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Roger Kusch an der Grenze

In dem Kindergarten, in den ich gegangen bin, gab es extra-große Windeln, damit die Erzieherinnen nicht mit uns aufs Klo mussten. Es gab starke Beruhigungsmittel für die Unruhigen und wenn trotzdem jemand tobte, wurde er an einen Stuhl gebunden. Wenn wir nicht aßen, wurde uns der Löffel gewaltsam in den Mund geschoben, alles musste immer schnell gehen, geredet hat nie jemand mit uns.

Klingt seltsam und wäre ein Skandal. Ist aber nicht passiert. Denn wer würde Kindern so etwas schon antun?
Bei alten Menschen sieht das anders aus. Die sind so wertvoll wie Schweine, aus denen man schon Schnitzel gemacht hat und die immer noch fressen und kacken und Platz wegnehmen.

Wozu braucht man Alte? Sie sehen furchtbar aus, haben Flecken an den Händen, riechen nach Klosterfrau Melissengeist und fürchten sich vor dem Krieg. Deswegen konzentriert man sie völlig zu Recht in Zweckbauten, in denen man sie anschreit, schikaniert, sie in einen Krankenhausrhythmus presst, sie sich vollscheißen lässt, sie mit Drogen vollpumpt, sie entmenscht.

Tut mir leid, wenn mir gerade meine Sarkasmusgalle übersprudelt; so lässt man es geschehen, dann soll man auch so sprechen.

Hat also Roger Kusch richtig gehandelt, als er einer alten Frau, die leidlich gesund war, aber Angst vor dem Altenheim hatte, Gift zur Verfügung gestellt hat?

Michael von Blogsurdum findet: ja. Weshalb er Angela Merkel, die sich vehement gegen Kuschs Aktion ausgesprochen hat, Krebs an den Hals wünscht* (was im Übrigen momentan eine etwas eklige Blogmode ist).

Ich komme da nicht ganz mit.
Es gibt einfach Fälle, in denen der Wunsch des anderen zu gut in das eigene Konzept passt.
Mich erinnert Kuschs Selbstmordvideo an das Video, das Armin Meiwes von der Schlachtung seiner Internetbekannschaft Bernd Brandes gemacht hat. Der wollte, dass irgendjemand seinen Penis verspeist und Meiwes wollte zufällig dasselbe.
Und auch wenn der Vergleich selbstverständlich hinkt – weder Meiwes noch Kusch nehme ich ab, aus Menschenfreundlichkeit gehandelt zu haben.

Die Absurdität der Vorstellung, dass sich jemand an mich wendet, der sich mit Selbstmordgedanken trägt und ich versuche nicht etwa, die Ursachen zu beseitigen, sondern reiche ihm den Giftbecher, übersteigt meinen hochentwickelten Sinn für die Absurdität des Lebens.

Das Engagement, das Kusch aufwendet, um Menschen aus dem Leben zu spritzen – wo bleibt das, wenn es darum geht, eine menschenwürdige Alternative zu den Verrottungsstätten zu schaffen, in denen die Alten verfaulen?

Und was ist mit uns allen los, dass wir normal finden, wenn man unsere Eltern durch Scheiße waten lässt, während wir unsere Kinder in Dolce&Gabbana hüllen? Sind die Kleinen Investment und die Alten längst abgeschrieben? Sind wir wirklich schon so ekelhaft, dass wir es für eine großherzige Handlung halten, wenn ein obskurer Ex-Schill-Koalitionär eine alte Frau sich vergiften lässt anstatt ihr Trost zu spenden? Wie wäre es denn gewesen, wenn Kusch sich jeden Tag eine halbe Stunde Zeit genommen hätte, mit ihr Kaffee zu trinken? Ja, verdammt, damit kommt man nicht in die Zeitung.

Ich will das jetzt alles gar nicht an Kusch festmachen. Meine beiden Eltern sind zuhause gestorben und mir ist klar, dass man da an Grenzen stößt. Grenzen, an die Altenpflegerinnen (meistens sind es ja Frauen, die diese psychisch wie physisch so absurd belastende Tätigkeit ausüben) Tag für Tag stoßen.
Es geht hier um eine gesellschaftliche Fehlentwicklung, die so gewaltig ist, dass überhaupt keinem Einzelnen mehr Schuld zuzuweisen ist. Dass wir aber den Suizid einer alten Frau, die einsam war, als Akt der Freiheit bejubeln, das ist dann doch ein bisschen viel der Blindheit.
Völlig zurecht fragt der Spiegel, was denn mit einem depressiven Teenager wäre.
Und was mit unglücklichen Arbeitslosen?
Was mit Trinkern und Drogensüchtigen?

Der Wille ist nicht so frei, wie er uns vorkommt. Und wenn uns der Wille des anderen noch so gut in den Kram passt – das Leben hat so lange Vorrang, wie man es noch lebenswerter gestalten kann. Selbstverständlich sollte man im Endstadium einer Krankheit auch aktive Sterbehilfe leisten dürfen. Aber doch bitte nicht, ich wiederhole mich da, auf die Angst eines Menschen hin damit reagieren, dass man eine Videokamera holt und seinen Tod filmt.

* Womit er sich nicht für Kuschs Aktion ausspricht.

59 Kommentare

  1. 01
    Ohrenschmauß

    Aus einigen Hospitationstagen in einem Pflegeheim weiß ich, dass die Zustände nicht überall so schlimm sind wie berichtet wird. But maybe there are black sheeps everywhere….

