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Goethes Deutschland, Wilders Traum

„Ein Deutschland voller Moscheen, voller verschleierter Frauen ist nicht mehr das Deutschland Goethes, Schillers, Heines, Bachs und Mendelsohns!“

Das sagte kürzlich Geert Wilders in Berlin. Hat er Recht? Dazu muss man sich das Deutschland all jener herbeizitierten Geister genauer ansehen.

Die Zeit, die Wilders glorifiziert, ist weit gefasst: Johann Sebastian Bach wurde 1685 geboren, Heinrich Heine starb 1856; in diesen fast zweihundert Jahren konstituiert sich jenes Deutschland, das Wilders meint.

Dieses Deutschland ist am Anfang zerrissen und zerstückelt: die Katastrophe des 30jährigen Krieges hat die Bevölkerung um drei Viertel dezimiert, die Landkarte ist ein Flickenteppich kleiner und kleinster Staaten, an jeder Weggabelung muss man einen Zoll entrichten. Deutschland hat seine Vormachtsstellung eingebüßt, militärisch, politisch und kulturell: an den hunderten von Höfen wird Französisch gesprochen, wo immer auch nur ein bisschen Geld übrig ist, versucht man, sein Schloss nach dem Vorbild von Versailles zu bauen, es gelten die Sitten und Gebräuche des Pariser Hochadels.

Diese Staaten werden beherrscht vom Adel. Anders als in Frankreich finden bürgerliche Existenzen keine Möglichkeit, sich in die Politik zu begeben: die Verwaltung ist fest in der Hand der höchsten Schicht. Weil Deutschland wirtschaftlich brach liegt in jener Zeit, bleibt dem Bürgertum auch der Königsweg nach oben verschlossen, der Weg des Geldes: sie erwirtschaften nicht genug, um sich für die Höfe unentbehrlich zu machen.

Trotzdem entsteht ein bürgerlicher Stolz, ein bürgerliches Selbstverständnis. Es entsteht in den Künsten – alle Deutschen, die Wilders zitiert, sind Künstler – es entsteht in der Kultur. Bürgersöhne beginnen, die literarische, philosophische und musikalische Landschaft neu aufzurollen: der Sturm und Drang bringt einige entscheidende Werke hervor. 1774 legt Goethe seinen Werther vor, sieben Jahre später erscheinen Schillers Räuber und Kants Kritik der reinen Vernunft, währenddessen schreibt Herder seine Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit zusammen.

Eine Frage stellt sich den bürgerlichen, intellektuellen Eliten: Was ist eigentlich unsere Eigenart? Das ist im Grunde eine Frage, die sich eine fortwährend in ihrem Selbstverständnis erschütterte Nation wie Deutschland immer stellt, auch heute wieder. Damals fand sie eine Antwort, und diese Antwort entstand in Abgrenzung zum französischen Selbstverständnis.

Denn da der Hof französisch war und dem aufstrebenden Bürgertum partout (!) keinen Platz an der Sonne gönnte, ja vielmehr mit Verachtung und Dünkel auf die Nicht-Blaublütigen niederblickte, musste diese kulturelle Orientierung deutsch sein. Ungekünstelt, bieder, empfindungsreich und aufrichtig: das waren die Ideale der deutschen Avantgarde, im Gegensatz zum französisch-höfischen Ideal des sich kontrollierenden, ‚höflichen‘ Causeurs.

Dementsprechend grassiert in jener Zeit die Ablehnung des Franzosentums: Es ist bekannt, dass Nationalstaaten durch künstliche Abgrenzungen erschaffen werden. In Deutschland wird die soziale Enttäuschung des Mittelstandes zur nationalen Antithese. Dieses Deutschland spricht Wilders auch heute noch an, wenn er beklagt:

Eines der Dinge, die zu sagen uns nicht mehr erlaubt wird, ist, dass unsere Kultur bestimmten anderen Kulturen überlegen ist.

Das Gefühl der eigenen Überlegenheit, aber auch die Ablehnung (bis hin zum Hass auf) alles Fremden ist also notwendige Vorbedingung jenes Deutschlands, das Geert Wilders meint, und das natürlich noch existiert.

Aber nur in den Köpfen. Diese Kultur ist heute nationales Erbe und hat genau deswegen jede revolutionäre Geste, jede Vision und jede Subversivität eingebüßt. Wer heute von Nation spricht, der spricht nur noch von der Erhaltung des Bestehenden. Norbert Elias fasst das so zusammen:

Die Nation aber, als Ideal, lenkt den Blick auf das Bestehende, auf das, was ist. (Die Nationen erscheinen) – gefühlsmäßig und ideologisch – als ewig, als in ihren Charakterzügen unveränderlich. Sie sind ihrem ‚Wesen‘ nach immer das gleiche, ob man vom 10. oder vom 20. Jahrhundert spricht.

Dass es sich bei diesem Denkansatz um einen ideologisch verhärteten Fehlschluss handelt, habe ich versucht darzustellen. Es ist der gleiche Fehler, den die CDU begangen hat, als sie die Leitkultur-Debatte einfädelte, und deren Argumentation Wilders nochmal pointiert zusammenfasst.

Denn tatsächlich entstanden die Werke von Goethe, Schiller und Heine aus einem Geist des Widerstandes gegen die herrschende Ordnung, während sie heute herbeizitiert werden, um das Bestehende zu bewahren.

Ungefähr alle Fakten und Schlüsse dieses Artikels stehen ausführlich und mit Zitaten unterlegt in Norbert Elias‘ „Über den Prozess der Zivilisation„, ein Buch, das erstaunlicherweise bereits 1939 erschien und rund zehn Euro billiger ist als Sarrazins Abrissbirne in Buchform.

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Norbert Elias: Über den Prozess der Zivilisation

94 Kommentare

  1. 01
    felix

    Alleine schon Heine in diesem Zusammenhang zu verwenden, ist eine Frechheit, trat dieser doch schon im vorletzten Jahrhundert für Völkerverständigung ein.
    Noch dazu lehnte er die deutsche Nationalistische Bewegung von grundheraus ab. Er war der Meinung, daraus könne nichts gutes entstehen.

  2. 02
    Besucher2778

    Naja ich weiss nicht. Schiller sprach sich offen gegen die französche Revolution aus, Goethe war Geheimrat und treuer Staatsdiener. Die beiden wären meiner Meinung nach bestimmt nicht gerade Gegner des heutigen Establishments.
    Heine, der sich zwar auch in auführerischen Zeiten nicht für seine Staatsrente zu fein war, schlägt da schon ein ganz anderes durchaus legitimeres „Revoluzzer“ Kaliber an, seine Dienste um das Feuilleton mal beiseite gestellt.

  3. 03
    Torsten

    „Weil Deutschland wirtschaftlich brach liegt in jener Zeit, bleibt dem Bürgertum auch der Königsweg nach oben verschlossen, der Weg des Geldes: sie erwirtschaften nicht genug, um sich für die Höfe unentbehrlich zu machen.“

    Hier wurden etwas Ursache und Wirkung vertauscht. Die Bürger konnten nicht wirklich reich werden, da quasi jede wirtschaftliche Betätigung genehmigungspflichtig war. Selbst wenn jemand als Bauer / Handwerker / Kaufmann in seinem Gewerbe ein gewisses Vermögen aufgebaut hatte, konnte er das Geld nicht wirklich investieren. Eine Fabrik oder meinetwegen eine Manufaktur aufzubauen war nicht zuletzt wegen des rigiden Zunftwesens nicht möglich.

    Dazu kam ein enormer Geldmangel: die größte Teil der Wirtschaft basierte auf Tauschhändeln. Selbst wenn man jemandem 1000 Goldstücke gegeben hätte – was hätte er damit machen sollen? Sicher: er hätte nie mehr Hungern müssen, aber das war es auch schon.

  4. 04
    Frédéric Valin

    @#772709: Die Frage, ob Goethe und Schiller Gegner des heutigen Establishments wären, ist unerheblich: ihr Werk, insbesondere das Frühwerk, atmet aber den Geist der Auflehnung (nicht der Revolution!). Programmatisch dazu Goethe im Werther, 24. Dezember 1771:
    „Was mich am meisten neckt, sind die fatalen bürgerlichen Verhältnisse. Zwar weiß ich so gut als einer, wie nötig der Unterschied der Stände ist, wieviel Vorteile er mir selbst verschafft, nur soll er mir nicht eben gerade im Wege stehen.“

    Karl Moor, Prometheus, die Liste derjenigen Figuren, die nach diesem Diktum konstruiert sind, ist lang. Und gleichzeitig führt diese Zeit das bürgerliche Trauerspiel ein, um zu zeigen, dass es jenseits der Fallhöhe Adliger Tragik gibt.

    Dass Goethe Geheimrat wurde, ist übrigens die Ausnahme für eine bürgerliche Biographie jener Zeit, in etwa so repräsentativ wie die Tatsache, dass Lenz wahnsinnig wurde.

  5. 05
    nikö

    @Besucher2778: seh ich auch so.

    mein erster gedanke war: niemand, der dereinst im orient war, kam zurück, ohne von der architektur und pracht der gotteshäuser zu schwärmen…

  6. 06
    Anke

    Das Erschreckende ist ja, dass viele Anhänger Wilders tatsächlich Goethe, Schiller und Heine zitieren können. „Auflehnung“ aus der Mittelschicht? Kopftuchträgerinnen den Zutritt zu Arztpraxen verweigern, Kinder auf Privatschulen schicken, damit sie überhaupt etwas lernen. „Schluss mit lustig“ sagen.

    Schwere Zeiten stehen an. Ach Deutschland. Hat es das jemals wirklich gegeben?

  7. 07
    Besucher2778

    @#772712: Wenn es einem nur um die „Auflehnung“ und das „Dagegensein“ der Personen geht, kann man natürlich so argumentieren. Hab ich so aber leider nicht zuerst verstanden.

  8. 08
    Frédéric Valin

    @#772716: Dabei hab ich ganz doll versucht, die Revoluton außen vor zu lassen! Gut, dass wir das nachträglich geklärt haben.

    Elias sagt übrigens recht deutlich, dass das deutsche Kulturbewusstsein nur im Geistigen entstanden ist, also im Buch, der Musik, und überhaupt nicht politisch wurde (da kann man natürlich fragen, inwiefern das Staunen über die französische Revolution, das ja überall um sich griff, politisch ist). Vielleicht hätte ich dem noch einen Absatz widmen sollen. Jetzt hab ichs nachgetragen.

  9. 09
    Besucher2778

    @#772717: Genau das meinte ich, leider konnte ich das irgendwie nicht so zum Ausdruck bringen was ich eigentlich sagen wollte ;). So wie ich den Artikel jetzt verstehe, ist das schon sehr nachvollziehbar.

  10. 10

    „Eines der Dinge, die zu sagen uns nicht mehr erlaubt wird, ist, dass unsere Kultur bestimmten anderen Kulturen überlegen ist.“

    Die Aussage bringt einen irgendwie in die Zwickmühle. Man möchte ja auf keinen Fall mit Herrn Wilders im xenophoben und rückständigen Boot sitzen.

    Auf der anderen Seite kann man aber feststellen, dass man bestimmte kulturelle (?) Eigenschaften für richtig hält, und andere für grundlegend falsch (die übliche Leier, Aufklärung, Emanzipation und so).

    Was schließt man daraus, mal abgesehen von Wilders? Kann man eine Kultur wirklich (zumindest subjektiv) über andere Kulturen stellen, weil in den anderen mehr (subjektiv) schlechte Eigenschaften herrschen? Und eigentlich ist es nicht nur subjektiv, viele kulturelle (?) Züge halte ich auch objektiv für gültig (=> Menschenrechte).

    Klingt irgendwie nicht gut, speziell in deutschen Ohren. Aber der Gegensatz („alles gleich gut, nur anders“) funktioniert auch nicht, weil eben offensichtlich nicht alles gleich gut ist.

    Wahrscheinlich müsste man erstmal definieren, was mit Kultur gemeint ist…

  11. 11
    Flötuttu

    Und der dumpfe bierrülpsende Stammtisch-Mob wird ihm bestimmt wieder Recht geben. Auch wenn dieser Ghoete auch nur vom Hörensagen kennt…

  12. 12
    Frédéric Valin

    @#772720:
    (Ich werde jetzt nicht zwischen Kultur und Zivilisation unterscheiden, weil das in der expansiven Richtung glaube ich unerheblich ist.)

