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Foto verboten

Man hat es ja nicht leicht als Gelegenheitsknipser in London. Wenn man nämlich zum Beispiel am Südufer der Themse steht, um vielleicht die Houses of Parliament oder die schöne St. Paul’s Kathedrale mit seiner Knipskiste digital oder auch analog zu verewigen, so kann es durchaus passieren, dass einem dies von einem zufällig herbeigedackelten Bobby verboten wird. Ernsthaft. Allerdings kann das auch an einem Londoner Busbahnhof passieren.

Ich mache gerne Fotos, ganz besonders in London. Immer wenn ich in der Stadt bin, habe eine Kamera dabei. Allerdings habe ich jetzt auch vorsichtshalber immer ein kleines Kärtchen dabei, auf der „meine Rechte“ aufgelistet sind, sollte einer dieser übereifrigen Beamten (die wohl noch nie etwas von Google Streetview gehört haben) auf die Idee kommen, ich würde gerade mit meiner Kamera einen Terroranschlag vorbereiten.

Und immer wenn man denkt, es kann gar nicht schlimmer kommen, dann kommt es natürlich erst recht knüppeldick. Diese vollkommen durchgeknallte New Labour-Regierung hat sich nun etwas neues einfallen lassen, um uns das Leben noch etwas schwerer zu machen: die Digital Economy Bill.

Dieses Gesetz bedeutet, daß das Copyright für Fotos praktisch aufgehoben wird und daß außerdem aus „Gründen des Datenschutzes“ in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr fotografiert werden darf, solange sich Personen in eben jener Öffentlichkeit aufhalten, was normalerweise nur schwer zu vermeiden ist. Letzteres soll allerdings nur für professionelle Fotografen gelten — was’n Glück.

Solange man nicht jedes seiner Fotos mit genauen Metadaten versieht, gelten Fotos in Zukunft als „verwaist“ und dürfen kostenfrei von Verlagshäusern verwendet werden, was wahrscheinlich auf 90% aller im Internet zu sehenden Fotos zutrifft. Hier wird das Urheberrecht nicht nur mit Füßen getreten, nein, man legt auch gleich noch einen dampfenden Haufen darauf.

Ich zitiere mal aus dem wunderbaren Artikel der Website Copyright Action zum Thema:

Copyright in photos is essentially going to cease to exist, since there is no ineradicable way of associating ownership details short of plastering your name right across the image. Photographer’s organisations have pressed hard for mandatory attribution to deter orphans being manufactured. Early in the consultation process the IPO accepted the irresistible logic that it was completely unreasonable to permit orphan use without a balancing requirement to not orphan photos in the first place. However, the IPO recognised with dismay that this would mean „taking on Rupert“ (Murdoch).

Soweit Teil 1 des Gesetzes, welches wohl in knapp 6 Wochen in Kraft treten soll. Aber es kommt noch besser:

Not content with abrogating photographers‘ copyright, Government is also now going some way to ban photography altogether in public places, for data protection. The ICO’s proposed new code for personal information online has „commonsense“ new rules that prohibit photography in public places where anyone who’s in the photograph might be unhappy about being photographed. A photo, taken in public, is now deemed private data, y’see.

Und das in einem Land, welches weltweit die höchste Anzahl an CCTV-Kameras überhaupt hat, ein Land, welches jetzt erst am Flughafen in Heathrow Körperscanner eingeführt hat. Was für die Mächte des Staats erlaubt ist, ist noch lange nicht für jedermann erlaubt.

Klar, die spinnen, die Engländer. Voll einen an der Waffel. Nur befürchte ich, daß dieses Gesetz von den Betonköpfen in Brüssel mit Interesse und möglicherweise sogar Wohlwollen betrachtet wird. Hat man in Ray Bradburys Roman Fahrenheit 451 noch Bücher verbrannt, so wird jetzt vielleicht irgendwann einmal die Fotografie komplett verboten. Insofern wäre es zu begrüßen, wenn nicht nur in England, sondern auch in den Europäischen Ländern dagegen protestiert wird.