  2. 02

    Tatsächlich sind die Umstände nicht überall so, leider gibt es das aber nicht selten. Simone de Beauvoir hat sich in „žDas Alter“ ausführlich damit beschäftigt. Sie schreibt, dass der respektlose und würdelose Umgang mit alten Menschen eine Folge des Kapitalismus und der Ökonomie sei. „žDie Marktwirtschaft funktioniert ganz einfach: Sobald Menschen nicht mehr arbeiten können, sind sie ‚unbrauchbar‘ für die Gesellschaft. Und damit wertlos und eine Belastung“ .
    Mittlerweile ist jedoch auch aus der Altenpflege ein Geschäft geworden. Bei uns im Stadtteil versorgen mobile Pflegedienste viele Menschen. Die Verweildauer dürfte mit einer Stoppuhr gerade noch messbar sein. Tür auf, Pflegevorgang, Tür zu.

    Polemisch gesagt, ist es ja ökonomisch günstig für eine Gesellschaft: Den alten Menschen den Lebensmut nehmen und ihnen die Spritze reichen oder anbieten und anschließend darauf pochen, es sei eine freie Entscheidung gewesen…

  3. 03
    plastik

    Bei Futurama war die suicide box noch ein gelungener Gag ( so vor 9 Jahren), weil so absurd. Wenn einem dabei das Lachen im Hals stecken bleibt oder man vielleicht nur noch gähnen kann, muß man das als großes, fettes „Danger, Will Robinson“ verstehen.

  4. 04

    Guter Text. An einer Stelle möchte ich widersprechen:

    Selbstverständlich sollte man im Endstadium einer Krankheit auch aktive Sterbehilfe leisten dürfen.

    Nein, sollte man nicht. Im Endstadium einer Krankheit ist die Palliativmedizin gefragt, nicht die Giftspritze. Das Leben muss immer Vorrang haben, und man kann jedes Leben lebenswerter gestalten, auch und gerade das Leben eines Schwerkranken.

  5. 05
  6. 06

    Der Automat, der in dem Spiegelartikel immer wieder erwähnt wird, gruselt mich. Das hat etwas von der Maschine aus Kafkas Strafkolonie. Die Vorstellung eines automatisierten und einsamen Abtretens ist abstoßend.

    Dennoch: Wenn meine körperlichen Kräfte nachlassen, die Geisteskraft schwindet und ich nach einer Abwägung von „Altersbeschwerden“ und „Wunsch zum Leben“ festelle, dass ich jetzt an dem Punkt angekommen bin, an dem das Leben gerade noch erträglich ist, und dass ab hier die Lebensqualität immer weiter bergab gehen wird, keine Besserung in Aussicht – dann würde ich mich auch für den Freitod entscheiden. Solange man noch selbst dazu in der Lage ist. Nicht, um den anderen nicht zur Last zu Fallen, sondern aus eigenem Interesse.

    Das dürfte dann wohl auch mit eine der Ängste der Frau gewesen sein: Mit dem Betreten des Heimes reduziert sich die Möglichkeit, über die Fortführung des eigenen Lebens zu entscheiden, noch weiter.

    Den Sterbeprozess auf Video festzuhalten, ist geschmacklos, lässt sich bestenfalls damit entschuldigen, zu unterstreichen, dass Kuschs Beteiligung lediglich Beihilfe zur Selbsttötung war.

    Bei Depressiven, Arbeitslosen, Drogensüchtigen, etc. zeichnet sich der Rest des Lebens noch nicht so klar ab. Hier bestehen Chancen für eine totale Wende, Besserung – das lässt sich nicht gleichstellen.

  7. 07
    danielj

    Das Leben muss immer Vorrang haben, und man kann jedes Leben lebenswerter gestalten, auch und gerade das Leben eines Schwerkranken.

    Erstaunlich nur daß viele Schwerkranke das offensichtlich anders sehen, und nicht nur diejenigen die an schlechte Ratgeber wie Kusch geraten.

    Warum sollte ich das Leben eines Schwer-/Todkranken gegen seinen erklärten Willen unter Einsatz schwerster Schmerzmittel in jedem Fall verlängern? Aus Prinzip? Welches wäre das?

    Des Recht auf Leben bedeutet – IMO – auch ein Recht auf Sterben. Daß man um jedes Leben kämpft ist richtig und wichtig, aber irgendwann kann auch der Punkt kommen an dem Leben nur um des Lebens Willen keinen Sinn mehr macht; am wenigsten für den um dessen Leben es geht.

  8. 08

    …ich sag das ja nicht so oft, und schon gar nicht hier.
    aber wennschon dennschon:

    guter artikel, gute balance, sauber im saft. chapeau…

  9. 09

    Der Vegleich mit dem depressiven Teenager ist mal voelliger Quatsch. Natuerlich hat das Recht auf selbstbestimmtes Sterben bei einem alten Menschen, der nicht mehr viel vom Leben zu erwarten hat, ausser seinem koerperlichen Verfall, eine ganz andere Qualitaet, als das eines koerperlich gesunden, nur mental angeknacksten jungen Menschen.

  10. 10
    Klaus

    Super Artikel, Klasse geschrieben – geht mir direkt in den Bauch!
    Und volle Zustimmung! Danke.

  11. 11

    @malte Sieh doch mal das positive: irgendwann sind alle seine Wähler sozial verträglich abgelebt.

    BTW In wievielen Altenheimen sind die Zustände wirklich so wie du sie beschreibst? Mir scheint das ein moderner Mythos zu sein.