    Norbert Elias dazu:
    „Aber wenn man prüft, welches eigentlich der allgemeine Funktion des Begriffs „Zivilisation“ ist, und um welcher Gemeinsamkeit willen man alle diese verschiedenen menschlichen Haltungen und Leistungen gerade als ‚zivilisiert‘ bezeichnet, findet man zunächst etwas sehr einfaches: dieser Begriff bringt das Selbstbewusstsein des Abendlandes zum Ausdruck.“

    Und genau diese Überlegenheit im Selbstbewusstsein will Wilders erhalten um jeden Preis. Es geht also nicht vornehmlich um Menschenrechte, sondern um das Selbstverständnis, die eigene Kultur sei reifer und besser, und deswegen habe man den anderen auch etwas zu sagen. Dass die anderen sich das nicht zwingend sagen lassen wollen und auch sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben mit den Zivilisationsbemühungen der westlichen Welt, ist halt der Haken.

  13. 13

    @#772722: das ist halt die Definitionsfrage. Elias versteht „zivilisiert“ als „westlich“, und in dem Sinne ist es auch Ausdruck einer Überheblichkeit wenn man es in einen Gegensatz zu „unzivilisiert“ stellt. Keine Frage. Aber wenn mann es darauf reduziert, macht man es sich zu einfach.

    Es gibt Dinge, bei denen wir sicher darin übereinstimmen, dass sie nicht nur „westlich“ sind, und auch das sie allgemein gut sind. Beispiel: die Gleichstellung von Mann und Frau (nicht, dass das im Westen vollkommen erreicht wäre…).

    Da steht der Westen im Gegensatz zu vielen muslimischen Kulturen, und ich halte das westliche Model für tatsächlich besser. Das geht jetzt nicht um Überlegenheit, sondern um Bewertung, wie ich mein Leben leben will, und wie ich auch will, dass andere um mich herum leben.

    Es muss eine Möglichkeit geben, dass zu formulieren, ohne in der xenophoben Ecke zu stehen. Das Problem ist natürlich, dass jemand wie Wilders sich auf solche Unterschiede beruft, aber in Wirklichkeit dumpfe Ablehnung befeuert.

    Insofern finde ich das Zitat unglücklich. Zum einen stimmt es natürlich nicht; wenn man sich differenziert ausdrückt, kann man das sehr wohl sagen, und das ist ja auch im Politsprech angekommen. Zum anderen ist die Aussage, eine Kultur sei einer anderen „überlegen“ zwar in der Formulierung ekelhaft, aber – im richtigen Sinne! – nicht unbedingt falsch.

  14. 14
    Frédéric Valin

    @#772723: „Zivilisation“ und „Kultur“ sind westliche Begriffe, insofern ist es natürlich aus westlicher Perspektive ein universaler Anspruch, aus einer anderen aber nicht unbedingt.

    Ich stimme Dir insofern zu, dass es Werte gibt, die ich für unverletzbar halte. Es gibt aber andere Konzepte als die nationale Zivilisation und Kultur ins Ausland zu tragen, die eben viel mit Selbstermächtigung zu tun haben und nicht diesen kulturellen Dünkel und dieses Überlegenheitsgefühl mit sich herumtragen, auf das Wilders baut.

  15. 15

    Wie schön, dass Herr Wilders den Guten alten Joe Bach erwähnt hat, aber nicht z.B. Mozart (der ja zeitlich da auch noch prima reingepasst hätte). Okay, Mozart ist im heutigen Österreich verortet, war ja aber z.B. auch eine längere Zeit in Mannheim. Nun, an ihm z.B. würde sich auch schön zeigen lassen, wie damals bereits verschiedenste Elemente anderer Kulturen als neu und interessant übernommen wurden. Nicht umsonst existiert da sein Rondo alla turca. Oder Beispiel Janitscharenmusik – kommt auch aus türkischen Einflüssen. Und da gibt es noch viele andere Beispiele für ähnliche Trends dieser Zeit, Ägypten, Türkei, …

    Naja, das nur mal von einer anderen Seite.

  16. 16

    Vielen Dank für den hervorragenden Beitrag. So sollte man Propaganda begegnen!

  17. 17

    @#772724:

    > “Zivilisation” und “Kultur” sind westliche Begriffe, insofern ist es natürlich aus
    > westlicher Perspektive ein universaler Anspruch, aus einer anderen aber nicht
    > unbedingt.

    Du meinst Chinesen/Muslime/Afrikaner glauben nicht, sie hätten eine Kultur und/oder Zivilisation? Frag mal einen…

    Der Anspruch, die eigene Kultur sei universell richtig, ist auch universell. Siehe zB die Verachtung, mit der westliche „Huren“ ohne Kopftuch von einigen betrachtet werden. Die unterschiedlichen Völker schenken sich da IMHO wenig.

    Abgesehen davon: es geht ja in diesem Kontext erstmal darum, welche Kultur hierher gebracht wird, nicht, welche Kultur irgendwohin exportiert wird. Das man bei kulturellen Exporten per Feuer & Schwert am Ende mehr Schaden als Gutes anrichtet kann man sich wohl sicher sein, aber eigentlich war das hier doch keine Imperialismusdebatte, oder?

  18. 18
    Frédéric Valin

    @#772728: Richtig, das sind verschiedene Debatten. Es warst aber Du, der die Universalitätsfrage gestellt hat, ich zitiere:
    „Auf der anderen Seite kann man aber feststellen, dass man bestimmte kulturelle (?) Eigenschaften für richtig hält, und andere für grundlegend falsch (die übliche Leier, Aufklärung, Emanzipation und so). (…) Und eigentlich ist es nicht nur subjektiv, viele kulturelle (?) Züge halte ich auch objektiv für gültig (=> Menschenrechte).“

    Andererseits ist das natürlich im Sinne Wilders, die Debatten zu vermengen, denn schließlich lehtn er den Islam als solches ab, nicht nur in Europa. Von demher sollten wir das umso schärfer trennen.

    Jedenfalls, um es auf einen Punkt zu bringen, dem wir beide zustimmen können: seine Lösungsvorschläge sind vorgestrig, restaurativ und nicht zielführend. Ich gaube, das ist unser Fazit, oder?

  19. 19
    Jan(TM)

    Argumente und Fakten sind doch Leuten wie W. völlig egal. Für den ist doch nur wichtig, das ihr seinen Namen richtig geschrieben habt. Gratulation!

  20. 20
    Jürgen

    Goethe legte mit seinem „West-östlichen Divan“ ein Werk vor, das eigens die Kulturen von Orient und Okzident überbrückt und ineinanderführt. Von einer Ablehnung der islamischen Kultur kann keine Rede sein, wenn Goethe einen ganzen Gedichtband verfasst, in dem er seine Bewunderung für diese Kultur zum Ausdruck bringt.

  21. 21
    ste

    Kultur ist ungeheuerlich dynamisch und offen, d.h. somit: Kultur braucht andere Kulturen um Kultur zu sein.

    guten abend.

  22. 22

    Sehr schöner Text, danke dafür. Überdies führt sich die Wilderssche AUssage schon selbst ad absurdum: „Ein Deutschland voller Moscheen, voller verschleierter Frauen (..)“ – als sehe man gar nichts anderes mehr. Welches Land hat dieser Herr bereist?

  23. 23
    Batumi

    Er hätte nicht mit Goethe und co. kommen sollen, die Zeit hatte ihre eigenen Probleme.

    Ein Deutschland, wo der autoritäre, paternalistische Islam vorherrscht, ist nicht mehr das Deutschland der Klaus Wowereits, Oswalt Kolles, Franziska Drohsels oder auch der Frederic Valins.

    Das ist das eigentlich Entscheidende, um das es geht. Und es ist auch der Grund, warum Thilo Sarrazin riesigen Zuspruch erntet.

  24. 24
    Anke

    Testet hier jemand die Salonfähigkeit der Thesen des W.? Auf dass irgendjemand „Ja, er hat Recht“ schreibe? Mal gucken, was die anderen denken?
    Und wo ist der eigene Standpunkt, Herr Valin?

    Mein Eindruck: Die selbsternannte Elite ist längst auf den Sarrazin-Zug aufgesprungen. Nun sucht sie theoretischen Unterbau.

  25. 25

    @#772741: Von islamischer Vorherrschaft kann in Deutschland keine Rede sein.

    Genauso waere ein monokulturelles Deutschland nicht das Deutschland, in dem ich leben wollte.

  26. 26
    Elblette

    Hach, was war das ein schöner Sommer, damals, als wir schwitzend und im Siegesrausch darüber philosophierten, dass es in Deutschland mit der Integration endlich mal einen Schritt voran gegangen sei, von wegen bunter Nationalmannschaft und deutsch-türkischer Fähnchen. Hat nicht lange gehalten. Inzwischen sind die meisten Menschen türkischer Herkunft, die ich kenne, immer noch ganz normale Leute (manche nett, manche doof), während rund herum die Salon-Rassisten Amok laufen. Hat was von Realitätsverschiebung, ich frage mich nur, bei wem?

  27. 27
    Batumi

    @#772744:
    Die Rede ist ja auch von einigen Jahrzehnten in der Zukunft. Ganz sicher wird der Einfluss des Islam wachsen.
    Und da dies eine Religion ist, die ihre Dogmen niemals hinterfragen musste und der die kritische Methode noch völlig fremd ist, wird Deutschland dadurch nicht „multikultureller“, sondern feudaler und vormoderner.

  28. 28

    @#772753: im moment wächst was ganz anderes, die enkel des dritten reichs. da ist mir der islam lieber… aber hey, jedem das seine.

    zumal der verweis auf die verkommenheit der religion islam an sich verbunden mit hinweis auf „christlich-jüdische“ kultur geradezu lächerlich wirkt vor dem hintergrund diverser katholischer und evangelikaler fehltritte der letzten zeit. aber man macht sich halt die welt, wie sie einem gerade in den kram passt.

  29. 29
    Frédéric Valin

    @#772741: Oswalt Kolle ist tot, von demher ist auch das jetzt nicht mehr sein Deutschland, und ich verbitte mir, für diesen Unfug vereinnahmt zu werden. Ich vermute, Franziska Drohsel und Klaus Wowereit werden das ähnlich sehen.

    (Allein schon dieses staatstragende Gerede. Mal sehen, ob die Emphase auch anders funktioniert: „Ein Deutschland, an dem Kartoffeln auf Bäumen wachsen, ist nicht mehr mein Deutschland!“ Interessant, das klingt vernünftig. „Ein Deutschland, in dem die Sonne nachts scheint, ist nicht mehr mein Deutschland! Und Deines auch nicht!“ Bisschen hysterisch zwar, aber das solls wahrscheinlich auch. „Ein Deutschland, in dem Shorts als Kopfbedeckung erlaubt sind, ist nicht mehr mein Deutschland!“ Super, neuen Standardsatz aufgenommen. Klappt jedes Mal, großartig. Vielen Dank, Batumi!)

  30. 30
    flubutjan

    W.: „Eines der Dinge, die zu sagen uns nicht mehr erlaubt wird, ist, dass unsere Kultur bestimmten anderen Kulturen überlegen ist.“

    Ob bei „nationalistischen“ Rechtsextremisten und -liberalen, bei Antisemiten, bei Mobbern, Schlägern, terroristischen Drahtziehern, Vergewaltigern und Serienmördern, bei Pädophilen, geldgeilen Ausbeutern und Statusjunkies, bei sadistisch Orientierten jedweder Couleur also – immer geht es genau darum: Überlegenheit, sprich: Distinktionssucht, Dominanzbedürfnis, Selbstaufwertung.

    Überlegenheitsdünkel: gemeinsamer Grundton der diversen negativen intersubjektiven Haltungen und Handlungen.

    Wann wird Dominanzstreben endlich beforscht? (Es gibt darüber nichts, ich hab’s vor einiger Zeit nachgeprüft.)

    (Dominanz hat ihren Ort: beim Überwinden der Hindernisse von Lebensqualität, im Krieg gegen den Mangel, die Nöte, das Elend. Nicht zwischen Menschen.)

