Wie die BIFAB als Herausgeberin der Brockhaus-Lexika und anderer Nachschlagewerke vor wenigen Tagen meldete, steht das 200 Jahre alte Unternehmen vor dem vielleicht größten Paradigmenwechsel seiner Geschichte, wenn es im April dieses Jahres mit einer kostenlosen Online-Ausgabe startet. Die Welt des im Netz abrufbaren Wissens erhält somit eine bereichernde weitere Facette — ein Grund zur Freude, sollte man meinen.
Wer sich in den vergangenen Tagen im Netz, speziell in Weblogs, nach Reaktionen umsah, musste jedoch den Eindruck bekommen, dass dieser Zuwachs alles andere als begrüßenswert sei. Neben der oft abgeschriebenen Meldung, dass Druckausgaben mit dem Start des Online-Portals komplett eingestellt werden (ein Zitat eines Pressesprechers, die Nachricht erscheint jedoch nicht in der offiziellen Pressemitteilung, in der weitere Druckausgaben angekündigt werden) scheint Häme ob des angeblichen Sterbens der Marke zu überwiegen. Schließlich gibt es doch die Wikipedia. Wer braucht da noch andere Quellen?
Robert Basic, dessen Eingangssatz „Brockhaus? Das ist die quasi ausgedruckte Wikipedia, die man nicht verlinken und nicht editieren kann, Modell 19. Jahrhundert“ ein Weiterlesen nur unter Kopfschmerzen möglich macht, ist mal wieder „gespannt“, diesmal, „wie man im Netz an der Dominanz von Wikipedia auch nur annähernd kratzen will“. Wo bleibt die Weitsicht, die Offenheit, mit der sich doch gerade die Netzgemeinde so gerne schmückt? Was soll das bedeuten? Wikipedia über alles, und ein gerade mal sieben Jahre altes Projekt ist selbstverständlich derart manifestiert im so bewegungslosen Online-Markt, dass die Veränderung eines Status Quo unvorstellbar scheint? Wird die durchaus vorhandene Arroganz „etablierter“ Offline-Medien jetzt mit der Ignoranz und den Scheuklappen der „Onliner“ beantwortet?
Anscheinend. Denn so weiß auch gleich der erste Kommentator bei Robert, dass „die den Schuss nicht gehört“ haben, weil es „mit einem Flash-Overlay ja gut anfängt“ und dass „die erstmal meine persönlichen Daten wollen, bevor die mir was zeigen“. Egal, dass eine Umfrage, die man problemlos anonym durchführen oder ebenso leicht wegklicken kann, unter Umständen dabei helfen könnte, das kommende Angebot positiv zu beeinflussen. Egal auch, dass „es“ noch gar nicht „losgegangen“ ist: „Die haben den Schuss nicht gehört.“ — Im Gegensatz zu den Weisen des Bloggerlandes, darf man vermuten.
Auch Werbeblogger Roland Kühl-v.Puttkamer fehlt der Glaube, dass das kommenden Brockhaus-Portal „überhaupt relevante Besucherzahlen zu verzeichnen“ haben wird und für Thomas Knüwer steht bereits fest: „Brockhaus ist am Ende. Punkt.“.
Ich finde es erstaunlich, mit welcher Selbstsicherheit gerade diejenigen, die doch oft für eine Öffnung bisher konservativer Unternehmen in Richtung Netzgemeinde plädieren, diesen Firmen jede Überlebenschance absprechen, sobald sie die gewünschte Öffnung vollziehen. Vor allem aber verstehe ich die Motivation speziell in diesem Fall nicht. Ich selbst wünsche mir, ähnlich wie Christian Rieger, ein frei verfügbares Wissen aus verschiedensten Quellen und auch als großer Fan der Wikipedia mag ich die Arbeit einer Brockhaus-Redaktion gar nicht mit der der Wikipedianer vergleichen — nicht, weil ich eines der beiden Lexika für fehlerfreier halte, sondern weil ich hoffe, dass eine größere Zahl verschiedener freier Quellen die Qualität aller erhöhen wird. Ich frage mich auch durchaus, wie sich die Wikipedia in den nächsten Jahren oder gar Jahrzehnten weiterentwickeln wird: Ein Anstieg der aktiven Nutzerzahlen wird die bereits stattfindenden Grabenkämpfe sicher nicht unbedingt minimieren und auch die immer häufigeren und oft nicht transparenten Einmischungen diverser Unternehmen könnten die Wikipedia vor neue Herausforderungen stellen, die hoffentlich lösbar sein werden. In jedem Fall aber behagt mir eine Zukunft mit einer einzigen freien Quelle weit weniger als eine mit Auswahl.