    @#681510: Wenn man deiner Meinung nach das Leben nicht künstlich verlängern sollte, wieso sollte man es dann künstlich verkürzen?

    @#681513: Und ich dachte immer ich bin zynisch … Mit der Begründung kannst du auch die Euthanasie wieder einführen.

  12. 12
    danielj

    @Jan

    Ich wäre Dir dankbar wenn Du mir nicht irgendwelche Behauptungen unterstellst!
    Ich sagte nicht daß man das Leben (grundsätzlich) nicht verlängern sollte, ich sagte nur daß es einen Punkt geben mag an dem es keinen Sinn mehr macht. Daß man ein Leben verkürzen (= aktive Sterbehilfe leisten) sollte sagte ich überhaupt nicht.

  13. 13

    @#681516: Nein kann ich nicht. Will ich auch nicht.
    Es hilft uebrigens, den Unterschied zwischen selbstbestimmt und fremdbestimmt zu begreifen. Nur so als Tipp.

  14. 14
    henker

    In den Altenheimen sit es wirklich so… letztens haben wir eine alte bekannte besucht, es war kein einziger pfleger da, die war fast vor dem verdursten, ähnliches bei meiner uroma damals, die kam dann aber in ein anderes, insgesamt in 2 von 3 fällen nur negative erfahrungen

  15. 15

    @#681525: Wie selbstbestimmt ist denn jemand der von Sterbehelfern „betreut“ wird?

  16. 16

    @#681530: Wer hat denn das Wort ‚betreut‘ in den Raum gestellt? Ich glaube Du trollst ..

  17. 17
    tom

    manchmal ist sterbehilfe vielleicht doch ganz angebracht:
    http://www.motorkopp.de/?p=64

  18. 18

    sorry, aber das wollte ich mit meinem „offenen brief“ nicht zum ausdruck bringen. überhaupt nicht. leider haben es neben dir auch noch andere „falsch“ verstanden bzw. habe ich mich wohl so ausgedrückt, dass man es falsch verstehen konnte, drum habe ich ein kleines nachspiel verfassst“¦

  19. 19
    danielj

    @tom: die SPD braucht doch ganz offensichtlich keine Hilfe ;)

  20. 20
    Maltefan

    Die Absurdität der Vorstellung, dass sich jemand an mich wendet, der sich mit Selbstmordgedanken trägt und ich versuche nicht etwa, die Ursachen zu beseitigen, sondern reiche ihm den Giftbecher, übersteigt meinen hochentwickelten Sinn für die Absurdität des Lebens.

    Langsam wird’s mir unheimlich mit Dir …

  21. 21
    nicnac

    „I hope I die before I get old!“, wünschten sich die Who bereits 1965 in „My Generation“. Allerdings war das Lied gegen diejenigen gerichtet, die damals gesellschaftlich das Sagen hatten und die für Youngster eben die „Alten“ waren. Getragen war die Botschaft vom Wunsch, bloß nicht so zu werden wie die. OK, wer 1965 jung war (wie ich zum Beispiel), der steht heutzutage schon an der Schwelle des Alters. Das Denken verändert sich im Laufe der Älterwerdens. Je weiter jemand außen vor bleibt, umso eher wächst gewiß der Wunsch, alles hinter sich zu bringen.
    Das ist aber nicht das Problem, es liegt an der Lieblosigkeit des Systems, das Alte zu Pflegefällen reduziert, die nach Zeitplänen abgefertigt werden müssen und für die niemand Zeit erübrigen kann.
    Andere Kulturen gehen anders mit alten Menschen um: Sie werden für voll genommen und ihnen wird hoher Respekt entgegengebracht.
    Ich glaube, Menschen aus einer solchen Kultur würden sich kaum wünschen, daß es vorbei ist – allen Unzulänglichkeiten des Alters zum Trotz.

  22. 22
    Jan(TM)

    @#681532: Ich. Zum sterben braucht man Sterbehelfer, also nimmt man mit denen Kontakt auf und wird nachher auf dem Weg zum Tod betreut (darfst auch gern die Floskel begleitet verwenden). Deren Ziel ist beim sterben zu helfen und so werden sie den Betroffenen auch beeinflussen (bewusst oder unbewusst). Wie selbstbestimmt ist man dann noch?

  23. 23
    Martin

    Wenn ich das richtig verstanden habe, wollte die Frau nicht sterben, auch keine Hilfe dabei (mal davon abgesehen, dass man ganz von alleine stirbt, da braucht niemand nachhelfen), sondern sie wollte würdig leben!

    Sterben ist kein Akt der Selbstbestimmung, sondern eine biologische Tatsache; ein kurzer Prozess am Ende des Lebens.
    Auf das Sterben vorbereiten, indem man das Leben lebenswert macht sollte die Aufgabe sein.

  24. 24
    ajo

    Sind wir wirklich schon so ekelhaft, dass wir es für eine großherzige Handlung halten, wenn ein obskurer Ex-Schill-Koalitionär eine alte Frau sich vergiften lässt anstatt ihr Trost zu spenden?

    Äh… nein? Wie kommst du darauf? Ich habe wirklich keine einzige Reaktion zu Kuschs Aktion gelesen, die diese Frage nahelegen würde.

    Dass wir aber den Suizid einer alten Frau, die einsam war, als Akt der Freiheit bejubeln, das ist dann doch ein bisschen viel der Blindheit.

    Ich verstehe nicht, was die Formulierung „wir“ hier soll. Zu dieser Frage herrscht nun wirklich ein ablehnender Konsens in der Öffentlichkeit.

