt mit ihr ein Kind in die Welt. Nur wenig später verliebt er sich in eine andere Frau. Seiner Gattin kann er keine Antworten geben, sein Kind interessiert ihn nicht, verlassen mag er keines der beiden Mädchen. Seine Epilepsie und die nötig gewordenen Pillen helfen seiner Stimmung nicht wirklich und so bringt er sich im Alter von 23 Jahren um.
Diese Geschichte, die leider alles andere als einmalig ist, würde vielleicht niemanden so richtig interessieren, wäre der junge Mann nicht Ian Curtis gewesen, Sänger von Joy Division.
Curtis‘ Geschichte wird in Anton Corbijns Film Control erzählt, und während sich die Kritiker mit Lob geradezu überschlagen, frage ich mich, ob sie den Film überhaupt gesehen haben. Denn langweiligere zwei Stunden habe ich selten erlebt.
Dabei ist Control wunderschön fotografiert, was man von Corbijn auch erwarten darf. Doch für eine Diashow allein geht niemand ins Kino und an allen anderen möglichen Gründen scheitert Control leider.
Die Konzertaufnahmen überzeugen ebenso wie Sam Rileys Darstellung, doch Ian Curtis‘ Charakter, seine Motivation für seine Texte, seine Gedankenwelt — dies alles bleibt eine schwarzweiße Momentaufnahme, die gar nicht erst anfängt, sich zu bewegen, denn offenbar hatte niemand Lust, sich auf die Suche nach mehr zu begeben.
Woher die Musik von Joy Division tatsächlich kommt, warum die Band Curtis scheinbar überhaupt nicht in seiner Depression helfen konnte (was hat ihm Musik bedeutet, hat ihm irgendetwas etwas bedeutet?), wieso, weshalb, warum … man erfährt es in Control nicht, man kann es nicht einmal ahnen. Joy Divison bleiben Statisten, bei denen einzig der Manager einen Charakter erhielt, Curtis‘ Frauen verhalten sich so gut wie gar nicht und der Mann selbst scheint, so muss man das leider empfinden, an recht banalen Lebensherausforderungen zugrunde gegangen sein.
Ob Ian Curtis in einer Band spielte oder in einer Kneipe arbeitete — nach dem Sichten von Control muss man glauben, es wäre egal gewesen. Vor allem ihm selbst.
Danke, du bringst meine vages, mulmiges Bauchgefühl gekonnt auf den Punkt. Wäre ich großer Ian Curtis Fan (war irgendwie ein klein bisschen vor meiner Zeit, leider), wäre ich jetzt glaub ich ganz schön entzaubert: So riesige Probleme, die nicht von dieser Welt scheinen, voller Melancholie und philosophischem Schwermut eigentlich, aber wenn man dann mal hinschaut (nur den Film freilich!), so meint man, hat er doch eigentlich auch nicht groß andere Probleme überwinden müssen, wie (naja fast) jeder Teenie.
Langweilig fand ich den Film zwar nicht, Corbjin würde eben auch mit einem Stummfilm begeistern, aber ich dachte so, dass „Verfilmungen eines Lebens“ ja irgendwie eigentlich prädestiniert sind, nach hinten loszugehen.
ich fand den film gerade deshalb gut, weil er einem nicht alle möglichen informationen vorkaut und man sich dank sam riley gut hineindenken konnte. zumindest ich konnte es. dass dies kein joy-division-film wird, war von anfang klar – den vorwurf kann ich echt nicht verstehen.
Vielleicht sollte ich ihn doch mal kucken um dir zustimmen zu können. Mir hatte der Trailer schon Bauchschmerzen bereitet.
ich hab noch nie was von joy division gehört „¦
any good?
@#647093:
Musikgeschichte.
Welche Antworten hätte Corbijn denn geben können? In den Kopf von Curtis konnte er schon in den Siebzigern nicht gucken und wenn man sich dieses Biopic – es ist eben kein Musikfilm -, könnte man darauf kommen, das Curtis ein eher verschlossener Charakter war, der nur auf der Bühne ansatzweise explodierte… was die Nennung der Motive hinter der Musik und den Texten auch nicht grade vereinfacht.
Corbijn hat deshalb alles richtig gemacht, sich auf die Kraft der Bilder verlassen. Dazu die brillante Performance von Sam Riley und der Einsatz von „žLove will tear us apart“ an genau der richtigen Stelle… der Film ist eine Wucht! :-P
Da fehlt ein „žansieht“ nach Biopic…
Mal so: Dieses „Wenn Menschen nicht meiner Meinung sind, frag ich mich ob sie den Film überhaupt gesehen haben“ wird nicht gehaltvoller mit jedem mal, das man es irgendwo liest.