Wissen soll frei sein, für die einen aus ideologischen und/oder moralischen Gründen, für die anderen nun auch aus wirtschaftlichen. Das darf mich als Konsument zunächst freuen, und auch die Entwicklung des derzeit in der Bedienung noch etwas holprig daherkommenden neuen Spiegel-Wisssen-Mashups verfolge ich mit Interesse und nicht mit dem sehnlichen Wunsch nach seiner Erfolglosigkeit.
Wünschenswert für mich als Nutzer finde ich diese auch im Fall Brockhaus nicht und ich mag ob der bisher spärlichen Informationen weder Lobgesänge starten noch Grabreden halten. Für den Erfolg eines Wissensportals sind letztlich nicht nur die Inhalte und die Absender entscheidend, sondern neben Interface, Geschwindigkeit und Bedienbarkeit auch Details wie z.B. die Permalink-Struktur und nicht zuletzt natürlich auch die für die Inhalte genutzte Lizenz, die über zahlreiche oder rare Verlinkungen und damit über Pageranks, Suchmaschinenplatzierungen usw. entscheiden wird. Man kann der BIFAB-Leitung also nur bessere Berater als bisher wünschen und hoffen, dass diese eben nicht wie die zukünftige Chefredakteurin von „Brockhaus online“, Sigrun Albert, aus Häusern wie „Brigitte.de“ und „YoungMiss.de“ stammen. Denn eine Online-Enzyklopädie sollte sich meiner Meinung nach eher an schnellen, schlichten und einfach gut funktionierenden Systemen als an lauten, bunten Werbeblättern orientieren. Selbst wenn sich der kommenden Online-Brockhaus teilweise über Anzeigen finanzieren soll.
Es gibt für diejenigen, die täglich mit Information im Netz umgehen, so viel zu sagen zu diesem Schritt der BIFAB — zum Beispiel aus nostalgischer, deswegen aber nicht lächerlicher Sicht. Dass gerade einigen der viel gelesenen Blogs offenbar nicht mehr als ein Untergangswunsch einfällt, steigert meinen Wissenswert weniger als eine 50 Jahre alte Ausgabe des Brockhaus.
Update: In der Wikipedia wird mittlerweile von der Brockhaus Enzyklopädie in der Vergangenheit gesprochen.
Word!
ich fürchte das ist leider wirklich der anfang vom ende des brockhaus.
oder glaubst du das mit werbung die recht hohen laufenden kosten einer guten redaktion sowie eines multimediaangebots das sowohl knowhow, als auch bandbreitenintensiv sein wird ,wenn es gut gemacht sein soll, erwirtschaftbar sind?
du hast ja über adical etwas einblick in den markt, kann das auf dauer hinhauen?
@#669387: Ich mag es zumindest für Brockhaus hoffen. Ob es funktionieren wird, weiß ich nicht. Denn auch adical ist hier keine große Erfahrungshilfe: Blogs sind bestimmt in der Vermarktung schwieriger als eine Marke wie Brockhaus.
Ich glaube nicht, dass es einfach wird für den Online-Brockhaus. Aber Veränderung muss her, denn sonst geht es ja ganz offenbar gar nicht mehr.
wusste gar nicht, dass ich mir um all das den Kopf gemacht habe:)) Interessant. Um was hatte ich mir den Kopf dann gemacht? Wie Brockhaus im Netz überleben will, angesichts der Dominanz der Wikipedia. Und ich bin da schrecklich emotionslos, wer Wissen anbietet, solange Wissen frei angeboten wird. All der ganze Rest sind Deine Gedanken, nicht aber meine.
Ich find die Einstellung der Druckausgabe aus nostalgischen Gründen sehr schade. Aber so ist nun mal der Lauf der Welt.
Zur Meldung: gestern gab es im Deutschlandradio ein langes Interview mit dem Brockhaus-Sprecher: vom „žGroßen Brockhaus“ wird die aktuelle Ausgabe die letzte sein. Weiter geben wird es aber gedruckte Speziallexika und natürlich den Duden.
Sehr gutes Statement, Johnny. Deine eigene Meinung ist schön zu lesen.
Ich werde bei Wikipedia mittlerweile mit Wissen erschlagen (natürlich, liegt ja auch im Wesen des Projekts).