  25. 25

    @#681544: 1. Braucht man nicht zwingend Sterbehelfer, um sich das Leben zu nehmen
    2. Ist es nicht zwingend deren Wunsch, Leute um die Ecke zu bringen, sondern ihnen die Möglichkeit zu geben, freie Entscheidungen zu treffen.
    3. Eine verantwortungsvolle Sterbehilfe (ohne die von Dir unterstellte Perversion), sollte mit einer zweifelnden Person selbstverständlich die Alternativen besprechen und ihr vom Suizid abraten.

  26. 26
    Sebastian

    Fatal wie „wir“ doch anhand dieses Themas an die grenzen des Freiheitsgedankens stoßen scheinen. Wie kann sich jemand anmaßen den Todeswunsch eines Menschen in Abrede zu stellen ? Freiheit und Selbstbestimmung endet nicht da wo sie nicht in ein christlich geprägtes Weltbild passen.

    Der Freitod ist in vielen Kulturen ein normaler, mitunter sogar gesellschaftlich mit Anerkennung bedachter Akt. Ich denke diese ganze Diskussion hat weniger mit Kapitalismus oder Verrohung der Welt zu tun als gemeinhin geschrieben, sondern eher mit einem bröckeln von christlichem Weltbild.

    Damit möchte ich nicht mindern das es in einem Großteil unserer Alten verwahrstationen bisweilen zu wirklich grausigen Szenen kommt. Diese zeigen das der Mensch der nichts mehr aktiv konsumiert oder produziert in unserer Zeit keinerlei Wert mehr besitzt, nicht der unterstützte Freitod

  27. 27
    Simon Pfirsich

    @#681505:
    „Nein, sollte man nicht.“
    Doch sollte man. Es geht um das Dürfen und nicht um das Müssen. Selbstverständlich sollte, so sehe ich das jedenfalls, der Wunsch für Sterbehilfe immer vom Patienten ausgehen, aber möglich sein darf das!

    Palliation ist schließlich auch nur ein Aufschieben des Elends – wer das so möchte, gerne – wer sterben möchte, dem steht auch das frei.

  28. 28

    Malte & Co. wieviele Leser habt Ihr? Die SPD/CDU Narren haben knapp mehr als 500.000 Mitglieder. Soo viel bedarf es nicht, dieses Land zu renovieren. Die Richtung in die Spreeblick wächst ist toll. Es fehlen im (deutschen) Netz kritische Töne, bzw. stellen solche Randerscheinungen dar, dass man sich manchmal wünscht woanders zu leben. Die Wut, den Frust, den Ärger darf man nciht nur niederschreiben und herauskotzen, nein – all das muss in Formen gegossen werden und dazu dienen die Gesellschaft und a priori den Staat zu verändern.

  29. 29

    @#681558: Sehr schön gesagt.

    Warum muß man sich einmischen, wenn jemand nur sich selbst etwas antun möchte und dabei Hilfe braucht?

  30. 30

    Ja, die Frau wollte würdig leben. Der Glaube daran schien ihr in dieser Gesellschaft, nicht mehr realisierbar. Das ist der eigentliche gruselige Moment in dieser Debatte. Und genau den hat Frau Merkel mit ihrer Aussage unter den Tisch gekehrt. Was für mich der zweite gruselige Momente in dieser Debatte war.

    Gut, meine Großmutter hatte sich stranguliert sechs Wochen nachdem sie (freiwillig und auf eigenen Wunsch!) ins Altersheim gezogen ist. Zwei Stunden lang hatte man versucht, sie zurückzuholen. Es ist — ihr zum Glück — nicht gelungen. Was viele in der Diskussion, ob Sterbehilfe erlaubt werden soll, überhaupt nicht ahnen (es klingt hier in einigen Kommentaren durch) wie wirklich schwer es ist sich erfolgreich selber zu richten. Wir erfahren doch allenfalls nur von den erfolgreichen Suizid-Versuchen aus den Zeitungen. Nie von denen, die nicht funktionieren im Sinne ihres gewünschten Ursprunges. Die allermeisten Menschen landen danach aber entweder querschnittsgelämt (nach Sprüngen oder forcierten Autounfällen) oder mit schweren geistigen Schäden (Strangulation, Überdosis von Medikamenten) in den Pflegestationen. Die allerwenigsten Menschen kehren aus einem missratenen Suizid-Versuch — selbst wenn die akute Deppression, die dazu führte, im nachhinein geheilt werden kann — wie vorher gesund ins Leben zurück.

    Darin liegt der große Zauber und vor allem die Verantwortung des Sterbehelfers.

  31. 31
    McDough

    Natürlich ist es notwendig, dass man die Verhältnisse in Altenheimen bereinigt und dass man über die Behandlung von Alten nachdenkt. Dennoch haben sie – wie jeder andere auch – ein Recht auf Selbstbestimmung. Und wenn sie sich umbringen wollen: Warum nicht? Dieses Recht steht jedem zu.

    Roger Kusch kann man im konkreten Fall nicht einmal einen Vorwurf machen, denn er hat nichts getan. Die Medikamente hat er weder besorgt noch hat er den Giftcocktail vorbereitet. Er hat nicht einmal zugesehen, wie die Frau sich selber vergiftet, er hat lediglich die Kamera laufen lassen. Wenn man es genau nimmt hat er nicht einmal die Frau angesprochen, sie ist auf ihn zugegangen und hat ihren Wunsch zu sterben geäußert.