  31. 31
    Batumi

    @#772759:
    Ich dachte du kommunizierst auch gern in Gleichnissen. Na gut, dann eben ohne Namen und etwas abstrakter: Status-Quo-Islam > Nichtislam = Moderne < Vormoderne.

    Darin etwas Negatives zu sehen, setzt natürlich voraus, dass man die Errungenschaften der Moderne, also Säkularität, Emanzipation von religiöser Bevormundung, Freiheit VOM Glauben für alle, aufrichtig schätzt. Und das tust du wie es offensichtlich nicht.

    Du denkst in Kulturreservaten. Die Frau darf nicht heiraten wen sie will ? Der Junge will nicht mehr Moslem sein ? Ach, die müssen jetzt um ihr Leben fürchten ? Naja, andere Kulturen, andere Sitten, nich wahr…

  32. 32
    Frédéric Valin

    @#772766: Ich schätze keine einfachen Feindbilder, ich schätze auch keine unzulässigen Verallgemeinerungen, ich schätze genausowenig, wenn man mich vor die Wahl stellt, entweder einer der Guten zu sein oder aber böse, schlecht und verdorben, und dazwischen gibt es nichts. Wenn Du meine BEiträge aufmerksam liest, wirst Du merken, dass ich nirgendwo ein Wort zum Islam verloren habe, Du wirst vielleicht sogar merken, dass es um den Islam überhaupt nicht geht.

    Ich halte außerdem die Einschätzung, der Nationalstaat sei die Lösung des Dilemmas, wie die meisten Einwanderungskritiker behaupten, für falsch.

    Drittens halte ich jeden, der Kultur bloß erhalten will, statt sich Gedanken darüber zu machen, wie neue entsteht (siehe Wilders), für einen Folkloristen.

    Und ich halte die Fixierung auf den Islam für krankhaft, unbegründet und maßlos überzogen. Das siehst Du anders, ich weiß, ich habe mit Deinesgleichen hier schon sehr häufig diskutiert, es sind auch immer die gleichen Argumente, wir müssen das jetzt hier nicht aufrollen, obwohl Du da so gerne hinwolltest und wahrscheinlich der Versuchung nicht wirst wiederstehen können, das scheint irgendwie eine manische Fixierung zu sein bei Leuten wie Dir. Tu Dir keinen ZWang an, ich tu Dir dann den Gefallen und lösche es, weil es nicht zum Thema passt, was Du nicht einsehen wirst, weil für Dich alles irgendwie mit dem Islam zusammenhängt, und Du kannst dann Zensur schreien und „wird man ja nochmal sagen dürfen“, dann fühlst Du Dich auch mal richtig rebellisch.

    Wollen wir das so machen?

    Nichts zu danken.

  33. 33

    @#772769: ich stimme mit dir in Vielem überein. Eine Fixierung auf den Islam wäre krampfhaft, aber es ist sinnvoll, über den Islam in Europa als ein Thema unter mehreren zu diskutieren.

    Warum? Es gibt ein Problem mit dem Islam in europäischen Ländern. Anekdote: ich habe mal in Rotterdam in einem muslimisch dominierten Stadtteil gewohnt. Das war für mich kein Problem, im Gegenteil, gute Gemüsehändler, Restaurants, etc. Aber meine Mitbewohnerin (weiblich!) hat darunter ziemlich gelitten, sie wurde von den meisten muslimischen Jugendlichen auf der Straße angeguckt, als sei sie Freiwild. Soll heißen, eine Frau konnte sich dort in einigen Vierteln nicht mehr frei bewegen. Das sind reale Probleme, und man muss sie ansprechen.

    Diese ganze „man wird wohl noch mal sagen dürfen“ Geschichte ist übrigens Unsinn. Man darf sagen was man will, man muss nur damit leben, dass einen Andere im Zweifelsfall danach als Vollidioten oder Rassisten ansehen. Niemand hat irgendwem (Sarrazin, Wilders, …) verboten ihre Reden zu schwingen, nur müssen sie halt mit den Konsequenzen ihrer Äußerungen klar kommen.

  34. 34
    Frédéric Valin

    @#772775: Ich glaube nicht, dass der Islam das Problem ist, ich glaube, das Problem ist das Patriarchat. Darüber müsste man mal sprechen, nicht über „Kultur“ und „Abstammung“ und was weiß ich, sondern ökonomische und soziale Bediengungen des Patriarchats und wie entsprechend gegenzusteuern wäre.

    Aber das ist hier nicht das Thema, obwohl mich wirklich wundert, warum man da fortwährend drauf zurückkommt. Fortwährend. Ich sage, Leute wie Wilders wissen nichts von der Kultur, die sie vorgeben zu beschützen, und in den Kommentaren läuft die Diskussion darauf hinaus, dass es Viertel in Rotterdam gibt, in der sich Frauen nicht frei bewegen können. Warum? Ich verstehs nicht.

  35. 35

    @#772776: der Islam ist nicht das Problem, aber die Kultur vieler/einiger? Muslime in Deutschland, in der das Patriarchat fest verankert ist.

    Warum man auf das Thema kommt? Weil Wilders Aussagen und der Zuspruch zu ihnen ohne diesen Kontext nicht verständlich sind. Jede gute Lüge enthält ein Quäntchen Wahrheit. Wenn man dieses Quäntchen Wahrheit nicht (an-)erkennt, wird man die Lüge nicht bekämpfen können. Das ist doch ziemlich offensichtlich?

  36. 36
    Besucher2778

    Ich finde es übrigens angenehm, dass ich keiner anmaßt er wüsste genau, was Wilders mit diesem Ausspruch gemeint habe, da das ja doch eindeutig mehrdeutig zu verstehen ist.
    Oder nicht?

  37. 37
    Frédéric Valin

    @#772777: Warum ist denn das muslimische Patriarchat ein Problem, das christliche aber nicht? Oder das atheistische? Wo ist der Unterschied zwischen christlichem und muslimisc hen Patriarchat, von den Ehrenmorden einmal abgesehen?

    Der Zuspruch für Wilders sagt nichts über die Richtigkeit seiner Thesen aus. Sätze wie „Jede gute Lüge enthält ein Quäntchen Wahrheit. Wenn man dieses Quäntchen Wahrheit nicht (an-)erkennt, wird man die Lüge nicht bekämpfen können. Das ist doch ziemlich offensichtlich?“ erschrecken mich immer, weil derjenige, der sie ausspricht, schon glaubt zu wissen, worin dieses Quentchen Wahrheit liegt, oder mindestens zu liegen hat. Er sucht schon ganz gezielt nach Wahrheit in diesen Äußerung, statt sie schlicht zu prüfen.

    Ich finde den Satz jedenfalls Unsinn. Andererseits, vielleicht kannst Dus mir ja erklären: Wenn ich auf eine Klopapierrolle zeige und sage: „Jener Truthahn ist sehr wohlschmeckend.“, was ist daran die Wahrheit?

  38. 38

    @#772783: Langsam gewinne ich den Eindruck, dass Du nicht wirklich an einer Diskussion interessiert bist (du versuchst sie ja auch die ganze Zeit umzulenken oder abzuwürgen).

    Patriarchat ist nicht an eine Religion gebunden, sagte ich doch schon. Deshalb spricht ja auch keiner von Problemen mit „dem Islam“, sondern von Problemen mit derjenigen (patriarchalischen) Kultur die einige Muslime mitbringen. Und ja, das es bis zu Ehrenmorden reicht macht einen Unterschied, oder nicht?

    Zu deinem unsinnigen Gegenbeispiel: das ist keine gute Lüge, und sie enthält kein Quäntchen Wahrheit.

    Du verrennst dich in die Ecke vieler Linker, die aus ideologischen Gründen ihren Weg und die Meinung schon vorgezeichnet haben, mit einer angenehm hermetischen Weltanschauung. Das hilft aber nichts, und die Bürger erkennen das auch. Wenn es Probleme gibt, und sie ein bestimmtes Lager wegen ideologischer Scheuklappen nicht anspricht, dann wird es halt nicht mehr gewählt.

    Ja, ich suche ganz gezielt nach dem Quäntchen Wahrheit in der Aussage Wilders. Wenn es eine offensichtliche Lüge wäre, gäbe es das nicht, und sie wäre viel leichter zu bekämpfen. Ist sie aber nicht, das was die Lüge so erfolgreich macht, ist eben jenes Stück Wahrheit. Wilders einfach abzukanzeln wird nicht funktionieren, auch wenn es dir so angenehmer wäre.

  39. 39
    Frédéric Valin

    @#772785: Das ist eben die Frage: Sind Ehrenmorde ein struktureller oder nur ein gradueller Unterschied?

    Ich für meinen Teil will nicht gewählt werden und ich bin auch nicht darauf angewiesen, dass mir möglichst viele Menschen zuhören. Beides Motive, in die Islamdebatte einzusteigen, die mir abgehen. Die Fragestellung „Schadet der Islam Deutschland“ interessiert mich nicht, weil sie für meine Begriffe falsch gestellt ist. Du hast mir darin zugestimmt und hast trotzdem in die Debatte einsteigen wollen. Warum? Welches ist denn das Quentchen Wahrheit bei Wilders?

    Ich lebe in Neukölln, seit sieben Jahren, ich sehe täglich die Probleme einer misslungenen Integrationspolitik. Ich sehe aber auch, dass Sozialarbeiter, Kirchen, Moschen, Leute, die arbeiten, um diese Probleme zu lösen, in ihren Debatten schon viel weiter sind, problemorientierter und personalisierter. Das interessiert mich, nicht diese Kulturkreis-Anspielungen.

    Den Vorwurf, ich würde Wilders abkanzeln, verstehe ich nicht. Ich glaube, in dem Artikel habe ich mich sehr eingehend mit seinem Kulturbegriff auseinandergesetzt und ihn ernst genommen.

  40. 40

    @#772787: Nein, die Frage ist nicht ob Ehrenmorde ein struktureller oder gradueller Unterschied sind. Es geht darum, ob die Kultur, die einige Einwanderer mitbringen, mit der vorherrschenden Kultur in Deutschland kollidiert. Und das tut sie.

    Wenn du Diskussionsbeiträge lieferst, vermute ich, dass du damit Einfluss ausüben willst. Das läuft auf dasselbe heraus wie Wahlen zu gewinnen. Und es geht auch nicht um „Schadet der Islam Deutschland“, die Frage ist „Schadet die Kultur einiger/vieler muslimischer Einwanderer Deutschland“. Deutschland dabei inklusive eben jener Einwanderer gemeint.

    Ich weiß auch, dass man in dieser Debatte eigentlich schon weiter ist. Aber es gibt offensichtlich eine Menge Leute, die noch nicht so weit sind. Denen muss man erklären, welcher Teil der Debatte sinnvoll und hilfreich ist, und welcher nicht.

    Was das Quäntchen Wahrheit bei Wilders ist habe ich doch oben schon geschrieben, oder nicht?

    Du kanzelst Wilders ab, indem du ihm ein bestimmtes Verständnis von Kultur unterstellst und das widerlegst. Das mag richtig sein, ist aber keine befriedigende Antwort auf eben jenes Quäntchen Wahrheit, was Wilders benutzt.

  41. 41
    flubutjan

    @#772787:

    @#772789:

    Könnt Ihr beide Euch nicht mal zu einem romantischen Spaziergang um einen See treffen oder so?

  42. 42

    @#772790: Bitte nicht. Selbst, wenn es hauptsächlich zwischen zwei Leuten passiert, findet hier eine differenzierte Diskussion statt, die ich spannend finde.

  43. 43
    Batumi

    @#772769:
    Du kannst dieses Thema überhaupt nicht diskutieren und den Islam raushalten.
    Das ist, als wenn du über sintflutartige Zustände in Pakistan sprechen möchtest und jeden abwatschst, der dir mit dem Monsunregen kommt. Wo kommt denn das patriarchalische Frauenbild her, über das du dich mit Martin hier unterhälst ?

    Dein Tenor ist: Nationen, Zivilisationen sind eh was Herbeifantasiertes, sie werden immer gegen das andere in Stellung gebracht.
    Und das tut jetzt auch Wilders, um Überlegenheit um ihrer Selbst willen, losgelöst vom eigentlichen Grund, zu beschwören.

