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Forscher haben der Evolution bei der Arbeit zugesehen

Was die Evolution vom nach Kurzweil strebenden Menschen unterscheidet, ist ihr langer Atem. Sie entwickelt und entwickelt sich und wenn wir einen kurzen Blick auf sie werfen, scheint alles still zu stehen. Löwen zum Beispiel. Sehen heute noch aus wie in Disneys „Die Wüste lebt“. Evolution? Ich sehe da nichts.

Der Biologe Richard Lenski hat 1988 ein Langzeitprojekt mit Escherichia coli, dem gut erforschten Darmbakterium, gestartet, um vielleicht doch einmal zu sehen, wie Veränderungen konkret ablaufen.
Mittlerweile haben sich während Lenskis Projekt über 44000 Generationen gebildet. Zum Vergleich: Vom modernen Menschen gibt es nicht einmal annähernd so viele Generationen (geht man von einer Generationsspanne beim Menschen von 30 Jahren aus, müsste man über 1,3 Millionen Jahre zurück gehen, die ältesten Fossilien, die dem modernen Menschen zugerechnet werden, sind gerade mal 160000 Jahre alt).
Alle 500 Generationen wurden Proben eingefroren. Man stellte fest, dass sich die Bakterien mit der Zeit schneller teilten und zwar gleich 75 % schneller. (Ich bin alles andere als ein Fachmann auf dem Gebiet, aber die Fortpflanzungsgeschwindigkeit scheint bei vielen Lebewesen recht flexibel zu sein. Wenn man wieder den Menschen zum Vergleich heranzieht, reagiert der Mensch auf gestiegene Lebenserwartung dadurch, dass er später Kinder bekommt – aber das kann jetzt auch höherer Blödsinn sein).
Die eigentliche Sensation ereignete sich nach 33127 Generationen. Escherchia coli ernährt sich üblicherweise von Zucker und auch in Lenskis Labor saßen sie recht gemütlich in einer Glukose-Nährlösung.
Aber plötzlich entwickelten einige die Fähigkeit, sich von Citraten zu ernähren. (Ich musste nachschauen: Ein Citrat ist ein Salz der Zitronensäure.)
Die Unfähigkeit, sich von Citraten zu ernähren, hatte Escherchia coli bisher als Spezies definiert.

Ist man also Zeuge der Entstehung einer neuen Art geworden?
Das ist nicht so leicht zu entscheiden, denn auch wenn man als Laie glaubt, eine Art wäre eindeutig zu definieren, streiten sich die Experten anhaltend über den Artbegriff. (Näheres dazu: hier).

Und gerade bei Bakterien ist die Frage noch schwerer zu beantworten. Denn die gängigste aller Artdefinitionen (Populationen, die sich nicht mit anderen Populationen fortpflanzen können) scheitert an dem strikten Verzicht auf Geschlechtsverkehr, den Bakterien sich auferlegt haben.

Es wird also noch viele Diskussionen über die Entdeckung Lenskis geben. In jedem Fall hat man gesehen, wie unfassbar hart die Evolution arbeitet. Man muss nur genau hinschauen, um es zu sehen.

Quelle

13 Kommentare

  1. 01
    Peter

    ich vermisse links zu furz-videos!

  2. 02

    Der Mensch reagiert auf die gestiegene Lebenserwartung dadurch, das er später oder gar keine Kinder bekommt. Kinder und vor allem die Anzahl der Kinder sagt etwas über den sozialen Status aus, der eng mit der Lebenserwartung verknüpft ist.

    Kinder sind Altersversorgung. Nicht dem Verstand nach sondern nach dem Instinkt. Genau das ist der Generationenvertrag. Wer diesen einseitig kündigt verschafft sich Vorteile, hilft aber beim Aussterben der Art.

  3. 03

    Dass der Mensch mit dem Wissen eine längere Lebensspanne zu haben sich dazu entscheidet, später Kinder in die Welt zu setzen, hat meiner Meinung nach etwas mit Kultur, Sozialisierung, Verhalten und Psychologie zu tun und hat weniger einen genetischen Ursprung.
    Ansonsten hat mich der Artikel sehr interessiert. Danke für das Aufmerksammachen auf dieses Forschungsprojekt.

    Lieben Gruß,
    Zweit-Semester-Biologe

  4. 04
  5. 05

    Die Entstehung neuer Arten kann man auch in der Londonder U-Bahn verfolgen:

    http://en.wikipedia.org/wiki/London_Underground_mosquito

  6. 06
    michael

    Das tolle beim Menschen ist doch, dass er sich genetisch eben nicht verändert hat, und trotz dieser „žEinschränkung“ so viel erreicht hat: er war mit der gleichen genetischen Ausstattung Jäger und Sammler im Afrikanischen Grasland und auf dem Mond. Diese Perspektive auf dem Menschen und die Macht der Kultur finde ich immer wieder beeindruckend. Wir haben die evolutionären Regeln vielleicht nicht aufgehoben (genauso wenig wie ein Flugzeug die Gravitation aufhebt), aber uns zumindest doch hoffentlich von ihnen emanzipiert. Zumindest sollten wir das versuchen.

    Aber zurück zum Thema: weitere schöne Beispiele für die Entstehung neuer Arten gibt“™s bei TalkOrigins.

  7. 07
    Elblette

    @Michael: Der Mensch verändert sich genetisch, aber hallo! So geht man davon aus, dass Laktosetoleranz beim Erwachsenen eine ziemlich neue Angelegenheit ist, so ca. 10.000 Jahre alt, wenn ich mich irre. Und das ist gerade ein tolles Beispiel, weil Laktosetoleranz die Tierzucht so richtig lohnend macht. Hautfarbe ist auch so ein Ding, hängt mit der Produktion von Vitamin D und der Sonneneinstrahlung zusammen, ist also eine Anpassung an andere Klimazonen. Aber stimmt, der Mensch und speziell sein Gehirn gehört zum Flexibesten, was die Natur so zu bieten hat.

  8. 08

    Immer wieder toll, was die gute alte Evolution so hervorbringt. Stellt sich mir spontan mal die Frage, wie erklären die Kreationisten das ganze eigentlich?

    ;-)

  9. 09
    michael

    @#678284: Konservativ geschätzt ist der Mensch genetisch so wie er ist seit 100.000 Jahren. Wahrscheinlich sogar noch länger. Soll heißen: würde ein 100.000 Jahre alter Mensch heute aufwachsen würde man wohl keine Unterschiede zu modernen Menschen sehen.

    Laktosetoleranz ist dabei ja keine genuin neue Eigenschaft, es lohnt sich nur erst seit ein paar tausend Jahren so richtig. Die Spezies Mensch gibt es aber so schon seit mindestens 100.000 Jahren.

  10. 10

    Alle, die zu diesem Thema sich äussern,
    sind hormonell Fehlgesteuert. Oder doch?

  11. 11

    @nplhse Guter Einwand

    Entwicklung beim Menschen ist auch ein spannendes Thema, leider entwickeln wir uns nicht so schnell, wie diese Bakterien, doch wir können uns auch entwickeln zumindestens einwenig. Glaub ich.

  12. 12
    Szettele Franz

    Sehr geehrte Damen und Herren. War das ein gemischter Nährboden?VMit frezundlichen Grüßen. Sz.