  32. 32

    Der Herr Kusch und seine Partei sind mir unheimlich.

    Zitate:

    Wahlplakat 1: „HeimatHamburg: Zucht und Ordnung. Dr. Kusch“

    Wahlplakat 2: „Junge Verbrecher werden in Hamburg nicht bestraft, sondern verhätschelt. Weicheier und linke Spinner haben Mitleid mit den Tätern statt mit den Opfern. Schluss damit! Hamburg braucht eine harte Justiz!“

    Wahlkampfveranstaltung: „Es heißt, man müsse Angebote für Jugendliche schaffen. Ich habe eines – es hat Gitter vor den Fenstern!“

    Und dieser Mann wurde und wird gewählt. Gruselig.

  33. 33
    K

    Das Sterben eines Totkranken in einem Hospiz dauert einige Wochen oder sogar Monate. Hängt von der Art der Erkrankung und von dem guten Willen des Arztes ab.
    Dass der Mensch dabei seelisch leidet kümmert keinen.
    Auch wenn der Kranke den Arzt um den schnelleren Tod anfleht, darf der Arzt nicht helfen.
    Das ist unmenschlich.

    Diese filosofierenden Schweine… „Der Wille sei nicht so frei, wie es uns scheint…“

    Ekelhafte Menschen!

  34. 34

    „Selbstverständlich sollte man im Endstadium einer Krankheit auch aktive Sterbehilfe leisten dürfen.“

    Das solch ein Satz, so ganz nebenbei, in diesem Text auftaucht, finde ich für die ganze Diskussion bezeichnent! Ich finde nicht, dass aktive Sterbehilfe so „selbstverständlich“ sein sollte!

  35. 35
    Philip

    Ich finde die Meinung alte werden in Hospizen und Krankenhäusern schlecht behandelt grundsätzlich nicht richtig und auch den Vergleich zwischen Kindern und Alten schlichtweg unangebracht. Ich habe lange Zeit als Pflegekraft gearbeitet und bei uns wurde kein alter Mensch festgebunden wenn er nicht sein Leben gefährdet hatte. Die meisten Kinder haben keine Trachealkanüle im Hals, die meisten Kinder überleben Stürze mit leichten Blessuren, die meisten Kinder lassen sich relativ leicht davon abhalten aus dem Bett zu klettern. Sicherlich gibt es Extremfälle wo alte Leute von Pflegern vernachlässigt, angeschimpft oder eventuell sogar geschlagen werden, doch die Gefahr ist bei der Heimpflege weit größer. Die meisten Menschen können eigentlich gar nicht damit umgehen, sie verkraften die Situation nicht und viel zu schnell verwirklicht sich alter Groll oder Hilflosigkeit in den Dingen die man viel zu schnell viel zu vielen Pflegekräften vorwirft. Aber ich glaube darum gehts jetzt eigentlich auch weniger…ist denn niccht das Hauptproblem die allgemeine Finanzierung unseres Gesundheitswesen?

    Zur Sterbehilfe: Sie hilft in den meisten Fällen mehr den Angehörigen.
    Warum? Weil grade Patienten mit Alzheimer oder Demens , zwar unglücklich sind, aber noch viel mehr ist man als Außenstehender schockiert wie ein geliebter Mensch zerfällt und zusammenbricht. Man glaubt ihn durch den Tod erlösen zu können auch wenn man längst nicht mehr in der Lage ist in sein inneres zu blicken. Es gibt halt keine vernünftige Möglichkeit zu rechtfertigen wann der richtige Moment für Sterbehilfe gekommen ist. Und es ist tatsächlich nicht jedem zuzutrauen etwas derartiges wichtiges allein zu entscheiden. Ich halte eine zuvor angefertigte Patientenverfügung in der man beispielsweise auf Wiederbelebungsmaßnahmen verzichtet für das einzig vertretbare.

  36. 36
    rob

    @#681544: Du sagst es doch selbst: „man nimmt mit denen Kontakt auf“. Und das entscheidet man selbstbestimmt. Oder hat jemand hier vorgeschlagen dass die sterbehelfer-teams eigenstaendig von station zu station gehen sollen um dort ihre dienste anzupreisen?
    Alles gute,
    rob

  37. 37
  38. 38
    Philip

    @ K

    Kümmert keinen?
    Warst du je in einem Hospiz und wenn ja in welchem`?
    Als mein Großvater gestorben ist habe ich ihnn 3 mal die Woche im Hospiz besucht und es ging ihm gut. Natürlich nicht gut, aber es war immer jemand für ihn da. Die Schwestern waren mehr als freundlich, bemüht und es wurde sich nicht nur um seinen seelischen Zustand gekümmert sondern auch um unseren. Die einzige Lösung gegen Leiden ist nicht der Tod. Und gutem Willen des Arztes? Wenn du keine lebensverlängernde Maßnahmen erlaubst, erhälst du sie auch nicht, dann können deine Medikamente allein schmerz lindernd sein. Solch ignoranten Phrasen kann jeder ablassen…das ist keine Beschäftigung mit der Thematik sondern die schnelle einfache Lösung. Mir gefällt die Welt aus soylent Green…

  39. 39
    Sebastian

    „Und es ist tatsächlich nicht jedem zuzutrauen etwas derartiges wichtiges allein zu entscheiden.“

    uiuiuiu wer möchte das denn an seinerstatt entscheiden ?