    So ist es aber nicht. Rechtsstaat ist tatsächlich besser als religiöses Faustrecht. Freie Menschen die heiraten sind tatsächlich besser dran als solche, die von ihrer Familie verheiratet werden. Gesetzt den Fall natürlich, dass man kein Kulturrelativist ist.

  44. 44
    zionist juice

    ich moechte in keinem der beiden von wilders umrissenen deutschlands leben

  45. 45
    flubutjan

    @#772793:

    OK, dann versuche ich, den etwas hämischen Scherz hiermit zurückzunehmen.

    Mein Eindruck ab ca. Kommentar 37 war nur der, dass hier unter Emo-Dampf und hahnenkampfmäßig wolkiges Statement an wolkiges Statement gereiht wird statt zu allseitigem Gewinn einzelne thematische Aspekte gelassen und präzise (und vielleicht mit einer gewissen Tiefe) zu erörtern. (Und dann hab‘ ich noch verpeilt, dass manche der Streitdialoge mit Batumi statt mit Martin liefen.)

    Abgesehen davon plädiere ich noch einmal dafür, dass man prinzipiell sämtliche Überlegenheitsbestrebungen als das Problem sieht, als Folge eines bestimmten (oben näher von mir beschriebenen) Motivationskerns, der alle möglichen gesellschaftlichen Konstellationen prägt.

    Aus dieser Sicht hat sich der von überlegener Kultur schwadronierende Wilders bereits selbst entlarvt genauso wie es türkische oder arabische oder sämtliche anderen Machos tun, die von der Überlegenheit des männlichen Geschlechts überzeugt sind.

    Um Bill Clintons 92er-Slogan zu paraphrasieren: „It’s the predominance, stupid.“

  46. 46
    heidrun

    @#772794:
    das patriarchat kann man nicht ohne den islam diskutieren?
    interessante welt, in der du lebst. ich lebe in einer, die fast vollständig patriarchal geprägt ist, in der „rape culture“ auch in der wunderbaren welt des westens häufig anzutreffen ist und viel zu wenig diskutiert wird, ich lebe in einem land, in dem frauen immer noch strukturell benachteiligt werden, in dem frauen aus eifersucht umgebracht werden, ohne dass einer „ehrenmord!“ schreit, in einem viertel (neukölln), in dem mir noch nie dinge passiert sind, wie vor ein paar jahren, als mir jemand blondes seinen schwanz ins gesicht gehalten hat und mich in akzentfreiem deutsch fragte, ob ich ihm nicht einen blasen wollte, oder als mir jemand ebenfalls blond und blauäugiges ungefragt an die brüste gefasst oder ein anderer „deutscher“ (wer ist denn hier eigentlich deutscher und wer ausländer? das sind ja auch immer so interessante zuschreibungen, die in frankreich ja gerade auch wieder widerwärtige auswüchse haben…) mich in irgendeinem club mit sexistischen sprüchen vollgelabert hat.
    wüsste mal gerne, wie solche leute mit „unserer“ kultur hier so kollidieren?
    anscheinend nicht so sehr, gibt ja genug idioten da draußen, die das lustig oder „halb so schlimm“ finden. sind die weniger scheisse als muslime, die dasselbe machen?
    zwangsheiraten und andere menschenrechtsverletzungen sind selbstverständlich nichts, was man verharmlosen sollte, aber bevor man davon schwadroniert, sollte man sich mal anschauen, wie groß der anteil der muslime hier ist, die das so vorhaben einzuführen (und wie viel größer der anteil derjenigen ist, die ganz froh sind, nicht unter solchen umständen leben zu müssen), und man sollte sich auch mal überlegen, ob das land goethes so unglaublich wunderbar ist, dass es sich das leisten kann, diese diskussion so von oben herab (und in aller regel ja ohne muslimische beteiligung) zu führen oder ob man nicht vielleicht besser auf einer ebene miteinander redet.

  47. 47

    @#772800: Ich fand’s als Scherz ja gar nicht schlecht. :) Aber gerade wegen der hitzigen Stimmung in der Debatte bin ich gerade ganz froh über sachlichen Austausch.

    Vielleicht hast hast du Recht und es geht immer nur um Dominanz (und natürlich um Geld), wobei ich die Ursache dafür u.a. in Angst begründet sehe.

  48. 48
    Batumi

    @#772806:
    heidrun, relativieren und auf anderes zu zeigen, ändert nichts.
    In der Welt in der du lebst, um deine Wortwahl mal zu übernehmen, ist es schlicht verpönt, über archaische Wertvorstellungen im moslemischen Milieu überhaupt nur zu reden. Den Wilders bekämpfst du damit nicht, im Gegenteil.

  49. 49
    flubutjan

    @#772808: Womit Du D’accord wärst mit einem weiteren Helden des ausgehenden 20. Jahrhunderts (Gorbi), der in den Neunzigern ja plakatieren ließ: „Die Angst muss von der Erde verschwinden.“

    Dein Angst-Hinweis zum Weiterdenken und Noch-tiefer-Ansetzen legt so etwas wie eine Defizit-Hypothese nahe: dominanzsuchende Verfolgung anderer z. B. beruht demnach auf mangelndem Selbstwertgefühl o. ä.

    Einstweilen bin ich aber noch ergriffen von dem ubiquitären Dominanz-Oberflächenphänomen, von allgegenwärtigem eben gerade überhöhten Selbstwerterleben: Die Dominanz, so scheint es, ist unser liebstes Kind. Jeder will überlegen sein, jeder nimmt jede Gelegenheit zum sich Überlegenfühlen wahr. Ein älterer Berliner sagte mir dementsprechend mal: „Es geht immer nur darum, wer die Nase vorn hat.“

    Auch unsere Kultur ist voll davon und drückt das z. B. über aggressive Wettkampfsportarten, konkurrenzsatte und Schwaches abwertende Superstarsuchen und über im „oberen“ Spektrum immer noch dickere Autos und Einkünfte aus.

    Sie, die Dominanzsuche, scheint sich als eine Art unterschwelliger Herrscherin zu gerieren.

    Dass ich das Dominanzstreben, was die negativen Handlungen unter Menschen angeht, für besonders verantwortlich halte, habe ich hier heute schon geäußert. Ich meinte, dass es da in der Regel um so etwas wie überlegenheitsbasierte Machträusche geht. Du fügst quasi hinzu: Machträusche aus Kompensationsgründen.

    Wenn Du aber schreibst „Es geht immer nur um Dominanz“ klingt das fast wie das pessimistische Postulat einer anthropologischen Konstante. Genau das ist meiner Ansicht nach aber nicht richtig: Es muss, kann, darf nicht immer nur um Dominanz gehen; z. B. gibt es ja auch Kooperation usw.

    PS: Die aggressivste Wettkampfsportart, die ich kenne, ist übrigens Schach.

  50. 50
    Martin

    @#772816: Kann man das nicht evtl. damit begründen, dass Macht und Dominanz gute Vorrausetzungen sind, um das eigene Erbmaterial zu vertreuen bzw den eigenen Artbestand zu erhalten? Und im Steinzeitalter vermutlich notwendig war um die eigene Sippe zu erhalten?

    Kurze zusammenhangslose Gedanken noch zum Thema: Es gibt doch letzlich immer einen öffentlichen Diskurs über Werte und Normen in jeder Form von Gesellschaft und Gemeinschaft. Was jemand so in seinen Privaträumen veranstaltet muss jeder für sich selbst wissen und verantworten. Ich finde das z.B. in Fussballstadien interessant. Die wurden früher vermutlich auch eher als Privatraum empfunden, in denen man mal den Rassisten raushängen lassen kann. Mittlerweile ist durch das ernorme mediale Interesse ein öffentlicher Raum, in dem das nicht mehr geduldet werden kann. Ich unterstelle jetzt mal den Verantwortlichen, dass diese Kampagnen „Mein freund ist Ausländer“ nicht unbedingt reine Menschenliebe war, sondern eine Reaktion war auf den öffentlichen Druck. Aber gut, das sind alles Mutmaßungen. puhh… auf was will ich eigentlich hinaus.
    Ich denke, dass es einen Diskurs über Werte geben muss, der von allen Beteiligten ausgehandelt wird und der dann auch in alle öffentlichen Räume hineinwirken sollte.
    Dass es natürlich Deutsche und Ausländer gibt, die sich dagegen entscheiden in ihrem privaten Verhalten, wird man nie verhindern können. Wir müssen darüber viel diskutieren und endlich mal ins Gespräch kommen. Ich finde z.B. die Ansage von einem türkischen Minister, der neulich seine Landsleute in Deutschland aufforderte Bildung als hohes Gut zu erachten sehr ok. (ich will jetzt keine Ressentiments schüren, ich betrachte die Ablehnung von Bildung als soziales Problem, kein migrationsspezifisches Problem).
    Ich hätte gerne einen Diskurs darüber, wie wir hier an diesem Ort leben wollen, der in die Schulen geht, in die Moscheen und in deutsche Stammtischkneipen. Wir sind uns ja letzlich doch alle sehr, sehr ähnlich.

  51. 51
    heidrun

    @#772812: achso, meine eigenen erfahrungen zählen nicht, nur die von anderen frauen, die sich durch irgendwelche viertel in rotterdam nicht mehr trauen. und natürlich die heerscharen von zwangsverheirateten, die du aber leider alle gar nicht kennst, über die zu reden aber natürlich leichter von der hand geht.
    und JA! ich finde, man MUSS das relativieren, um es vernünftig diskutieren zu können. NATÜRLICH gibt es archaische wertvorstellungen in muslimischen milieus, da brauchst du mir gar nicht mit dem ollen „das wird man wohl noch sagen dürfen“-scheiss zu kommen. ich habe bereits mit einigen muslimen und auch christen das zweifelhafte vergnügen gehabt, über homosexualität diskutieren zu dürfen, ich habe auch mit einigen atheisten das ebenso zweifelhafte vergnügen gehabt, über die angebliche biologische minderwertigkeit der frau zu „diskutieren“.
    „archaische“, man könnte auch einfach sagen radikal patriarchale wertvorstellungen gibt es überall (und wer hats erfunden?). (mit „archaisch“ wäre ich in diesem zusammenhang übrigens vorsichtig, denn die patriarchale sichtweise auf „steinzeit-gesellschaften“ ist überaus unfundiert und einer männlich dominierten geschichtsschreibung zuzuweisen (lapidar gesagt: die grundannahme der forschung war: jeder gefundene faustkeil konnte ja nur von einem mann hergestellt worden sein, warum auch immer). gesellschaften, von denen man heute sagt, sie lebten unter „steinzeit“-bedingungen, also dem, was man gemeinhin als „archaisch“ zusammenfasst, sind durchaus gerne matriarchal oder gleichberechtigt organisiert.)

    und das führt m.e. zu der wichtigen erkenntnis, die auch fred oben ansprach, dass es hier eben NICHT um religion geht, sondern um machtgefüge, die durch bestimmte interpretationen des koran untermauert werden, und historische gegebenheiten, die dies erleichtern.
    mit der bibel und der thora ist schon viel ähnlicher unsinn getrieben worden, und dass die großen religionen allesamt das töten anderer verbieten, wurde und wird nicht nur von vielen muslimen ignoriert.
    die grundannahme, die offenbar zu viele menschen und evtl. auch du haben, ist falsch, nämlich die, dass jeder muslim (in europa und auch sonstwo) die sharia auf der ganzen welt einführen will (also auch die ungefähr 2 prozent der sharia-gesetzgebung, über dass sich alle aufregen, nicht die 98 %, die ganz normales zusammenleben regeln.)
    aber ich möchte an dieser stelle da gar nicht weiter diskutieren, das ist alles nicht neu, und diese diskussionen laufen immer nach dem gleichen schwarzweiss-schema ab. wer relativiert, ist der feind.
    ich habe einen amerikanischen onkel, der ist tea party-fan, mit dem wärst du dir da möglicherweise einig, und mit dem hab ich das jetzt auch schon durch alles. das einzig interessante an dieser diskussion ist der eklatante mangel an vernünftigen quellen bei all diesen apokalyptikern.

  52. 52
    Batumi

    @#772820:
    Und was willst du mir jetzt eigentlich sagen ? Es geht hier darum dass Wilders meinte, bestimmte Kulturen seien anderen überlegen. Ich halte dies für eine völlig legitime Aussage.

