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Und bleib unten!

Ich sitze gerade vor einer recht frisch geöffneten Spielepackung, halte die Anleitung in der Hand und frage mich, was um alles in der Welt sich die Verantwortlichen gedacht haben mögen, als sie das schäbig übersetzte deutsche Heftchen in den Druck gaben.

Entwicklungskosten in Höhe von 100 Millionen Dollar, aber keine Kohle für einen ordentlichen Lektor…

Ich bin kein Linguist und will auch nicht behaupten, dass ich die Sprachweisheit mit Löffeln gefressen habe. Aber ich erkenne einen beinahe wörtlich übersetzten Text bereits am ersten Buchstaben, und ich verrate sicher kein Geheimnis, wenn ich sage, dass unterschiedliche Sprachen unterschiedlich behandelt gehören.

Satzbau, Wortwahl, Spannaungsbögen — wieso geht das nicht in die Köpfe der meisten Lokalisierer, dass es im Deutschen nunmal völlig anders zugeht als im Englischen?

So reißt man voller Vorfreude die Box auf und wird bereits im ersten Absatz unnötig abgetörnt:

Mehr Sehenswürdigkeiten, Restaurants, Bars, Museen, Shopping- und Borderline-Psychopathen, als Sie je vor die Schrotflinte bekommen haben — Liberty City ist eine einzigartige Stadt.

Was soll z.B. dieser Käse mit »Shopping- und Borderline-Psychopathen«? Wer schreibt sowas? Und wann hatte wohl jemand das letzte Mal eine Bar vor der Schrotflinte? Hockt da ein Deutsch-Praktikant in New York oder ein Au-Pair-Mädchen in München?

Mal im Ernst, das ist der ERSTE Satz im Text, und er hat soviel Wumms wie… wie… wie… der ganze Rest des Altpapiers:

Nicht bloß die üblichen manisch-depressiven Gestalten mittleren Alters, die rassistische Witzchen erzählen — dieser berühmte Comedy Club präsentiert auch Prominente mit großen Namen.

»Die üblichen manisch-depressiven Gestalten mittleren Alters, die rassistische Witze erzählen« — jau, fein, ich kenne keinen, und ich bezweifle, dass das so gemeint war.

Das schlimmste Beispiel sind jedoch die immer und immer wieder auftauchenden Imperativ-Formen. Das mag im Englischen gut funktionieren und klingen, aber im Deutschen kommt es rüber wie die Schreibübungen eines Vorschülers:

Reisen Sie zurück in eine Zeit, in der das Zersägen einer Frau noch als Unterhaltung galt und besuchen Sie dieses beliebte russische Kabarett.

Gehen Sie davon aus, dass in dem Gericht »Goat« auch tatsächlich Ziegenfleisch drin ist, aber fragen Sie nicht, wo in dieser jamaikanischen Bar das Bier herkommt.

Was soll das? Niemand redet so, niemand schreibt so, wir nutzen das nicht so. Wer derart schlecht übersetzt, braucht eigentlich gar nicht zu übersetzen. Babelfish besser macht Ergebnis gut.

Cool auch die oberkrass unvorhergesehen eingestreuten Umganssprache-Worte im Original Street-Stylee, vermutlich frisch aus der letzten Jungsprech-Bibel:

Bringen Sie Ihren Verdauungstrakt bei einem Straßenverkäufer oder in einem der vielen Imbissläden in Liberty City auf Touren… Bei Beschwerden gibt es kostenlos was auf die Fresse.

Boah, derbst. Mami, er hat »auf die Fresse« gesagt…

Ich mach mal Schluss.

Liebes Rockstar-Team, eine Bitte: Sucht Euch fürs nächste GTA doch mal jemanden, der unsere Sprache nicht nur versteht, sondern auch zu benutzen weiß. Ich will sowas wie da oben nicht lesen müssen. Es gibt ganz tolle Reiseführer, die Ihr als Vorlage hättet nehmen können, und es gibt auch ganz tolle Übersetzer im hiesigen Literaturbetrieb, die Euch sicher gerne geholfen hätten.

Ihr habt Karl Lagerfeld, Iggy Pop und Juliette Lewis als DJs engagieren können, da wäre ein Anruf bei Kiepenheuer und Witsch doch sicher auch noch drin gewesen.

Wenn englischsprachige Literatur nach ähnlichen Standards übersetzt würde, wie Eure unterirdisch-peinlichen, pseudo-witzigen Anleitungen, hielten wir Shakespeare, Thomas, Dickens und Joyce mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für Groschenroman-Autoren aus der Retorte.

Euer vielgepriesener Humor, die Wortspiele, die versteckten Scherze und Insiderwitze — wer die deutsche Version vor sich liegen hat, muss sich zwangsweise fragen, wovon der Rest der Welt da so begeistert sein mag.

Ein Beispiel noch, dann ist auch gut:

Viele Bars bieten Dart und Poolbillard, und überall gilt das Motto: »Sauf, bis du sie schön findest!«

Bei uns heißt das »Schönsaufen«. Man »säuft sich Frauen schön«. Niemand, ich wiederhole das nur ungern, aber niemand sagt hier »sauf, bis Du sie schön findest«. Absolut niemand, noch nicht mal nach zwölf Korn.

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Der Titel dieses Beitrags stammt aus einem Videospiel von Activision: X-Men Legends II. Dort sagt ein ganz böser deutscher Sprecher nach jedem Niederschlag diese Worte. Ich muss nicht groß vermuten, dass es im Original »and stay down« geheißen haben muss, wofür es in unserer Sprache nunmal keine adequate Übersetzung gibt. Mich hat das damals so angenervt, dass ich das Spiel direkt weiterverschenkt habe. Seitdem ist dieser eine Satz für mich DAS Sinnbild einer hundsmiserablen Lokalisierung. Das nur zur Erklärung. ;)

1 Kommentar

  1. 01
    Fenrill

    Hey Dude. Eine sache, hast du schon gemerkt, das es eine Art Reiseführer sein soll? Es stellt nicht eine Richtiege Anleitung dar. Btw Ich finde die texte sehr cool gemacht und „manisch-depressiven Gestalten mittleren Alters“… Da kenn ich so einen, genau wie einen Borderline Psychopathen… Den Meid ich allerdings. xD Nur weil du es nicht kennst.. oder den Typischen „Rockstar“ Nenn ihn mal Southpark Humor verstehst, heißt es nicht das es Schlecht ist. Ich mag ihn sehr und lachte mich schlapp.

    Greetz an Rockstar. Gute Arbeit Jungs ;)

    greetz Fenriill