Zum Beispiel bei Stichworten wie „žBerliner Mauer“: Bei Wikipedia wird mir schwindelig und ich suche spontan nach der Unterschriftenliste zur Aufbereitung der Vergangenheit. Bei Spiegel Wissen bekomme ich gleich am Anfang einen einzigen, kurzen(!) hilfreichen Satz, der mir die eigentlichen Fragen sofort beantwortet (wann und wieso?).
Ich wünsche den Brockhäusern alles Gute.
P.S.: Wikipedia ist für mich das beste und aktuelle Rocklexikon!
wohl wahr, wohl wahr. hinzu kommt ein weit verbreitetes missverständnis: wikipedia und brockhaus haben unterschiedliche kompetenzen (wikipedia: weite des angebots, brockhaus: tiefe der artikel), die eigentlich dazu führen sollten, dass man die beiden nicht als konkurrenten, sondern als ergänzung sehen sollte. wissen braucht beides. deshalb sollte man weder dem einen noch dem anderen einen untergang wünschen.
Auch wenn’s immer etwas hilflos wirkt, „Du hast ja so Recht“ zu schreiben: Du hast ja so Recht.
Was die angebliche Einstellung der Printausgabe angeht: Ich finde es immer sehr spannend, Quellen zu haben, die einen Wissensstand zu einem bestimmten Zeitpunkt abbilden. Und ein ständig aktualisiertes Online-Angebot ist erstens nicht wissenschaftlich zitierbar un zweitens irgendwie auch langweilig. Wie ich bei Knüwer schon kommentierte: Da wird die Auslöschung einer Vergangenheit zugunsten einer permanenten Gegenwart gefeiert.
Die gleichen Gedanken hatte ich beim Knüwerposting auch. Dass immer alles runtergemacht wird, liegt vielleicht daran, dass kein unwesentlicher Teil „vielgelesener“ dt. Blogger durch Generalbashing bekannt wurde.
Und es ist so einfach, damit Aufmerksamkeit zu erzeugen. Ein bisschen Schadenfreude hier, ein bisschen Endedesabendlandes dort und fertig ist der Blogeintrag.
Lustig in dem Zusammenhang auch, dass Knüwer genau diese negative Grundeinstellung gegenüber allem Neuen hier in Dtl. nach seinem Aufenthalt im Valley angeprangert hat.
Dass alle das Zitat abschreiben war schon lustig und auch erstmal ein Widerspruch zur Pressemitteilung. Ich hatte zwischenzeitlich mal mit dem Pressesprecher von Bifab gesprochen (das Zitat ist von ihm) und es ist wohl wirklich so, dass die 21. Auflage die letzte gedruckte sein wird.
Er meinte ganz nett „Sag niemals nie – wenn jetzt alle, die jammern sich die 21. Auflage kaufen .. überlegen sie sich das noch einmal“.
Und spannend wird das auf jeden Fall, der Brockhaus dürfte eine gute Konkurrenz zur Wikipedia werden – so lange das Angebot gut gemacht ist.
Die leisen Zweifel kommen bei mir, da die Entscheidung nicht aus Überzeugung „wir marschieren ins Netz“ sondern eher aus der Not heraus getroffen wurde.
s. auch: http://www.reticon.de/news/brockhaus-kostenlos-online-update_2072.html
Durch meine „déformation professionelle“ schaue ich natürlich insbesondere nicht auf die PR-Meldung, die ja durchaus die von dir skizzierten Chancen in den Vordergrund stellt, sondern vor allem auf die Ausführungen, w a r u m der Verlag erfolgreich sein wird, bzw. w i e sie das anstellen wollen.
Alleine einen Beschluss zu verkünden, alles nun frei in das Web stellen zu wollen (müssen), wirkt in diesem Fall wie die Erkenntnis eines gerade Ertrinkenden, dass er sofort seinen Freischwimmer machen wolle.
Mir fehlt einfach eine Kommunikation über Konzept und Inhalte, angesichts der knappen Zeiträume (1.4.2008) und der Bedeutung für den Gesamtverlag.
Ich mag übrigens den Brockhaus, bin fast ein Fan ruhiger Offline-Recherche… Print ist nicht tot. Aber der Brockhaus ist auch nicht irgend so ein Web 2.0 Startup, was mit dem Charme des „Anfängers“ wuchern kann.
Ich denke das die Vielfalt es ausmacht. Und mit geeigneten Werbeschaltungen definitiv Geld zu machen ist.