    Frederic unterstellt nun, es ginge dabei nur um Überlegenheit an sich. Ich sage wiederum, damit ist gemeint, dass Rechtsstaat und freies Individuum besser sind als Fehderecht und kollektivistische Bevormundung. Simple as that.

  53. 53
    ste

    angst is not a weltanschauung.

    gute nacht

  54. 54
    heike

    Tja, hat eben keiner Angst mehr vorm Kommunismus. Jetzt ist es der Islam. Was Flugzeuge so alles anrichten können. Ich habe mir neulich ein Sozialticket gekauft und wurde von der Verkäuferin der BVG unglaublich scheel und fies von der Seite angemacht, weil ich ein 33 euro teures ticket mit einem fünfzig-euro-schein bezahlen wollte und dann auch habe – ob ich es denn nicht kleiner habe. Abgezählt, in Münzen, am besten wahrscheinlich. Ich sah vermutlich noch nicht genug heruntergekommen aus, wie ich es eigentlich sein müsste, in den Augen dieser Frau. Ich habe Angst vor Armut, aber doch nicht vor dem Islam. Selbst die strukturellen patriarchalischen fortwährenden Hindernisse sind überwindbar geworden.

    Jetzt wurde in Berlin schon wieder ein tolles Kino, das Blow Up, geschlossen und irgendwo habe ich neulich gelesen, die Leute kaufen doch lieber Gartengeräte als Bücher. Deutsche Kultur? Unbezahlbar …

    Und wenn man zu den bürgerlichen Eliten auch Kristina Schröder zählen möchte, dann wird mir ganz ganz flau im Magen. Das ist mir zuviel an populistischer Karrieregeilheit. Merkwürdige unreflektierte Deutschtümelei, mit einem Hang zum Devoten, was sich mir in ihrer Widersprüchlichkeit nicht so recht erschließen will.

    War ja auf Spreeblick auch schon Thema: http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/fdp-will-reichen-elterngeld-streichen/

  55. 55
    zionist juice

    @#772828:
    „Tja, hat eben keiner Angst mehr vorm Kommunismus. Jetzt ist es der Islam. Was Flugzeuge so alles anrichten können.“

    ja, aeh, das ist das allerbeste was ich seit langem gelesen habe, die flugzeuge sind schuld.
    so eine moralische vorkommenheit muss man (oder frau) erst einmal erreichen. kauf dir besser gartengeraete. buecher helfen eh nicht mehr!

    es tut mir einfach immer wieder weh, wie sich hier (insb autoren) immer wieder ueber leute aufregen, die sicher ueber den islam negative aeussern.
    und wie umgekehr leute hier ueber islam reden (ob positiv oder negativ, die einfach keine ahnung haben).

    ihr glaubt doch tatsaechlich, dass 911 so etwas wie ein anfang (anstatt einem symptom einer seit jahrhunderten andauernden entwicklung) war.

    ihr tut so, als ob terrorismus undoder fundamentalistischer islam nichts mit dem islam an sich zu tun hat. kann man sagen.
    ist aber irgendwie naiv.
    natuerlich hat es das und ganz normale moslems (von denen in den letzen 30 jahren von den fundis so zwischen 2-5 millionen abgeschlachtet wurden) leiden als erste darunter.

    was denkst du, wenn was diese frau zu euch sagt, wenn ihr ihr damit kommt: http://legalplanet.files.wordpress.com/2010/08/what-happens-leave-afghanistan.jpg?w=400&h=529
    „dass dein mann und dein schwager dir, weil du die scharia ihrer auslegung gebrochen hat die nase und die ohren abgeschnitten haben hat nichts mit dem islam zu tun?“
    was fuer eine verhoehnung.

    klar, und dass der papst gegen abtreibung ist, hat auch nichts mit dem katholozismus zu tun. und zwischen christentum und antisemitismus gibt es ja auch gar keine verbindung.
    und deutscher voelkischer nationalismus hat auch gar nichts mit rassismus und nationalsozialismus zu tun, alles eine falsche auslegung.

    toll!
    willkommen in der wenn-mein-nachbar-scheisse-baut-dann-hatte-er-nur-einen-moment-indem-er-die-dogmen-die-sein-leben-gestalten-sollen-falsch-verstanden!!

  56. 56
    Frédéric Valin

    @#772794: Ein Rechtsstaat ist nicht gebunden an die Form des Nationalstaates. Niemand, vor allem nicht ich, bezweifelt, dass der Rechtsstaat, wie wir ihn heute pflegen, die bessere Alternative ist. Bestandteil dieses Rechtsstaates ist die freie Religionsausübung und die Unmöglichkeit einer Doppelbestrafung (Strafe plus Ausweisung bei straffällig gewordenen Ausländern). Man wird den Rechtsstaat nicht dadurch verteidigen, indem man ihn abschafft. Aber allein schon die (historisch falsche) Behauptung, ein Rechtsstaat sei ohne Nationalstaat nicht möglich, zeigt, wie ausgrenzend das nationalstaatliche Denken funktioniert.

    Andererseits sind wir gerade dabei, die Chancen, die eine Einwanderung bedeuten, zu verspielen. Es fehlen hier eine Menge Arbeitskräfte, zum Beispiel im sozialen Bereich, und es ist klar, dass, wenn jetzt die Babyboomer-Generation nach und nach in die Rente entlassen wird, dieser Mangel noch weiter vorhalten wird. Tatsächlich ist es heute schon so, dass türkische Akademiker in Deutschland ausgebildet werden und dann in die Türkei zurückgehen, weil es hier sehr mühsam ist, mit einem falschen Namen den richtigen Job zu bekommen.

    @#772819: Und da kommen wir an ein grundsätzliches Problem: natürlich sind es Werte, die es zu diskutieren gilt, da bin ich völlig Deiner Meinung. Aber „muslimisch“ ist eben kein Wert, es bezeichnet wahlweise eine Herkunft (bei Wilders) oder – viel seltener – ein religiöses Bekenntnis. Der Thrill, den eine Diskussion bekommt, sobald man „muslimisch“ einsetzt, ist jener: man wird nicht mehr über Probleme reden, sondern künstlich den „muslimischen“Teil der Probleme herauslösen und ihn gesondert behandeln. Man wird nicht mehr über das Patriarchat reden, sondern über das muslimische Patriarchat. Man wird nicht mehr über Verfassungsfeindlichkeit in Kirchen reden, sondern nur noch in Moscheen. Andererseits erweitert man aber das Problemfeld, indem man alle Muslime generalverdächtigt, da ja der Islam eine Ideologie ist. Diese Akzentverschiebung ist für einen eher pragmatischen Geist wie mich völlig unverständlich: denn es entsteht der Eindruck, dass, wenn man muslimisch aus Deutschland herausstreicht, ein großer Teil der PRobleme bereits gelöst ist. Zumindest der Teil der Probleme, über die momentan gesprochen wird. Und das ist, ja, bedenklich, denn dann wird herkunftsbezogen argumentiert.

    Deswegen die Frage, ob Ehrenmorde eher ein struktureller oder ein gradueller Unterschied sind: ich denke, sie sind ein gradueller Unterschied. Die grundsätzliche Vorstellung, dass sich die Ehre der Familie im Körper der Tochter manifestiert, dass also der Körper der Tochter sozusagen dem Wohl und der Repräsentation der Familie gehört, ist die gleiche.

  57. 57
    zionist juice

    @#772820:

    das problem bei der scharia ist nicht nur was drinsteht (mal abgesehen davon, dass es da schon alleine bei den sunnis 4 schulen gibt, die sich unterscheiden, von der shi’a ganz zu schweigen)
    das problem auch nicht, dass es sich dabei nicht nur um religioeses recht, also recht, dass die fragen der religioesen praxis regelt handelt.
    das problem bei der scharia ist, dass sie bzw der islam (das kann man nicht so einfach trennen) einen allmachts anspruch hat.
    das heisst jeder muss sich ihr unterwerfen, ob moslem oder nicht.
    das gibt es bei anderen religionen so nicht.
    die halacha gilt nur fuer juden. was nicht-juden tun oder nicht tun is ihre sache (in israel wo relioeses recht im familienrecht gilt fuehrt das dazu, dass alle drei religionen ihre eigene rechtsprechung haben).
    im christentum gibt es seit der demokratisierung europas eigentlich nur noch innerkirchliches verwaltungsrecht (kirchliche riten, die aber den staat nicht interessieren) im islam ist das anders:
    ua in saudi arabien gilt die scharia. das heisst, dass du wenn du in saudi arabien mit deinem freund oder deiner freundin im hotel vorehelichen verkehr haben solltest, du dafuer bestraft wirst. egal ob es dir DEIN glaube verbietet oder nicht.
    das ist das problem (im christentum gab es sowas auch, vor ein paar hundert jahren, fuer ketzer usw).

    ich kann mir allerdings nur schwer vorstellen, dass die mehrzahl der muslime in dland gemaess der scharia leben moechte.

    das problem ist, dass es menschen gibt, die bereit sind andere zu toeten, weil sie einen anderen glauben haben. menschen mit denen sie keinen direkten konflikt haben.
    man nennt das dann auch terrorismus.
    ueber amerikanische militaereinsaetze im iraq kann man sich streiten, sind sie legal oder nicht oder sinvoll usw.
    es gibt aber keinen willen seitens westlicher maechte „jetzt mal ein paar unglaeubige zu toeten, weil sie unglaeubige sind, und man das mit denen machen darf“, die intention ist auf militaerisch strategische ziele gerichtet.
    umgekehrt werden gezielt weiche ziele angegriffen:
    buerotuerme in NY, schulen im kaukasus, hotels in kabul, moscheen (sic!) anderer moslemischer sekten im iraq, zivilisten in autos in israel.
    und das wird dann auch nocht von vielen „gemaessigten“ moslems als fuer gut empfunden (komme jetzt nicht mit machtgefuege oder verzweiflung).
    morde and unschuldigen werden religioes begruendet und niemand der anhaenger der religion wehr sich dagegen, im gegenteil.
    stelle dir mal vor ein pfarrer wuerde nur einen krieg gegen eine andere armee (nicht das vorstaetzliche toeten von zivilisten) unterstuetzen!!!

  58. 58
    flubutjan

    @#772819: Ja, vielleicht kann man das, klingt ganz einleuchtend. Gefällt mir einerseits sogar: Dominanz – der Blinddarm (auch ein Steinzeitüberbleibsel) unseres Sozialverhaltens. Was andererseits kontraproduktiv wäre: Dominanz als eine Art unüberwindbarer „Urinstinkt“.

    Denn wenn man statt in die Vergangenheit in die Zukunft blickt: Das Sich-drüber-stellen ist Volkssport, und eine Dominanzkultur kommt in der Konsequenz irgendwann wieder auf den Herrenmenschen-Untermenschen-Hund und diesen ganzen Nietzsche-Scheiß. Konservative und Neoliberale z. B. fordern unisono bereits ein „Recht auf Ungleichheit“ und damit auf die Möglichkeit, die Menschen in unterschiedliche, voneinander getrennte Typen einzuteilen und sich dabei ganz handfest für „besser“ bzw. „etwas Besseres“ (sprich: auf der überlegenen – und bevorrechteten – Seite) zu halten.

    Zum Glück lassen sich gegen eine Urinstinkt-These als Antidot Schopenhauer und Lévinas ins Felde führen mit ihrer Distanz zur stets durchsetzungsorientierten Selbstbehauptungstendenz.

    Und Lieblingsphilosoph Emmanuel Lévinas sprach auch noch von „einer heiligen Möglichkeit“ des Menschen, nämlich: einander den Vortritt lassen zu können.

    (Versuch mal, Dir zwei Rauhhaardackel dabei vorzustellen, wie sie versuchen, sich gegenseitig den Vortritt zu lassen, und Du bekommst eine Ahnung davon, was spezifisch menschlich bzw. „human“ ist.)

