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Review: Portishead am 19.3. live in Berlin

Es ist ja nicht nur die Band, es ist auch der Ort. Der alte Aufnahmesaal des Rundfunks der DDR gehört zu den besten Orten, an denen man in Berlin ein Konzert veranstalten kann. Irgendwie verströmt dieser Saal den Charme eines kleinen Landes mit großen Hoffnungen und zu wenig Geld. Und angeblich gehört die Akustik zu dem besseren, was man auf diesem Planeten so vorfinden kann. Auf einem Konzert von Bobby Baby vor knapp zwei Jahren habe ich mich in diesen Saal verliebt: egal wer da spielt, es lohnt sich auf jeden Fall hinzugehen.

Und Portishead sind definitiv nicht „egal wer“. Am 14. April erscheint nach langer Wartezeit ihr neues Album „Third“. Und am letzten Mittwoch fand die Aufzeichnung eines Konzerts für Radio Eins statt, und irgendwie war das auch die Weltpremiere des neuen Albums, wenn mich nicht alles täuscht.

Und wenn eine der besseren Bands dieser Welt in einem der besseren Konzertsäle dieses Planeten spielt, um dabei ihr neues, lang erwartetes Album vorzustellen, dann kann das eigentlich nur super werden. Wurde es auch. Zumindest nach einer Weile.

Es handelte sich im Grunde genommen eigentlich nicht um ein Konzert, sondern um eine Aufnahme, bei der versehentlich noch ein paar Zuschauer dabei waren. Die Bandmitglieder standen im Kreis und rundherum saßen die Zuhörer auf Stufen, niemand mehr als fünf, sechs Meter vom Geschehen entfernt. Gebrochen und gleichzeitig verstärkt wurde diese schon aufdringliche Nähe durch die konzentrierte Arbeitsatmosphäre, die unter den Musikern herrschte. Es gab keine Show, das Licht war taghell, Songs wurden nicht angekündigt, und wenn was schief ging, wurde abgebrochen. Keine Erklärung, nichts. Das Publikum wurde nicht ignoriert, es fand schlicht nicht statt.

Um ehrlich zu sein: es fiel mir extrem schwer, mich in dieser Atmosphäre auf die Musik einzulassen. Zu lang waren die Pausen, zu häufig die Abbrüche, zu nervös das Publikum. Stattdessen beobachtete ich zunächst Geoff Barrow, wie er hektisch an seinen Geräten rumdrehte, wie er zwischen Mischpult und Bühne hin und her rannte, um zu überprüfen, ob wirklich alles passte. Ich begann an „Rosland NYC Live“ zu denken, meinem persönlichen Lieblingsalbum von Portishead, das mir schon immer merkwürdig perfekt schien für ein Livealbum. War es etwa genauso entstanden, wie diese Aufnahme hier? War es vielleicht kein leichtfüßiges Gespiele von ein paar Genies, sondern die harte, krankhaft perfektionistische Arbeit von ein paar Menschen, die nichts so sehr lieben wie ihre Musik?

Wenn das Konzert Ende April dann auf Radio Eins ausgestrahlt wird, wird es vermutlich ein ergreifendes Konzerterlebnis sein. Bei der Aufnahme jedoch, konnte ich den Streß, den Schweiß, die Frustration, den Streit und die Befriedigung erahnen, die die Produktion dieses Albums ausgelöst haben muss. Und das ist eigentlich noch besser.

15 Kommentare

  1. 01
    werther

    Glücklicher!

  2. 02
    PiPi

    Lieber Max,

    um einen Vergleich zwischen Original und überarbeiteter Endfassung
    zu beschreiben, reicht Dein engagierter Artikel leider nicht aus.
    (Nicht legale Aufnahme als Referenz?)

    :-)

  3. 03
    Uwe

    Gibt es schon einen Austrahlungstermin?

  4. 04

    Ne, leider nicht. Von Radio Eins bekam ich leidglich die Auskunft „Ende April“.

  5. 05

    Und noch ein Grund, ein bisschen deprimiert zu sein, dass ich grad nicht in Berlin bin. Portishead! Musik meiner Jugend! Ach je..

    Die Studio-Atmosphaere haette ich auch gerne mal erlebt.

  6. 06

    Oh Gott, wie konnte ich das verpassen??

  7. 07

    oh. neid ist ja ein ganz schreckliches gefühl. spüre ich grade so.

  8. 08

    oh, ich bin auch so wahnsinnig neidisch.

    furchtbares gefühl, wirklich.

  9. 09

    Wie gut es doch (MANCHMAL) ist in Berlin zu wohnen

  10. 10
    richard

    ich war auch da und es war super! fast privatatmosphäre. und die getränke waren auch kostenlos ;-)

    habe irgendwo gelesen, dass arte zwei sendungen über portishead ausstrahlt. und zwar am 25.4. 20 Uhr (KulturArte) und am 2.5. um 22.25.(TracksArte).hoffe, dass das stimmt. vielleicht ist ja was vom funkhaus dabei.

  11. 11

    Oh mann, wie kommt man nur in den Genuss von solchen Gigs? Bei den Beschreibenden hört sich das immer so an, als wären die „gaaanz zufällig“ vorbei gekommen. Na ja, aber es nicht der Neid der überwiegt, sondern die Freude am Artikel. Besten Dank dafür…

  12. 12

    I’d love to read it in English!!!

    ciao

    liveon35mm.com
    Live music pictures on 35mm b&w film

  13. 13