    Du, wir, der Staat ? Nur ich habe das Recht zu entscheiden ob ich leben oder Sterben möchte, gleich nach mir meine Frau und Kinder, schlicht die Personen die mich am besten kennen.

    Und nein nur weil jemand krank ist verwirkt er damit nicht das recht auf Selbstbestimmung.

    @Philip toll das du so für deinen Großvater da warst, und wirklich beneidenswert wie gut der Hospiz war, und mein bei Leid. Dennoch hat das nicht die Bohne mit dem Thema zu tun, Sterben ist zwangläufig und jeder kann und muss es dürfen für sich, wann er nicht mehr leben will.

    Wenn jemand leidet und Sterben will hast weder du noch sonst jemand das recht ihm diesen Wunsch zu verwehren.

  40. 40
    Jan(TM)

    @#681622: Als Mensch mit Depressionshintergrund kann ich dir versichern das nicht jeder Todeswunsch selbstbestimmt ist. Und ja der Todesengel Kusch hat noch viel mehr getan.

    @#681554: Im Fall Kusch gab es aber genau diese Perversion. In der Zeit ist ein Artikel darüber den ich online leider nicht finde. Darin sagt der u.a. das es nicht seine Aufgabe der Frau andere Wege zu zeigen.
    Die nächste Frage ist, wird es nicht irgendwann so sein das kranke Alte sich genötigt fühlen „freiwillig“ zu sterben um nicht anderen zur Last zu fallen?

  41. 41
    Philip

    @Sebastian Nein keiner hat das Recht, das ja das Problem was ich angesprochen habe. Weils keine Entscheidung ist die man als Mensch treffen sollte.

    Die Frage ist doch ob du noch rational entscheiden kannst ob du sterben willst. Wenn du 20 bist, depressiv und was-weiß-ich noch, solltest du dann nicht genaus das Recht auf Sterbehilfe haben?
    Ich mein wenn es wirklich allein bei dir läge bist du en Befürworter von Selbstmordzellen?
    Und natürlich habe ich das Recht ihm den Wunsch zu verwehren, weil es meine Entscheidung ist ob ich eingreife oder nicht. Was ist es wenn es nur ein Aussetzer ist eine Phase? Wenn der alte Mann seine Meinung ändert und doch noch Zeit mit seinen Enkeln verbringen will? Wie differenzierst du da noch? Ich mein wenn der alte Mann unter Schmerzen sterben darf, wer sagt dann dass ich es nicht darf wenn ich persönlich das Gefühl habe die Welt nicht mehr zu ertragen?
    Würdest du mir die Todesspritze setzen?
    Nicht das ich wirklich sterben will…

    aber so pauschal kann man das einfach nicht sagen wie du es tust.

  42. 42
    nicnac

    Darf denn eine Alterdepression, resultierend aus Einsamkeit und diffuser Angst vor dem Altersheim, einen Herrn Kusch berechtigen, den Todeswunsch der unglücklichen Dame aktiv zu befördern?
    http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,563789,00.html
    Die Frau war nicht unheilbar tödlich erkrankt, mit schlichter Menschlichkeit hätte ihr geholfen werden können.
    Kommt mir nicht mit „freiem Willen“, dieser Wille entsprang der reinen Verzweiflung an den Zuständen und sonst gar nichts.

  43. 43
    Sebastian

    Diese ganze Diskussion wird von euch vor dem Hintergrund des „Selbstmord ist böse“ geführt, was schlicht an dem kern vorbeigeht.

    „Wenn du 20 bist, depressiv und was-weiß-ich noch, solltest du dann nicht genaus das Recht auf Sterbehilfe haben?
    Ich mein wenn es wirklich allein bei dir läge bist du en Befürworter von Selbstmordzellen?“

    Selbstmordzellen sind ein Gedanken Konstrukt, es gibt doch ausreichend arten sich auf die ein oder andere art aus dem Leben zu befördern, und eine form von Automatismus lässt deutlich zuviel raum für anderweitige Verwendung.

    Sicher wenn jemand den Wunsch hat zu Sterben, sei er krank unglücklich oder hat einfach keine Lust mehr, wer bin ich zu entscheiden ob etwas anderes für ihn das beste ist. Die schlimmsten inhumansten Dinge erwachsen aus dem „… du weist nicht was gut für dich ist ich schon …“

    Das der Herr Kusch nen Ding an der Waffel hat sei mal außer frage. Mir geht es bei dieser Diskussion eher darum aufzuzeigen wo derartige auch heute von unserer Politik getragene Diskurse hinführen wenn man postuliert das der Wille nun mal nicht frei sei, unter bestimmten vorraussetzungen, denn die vorraussetzungen sind wie immer bei derartigen Eingrenzungen eine Erosion stattfindet.

    Und nun mal ganz ehrlich „damals“ als die Menschen noch in Dörfern alt wurden, so dies mal vorkam, waren sie mitnichten die gern gesehene Oma oder Opa, sondern eine Last die gerne mal aufs Altenteil geschoben wurde.

    „Weils keine Entscheidung ist die man als Mensch treffen sollte“

    Wer wenn nicht ich als Mensch sollte denn über mich und meinen Willen urteilen, und ihn wenn es mein wille ist auch umsetzen.

  44. 44
    Philip

    Nicht Selbstmord ist böse, sondern Selbstmord wird von unserer Gesellschaft abgelehnt. Und um die ganze Diskussion auf eine solide Basis zu bringen ohne erst die Frage zu klären was von Selbstmord an sich zu halten ist sollte man doch davon ausgehen oder? Ansonsten wär tatsächlich Selbstmord an sich vordergründiger als Sterbehilfe.