    Korrektur: Der Angst-muss-von-der-Erde-verschwinden-Spruch stammt zwar von Gorbatschow, die damalige Plakataktion betrieben jedoch andere; s.:

    http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:zX1S40FN4J0J:www.agpf.de/idk90-3

  59. 59
    Frédéric Valin

    @#772840: Jede Kirche hat einen Allmachtsanspruch, ohne diesen Anspruch sind Religionen nicht zu haben. Dass dieser Anspruch unter theokratischen Regimes anders ausgelebt werden als in mehr oder weniger säkularen Demokratien, scheint mir offensichtlich. Das Problem einer Bekämpfung des Islams unter Verweis auf Saudiarabien ist doch: Damit bestraft man Straftaten, die noch nicht begangen worden sind. Das ist gegen jeden rechtsstaatlichen Grundsatz, dem man sich hier mit gutem Recht verpflichtet fühlt.

    „es gibt aber keinen willen seitens westlicher maechte “jetzt mal ein paar unglaeubige zu toeten, weil sie unglaeubige sind, und man das mit denen machen darf”, die intention ist auf militaerisch strategische ziele gerichtet.“

    Funktioniert so eine moralische Bewertung von Gewalt? Militärisch-strategische Ziele sind weniger anarschische, geordnetere, sozusagen zivilisiertere Gewalt, als kontingente nichtgläubige Ziele? Und soll mir damit verständlich gemacht werden, dass ich potentielles Opfer bin und damit sofort meine Seite zu wählen habe?

    Du wirfst alle Anschläge, die Dir so einfallen, in einen riesigen Topf und sagst: das ist alles muslimischer Terrorismus. Ich denke, beispielsweise die Anschläge in Moskau (tschetschenische Islamisten) haben strukturell nicht viel gemein mit Geiselnahmen in der Sahara. Mir ist das zu undifferenziert, zu vereinfachend.

  60. 60
    zionist juice

    @#772843:
    „Jede Kirche hat einen Allmachtsanspruch, ohne diesen Anspruch sind Religionen nicht zu haben.“

    nein. nur christentum und islam! nur diese beiden missionarischen religionen haben diesen allmachts anspruch.
    fuer das judentum und fuer juden ist es voellig wursch woran frederic valin glaubt und woran er in der zukunft glaubt. das ist deine sache.
    fuer das christentum bzw fuer den islam ist jeder, der sich ihrem glauben verweigert ein affront.

    „Funktioniert so eine moralische Bewertung von Gewalt? Militärisch-strategische Ziele sind weniger anarschische, geordnetere, sozusagen zivilisiertere Gewalt, als kontingente nichtgläubige Ziele? Und soll mir damit verständlich gemacht werden, dass ich potentielles Opfer bin und damit sofort meine Seite zu wählen habe?“

    ja. es gibt gewalt die sich gegen andere potenzielle gewaltaeter richtet, die nennt man dann auch kombattanten. ein autofahrer in israel ist das nicht, ein angestellter bei sachs and partners im WTC auch nicht.
    ein taliban mit einer kalaschnikov schon.
    gibt dafuer ausreichende regeln, nennt man international humanitiarian law.
    mein beschreibung ist das sozusagen zusammengefasst, in 2 saetzen.

    „Du wirfst alle Anschläge, die Dir so einfallen, in einen riesigen Topf und sagst: das ist alles muslimischer Terrorismus. Ich denke, beispielsweise die Anschläge in Moskau (tschetschenische Islamisten) haben strukturell nicht viel gemein mit Geiselnahmen in der Sahara. Mir ist das zu undifferenziert, zu vereinfachend.“

    nein mache ich nicht. geiselnahmen in der sahara um geld zu erpressen wuerde ich nicht als terrorismus bezeichen. sind einfach ganz normale verbrecher.

  61. 61
    zionist juice

    @#772843:
    ausserdem gehst du nicht auf meinen viel wichtigern punkt ein, sondern versucht ungenauigkeiten in unwichtigkeiten zu finden.
    der viel entscheidendere punkt ist doch der :
    wenn-mein-nachbar-scheisse-baut-dann-hatte-er-nur-einen-moment-indem-er-die-dogmen-die-sein-leben-gestalten-sollen-falsch-verstanden!!

    diese herangehensweise.
    dass immer davon ausgegangen wird, dass hier jemand etwas falsch versteht.
    das kann ja sein. nun gibt es aber auf dieser welt nicht 5 oder 50 oder 500 menschen die im namen des islam so manche boesen dinge tun, sondern mehrere millionen, und dann muss man sich halt fragen, ob man dem thema gerecht wird, wenn man darauf hinweist, dass die da was falsch verstanden haben muessen.

    und dazu kommen dann noch so daemlich hinweise wie: ich bin auch schon mal einem blonden exhibitionisten begegnet (nicht von dir).
    was ist denn das fuer ein argument?

  62. 62
    zionist juice

    @ Frederic
    olivier roy hat ganz gute buecher zu dem thema geschrieben,
    originale sind auf franzoesisch

  63. 63
    Frédéric Valin

    @#772848: Nein, das trifft für meine Begriffe eben nur in Ausnahmefällen zu. Was Du vorab quasi behaupten musst, um diesen Vorwurf ins Land zu bringen, ist ja: dass es in erster Linie die (religiösen) Dogmen sind, die ein Leben gestalten. Unter Vernachlässigung aller ökonomischer, psychologischer, politischer und sonstiger Umstände, die ein Individuum oder eine Gruppe zum Handeln motivieren. Das geh ich nicht mit. Für meine Begriffe sind es nach wie vor ökonomische und machtpolitische Faktoren, über die sich die meisten Konflikte am schlüssigsten erklären lassen.

  64. 64
    Frédéric Valin

    @#772849: Gibts da ein besonders geeignetes Buch zum Einstieg?

  65. 65
    zionist juice

    @#772850:

    „Was Du vorab quasi behaupten musst, um diesen Vorwurf ins Land zu bringen, ist ja: dass es in erster Linie die (religiösen) Dogmen sind, die ein Leben gestalten. Unter Vernachlässigung aller ökonomischer, psychologischer, politischer und sonstiger Umstände, die ein Individuum oder eine Gruppe zum Handeln motivieren.“

    das mag schwer sein fuer dich – als im westen lebender – zu glauben,
    es gibt aber nichts desto trotz viele menschen (insb in der gegend in der der islam zu hause ist) fuer die sich das gesamte leben (und zwar seit jahrhunderten) nach religioesen dogmen richtet.
    und zwar nicht nur das private, sondern insb das oeffentliche leben.

  66. 66
    flubutjan

    @#772850: … über die psychologischen aber auch, insofern, dass die „Psychen“ von der Macht „besessen“ sind.

    Hach, ist das schön, mal ein paar Tage frei zu haben …

  67. 67
    zionist juice

    @#772851:
    mir faellt gerade ein
    Gille Kepel ist noch besser,
    auch ein franzose
    Le Prophète et le Pharaon. Aux sources des mouvements islamistes, Paris, Le Seuil, [1984], revised edition 1993.
    Jihad: The Trail of Political Islam, London, I.B. Tauris, 2004.

    roy – the failure of political islam

    der klassiker bleibt aber nach wie vor:
    sivan – radikal islam

    [Edit: Ich musste ein „k“ für ein „c“ einsetzen… lange Geschichte…, sorry dafür – Johnny]

  68. 68
    heidrun

    äh, zionist juice, der verweis auf den blonden exhibitionisten (ich würde sagen, ein penis 5 cm vor meinen augen ist mehr als exhibitionismus, aber darum muss ich mich jetzt nicht streiten) war eine antwort auf ein vages: „da gibt es viertel (muslimische natürlich), wo sich manche frauen nicht durchtrauen“ weiter oben.
    mit der islam-diskussion hat das nur insofern zu tun, als für meinen geschmack ein wenig zu oft das bild vom „sexuell übergriffigen muslim“ bemüht wird, das dem vom „geldgeilen juden“ strukturell ziemlich ähnlich ist. aber du hast vielleicht insofern recht, als ich mich auf diese niedrige ebene eigentlich nicht hätte einlassen müssen. wenn du das jetzt aber nochmal anders drehst, ist das mehr als billig.

    um saudi-arabien ging’s hier doch gar nicht. ich glaube, kein denkender mensch kann bestreiten, dass dort regelmäßig menschenrechtsverletzungen stattfinden, die vom westen munter mitfinanziert und ansonsten ignoriert werden. es geht hier aber um den islam in europa, der, soweit ich weiss, nicht weitestgehend wahhabitisch geprägt ist?

    wie du es schaffst, das alles komplett auf die religion zu schieben und sämtliche anderen umstände (wer hat nochmal die taliban unterstützt? wem hat saudi-arabien seinen ökonomischen aufstieg und damit eine größere einflusssphäre zu verdanken?) einfach so beiseite zu fegen, ist beeindruckend. daher dann auch deine recht aus der luft gegriffene und überaus schwammige behauptung, millionen von menschen würden im namen des islam „böse dinge“ tun. wäre die welt nicht eine ziemlich andere, wenn die alle ihren allmachtsanspruch erfüllt sehen wollten? sind nicht der großteil der menschen auf diesem schönen planeten mehr wie schafe, die egal wem folgen, solange sie genug zwischen den zähnen und ein dach überm kopf haben?

    die buchtips, die klingen aber in der tat spannend.
    so, und ich arbeite jetzt mal weiter. grüße nach israel.

  69. 69
    zionist juice

    „wie du es schaffst, das alles komplett auf die religion zu schieben und sämtliche anderen umstände (wer hat nochmal die taliban unterstützt? wem hat saudi-arabien seinen ökonomischen aufstieg und damit eine größere einflusssphäre zu verdanken?) einfach so beiseite zu fegen, ist beeindruckend. daher dann auch deine recht aus der luft gegriffene und überaus schwammige behauptung, millionen von menschen würden im namen des islam “böse dinge” tun. wäre die welt nicht eine ziemlich andere, wenn die alle ihren allmachtsanspruch erfüllt sehen wollten? sind nicht der großteil der menschen auf diesem schönen planeten mehr wie schafe, die egal wem folgen, solange sie genug zwischen den zähnen und ein dach überm kopf haben?“

    es gab da mal einen typen. aus einem dorf in der west bank. gebildet, familie relativ wohlhaben und moderat religioes, gute zukunftsaussichten.
    und eines tages faehrt er 20 km und sprengt sich in der traube von menschen vor einem club in tel aviv in die luft.
    die eltern koennen bis heute nicht glauben, dass ihr lieber, wohl behueteter sohn so etwas machen konnten, etwas, von dem soe selbst denken, dass ihr religion das verbietet.
    der sohn aber gehoerte ohne ihre wissen, ab einem bestimmten zeitpunkt zu einer gruppierung ihrer religion, die die dinge etwas anders sieht, die den koran etwas woertlicher auslegt, die andere hadith betont, die moralische dinge dem korangemaess auslebt.
    und diese gruppierung ist -auch wenn du das annimmst – nicht etwas neues. die ist nicht nur westlichen einfluss entstanden. als diese richtung entstanden ist hat man in europa noch nichteinmal gewusst dass es den islam gibt.
    ibn taymiyya lebte vor gut 1000 jahren. radikaler islam geht mehr oder weniger auf ihn zurueck.
    nur ist ibn tamiyya kein extremist, sondern einer der groessten und einflussreichsten islamischen rechtsgelehrten.

    solange du versuchst fundamentalistischen islam anhand von beispielen, die vllt im hinblick auf fundamentalistische (sekulare!!!) bewegungen in europa auf der hand liegen, zu verstehen, kann daraus leider nicht viel werden.

    gerade dein saudi arabien bespiel zeigt doch: oekonomischer wohlstand fuehrt nicht zu gesellschaftlichem fortschritt und de-radikalisierung.

    einmal ist der westen schuld, weil „die dort arm sind“, das andere mal ist der westen schuld, weil die westliche wirtschaft dafuer sorgt, dass die dort reich sind.

    klar hat der westen die taliban unterstuetzt. schande ueber ihn.
    aber darum geht es nicht/
    es geht darum, warum die taliban so sind wie sie sind.
    und sie holen die legitimation ihres handelns eben aus der religion und das klappt bei denen auch!

    das millionen von menschen im islam boese dinge zu tun ist leider nicht aus der luft gegriffen.
    dass die welt nicht anders aussieht, liegt zum einen daran, dass du die welt in pakistan, iran, iraq, syrien, libanon, aber gerade – wieder mal insb – jemen, somalia und sudan nicht siehst.
    und daran, dass diese heiligen krieger auf ihre eigen weise so unerfolgreich sind (nirgend ausser im iran koennen sie sich unabhaengig an der macht halten).
    manche sagen gar, anschlaege im westen sind die verzweiflungstaten erfolgloser islamisten. sie schaffen es nichtmal das regime in syrien zu stuerzen, sprengen sie halt nen bus in london.