So nach den Motto: Oben ist der Artikel und darunter kommen dann mögliche Bezugsquellen, sei es nun direkt zu dem beschriebenen oder zu dazu passenden Büchern, Seminaren etc.
Da wären Möglichkeiten ohne Ende.
Möge keiner der beiden gewinnen, sondern sich die Qualität und das Angebot von beiden Seiten her steigern!
Ich denke auch das sich die Verkaufszahlen der Totenbaum-Bände steigern werden durch diese Öffnung
Johnny:
Vierter Absatz, erstes Wort: Scheinbar.
Höchstwahrscheinlich meinst du „anscheinend“, denn „scheinbar“ impliziert immer das Gegenteil. Nach dem folgenden Satz zu urteilen, ist hier wirklich „anscheinend“ gemeint. :-)
*klugscheißmodusbeendet*
@#669401: Danke, ja, „anscheinend“ ist da besser.
Sehr guter Beitrag! Ich freue mich sehr, dass sich der Brockhaus öffnet und die Inhalte online frei zur Verfügung stellt. Ich glaube sogar, dass sie es schaffen können, profitabel zu arbeiten.
Ich finde diese quasi Ehrfurcht vor Wikipedia sowie vor „etablierten“ Modellen etwas komisch. Natürlich ist die „frei editierbare Enzyklopädie“ nicht der Wahrheit letzter Schluss, was Wissen im Internet angeht. Brockhaus hat sicher hier seinen Platz und ein – nicht zu unterschätzen – vielleicht den stärkeren Markennamen (man soll nicht nur an die Blogger denken — Wikipedia (trotz Tests, ich weiß) ist immer noch für viele eine Innovation und durch die Offenheit nicht sehr vertrauenserweckend).
Kann es sein, dass der Brockhaus als Konkurrenz zur Wikipedia angesehen wird? Also im negativen Sinne? Ich glaube, dass auch die Wikipedia durchaus davon profitieren kann, dass es den Brockhaus online geben wird. Schließlich steigt dadurch der Anspruch an die Qualität, was sich wiederum auch auf die Inhalte der Wikipedia auswirken kann.
Ich würde daher den Schritt, den Brockhaus künftig online zur Verfügung zu stellen, positiv bewerten. Konkurrenz belebt schließlich den Markt.
Vorweg: Ich bin überwiegend Deiner Meinung. Fasse also bitte die Kritik als konstruktive Kritik auf.
Also auf ein Werbeblog verlinken… tststst… ne!
Das Thema polarisiert doch ohnehin schon, da trägt – aus meiner Sicht jedenfalls – Deine Wortwahl unnötig mit bei.
Von Konsumenten zu sprechen („Das darf mich als Konsument zunächst freuen…“) halte ich nämlich für total verquer.
Klar, die Musikindustrie betet uns immer wieder vor, dass wir Musik konsumieren. Das saugst man quasi wie mit der Muttermilch auf…
Aber: Konsumierst Du auch Luft und Liebe oder nur Wissen?
Und nochmal polarisierst Du:
„Wissen soll frei sein, für die einen aus ideologischen Gründen, für die anderen nun auch aus wirtschaftlichen“
Es gibt als nur das eine oder andere?
Ist der Begriff „wirtschaftliche Gründe“ frei von Ideologie?
Wie sieht es aus mit moralischen Gründen? Ich halte das einfach für ein moralisches Gebot – bin ich damit in der Ideologie-Schublade und somit weniger ernst zu nehmen?
Und dann stört mich noch die Überschrift, bei der man nicht weiß, ob sie ironisch gemeint ist.
In diesem (Werte-) Zusammenhang möchte ich auf „Linux ist nichts wert und das ist gut so“ hinweisen. Das gibts als kleines Büchleich und kann irgendwo auf http://www.oekonux.de heruntergeladen werden.
„Spiegel Wissen“ ist großartig. Nicht wegen der Wikipedia-Vermashuppung, sondern weil sie ihr Archiv geöffnet haben. Man mag vom heutigen SPIEGEL halten was man will, aber der gedruckte SPIEGEL seit 1947 ist ein großartiges Zeitdokument.
@Niels: Es kann also ruhig großer Mist sein, was in den Archiven ruht. Hauptsache der Mist ist frei verfügbar? Oder wie?
Oder ist der Mist einfach ein großartiges Zeitdokument, weil er seit 1947 gedruckt wird?
