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Ein Papst in Israel


Der Papst ist in Israel, und man kann die Besorgnis verstehen, mit der Yad-Vashem-Direktor Avner Schalev seine Einschätzung dazu gibt. Benedikt XVI. hat viel Kredit verspielt, als er einen Holocaustleugner zurück in den Schoß der Kirche holen wollte und in einer Karfreitagsfürbitte dazu aufrief, für die Bekehrung der Juden zu beten. Und eigentlich gäbe es noch eine Menge mehr zu klären: einige historische, sagen wir, Details.

Die Katholiken haben sich darauf verständigt, immer wieder und immer gerne darauf hinzuweisen, dass es die protestantische Landbevölkerung gewesen ist, die in erster Linie Hitler zur Macht verhalf bei den letzten freien Wahlen 1933. Das ist soweit auch richtig. Dabei wird hin und wieder vergessen zu erwähnen, dass ganze drei Wochen nach den Märzwahlen die katholischen Priester ihre Ablehnung des Nationalsozialismus widerrufen. Gleichzeitig wird das Verbot einer Mitgliedschaft in der NSDAP aufgehoben. Und um das Ausmaß an Opportunismus klarzumachen, das die katholische Kirche treibt, verbietet Erzbischof Conrad Gröber im Juni des gleichen Jahres alle Kritik am Nationalsozialismus. Und als 1938 deutsche Truppen in Österreich einmarschieren, begleiten die Kirchen des Landes die Annektion mit Glockengeläut.

In der Schule haben wir, was den Widerstand anbelangt, viel von Clemens August Graf von Galen, von der Weißen Rose und ihrer christlichen Überzeugung und dem Jungen Bundschuh gehört. Weniger Beachtung finden Mitläufer und Spießgesellen wie Kardinal Adolf Bertram von Breslau, der schon 1933 Widerstand gegen den Boykott jüdischer Geschäfte ablehnte mit dem finalen Hinweis, die jüdisch dominierte Presse habe sich ja auch nicht für Katholikenverfolgungen andernorts interessiert.

Besonders perfide ist die Einvernahme von Edith Stein durch die katholische Kirche. Edith Stein ist die erste aus dem Judentum konvertierte Katholikin, die heiliggesprochen wurde. Stein aber wurde eben nicht wegen ihres katholischen Glaubens zur Märtyrerin, sondern wegen ihrer Abstammung. Und während ihrer Lebzeit hat sich Rom nicht eben viel um das Schicksal seines jetzt so innig geehrten Schäfchens geschert: Als Edith Stein den Papst 1933 bat, mit einer Enzyklika gegen die Judenverfolgung einzuschreiten, machte der Augen, Ohren, Mund zu und beschloss, es sei besser, sich totzustellen. Gott schläft.

Die Kirche aber ist nicht immer die Hasenfußorganisation, bis zum Rand angefüllt mir Mitläufern, wenn es darum geht, herrschenden politischen und juristischen Verhältnissen entgegenzutreten. Direkt nach Kriegsende 1945 beispielsweise machte sie sich als Flüchtlingsorganistation einen Namen. Entlang der sogenannten Rattenlinie verhalfen hohe Vertreter der Kirche Dissidenten wie Eichmann, Barbie und Mengele zur Flucht aus Europa. Eichmann hat sich dafür, nachdem er aufgespürt worden war, während seines Prozesses in Jerusalem ausdrücklich bedankt.

Davon wird in Jersualem vermutlich nicht die Rede sein, und Papst Benedikt wird – wie auch schon vor ihm Johannes Paul II. – nicht die Museumsräume besuchen, in denen die Beteiligung Pius XII‘ am Holocaust thematisiert wird. Er wird seine Gründe haben.

19 Kommentare

  1. 01

    Als wenn es etwas neues und einmaliges gewesen wäre dass die kath. Kirche aus Machtinteressen über Leichen geht…

  2. 02
    Roman

    Habe vor kurzem Geschichtsabitur geschrieben („Kirche im NS-Staat“ war Semesterthema, kam aber in der Prüfung nicht dran) und fühle mich etwas unterinformiert. Bis auf die Galen-Predigten, die Weiße Rose und die Enzyklika „Mit brennender Sorge“, die übrigens fairerweise auch erwähnt hätte werden dürfen, kam von den genannten Aspekten nichts vor. Hast du vielleicht ein paar (seriöse) Quellen?