  70. 70
    heike

    @#772838: entschuldigung. ich wollte ein wenig provozieren. ich habe diese kausalität zwar implizit mitbehauptet, wenn man den satz so liest, da gebe ich dir recht – es aber in tat nicht so gemeint. mir ging es eher um öffentliche wahrnehmung, die ja nun auch mal nicht unbedeutend ist. diese ganzen unerträglichen debatten finden in deutschland ja derzeit nur statt, weil ein herr sarrazin ein buch geschrieben hat, welches sich außerordentlich gut verkauft. das ist beängstigend.

    fanatische auswüchse des christentums, wo menschen ihr leben unter religiöse dogmen gestellt haben gibt es in europa weniger – in der tat – aber in lateinamerika ist es doch immer noch gang und gebe, dies zu tun. so dankt ein chilenischer minenbauarbeiter gott für die prüfung, die er unter tage hat durchleben müssen, bzw. vorehelicher geschlechtsverkehr – immer in motels – aber niemals bei den eltern zu hause. bizarre auswüchse des christentums sind meiner meinung nach auch evangelikale sekten in den usa zum beispiel.

  71. 71
    zionist juice

    @#772861:
    „diese ganzen unerträglichen debatten finden in deutschland ja derzeit nur statt, weil ein herr sarrazin ein buch geschrieben hat, welches sich außerordentlich gut verkauft. das ist beängstigend.“

    das ist keine unertraegliche debatte, sondern eine der man sich viel zu lange aus falsch verstandener toleranz verschlossen hat.

    die reaktion auf sarazzins buch ist natuerlich laecherlich.
    mag sein dass manches in seinem buch uebertrieben ist und mit dem genetikquatsch haetter er es vllt (insb in dland) sein lassen.
    die reaktion von seinem buch kommt aber realitaetsverweigerung gleich.
    nach meiner meinung zitiert sarazzin hier vor allem die realitaet.
    man kann die realiaet unangenehm finden, aber da kann sarazzin nichts dafuer.

    natuerlich gibt es fanatisches christentum.
    ich habe ja schon gesagt, dass diese beiden religionen von haus aus fanatisch sind.
    beide sind eine allheilslehre. nach dem motto, wer zu uns kommt, der kommt in den himmel.
    das gibt es bei andern religionen so nicht.
    das ist das gefaehrliche am christentum und im islam.
    nur gehen die christen inzwischen damit anders um.
    wenn der papst auch nur sagt, dass nach der christlichen lehre homosexualitaet eine suende ist, dann gibt es am naechsten tag gefuelte 200 artikel in allenmoeglichen zeitungen.
    katholiken distanzieren sich von ihm usw.
    mit dem islam geht man da in europa irgendwie verkrampfter um und faellt damit den ganz normalen moderaten moslem (die leider einen schweren stand haben) in den ruecken!

  72. 72
    heike

    @#772862: In meiner Realität ist der Islam noch nicht angekommen, in dem Sinne, dass er meinen Alltag beeinflusst, ich mich also nach religiösen Dogmen zu richten hätte (ich kann in arabische, türkische Supermärkte ohne Kopftuch gehen). Ich bin auch davon überzeugt, dass er das niemals wird. Und wenn jemand zu mir Kartoffelnase sagt, dann muss ich lachen. Sorry.

    Sich mit der Historie des Islam zu beschäftigen finde ich aber einen weitaus interessanteren Ansatz, als die Panik und Angst-treibenden Sprüche eines Herrn Sarrazin. Dies passt in unseren kulturellen Kreis, sich intellektuell und differenziert mit Religionsgeschichte zu befassen.

    Mein Alltag wird beeinflusst durch die neoliberalen Züge einer Regierung, die das Recht des Stärkeren als die Ultima Ratio ansieht. Das ist eine Utopie, die zweifellos den Untergang einläuten könnte, würde sie sich vollends Bahn brechen.

  73. 73
    heidrun

    äh, ich habe gerade drei monate im libanon gelebt und eine ahnung von dem wahnsinn bekommen. habe mich dort aber auch mit einem haufen muslime unterhalten, die mir irgendwie nicht an die gurgel und mir auch kein kopftuch überstülpen wollten, auch tiefgläubige palästinenser. sexuelle belästigung gab’s zwar, aber auf einem geringeren level als in bologna im guten alten katholischen italien.
    mit einigen von denen habe ich entspannt bei einem glas wein die dort verbotenen balkan beat box gehört und über „waltz with bashir“ und christliche kunst diskutiert.
    ich weiss, ich weiss, der libanon ist da am liberalsten, und ich will mir nicht anmaßen, über den jemen genau bescheid zu wissen.
    warst du schon dort? oder in sudan, pakistan, saudi-arabien?
    was ich täglich lese, ist, dass leute dort wie auch in pakistan oder in somalia mit angstmache und terror unterdrückt werden, zwar im namen der religion, doch ja letztendlich nur, um dieses oder jenes politische ziel zu erreichen. todesdrohungen, wenn man wählen geht? dein oben gepostetes bild von dem afghanischen mädchen?
    das brutale vorgehen der jeweiligen herrscher gegen die eigene bevölkerung entspricht für mich nicht der behauptung, dass alle (!) menschen, die dort leben, jederzeit bereit wären, einen israelischen oder „westlichen“ bus in die luft zu sprengen, so gerne die machthaber das auch hätten.
    du „belegst“ deine these passenderweise auch nur mit einem einzelbeispiel, zumal mit einem beispiel, dass meine these der instrumentalisierung von menschen zum erreichen von politischen zielen unterstützt. es geht den menschen in der westbank glaube ich eher weniger darum, dass die welt islamisch wird, auch wenn das von den dortigen propagandisten noch so oft wiederholt wird.

    wo genau habe ich behauptet, islamischer fundalentalismus wäre neu?
    religiöser fanatismus ist so alt wie die religion selbst.

    „oekonomischer wohlstand fuehrt nicht zu gesellschaftlichem fortschritt und de-radikalisierung.“
    auch das habe ich nicht behauptet.
    auch, dass ich immer finde, dass der westen an allem schuld ist, wird mir gerne unterstellt, dem ist aber nicht so. ich versuche nur nicht, den unbestreitbaren einfluss des westens auf heutige problemzonen des planeten zu negieren. ich kann mir das als einwohnerin eines westlichen industrielandes, u.a. drittgrößter waffenexporteur der welt, auch kaum leisten, finde ich.

    die taliban mögen alte wurzeln haben, haben aber ihre momentane macht bestimmten historischen gegebenheiten zu verdanken. wenn man fundamentalisten bedingungslos waffen liefert, dann muss man sich nicht wundern, wenn man eines tages ein problem bekommt. genauso, wie wenn man beim saudischen herrscherhaus permanent beide augen ganz fest zudrückt.

  74. 74
    Frédéric Valin

    @#772852: Man kann das natürlich schlicht behaupten, aber ich glaube nicht, dass sich tiefreligiöse Menschen vom Koran ernähren. Das Problem ist: so, wie Du es mir zu erklären versuchst, komm ich nicht rein. Es scheint das eine Glaubensgrundfrage zu sein, die uns trennt: Ist es legitim, all die anderen Faktoren, die Gruppierungen beeinflussen, ohne Prüfung außen vor zu lassen? Du sagst ja, ich nein.

    Nehmen wir ein christliches Beispiel, um der Islamfalle zu entgehen: die Kreuzzüge. Natürlich handelt es sich um eine religiöse Angelegenheit, als Urban II. dazu aufruft, das gelobte Land zu unterwerfen. Und natürlich war es für viele Kreuzfahrer verführerisch, sich auf einen Schlag aller Sünden zu entledigen, so verführerisch gar, dass es unbewaffnete Kinderkreuzzüge gab. Dabei kann man stehen bleiben und sagen: die Christen damals, unfassbar. Kann man heute überhaupt nicht mehr nachvollziehen.

    Es gab auch andere Funktionen, die ein Kreuzzug erfüllte, nämlich den Überschuss nicht erbberechtigter Adelsabkömmlinge zu verwalten, indem man ihnen Gebiete, die sie selbst erobern konnten, überließ. Außerdem schwächten die Kämpfe das aufstrebende Seldschukkenreich, woran die Stadtstaaten wie Venedig oder Genua ein Interesse hatten, um die Vorherrschaft auf dem Mittelmeer zu festigen. Der Handel mit Reliquien aus dem heiligen Land brachte der Kirche einen Haufen Geld, um nur ein paar wenige Punkte zu nennen. Diese Punkte auszublenden mit Verweis auf die christliche Motivation der Kreuzzüge, wird der Sache nicht gerecht.

    Ähnlich verhält es sich mit religiösen Gruppierungen wie sagen wir der Moslembruderschaft oder der iranischen Revolution, der Hisbollah oder der Hamas. Man kann sie monokausal aus dem Koran herleiten, aber es dürfte klar sein, dass einiges interessantes dabei unter den Tisch fällt. Die Taliban beispielsweise holen sich ihre Legitimation nicht nur aus der Religion, sondern auch aus der Tatsache, dass sie in einem vollständig zerstörten Land in der Lage sind, Geld heranzuschaffen und ihre Leute einigermaßen zu versorgen. Außerdem ist die Fluktuation in den Führungskreisen der Taliban sehr hoch, so dass Aufstiege wahrscheinlich sind: und damit die Option, nach einem Frieden mit an die Macht zu kommen oder sogar allein zu übernehmen. Insbesondere für Paschtunen ein nicht unerheblicher Reiz, wie auch für die ärmeren Bevölkerungsschichten in einem Land, das kaum Durchlässigkeit zwischen den sozialen Schichten aufzeigt.

    All das sind Faktoren, die erklären, warum die Taliban erfolgreich sind.

  75. 75

    @#772855: (Off topic: Entschuldige bitte unser blödes Plugin – es hat nichts mit deinem Kommentar zu tun, sondern mit einem alten Markenrechtsstreit, der sich auf den Wortteil ohne das „r“ bezog, das wird dann automatisch ersetzt… ich muss das mal abstellen und das Wort an anderen Stellen halt manuell ändern.)

  76. 76
    zionist juice

    @#772866:
    es geht mir nicht um monokausalitaet, das hatte ich versucht klarzumachen indem ich daauf hinwies, dass es darum geht wie letztlich jemand sein handeln legitimiert (ich kann ja eine bank ausrauben und dann spaeter sagen, dass ich das deshalb getan habe, weil ich kein geld habe; ich kann aber auch sagen, dass ich es getan habe, weil tucholsky mal sagte, dass es ein groesseres verbrechen sei, eine bank aufzumachen, als eine auszurauben, und da bank gruenden nicht verboten ist…)

    aehnlich ist das in unserem fall. die sache ist halt die, dass der hinweis, der hier durch die bank immer wieder kommt, dass es oekonomische ursachen hat (von wegen, wenn die zu essen haben, dann beissen sie nicht) so einfach nicht stimmt. wenn ich beim beispiel der palaestinenser bleiben darf, dann war deren lage bzw ist deren lage unter israelischer besatzung einfach die beste, die sie je hatten.
    selbst die in gaza benutzen noch israelische infrastruktur, obwohl die beiden gebiete laengst getrennt sind.
    und trotzdem ist der zahl derer, die heute zur muslimbruderschaft (heisst hier nur hamas) laufen groesser als je.
    es kann ja sein, dass die taliban vom westen geld bekamen, das bestreitet ja keiner, aber was bestrebt sie dazu, afghanistan sozio-oekonomisch ins mittelralter befoerdern zu wollen?
    hat ihnen ihre mutter das beigebracht, oder kam das bei baywatch, oder ist das eine verbreitete auslegung des korans?
    das problem ist doch, dass all die schlimmen dinge ja oft nicht dem koran widersprechen! sondern gerade von ihm (oft woertlich gedeckt werden). und hier vermisse ich eben etwas flexibilitaet der islamischen gemeinschaft insb von islamischen gelehrten (nicht von an dt. unis ausgebildeten), sondern von solchen, die wirklich ein publikum haben, zu sagen: ja, frueher, hat man frauen gesteinigt, aber wir machen das jetzt nicht mehr.

    um ein beispiel von dir aufzugreifen. die muslimbruderschaft hat wurde in aegytpen gegruendet, weil die gruender die damalige aegyptische gesellschaft als verkommen und unislamische ansahen (frauen ohne kopftuch und so).
    das war der grund, der wille muslime zu einem historischen islam zu fuehren.

