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Kommt sie noch, die Vorratsdatenspeicherung 2.0?

Den Forderungen nach einer baldigen Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung hat Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger eine Absage erteilt. Vor der Sommerpause, wie das CDU-Innenminister de Maizière gern hätte, soll es kein neues Gesetz geben. Aber wird die „Vorratsdatenspeicherung 2.0“ überhaupt noch kommen?

„Es ist vollkommen utopisch, bis zur Sommerpause eine Neuregelung zu erwarten. So funktioniert seriöse Gesetzgebung nicht“, sagte die FDP-Ministerin im Interview. Schließlich gehe es nicht nur darum, „hier und da einen Halbsatz zu ändern“.

Interessant ist vor allem, dass Leutheusser-Schnarrenberger die Überprüfung der Richtlinie durch die EU abwarten will: „Die Bestandsaufnahme auf EU-Ebene soll bis zum Herbst vorliegen. Es bringt nichts, jetzt übereilt irgendetwas in ein Gesetz zu schreiben, das später auch europarechtlich keinen Bestand hat.“

Kurz vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hatte die neue EU-Justizkommissarin Viviane Reding gemeinsam mit ihrer für Innenpolitik zuständigen Kollegin Cecilia Malmström angekündigt, sie werde die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung „noch in diesem Jahr auf den Prüfstand stellen“. Die als streitbare Verbraucherschützerin bekanntgewordene Luxemburgerin will „untersuchen, inwiefern die Speicherung verschiedenster Datensätze notwendig ist, ob die Speicherzeit für Daten angemessen ist und ob nicht weniger aufdringliche Maßnahmen dem gleichen Ziel dienen könnten“.

Bei der CDU scheint man dem zuvorkommen zu wollen. Innenexperte Wolfgang Bosbach meint, „selbst wenn die EU ihre Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung im Herbst verschärft, wird sie kaum strengere Vorgaben machen als das Bundesverfassungsgericht.“

Damit könnte er sich allerdings täuschen. Denn in den Mitgliedsstaaten mehren sich in der letzten Zeit die Anzeichen für eine Opposition gegen die Vorratsdatenspeicherung. Vor allem die „trotzigen Schweden“ haben mit ihrer Weigerung, die EU-Direktive umzusetzen, Aufsehen erregt. Aber auch in Österreich tut sich etwas.

Zwar hat die dortige Große Koalition auf den letzten Drücker einen Entwurf für die Umsetzung der Vorgaben aus Brüssel vorgelegt, um einer Strafe zu entgehen. Zugleich hat aber die zuständige Infrastrukturministerin Doris Bures im Namen Österreichs eine mündliche Verhandlung beim EuGH beantragt. Immerhin habe die EU mit dem Vertrag von Lissabon auch eine Grundrechte-Charta erhalten. Ob die Vorratsdatenspeicherung mit dieser vereinbar ist, soll der EuGH prüfen.

Der größte Schlag gegen die Vorratsdatenspeicherung kam aber wohl aus Rumänien. Dort hat das Verfassungsgericht die nationale Umsetzung der EU-Richtlinie bereits im Oktober 2009 gekippt, weil damit die vorgesehenen Ausnahmen vom Fernmeldegeheimnis „zur Regel“ gemacht würden. Eine Datenspeicherung dürfe nur auf eine richterliche Anordnung hin und unter staatsanwaltlicher Aufsicht erfolgen.

Angesichts des explizit geäußerten Evaluationswillens der EU-Kommissarinnen Reding und Malmström, des Widerstandes aus Schweden und Österreich und der Urteile aus Deutschland und Rumänien scheint die Vorratsdatenspeicherung als Ganze auf der Kippe zu stehen. Bei einer Neufassung des Gesetzes hätte zudem infolge des Vertrages von Lissabon nun auch das Europäische Parlament ein Mitspracherecht. Die dortigen Abgeordneten haben zuletzt bei der Abstimmung über das SWIFT-Abkommen gezeigt, dass sie für Argumente von Datenschützern durchaus empfänglich sind. Die Vorratsdatenspeicherung als verdachtsunabhängige Telekommunikationsüberwachung könnte scheitern.

Darf man da nicht denken, dass es vor allem diese Angst ist, die den CDU-Politikern im Nacken sitzt, wenn sie eine schnelle Einführung der „Vorratsdatenspeicherung 2.0“ fordern? Dass es allein die durch den Wegfall der Überwachung entstandene Sicherheitslücke ist, die sie antreibt, mag man ihnen nicht recht abnehmen.

6 Kommentare

  1. 01

    Argh, „2.0“. Könnte man sich ggf. darauf verständigen, von derlei Unsinnsvokabular zukünftig abzusehen? „Hat was mit Indernett zu tun, also nennen wir’s zweinull“, bitte nicht!

    Ich meinerseits bin recht erfreut über die Entwicklung. Ohne etwas, das wir bekämpfen könnten, würden wir Piraten ja am Ende noch überflüssig. ;-)

  2. 02

    2.0 ist doch nur noch ein Kürzel für „die Neuauflage von“.

  3. 03
    peter H aus B

    2.0 ist inflationär gebraucht und daher zu vermeiden..

  4. 04

    Hat das „2.0“ die Politik verwendet? Falls ja, dann auf jeden Fall um dieses „Internet“ in Misskredit zu bringen.

  5. 05

    So langsam glaube ich daran, dass die Politik bewusst daran arbeitet, uns gezielt in die Irre zu führen. Kein Wunder wenn man nur bestimmte Presseorgane liest.
    (Unter Vorbehalt)
    http://vorratsdatenspeicherung.de

    Ja,
    muss mich erst mal in die Thematik einlesen, bevor die Erkenntnis reift,
    worum es sich im einzelnen u. besonderen handelt.

    Das Programm der http://re-publica.de/10 lässt zumindest einiges erahnen.