*kopfschüttelnd*
Franz
@ Lukas / 7:
„Und ein ständig aktualisiertes Online-Angebot ist erstens nicht wissenschaftlich zitierbar“
Wikipedia ist, dank Versionsgeschichte, wissenschaftlich zitierbar. Ob Brockhaus das auch haben wird, weiß ich nicht. Gut wäre es.
„un zweitens irgendwie auch langweilig. Wie ich bei Knüwer schon kommentierte: Da wird die Auslöschung einer Vergangenheit zugunsten einer permanenten Gegenwart gefeiert.“
Ja was soll denn eine Enzyklopädie bieten? Natürlich sind Zeitdokumente interessant, aber sie sind eben in der Gegenwart nur als solche verwendbar – und das ist nicht der Zweck eines Nachschlagwerkes.
@#669405: „Moralisch“ wäre treffender gewesen als „ideologisch“, denn letzteres hat vielleicht einen negativen Beigeschmack — ich hab das mal ergänzt. Und selbstverständlich vermischt sich das alles auch, na klar.
Was das Wort „Konsument“ angeht: Ich konsumiere eine Dienstleistung (Wikipedia, SpOn, Brockhaus) durchaus. Hier könnte man vielleicht stattdessen „Empfänger“ oder „Rezipient“ nehmen, das habe ich aber nicht ergänzt, sonst gerät mir der Artikel noch völlig aus den Fugen. ;)
Ach ja, der Titel: Ein Wortspiel.
Vielleicht ist es tatsächlich Schadenfreude: Wikipedia und alle Anwender, die sie nutzten, mussten sich doch jahrelang verspotten lassen von den sog. traditionellen Medien. Jetzt gibt es mal eine Retourkutsche. Wenn Brockhaus in den nächsten Monaten die richtigen Entscheidungen fällt, dann regelt sich das alle wieder zum Guten, denke ich.
@#669388: Interessant wäre für mich, ob die Veränderung auch die Artikel selbst umfasst.
Denn die beste Edition vom Brockhaus ist bei Weitem nicht die aktuelle, sondern nach Meinung vieler Professoren eher die 13. und/oder 14. Edition.
Dies gilt natürlich nur für Einträge, die damals verfügbar waren – also eher nichts mit Internet – die Wissenschaft zumindest interessieren auch die „alten“ Einträge sehr.
@#669411: Lies nochmal genau, was ich in meinem Kommentar geschrieben habe.
@#669414:
“ Ich konsumiere eine Dienstleistung (Wikipedia, SpOn, Brockhaus) durchaus. Hier könnte man vielleicht stattdessen „Empfänger“ oder „Rezipient“ nehmen, das habe ich aber nicht ergänzt, sonst gerät mir…“
Genau, das sind die richtigen Begriffspaare: Konsum und Dienstleistung. Aber bei Bloggern, Wikipedianern und Co ist weder der einzelne Beitrag noch das Gesamtergebnis eine Dienstleistung. Dienst an wem? Wem dient jemand, der an der freien Enzyklopädie mitschreibt? Doch nur sich selbst, oder?
Natürlich ist das Ergebnis (einzeln und erst recht in der Summe) trotzdem sehr sehr nützlich. Doch eine Dienstleistung ist etwas anderes.
Dienstleistung und Konsum sind Begriffe, die m.E. auf freie Inhalte (mit freier Lizenz) nicht zutreffen.
Gruß
Micha
@#669417:
Kannst Du mir da noch einen Hinweis geben, was die richtige Entscheidung in diesem Zusammenhang ist?
„Dass gerade einigen der viel gelesenen Blogs offenbar nicht mehr als ein Untergangswunsch einfällt, steigert meinen Wissenswert weniger als eine 50 Jahre alte Ausgabe des Brockhaus.“
Kein Problem, eine Ausgabe von ’58 habe ich da. Sie liegt leider im Keller in zwei oder drei Kartons und ist unfassbar schwer.
Aber weggeben, verkaufen oder gar ins Altpapier werfen konnte ich sie nicht. Ist schließlich ein Brockhaus.
Brockhaus, in welcher Form auch immer, wird gegenüber Wikipedia immer den Vorteil haben, dass man für die Uni (oder Schule) daraus zitieren kann. Schreib auf irgendein Handout als Quelle Wikipedia, und du kannst es vergessen. Und bist selbst Schuld.