  3. 03
  4. 04
    Frédéric Valin

    @#715847: Zu welchen Sachverhalten hättest Du gerne Quellen? Adolf Bertram? Oder zur Rattenlinie?

  5. 05
    Roman

    @ mö: Danke.

    Hab gerade die Wikipedia-Artikel zur Rattenlinie und Bertram gelesen und etwas weitergesucht. Gibts ne Art Standardwerk zu dem Thema? Weiß auch nicht immer was ich alles so glauben soll, was ich da lese. Teilweise gleiten Texte eben von Sachlichkeit zu Häme ab.
    Aber eigentlich auch schlimm, dass ich das in einem Leistungskurs in der Schule hatte und anscheinend recht einseitig informiert bin.

  6. 06
    Frédéric Valin

    Die historische Bewertung Bertrams ist, das gebe ich gerne zu, umstritten. Deswegen hab ich mich dazu entschlossen, ihm nicht Kollaborationswillen unterzuschieben.

    Auf die Rattenlinie bin ich aufmerksam geworden über das Arendts „Eichmann in Jerusalem“. „Nazis auf der Flucht“ von Gerald Steinacher kommt einem Standardwerk einigermaßen nahe, glaube ich.

  7. 07
    Roman

    Danke, werd mich mal ein wenig einlesen.

  8. 08

    Ohne den Artikel gelesen zu haben. Der Papst sieht ja sowas von fertig aus. Als Kind hätte ich mich vor ihm gefürchtet.

  9. 09

    JaJaJa.
    Where´s beef ? in deinem Text ? Gibts was Neues?
    Seit 12 Jahren in einer nichtkatholischen Stadt bin ich da schon mehr gewohnt.
    Wo ist das: Der Papst ist wegen der Kondome Schuld an AIDS in Afrika? etc.

    Jetzt habe ich mit dem Unsinn hier und da oben dem lieben Gott schon wieder dei Zeit gestohlen. Gleich Samstag zum beichten.

    http://www.youtube.com/watch?v=65ci_g3HqBE

    PS: Die können in Rom machen was sie wollen, wir bleiben katholisch !!!!

  10. 10

    @Roman: God MC of Kirchenkritik, Karl-Heinz Deschner. Schau dir dieses Video an

    http://video.google.com/videoplay?docid=-8977931298437766521

    Und dann kaufst du dir alle Bände der „Kriminalgeschichte des Christentums“.

  11. 11
    Laurent

    Was die Rolle der katholischen Kirche im Holocaust angeht sollte man vorsichtig sein:
    Erstens ist es immer bedenklich moralische Urteile über vergangene Geschehnisse zu fällen, denn man riskiert immer in Anachronismen zu verfallen.
    Zweitens ist es viel zu pauschal von „der Kirche“ zu sprechen, denn die umfasste in vielen Gegenden ja fast die gesamte Gesellschaft. Sophie Scholl und die Organisatoren der „Rattenlinie“ hatten nicht mehr gemeinsam als dass sie alle getauft waren. Von Katholiken zu erwarten, dass sie moralischer handeln als der Durchschnitt der Gesellschaft ist wohl etwas naiv.
    Vom Papst könnte man das schon eher verlangen und hier ist Kritik ja auch berechtigt. Trotzdem muss man auch hier fairerweise anmerken, dass sein Verhalten ungefähr dem der Regierungen der Allierten entsprach die auch meistens weggeschaut haben.
    Pauschale negative Urteile sind also genau so unangebracht wie die Geschichtsklitterung die von Teilen der katholischen Kirche betrieben wird.

  12. 12
    Frédéric Valin

    @#715914: Der Vatikan ist da vorsichtig für zwei, seit Jahrzehnten schon. So gern ich Gläubige gegen ungerechtfertigte Kritik in Schutz nehme, so sehr sollte man von der Kirche einfordern, sich zu den historischen zu positionieren. Und nicht immer nur den Mund zu halten, wie das @#715906: wohl gerne hätte.

  13. 13
    lilly.

    hatte in meiner abiturprüfung „das verhalten der katholischen kirche im nationalsozialismus [am beispiel der euthanasie]“ als thema und es ist unglaublich mit was für einer selbstverständlichkeit die kath. kirche ihr achsogutes verhalten und die idee des sichnichtszuschuldenkommenlassen propagiert.

    aber hauptsache wir sind papst.