    Nein aber Selbstmordzellen würden bedeuten dass Selbstmord offiziell gut geheißen wird. Das eine Person bei Selbstmordgedanken ganz offen unterstützt wird. So eine Art „spring doch ins Messer Haltung“.
    Man also im allgemeinen darüber einkommt dass es ganz legitim ist sich umzubringen. Und was das für Konsequenzen hat muss ich nicht noch aufzählen.

    Niemand?
    Der Mensch wird im allgemeinen als unglaublich fehlerhaft und dumm angesehen. Ganz ehrlich, ich bin auch der Meinung man sollte so eine Entscheidung jedem selbst überlassen, nur ist das nicht möglich. Es involviert immer Andere, und die nachhaltigen Konsequenzen einer offiziellen Legitimation von Sterbehilfe (nicht Selbstmord) wären zu hoch. Zum Beispiel dass die Frage der allgemeinen Rechtfertigung vom Selbstmord wieder im Raum stände, dass die Sterbehilfe zu Mord missbraucht werden kann, dass der Tod leider endgültig ist und den Menschen nichts wiederholt (bei einer Fehlinterpretation) und dass die psychische Belastung auf die Personen, die die Sterbehilfe tatsächlich ausführen viel zu groß ist. Ich will nicht der Arzt sein der ihm eine Überdosis Morphium spritzt.

    Für mich ist „Sterbehilfe“ immer ein bisschen zu leicht gesagt…

  45. 45

    Ich finde es schon außergewöhnlich genug, dass es mal ein Sommerlochthema gibt, das wirklich Substanz hat und zu einer ernsthaften Diskussion führen kann. (Dass bei der Diskussion die Fronten von vorne herein verhärtet sind und bisher fast jeder Politiker, der sich zu Wort gemeldet hat, mit beunruhigender Absolutheit in die Dann-doch-nicht-wirklich-Diskussion gerauscht ist, steht auf einem anderen Blatt.)

    Wenn die ganze Debatte dazu führt, dass Altenheime vielleicht keine Wegdämmerheime mehr sind, hätte sie darüber hinaus noch einen konstruktiven Effekt.

  46. 46
    Chr

    Der Artikel von Malte beinhaltet meines Erachtens zwei wesentlich unterschiedliche Problemfelder, die man dementsprechend unterschiedlich diskutieren sollte, weil sie eigentlich kaum miteinander zu tun haben.

    (1) Katastrophale Zustände in Pflege-/Altersheimen, & selbst wenn es sich nur um Einzelfälle handeln sollte, gehören abgestellt. Da ich mit der hier in Rede stehenden alten Dame nicht gesprochen habe, kann ich leider nichts zu ihren tatsächlichen Gründen sagen, vermute aber unabhängig von diesem Schicksal, dass es unter alten Menschen verbreitet ist, erhebliche Angst vor einer Situation zu haben, in der sie nicht mehr Herr/Frau seines/ihres eigenen Lebens sind & im schlimmsten Falle dahin vegetieren zu müssen.

    (2) Davon ist die Sterbehilfe als solche zu trennen. Nur so kurz & so unjuristisch wie möglich. Dann ist zumindest klar, worüber geredet wird & man kann sich trefflich streiten.

    a) Von aktiver, direkter Sterbehilfe spricht der Jurist, wenn der „Helfer“ es ist, der die Tötung auf Verlangen des Suizidenten verwirklicht, weil dieser dazu uU selbst nicht mehr in der Lage ist; letzterer verwirklicht seinen Tod jedenfalls nicht durch die „eigene Hand“. Das ist strafbar, auch wenn es der freie Wille des Suizidenten sein sollte. Ohne freie Willensentscheidung ist es sogar Totschlag, ggf. Mord. Roger Kusch hingegen hat scheinbar „nur“ eine straflose Beihilfe zur Selbsttötung geleistet. Im Gegensatz zur aktiven Sterbehilfe hat er einer suizidalen älteren Dame „lediglich“ das Instrumentarium zu Verfügung gestellt, mit dem sie ihren Tod selbst & freiverantwortlich herbeiführte. Sie hat also die Entscheidung über ihr Leben „in den eigenen Händen gehalten“ & hätte es sich auch wieder anders überlegen können. Sofern „Selbstmord“ oder „Freitod“ nicht strafbar ist, kann das reine Hilfeleisten hierzu nicht strafbar sein.

    b) aktive, INdirekte Sterbehilfe findet im Bereich der Palliativmedizin statt. Das sind Fälle, in denen ein tod- & unheilbar kranker Mensch, der im bereits begonnenen Sterbeprozess unter größten Schmerzen leidet, mit Schmerzmitteln behandelt wird, die vorhersehbar den Tod schneller herbeiführen als im unbehandelten Sterbeprozess. Allerdings ist die Lebenszeitverkürzung eben nicht primäres Ziel, sondern unvermeidbare Konsequenz, also Nebenfolge der unverzichtbaren Schmerzlinderung. Das ist & sollte nicht strafbar sein!

    c) passive Sterbehilfe meint Sterbehilfe durch Sterbenlassen; d.h. entsprechend dem erklärten (problematisch ist der mutmaßliche) Patientenwillen wird dem Sterben durch Nichteinleitung oder Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen sein natürlicher Verlauf gelassen. Das beruht auf dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten, mit der Folge, dass die vom Patientenwillen nicht gedeckte Vollausschöpfung lebensverlängernder medizinischer Maßnahmen rechtswidrig ist. Daher ist & sollte die passive Sterbehilfe nicht strafbar sein. Am Rande: Theoretisch (!) dürfte sogar jeder, nicht nur der Arzt, den Behandlungsabbruch herbeiführen, wenn diese gegen den Willen des Patienten erfolgt.