@Franz Xaver:
Ja, tatsächlich. Falls im Spiegel seit 1947 nur Mist stehen würde (der Meinung bin ich im Übrigen nicht), dann wäre es trotzdem immer noch ein hervorragendes Zeitdokument.
Wie man das Ganze dann verwertet ist wieder eine andere Geschichte.
Das Ganze nennt man Quellenkritik.
Aus meiner Sicht ist die Erkenntnis, ein solches Offline-Mamut einzustampfen, eine Unternehmerische Entscheidung, die ihresgleichen sucht. Mich interesiert als potentielle Nutze kein technischer Background. Für mich zählt Usability und Kompetenz. Die Wikipedia ist sehr gut, aber ob sie das Maß der Dinge ist, kann keiner beurteilen. Es wird immer weitergehen. Ich lasse mich überraschen, wie der Brockhaus online aussieht und ob und welche Vorteile er mir bietet. Letztendlich entscheidet der Nutzer über Erfolg und Misserfolg. Als Stück deutsche Kultur vermisse ich die Offline-Auflage aber schon. Zum Glück lebt die in Bibliotheken und Privatbesitz weiter.
Danke.
Bücher funktionieren ohne Strom – das ist ein entscheidender Vorteil, wenn in 10 Jahren Maschinen die Weltherrschaft übernehmen!
Der Brockhaus, zumindest der gedruckte, stirbt. So war es die letzten Tage überall zu lesen. Ein paar völlig vom Internet Besoffene begrüßen das, als ob es darum ginge, endlich den ungeliebten Lehrer loszuwerden, der ihnen das beigebracht hat, mit dem sie heute ihr Geld verdienen. Bücher? Völlig überholter Kram. Früher hätte man vielleicht gesagt: «restaurative, bourgeoise Bildungszwangsmaßnahme». Staubfänger ist noch die netteste Bezeichnung für das, aus dem wir, so lange ist’s noch gar nicht her, so manches Wissen herausgelesen haben, was uns der dahinscheidende Lehrer nicht vermitteln konnte und bei dem auch die Eltern nicht mehr weiterwußten.
Mehr dazu: http://schmoll-et-copains.typepad.com/schmolletcopains/2008/02/brockhaus-stirb.html
ich finde es prima, wenn mehr als ’nur‘ wikipedia ins netz kommt, ebenso würde ich mir eine verlinkung zwischen brockhaus- und wikipedia-artikeln wünschen, damit der user sich einfach und schnell aus beiden frei zugänglichen quellen noch besser informieren kann.
warum immer gegeneinander arbeiten, wenn man gemeinsam viel mehr erreichen kann?
und wo wir hier bei 19. jhdt. waren – platzhirschgetöse ist ja mal sowas von finsterstem mittelalter …
gut pfad ;o)!
@#669426: Welche Edition? Wie bereits gesagt, die 13. und 14. gilt unter Wissenschaftlern (Politologen, Soziologen u.ä.) als die beste. Vielleicht spricht sich das rum, Wertanlage quasi
Man wird sehen wie es dem Brockhaus so ergehen wird.
Natürlich ist es eine sehr grosse Herausforderung, aber die Redaktion muss nicht nur redaktionell sehr viel leisten sondern auch das ganze „Drumherum“, wie du richtig betontest.
Ich bin gespannt in wie weit sich die Online-Ausgabe etablieren wird. Und irgendwie finde ich es schade, dass es keine Papier-Ausgabe mehr geben wird. Brockhaus zum mitnehmen via eBook ist dann wohl auch schon geplant?
Aber wenn selbst die Wikipedia auf den Büchermarkt geht mit ihren Wiki-Books, wieso kann der Brockhaus dort denn nicht bleiben? Verstehe ich irgendwie nicht so recht. Ich finde man könnte beides doch parallel „entwickeln“ lassen.
Aber eine brauchbare Online-Ausgabe wär‘ schon was. Würde ich sicherlich auch gerne mitverlinken, neben der Wikipedia natürlich. Versteht sich.
Bin gespannt was die Zeit bringt….
Wow, sehr reflektierter und ausgewogener Post!!!
Jeder, der sich schon mal wirklich intensiv mit einem Thema beschäftigt hat weiß, dass es im Sinne der Erkenntnistiefe wichtig ist, mehrere Quellen zu haben.