Ich fand Control gut.
Auch gut fand ich, dass eben keine einfachen Antworten auf aller Wahrscheinlichkeit nach komplexe Verhältnisse gegeben wurden (Oder: Warum Control nicht Walk The Line ist). Ansätze finden sich in der Musik. Corbijns Bild/Ton-Komposition ist umwerfend, der Rest ein eher konventionelles Biopic. Funktionierte für mich hervorragend
Funny, ich habe n u r schlechte Kritiken zum Film gelesen. Und da ich es auch hier schon oft erwähnt habe: mal wieder in der immer noch guten Berliner Zeitung. Aber Sam Riley ist glaube ich bei denen richtig durchgefallen. Nur mal um zu zeigen, auf welch verschiedene Arten man einen FIlm überhaupt nicht sehen kann^^
Ich hab‘ den Film nicht gesehen (dafür Joy Division live, ihr erster oder zweiter Auftritt in London, lang ist her), nur die Perücke von Grönemeyer und die war schlimmer als seine Frisur früher …
Woher die Musik kommt? Aus dem Studio, produziert von Martin Hannet, die Band fand den Geister-Sound (angeblich) gar nicht so gut.
@#647119: Ich erwarte keine Antworten, aber wenigstens Herausforderungen oder spannende Charaktere. Nach der Musik und den Texten von JD zu urteilen, war Curtis veilleicht ein solcher, der Film vermittelt das aber nicht.
Aber klar: Natürlich sieht jeder einen Film anders.
@#647253: Herbert fand ich überzeugend. :)
Naja, Corbijn hat immer zu dem Film gesagt, es ist kein Musikfilm, es ist kein Joy-Division-Film, es ist kein Biopic. Für ihn ist es ein Liebesfilm. Gut, dafür hat er sich meiner Meinung nach nicht deutlich genug mit beiden Frauen auseinander gesetzt und sie auch zu klischeehaft besetzt. Aber alle anderen, die in den Film gehen und große JD-Story erwarten, müssen definitiv enttäuscht sein von dem Streifen.
Dennoch: Sam Riley anzusehen, fand ich schon die ganze Zeit enorm spannend. Auch Samantha Morton. Und — ich finde auch die Musik von der Castband (sobald die auf der Bühne zu sehen ist, ist es ja nicht Joy Division im Film) schon verdammt gut.
ich werde ihn mir trotzdem anschauen. läuft hier erst im februar an.
und wenns zwei nette stunden in schwarz/weiss, untermalt mit koolster mucke werden.
auch gut. :-)
Ich will ja nicht wissen, was hier stehen würde, wenn Deborah Curtis (auf deren Buch der Film nun mal beruht) versucht hätte, sich auf die Spurensuche nach „Ian Curtis“™ Charakter, seine Motivation für seine Texte, seine Gedankenwelt“ zu machen. Deborah kommt im Film leider auch zu eindimensional weg und die Lara nervt unendlich. Ansonsten: Toller Film.
@#647103:
das sind die scorpians auch. ;)
»scorpions«
„Control“ war 2007 einer der besten Filme, die ich überhaupt gesehen habe. Und wenn man von einem Film so absolut begeistert ist (siehe auch mein Artikel „Control: sehenswerter Film über Ian Curtis von Joy Division“ und die Diskussion in den Kommentaren), wundert man sich immer, wenn es jemanden gibt, dem der Film nicht gefiel.
Mag naiv klingen, aber bei „Control“ wundere ich mich ganz besonders, wie jemand diesen Film nicht gut finden kann. Und dabei treffe ich wieder einmal auf ein Grundproblem der Filmkritik: Viele äußern sich nicht zu dem Film, den sie gesehen haben, sondern sagen vielmehr, welchen Film sie lieber hätten sehen wollen. Ich denke mal, Johnny, du bist auch so einer. Dein gutes Recht, klar. Hoffe trotzdem, dass sich niemand der hier mitlesenden abschrecken lässt, sich sein eigenes Bild zu machen. Der Film hat es verdient.
@#651367: Das hoffe ich auch, dass sich niemand abschrecken lässt. Eigene Meinung muss sein, und schließlich widersprechen mir ja viele in den Kommentaren.
Johnny, das ist ja unter anderem auch das gute an Blogs, und erst recht an so meinungsstarken wie dem Spreeblick. ;-)