    Unter den sog. mutmaßlichen Patientenwillen können die sog. Patientenverfügungen fallen. Das Problem hierbei ist, dass man bei früheren Äußerungen eines Patienten oder auf Grundlage einer Patientenverfügung halt nicht immer mit Sicherheit wissen kann, wie sich der – inzwischen nicht mehr ansprechbare, meist bewusstlose, ggf. komatöse – Patient aktuell entscheiden würde. Wer eine menschliche Lösung hat, möge die Hand heben…

    Wenn man das vorangegangene, auch ethisch für richtig hält & das Selbstbestimmungsrecht des Menschen bis zur freien Entscheidung über den eigenen Tod anerkennt, wird es sehr haarsträubend, soweit der Suizident infolge einer schweren körperlichen Beeinträchtigung – wie bspw. einer Ganzkörperlähmung – nicht in der Lage ist, sich „mit eigener Hand“ das Leben zu nehmen. Diesem wäre es jenseits des begonnenen Sterbeprozesses auch bei den unmenschlichsten Schmerzen nicht erlaubt, hierfür die Hilfe eines Arztes oder Dritter in Anspruch zu nehmen. Ohne dazu eigene Stellung zu beziehen – denn Lösungen hab ich keine, praktisch bedeutet dies Zwang zum Leben. Wer diesmal eine menschliche Lösung sieht, möge die Hand heben…

  47. 47
    K

    @Philip
    Ja. Ich war in einem Hospiz und zwar über die ganze Dauer des Sterbeprozesses.
    Als meine Frau starb.
    Wie auch immer Du es wendest. es ist unmenschlich!!!
    Sie hat vor Monaten den Wunsch geäussert zu sterben.
    Nette Schwestern? Was ändert das???
    Sie hatte Schmerzen und Übelkeit und es dauerte und dauerte und dauerte. Stunden, Tage, Wochen.

  48. 48
    Simon

    Ich bin der Meinung, dass niemand gegen seinen Willen in den Tod gezwungen werden sollte – und niemand gegen seinen Willen zum Leben. Die Entscheidung zum Selbstmord ist, wenn sie im abgeklärten, bewußten Zustand getroffen wurde, meiner Meinung nach zu respektieren.

    Daraus folgt meiner Meinung nach, dass die Motive einer solchen Entscheidung für uns Außenstehende ebenfalls keine Rolle spielen dürfen. Nicht nur die Entscheidung, ob man sterben möchte, sondern auch die Entscheidung warum, obliegt m.E. alleine demjenigen, um dessen Leben es geht.

    Ich denke, es verbietet sich von vornherein, an andere Kriterien anzuknüpfen als an den Willen des Lebe- oder Sterbewilligen. Denn dies würde bedeuten, aus eigenen Wertvorstellungen heraus über fremdes Leben zu entscheiden – und dieses Recht steht keinem Menschen zu.

    Wir brauchen ein Gesetz, dass das Recht auf Sterben garantiert und denjenigen, die daran freiwillig und unfreiwillig beteiligt sind, Rechtssicherheit gibt. Davon abgesehen sollte sich nicht nur Angela Merkel, sondern auch die restliche Gesellschaft aus diesem Thema heraushalten.

  49. 49

    Zur Freiheit des Willens hat Arthur Schopenhauer einmal etwas sehr schönes gesagt:
    „žDer Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.“

    Das ganze Thema ist gleichermaßen wichtig wie philosophisch und bewegt sich ausschließlich im Bereich „Meinung“. Deshalb ist es auch rechtlich so schwierig, eine sinvolle Lösung zu finden.

  50. 50

    @Simon:
    Das eigentliche Problem ist doch, was mit Leuten die ihren Willen nicht mehr äußern können. Selbst wenn der jenige irgnedwann man eine Patientenverfügung erstellt hat, ist das rechtlich und auch moralisch nicht so einfach.
    Das Recht sich umzubringen hat eh jeder. Und wenn jemand bei klarem Verstand ist und furchtbare Schmerzen hat, ist auch der Tod durch indirikte Sterbehilfe rechtlich zuässig. Es ist gar nicht so einfachein Gesetz zu kreieren, was das Recht auf Sterben einräumt. Was soll dieses Recht beinhalten? Auch aktive Sterbehilfe?

    Und die Gesellschaft und die Politik kann sich schlecht heraushalten. Denn für ein solches Gesetz, das du forderst, muss eine Gesellschaft erst wissen, wie weit sie wirklich gehen will – was sie bereit ist zu tollerieren!

  51. 51
    Fusse

    @Manniac (9)

    Du wertest das Leben einer Gruppe von Menschen ab.
    Und du sprichst einer Gruppe „qualitätvollere“ Rechte zu als einer anderen.

    Klingt das nicht extrem gruselig?

    Oh, und außerdem:
    Ein arbeitsloser junger Depp der keine Zukunftschancen mehr hat – mal ganz ehrlich – dessen Leben ist doch auch nicht mehr viel wert. Wollen wir dem nicht lieber auch die qualitätvolleren Rechte zugestehn?
    Kommt der Allgemeinheit mit den wertvolleren Leben und den qualitätärmeren Rechten auch auch billiger.