Wikipedia hat seine Probleme, z.B. wenn ein Troll sich an einem Eintrag festgebissen hat und zwanghaft seine persönliche (eventuell falsche) Sicht der Dinge durchsetzen will. Wie wir wissen, gibt es nicht EINE Wahrheit…
Insofern ist ein Mix aus Quellen mit „redaktionellem Wissen“ und „User-Wissen“ wünschenswert.
Darüber hinaus finde ich es durchaus erregend, mich -bewusst offline- mit einem Printprodukt zu befassen.
Martin: Wikipedia ist für mich das beste und aktuelle Rocklexikon!
Falls das nicht ironisch gemeint war…
…behaupte ich das Gegenteil.
Gerade was populäre Musik angeht (aber auch in der Klassik ist das nicht unbekannt), wird auf Wikipedia – in der Regel von Fans – all das Zeug geschrieben, oder besser: abgeschrieben, das sich Reklamespezialisten für die Vermarktung einer Gruppe, eines Künstlers, einer Produktion mal ausgedacht haben. Noch schlimmer wirds, wenn der jeweilige Fan etwas glaubt oder ahnt zu wissen und es unbedingt mitteilen will. Nur weil er die Covertexte, CD-Booklets oder ein Musikmagazin gelesen hat.
PS: ich bin dieser Musikindustrie seit 38 Jahren kritisch verheiratet.
PPS: Auch Rocklexika sind in der Regel gefüllt mit diesem Reklame-Wissen. Womöglich muss das so sein bei Pop und Rock. Ohne diese (verlogenen) Mythen wär’s ja langweilig.
Der Anfang des kulturellen Untergangs des Abendlandes… :(
Wir sind gestern in Wikipedia — nicht zum ersten Mal — auf Fehler gestoßen, die dem Brockhaus mit ziemlicher Sicherheit nicht unterlaufen wären — und wohl auch online nicht unterlaufen werden. Der Artikel über Werner Spies (beispielsweise) ist zudem eindeutig von Nicht-Fachmenschen aus allen möglichen oberflächlichen und teilweise veralteten Quellen zusammengetragen worden.
Das sind die schwerwiegenden (und berechtigten) Kritikpunkte zu Wikipedia! Man stelle sich vor, die FAZ oder FAS oder SZ oder das Schnarchhausener Kreisblatt oder sonst eines der vielen etablierten Blätter setzt einen Praktikanten oder Hospitanten an eine Notiz zu einer soeben gestorbenen Persönlichkeit — und der schaut erstmal bei Wikipedia nach. Auf einmal taucht das so auch noch im neuen Brockhaus-Online auf. Nicht auszudenken …
Wegen des ewigen Besserwisserei-Knatsches und der Formalien-Huberei habe ich mich aus Wikipedia zurückgezogen. Und ich bin nicht der erste.
Auch Brockhaus-Online wird wohl Praktikantenbeschäftigung betreiben. Aber man wird dort kaum völlig Ahnungslose dransetzen, und zumindest eine abschließende Prüfung wird es vermutlich geben. Wir schätzten einen jederzeit möglichen Zugriff auf Brockhaus sehr! Und um den toten gedruckten trauern wir.
@#669529: „Brockhaus zum mitnehmen via eBook ist dann wohl auch schon geplant?“
Das gibt es doch schon lange?!
http://downloadshop.bifab.de/product_info.php?products_id=1598
So verstaubt ist der Brockhaus dann ja auch nicht, es gibt ja auch den Brockhaus Multimedial schon seit Jahren…
@#669407:
Dem kann ich mir nur anschließen.
Außerdem erhoffe ich, dass die
„Jung-Redakteuere/-innen“ sich Ihrer Verantwortung
bzgl. der immer grösser werdenden ‚Unwissenheit‘ von
Internetusern bewusst, die Artikel entspr. verfassen.
;-)
@#669553: erregend? an welche printprodukte denkst du?
Sorry fürs OT, aber habe gerade gelesen, dass Jens vom Spiegelfechter das Opfer eines Überfalls junger Türken wurde. Habe ihm bereits meine Genesungswünsche mitgeteilt, siehe hier:
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/286/friendly-fire#comment-14092
Solltet Ihr vielleicht auch tun, der Arme kann’s sicher brauchen.
(Anmerkung der Redaktion: Falschalarm. Ein Fake in den Kommentaren beim Spiegelfechter)
Danke Johnny fürs Update. :-) In der Wikipedia-Diskussionsseite ist ein interessanter Beitrag
von SWR1 verlinkt (http://mp3.swr.de/swr1/mantel/der_abend/188311.6444m.mp3) in dem der Brockhaus-Pressesprecher nochmal betont, dass *nur* die 30ig bändige Auflage eingestampft wird. 1, 2, 4, 6, 10…Bände bleiben erhalten und werden auch neu aufgelegt.