Ralf Zeigermann lebt als Art Director, Cartoonist und Autor in London. Sein Blog findet man hier.

19 Kommentare

  1. 01

    Wieder einen weiteren Grund, nicht wieder nach meinem Heimatland zurück zu kehren :-/

  2. 02

    Hier habe ich mal so eine Situation fest halten können:

    http://bit.ly/cqhCiM

    Ein Freund von mir wurde kontrolliert und musste dann die letzten Bilder löschen. Ich war für die Polizisten zu weit weg, als dass sie eine „Verfolgung“ in Betracht zogen.

    War vor der US-Botschaft, ich stand beim 2. Bild im Park davor…

  3. 03
  4. 04
    whitey

    gibt es so eine Karte mit „meinen Rechten“ auch für deutsche Polizeikontrollen?

  5. 05
    Robert

    lol! Glaube nicht, dass sich das durchsetzt. Ist nämlich schwachsinnig!

  6. 06
    Blixten

    Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Gesetz, dass es verhindert, dass Fotos von Leuten gemacht werden, die das nicht wollen in ein paar Jahren als Segen aufgefasst wird:

    Die einzige technische Neuerung, die es dafuer braucht, ist die Møglichkeit, im Netz Personen auf der Basis von Fotos zu finden. Das in Kombination mit unzæhligen, bei Bilderdiensten hochgeladener Bilder inklusive Metadaten (Ort, Uhrzeit, …) und schwups gibt es Bewegungsprofile von jedem, der das Pech hat in der Næhe von touristisch interessanten Orten zu leben.

    Klar, im Moment høhrt sich das noch komisch an, aber es ist ja kein Naturgesetz, dass die Ansicht „wer sich in der Øffentlichkeit bewegt muss damit rechnen abgelichtet zu werden“ vorzuziehen ist gegenueber „wer jemanden identifizierbar fotografiert braucht dessen Erlaubnis“ – gut møglich, dassein solches Gesetz in ein paar Jahren als wegweisend gilt (bezogen auf Altagssituationen natuerlich).

  7. 07
    Götz

    Der Link zur Digital Enonomy Bill ist defekt, doppeltes http:// (es wäre schön, wenn man so einen unwichtigen Kommentar *einfach* dem Autor zukommen lassen könnte, ohne groß suchen zu müssen – unter jedem Heise-Artikel gibt’s einen mailto-Link zum Autor, viel praktischer für Typohinweise).

  8. 08

    Ja, der kaputte Link ist mir auch aufgefallen, aber ich kann’s von hier aus nicht editieren.

  9. 09

    @#747272:

    Das wuerde aber auch praktisch bedeuten dass mit Ausnahme von menschenleeren Orten keiner mehr irgendwo Fotos machen duerfte. Koennte ja immer sein dass jemand im Hintergrund drauf ist der nicht fotografiert werden moechte.

    Ist das wirklich die bessere Loesung? Keine Bilder Deiner Kinder beim spielen in der Oeffentlichkeit mehr? Keine Bilder Deiner Examensfeier mehr? Eine Welt die zumindest in Bildern menschenleer zu sein scheint?

  10. 10
    HCL

    Es gibt natürlich in England auch etliche Menschen, die dagegen protestieren, und da könnte man noch einige Links hinzufügen:
    http://www.digitalwrong.org/
    (This site was created to provide clear, unbiased information about the provisions of the Digital Economy Bill, to help people keep up-to-date with its passage through parliament, and to explain how to campaign against it.)
    http://petitions.number10.gov.uk/dontdisconnectus/
    (eine online petition für britische Staatsbürger“¦)
    http://www.independent.co.uk/opinion/commentators/nicholas-jones-sharing-files-is-an-essential-part-of-the-digital-revolution-1874034.html
    (ein ausführlicher Artikel im Independent)

    und diverse facebook-gruppen und pages:
    http://www.facebook.com/group.php?v=info&gid=267029341951
    http://www.facebook.com/pages/Stop-the-Digital-Economy-Bill/384603910366?v=info
    http://www.facebook.com/pages/Against-the-Digital-Economy-Bill/204797858335?v=info