  14. 14
    tom

    @form Moment mal! Einen der Redner in dem Film, den „Bischof von Dresden“, kenne ich doch! Ich könnte mich zwar irren, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ihn vor einigen Jahren in einer Predigt in der Oberlausitz gesehen habe.

    Ich mag den Film gar nicht kommentieren, sondern finde es besser, die Kirche sich selbst kommentieren zu lassen.

    Er sagte es gäbe eine Art religiöse Disziplin der Kirche. „Wer meint er müsse mit einigen Dingen, welche der Papst sagt nicht einverstanden sein, oder sogar glaubt, die Kirche müsse reformiert werden, der muss sich fragen lassen, ob er noch ein Teil dieser Kirche ist.“

    Anlass dieser Bemerkung war eine wenige Tage zuvor veröffentliche, sehr konservative Aussage das Papstes, welche bei der Basis nicht gut ankam.

    Sein Verständnis von Toleranz und Völkerverständigung hat der Bischof ebenfalls erläutert. Er lobte einerseits wortreich das Christentum in Afrika und redete aber andererseits davon, dass Toleranz zwar bedeuten würde, die Sitten afrikanischer Christen zu „akzeptieren“, dies müsste seiner Meinung nach aber nicht heißen, dass man sie auch in Deutschland praktizieren sollte.

    Ich gebe dazu keine Wertung ab. Jeder möge so viel oder wenig zwischen den Zeilen lesen, wie er/sie es für richtig hält.

  15. 15
    Zion

    das ist eigentlich alles ziemlich wurscht.
    irgendwie wird es langweilig, wenn er nun bei jeder gelegenheit immer wieder antisemitismus verurteil und die 6 millionen beim namen nennt.
    wobei es schon frech war von „getoeten“ anstatt von „ermordeten“ zu sprechen.
    dass die woerter „nazis“ oder „deutsche“ nicht in seiner rede vorkamen sehe ich ihm nach. (besonders dann, wenn man bedenkt, wieviele andere europaer da mit gemacht haben.)

    ziemlich wiederlich finde ich dann allerdings seine – naturei karta aehnliche – verklaerung der shoa.
    da sagte er doch tatsaechlich, die shoa sei eine glaubenspruefung gewesen.
    im wortlaut:
    „… Die in diesem ehrwürdigen Denkmal bewahrten Namen werden auf immer einen heiligen Platz unter den zahllosen Nachfahren Abrahams einnehmen. Wie bei ihm wurde ihr Glaube geprüft. Wie Jakob wurden sie in das mühevolle Ringen, die Pläne des Allmächtigen zu erkennen, hineingestellt….“
    die 6 millionen haben dann wohl die pruefung nicht bestanden.
    das finde ich unverschaemt und ekelhaft. als ob sie eine chance gehabt haetten.
    fast kommt da eine „yimach shmo“ ueber meine lippen…..

  16. 16
    huckelbuckel

    Ein Kardinal meinte, Papstaufrufe gegen Judendeportation wären kontraproduktiv gewesen, wie in den Niederlanden.

    Im letzten Spiegel behauptete ein überlebender Jude, 1942 brauchten sie neue Arbeitskräfte weil alle niederländischen Juden vergast worden waren.
    Deshalb wäre er der Vergasung entgangen.

  17. 17

    Zu dem was Du und andere in der Schule über den Widerstand und seine Protagonisten gelernt haben (völlig abgesehen von den von Dir erwähnten dann-doch-konformen Katholen et al.): mindestens eine ausgeklammerte Klientel wäre der kommunistische Widerstand; dass selbiger in meiner und anderer Ostbürger Schulzeit („Für Frieden und Sozialismus seid bereit“) bis zum Erbrechen und auch nicht wirklich verhältnismäßg durchgekaut wurde, steht dabei auf einem anderen Blatt.

  18. 18
    Jan(TM)

    @#716078: Du bist nicht zufällig mit Edith Rosh verwandt?

    @#716090: Die Nazis waren nicht an jüdischen Arbeitskräften interessiert, nur an der Vernichtung der Juden. Siehe Imre Kertesz „Roman eines Schichsalslosen“ ISBN: 349922576X (dachte hier gibts ein WordPress Skript das ISBN in Links umwandelt?!).
    Du meinst aber nicht zufällig diesen Artikel ?

  19. 19
    zion

    @jan(TM):
    nein.