Der SWR1-Beitrag hat auch ein Interview mit der Wikimedia mit drin. Sehr hörenswert.
Ich denke auch, dass Brockhaus und Wikipedia
friedlich co-existieren können. Am 15.04 geht’s dann ja los,
also Counter stellen und abwarten! :-)
Und nicht vergessen: Weiter berichten :-)
@#669624: Oh. Ehm. Danke. Naja, hab‘ mich nicht soo intensiv mit den Produkten der Marke Brockhaus befasst, wenn ich ehrlich bin. *g* Aber danke für den Hinweis. ;-)
Also wenn uns die Ausgaben mit weniger Bänden erhalten bleiben, dann scheint ja noch Hoffnung für die abendländische Enzyklopädialkultur zu bestehen ;)
@#669750: Hehe. Ja, zu mindestens ein bisschen :-)
also ich finde die wissens-geilheit mancher menschen echt zum kot*** äh übel werden. das hat ja manchmal schon was pornoreskes.
ich wünsche mir relevantes wissen – seriös aufbereitet, und – ich möchte gelesenem vertrauen können!
fakten ohne vollständigen kontext und bewertung zur verfügung zu stellen, ist sinnlos. das ist aber leider wikipedia-alltag.
es ist doch allgemein bekannt, dass erst durch die fundierte bewertung von wissen und zusammenhängen durch fachleute, die sich ihr leben lang mit fachthemen beschäftigen, die relevanz von inhalten gewährleistet ist.
jeder maßt sich heute an, ein könner und kenner zu sein, nur weil er durch z.b. wikipedia ein forum bekommt. das ist schade und verleitet den naiven, nicht reflektierenden leser.
z.b. entdecke ich in wikipedia biographien von bedeutungslosen künstlern, die von ihnen selbst geschrieben sind und damit als relevant gelten sollen, weil sie in wikipedia erscheinen. das ist unseriös. man kann nicht selbst entscheiden, ob man relevant ist. das müssen fachleute anstellen.
deshalb freue ich mich auf einen fundierten online-brockhaus aufbereitet auf dem technischen stand von heute!
Was das Weltwissen übrigens anti-erweitert, sind Podcasts zum Deutsch lernen. Alles, was ich gefunden habe, ist entweder bildungsbürgerlicher Müll (z.B. DW-World) oder so derbe spießig und langweilig, dass man am liebsten heulen würde!
Ich trauere um den gedruckten großen Brockhaus. Ich bin mit einem aufgewachsen und kann mir gar nicht vorstellen, den nicht mehr verfügbar zu haben.
Wikipedia ist für mich zwar erste Wahl, um online schnell etwas nachzuschlagen. Doch als wirkliche Wissens- und Zitatquelle taugt es nicht, da bevorzuge ich und meine Professoren redaktionelle Inhalte. Insofern begrüße ich es sehr, dass man da nun auch fix online nachschlagen kann.
Um die Wikipedia nicht ganz so schlecht dastehen zu lassen: Natürlich hat sie auch ihre Daseinsberechtigung. Wikimedia Commons ist super, und die Breite an Artikeln ist sehr nützlich.
Wenn denn der Online-Brockhaus einmal online ist, wird es dann nicht ein Frage von Stunden sein, bis dessen Inhalte sich ergänzend in allen entsprechenden Artikeln der Wikipedia wiederfinden?
der Betriebsrat von Brockhaus zu dem Thema
http://www.morgenweb.de/service/archiv/artikel/642585541.html
Wir haben das Umbruchtempo unterschätzt
http://www.morgenweb.de/service/archiv/artikel/642492970.html
Ich wohne da um die Ecke, kenne dort Leute und da hängt der Haussegen schief, sehr schief, weil man befürchtet, dass auch irgendwann der Duden von irgendwas im Netz abgelöst werden wird.
So wird es sein. Leider, aber es wird.
Aber die Wahrnehmung: 2 Quellen sind besser als eine ist korrekt.
es ist ja auch immer wieder geil, wie die im samstag-„morgendlichen“ kater geschriebenen ausfälle (siehe nr.49 weiter oben) völlig ignoriert werden. verständlich, weil unpassend. dank geht raus an alle mich völlig ignorierenden nach-mir-poster.