  11. 11

    Was meint ihr was die sagen, wenn die Touries wegbleiben ?

    ich finde London eine schöne Stadt, aber wenn ich da keine Photos machen darf, tja dann werde ich wohl mein Geld woanders ausgeben…

  12. 12

    Das geplante Gesetz richtet sich ausschließlich gegen professionelle Fotografen, was das Fotografieren in der Öffentlichkeit anbelangt. Touristen und ‚Amateure‘ sollen unbehelligt bleiben, aber gerade Touristen und Amateure bleiben ja schon jetzt nicht mehr unbehelligt. Klar, man will ein Gesetz gegen Paparazzi schaffen, aber irgendwie schießt man wie üblich weit übers Ziel hinaus.

  13. 13
    PS

    möchte auch nochmal auf 04 zurückkommen.
    Sowas hatte ich schonmal gesehen, nur dummerweise nicht gespeichert.
    Daher bitte – wer so eine Karte für DE und insbesondere zu „Polizei und Aufnahmegeräten“ kennt – den Link hier posten.
    Danke

  14. 14

    @#747331:

    Nur fuehrt das wieder zu dem uralten Problem der Abgrenzung was denn nun ein Amateur und was ein Profi ist.

    Die Art der Kamera? Oh, das ist eine SLR, also Profi. Oh, sogar zwei SLRs mit grossen Blitzen wie die Frau in dem Foto oben? Vollprofi!

    Bilder veroeffentlicht? Sie haben ein Fotoblog? Profi, kann sich ja jeder ansehen. Oh, da ist Adsense drauf und sie haben letztes Jahre £3.67 damit verdient? Vollprofi!

    Oder wie soll das gehen?

  15. 15

    Ganz genau, Armin. Das hat man wieder richtig gut hinbekommen; die gleiche Frage habe ich mir auch schon gestellt. Man kann nur hoffen, daß das Gesetz im Parlament *so* nicht durchkommt.

  16. 16
  17. 17
    chrisv

    Irgendwie sehe ich da einen gewissen Bedarf für eine gepatchte Kamera-Firmware, die Bilder nur scheinbar löscht…

    Ansonsten ist das mit den orphaned pictures doch gar keine schlechte Idee, schiebt es doch diversen „Geschäftsmodellen“ a la Marions Kochbuch einen endgültigen Riegel vor. Und für diejenigen, die wirklich vom Verkauf ihrer Fotos leben, ist es durchaus zumutbar, diese auch entsprechend mit Metadaten zu versehen, das lässt sich doch einfach mit einem Skript erledigen und die meisten Fotografen machen das auch jetzt schon. Ein besonders schutzwürdiges Interesse für Leute, die Material unmarkiert und ungeschützt ins Web stellen und später mit Honorarforderungen ankommen, sehe ich jedenfalls nicht.

  18. 18

    @#747454:

    Falsch.

    Auf Marion’s Kochbuchseite steht soweit ich mich erinnern kann dick und fett deren „Copyright“ drauf. Das duerfte ausreichen. Denn wenn Du den verlinkten Artikel liest steht dort:

    „will allow the commercial use of any photograph whose author cannot be identified through a suitably negligent search.“

    Im Gesetzesvorschlag steht uebrigens:

    (8) The requirements of this subsection in respect of any interest in
    copyright are“”

    (a) to carry out a reasonable search to find or, if necessary, to identify and find, the owner of the interest,

    (b) after the search, to publish notice of the proposal to enter the interest in an orphan works register, in a way designed to bring the proposal to the attention of the owner of that interest, and

    (c) to keep a sufficient record of the steps taken under paragraphs (a) and (b) and of the results of those steps.

    Ich halte da die Panikmache 90% aller Bilder im Internet waeren gefaehrdet doch etwas uebertrieben, auf jeden Fall bei Marion’s Kochbuch duerfte da kaum einer mit durchkommen. Die vertreten ihre Rechte ja recht agressiv und wer die Bilder ueber die Google Bildersuche findet duerfte es schwer haben da noch zu behaupten er haette ausreichende Recherche betrieben um den Eigner zu finden.