  77. 77
    zionist juice

    @#772864:
    in den libanon wuerde ich auch mal gerne. und in den jemen, nicht in die anderen drei.

    „was ich täglich lese, ist, dass leute dort wie auch in pakistan oder in somalia mit angstmache und terror unterdrückt werden, zwar im namen der religion, doch ja letztendlich nur, um dieses oder jenes politische ziel zu erreichen. todesdrohungen, wenn man wählen geht? dein oben gepostetes bild von dem afghanischen mädchen?“

    das ist meiner meinung nach falsch. ich finde sehr wohl, dass sie nicht nur im namen der religion, sondern von der religion selbst unterdrueckt werde.
    es sei den du sagt, auch muhammed hat sie im namen der religion unterdrueckt.
    aber dann wuerdest du sagen, dass der islam an siche von anbeginn nur reine unterdrueckung ist, und dann brauchen wir auch gar nicht weiterdiskutieren.

  78. 78
    zionist juice

    @#772863:
    „Sich mit der Historie des Islam zu beschäftigen finde ich aber einen weitaus interessanteren Ansatz, als die Panik und Angst-treibenden Sprüche eines Herrn Sarrazin. Dies passt in unseren kulturellen Kreis, sich intellektuell und differenziert mit Religionsgeschichte zu befassen.“

    naja…

  79. 79
    Batumi

    @#772839:
    Ähm, du hälst also den Nationalstaat für obsolet, oder wie ist das jetzt gemeint ? Und dann ? Wie willst du den Laden hier überhaupt zusammenhalten ? Wie passt das zu deiner kulturrelativistischen Grundannahme ? Ein Territorium voller unterschiedlicher, ja was eigentlich ? Ein Territorium.

    Wo rein sollten sich Menschen aus anderen Kulturen denn integrieren, ins allgemeine Vakuum ? Dat is nix mit Rechtsstaat, das Ergebnis hieße Stammesgesellschaft. Und wie sollte die Implementierung der Scharia in erfolgreich aus Saudi-Arabien indoktinierten Communities so überhaupt verhindert werden ? Bravo !

  80. 80
    heidrun

    habe mich letzte woche auch mit einer israelin unterhalten, die unbedingt in den libanon wollen würde. ich fand es erschreckend zu sehen, wie unüberwindbar die kluft scheint, obwohl wahrscheinlich beide seiten prima miteinander auskommen würden (bis auf die extremisten natürlich, die es schaffen, beide seiten so vollständig voneinander abzuschotten). „waltz with bashir“ war dort sehr erfolgreich, gerade weil er verboten ist, und bei der sehr beliebten balkanmusik haben einige gesagt, dass es sich ja anhöre wie arabische musik, obwohl es deutlich klezmer-artig war. strange. immerhin ist ja gerade eine synagoge in beirut renoviert worden.
    ich habe eine freundin, die mal im jemen gelebt hat & ihren doktor über einen imam und einen rabbi schreibt, die dort vor 100 jahren gewirkt haben. spannend.
    aber das nur am rande.

    „ich finde sehr wohl, dass sie nicht nur im namen der religion, sondern von
    der religion selbst unterdrueckt werde.“ das kannst du persönlich finden, ich denke aber, es ist schwierig, das über beinahe ein viertel der menschheit einfach so zu behaupten, weil man es „findet“.
    algerien ist nicht gleich saudi-arabien usw., und die menschen, die im iran auf die straße gegangen sind, haben nicht gegen den islam an sich demonstriert und dennoch meinungsfreiheit eingefordert (so wenig überzeugend moussavi als alternative auch ist).
    außerdem sagte ich ja, menschen sind leicht zu manipulieren – wenn sie arm sind, aufgrund ihrer armut, wenn sie genug haben, mit der drohung, es ihnen wieder wegzunehmen. die radikalisierung der amerikanischen mittelschicht, die völlig irrationale blüten treibt, spricht da gerade bände.
    in saudi-arabien sind, soweit ich weiss, auch nicht alle reich, nur weil das königshaus im geld schwimmt. soziale ungleichheit ist in allen möglichen situationen ein prima machtinstrument. die hezbollah weiss das auch.

    wenn ich mir den gott des alten testaments so angucke, will ich mit dem genauso wenig zu tun haben wie mit muhammed. dass der islam eine reform braucht, eine tiefgreifende, darüber brauchen wir uns auch nicht zu streiten. (soweit ich weiss, ging es ja auch schon sehr kurz nach muhammad los mit den verschiedenen auslegungen.) mit so einigen gemäßigten muslimen sitzen wir da ja auch in einem boot.
    ein mädchen aus der westbank, die ich bei einem theaterstück erlebt habe, sagte im anschließenden gespräch: „ich habe zwei kämpfe. den gegen die besatzung, und den gegen meine eigene gesellschaft.“ (ich gaube, sie findet die lage unter der besatzung nicht so „gut“ wie du, und ich würde ihr das recht, dazu ihre meinung zu haben, ungerne absprechen. warst du schonmal in der westbank? fände ich spannend zu hören, evtl. privat per mail).
    den nahost-konflikt würde ich aber bei der ganzen diskussion gesondert betrachten wollen, und auch nicht hier und jetzt. (meiner ansicht nach geht es gerade dort nur sehr sehr vordergründig um religion. wenn man sich die argumente beider seiten so anguckt, wird das auch schnell deutlich.)

    schließlich und schlussendlich ging es hier ja auch um den islam in europa. ich halte die grundannahme wilders & co. für mehr als fragwürdig, dass jeder muslim, der hierherkommt, die zustände seines heimatlandes hier reproduzieren will. die, die ich persönlich kenne, sind durch die bank vor genau solchen zuständen geflüchtet, seien es politische oder wirtschaftsflüchtlinge.
    das ganze ist größtenteils ein schichten- und bildungsproblem, zumindest hier in deutschland. viele strenggläubige und traditionelle muslime hier kommen, und das ist ja auch kein geheimnis, aus der letzten türkischen provinz und sind selbst für viele ihrer landsleute hoffnungslose hinterwäldler.
    in deutschland wünscht sich auch jeder 10. ja angeblich wieder einen „führer“, 55% finden nach einer neuen studie araber/muslime unangenehm, 80 % der deutschen, die israelische politik kritisieren, haben eine antisemitische haltung. gleichberechtigung ist auf einmal thema für den letzten csu-hinterbänkler, aber nur, wenn es um den islam geht.
    die meisten dieser menschen sind vermutlich ebenfalls nicht gerade intellektuelle.
    bei solchen fakten hierzulande von einer „überlegenen kultur“ zu sprechen, halte ich für gewagt, zumal ja gerne dann jeder, der sowas behauptet, so tut, als hätte er den rechtsstaat, in dem er das unglaubliche glück hat, geboren zu sein, selbst erschaffen.
    meine freiheit verteidige ich gerne, aber ich habe bisher nicht den eindruck, dass „der islam“ hier diesbezüglich das dringlichste problem ist.

  81. 81
    heike

    @#772878: Ich denke schon. Passt vermutlich auch nicht in irgendwelche Schulpläne, weil so etwas ja nie in Schulpläne passt und überhaupt, was soll denn noch alles in Schulpläne passen. Ist ja furchtbar. In diesem Sinne dann: naja.

  82. 82
    Frédéric Valin

    @#772875: Bei uns sagt man: der Text ist klüger als sein Autor. Immer. Die Handlung ist klüger als der Mensch. Wie jemand sein Handeln im Nachhinein legitimiert, ist im Grunde wurscht: es geht um die Strukturen dahinter, um das, was durch den Handelnden durch wirkt. (In dem Sinn ist Dein Text übrigens klüger als Du, wenn Du sagst, monokausale Zusammenhänge lehntest Du ab, aber im Endeffekt nur auf einen Kausalzusammenhang zurückgreifst, um Deine Ausführungen zu untermauern.)

    Die Palästinenser sind deswegen ein schlechtes Beispiel, weil es um absoluten Wohlstand nicht geht, sondern um relativen. Die Palästinenser messen sich an den Israelis, und im Vergleich waren die letzten Jahre zwar ein Fortschritt, aber bloß ein kleiner, während Israel mit Riesenschritten Richtung Wohlstand marschierte.

    Ähnliches gilt heute für uns: wenn wir mal kcken würden, wie sich die Großeltern vor Tieffliegern weggeduckt haben, würden wir uns über Krankenkassenbeiträge kaum aufregen. Aber vergleichen wir uns mit der Vergangenheit? Nur manchmal, meistens vergleichen wir uns mit den umliegenden Ländern und dem, was theoretisch drin sein könnte. Völlig zurecht.

  83. 83

    Puh, viel los hier! (schön! aber momentan zu zeitaufwändig für mich)

    Eine Anmerkung meinerseits dennoch: Den Sturm und Drang zu nennen und im darauffolgenden Satz den „Werther“ und Kants „Kritik der reinen Vernunft“ anzuführen, ist schon recht gewagt. Ich denke, dass Kants Kritiken in ganz anderer Tradition, in einem ganz anderen intellektuellen Umfeld angesiedelt sind als Goethes „Werther“.
    Dennoch stimmt es natürlich, dass sich ein neues Bürgertum bildete und dass diese Beispiele für deine Argumentation taugt. :)

  84. 84

    Die Aneignung sogar dezidiert linker Intellektueller ist zuletzt mit einigen Zitaten Bertolt Brechts sogar in der Zeitung „Junge Freiheit“ passiert, in denen, in Bezug auf die – einfach ausgedrückt- „Dummheit“ der Deutschen hingewiesen wird. Hier ein Link zu einem Bericht von der Frankfurter Buchmesse und dem Auftritt Sarrazins, der in derselben Zeitung mit Wilders im gleichen Atemzug genannt wird…

    http://ntropy.de/?p=600

  85. 85
    flubutjan

    @#772808: Hi, noch ’n Nachtrag:

    Du: Dominanz wg. Angst. Möglich. Aber: Klauen z. B. wg. allem Möglichen (Armut, Suchterkrankung etc.); trotzdem strafrechtliche Sanktionen. Und Sanktionen (unterschiedlichster Art) wünsche ich mir halt auch für wie immer geartete bzw. herzuleitende Dominanzanfälle. (Von Dominanz abzugrenzen wäre noch die legitime, z. B. kompetenzbegründete Autorität. Hier kommt es zu hierarchisch angeordneten Niveauunterschieden, gegen die man nichts haben kann, die in der Regel aber auch nicht selbstwerterhöhend und andere abwertend ausgekostet werden – anders als bei einem Wilders.)

    @#772819: Hi, noch ’n Nachtrag:

    Höchstwahrscheinlich kann man das so begründen (Dominanz wg. Vorteilen bei der Genweitergabe). Aber mit Keulen auf die Köppe hauen war diesbezüglich auch mal ein prima Vorteilsverschaffer, und wir machen das nicht mehr. Genauso sollte Dominanzgebaren auslaufen, finde ich.

  86. 86
    flubutjan

    Letztes:

    So wie man seit (wenigen) Jahrzehnten bei Schikanen glücklicherweise ausruft: „Bäh! Mobbing!“, sollte man bei Dominanzanfällen bspw. auch so etwas wie „Iih, Domming“ sagen können und damit das als solches bisher nicht Problematisierte problematisieren und konsenshaft a Stückerl weit ächten, sodass das – wie beim Mobbing – irgendwann auch peinlich wird.

    Wilders: „Wir und unsere überlegene Kultur!“
    Alle: „Iih! Domming!“
    Wilders: „(Verdammt.) Äh, war nicht so gemeint, ‚tschuldigung.“
    Alle: „Na gut, du Flachpfeife. Mach das aber nicht noch mal, und versetz‘ dich gefälligst in die Lage der anderen.“
    Wilders: „Okeh.“

  87. 87
  88. 88
    manoo

    „Ein Deutschland voller Moscheen, voller verschleierter Frauen ist nicht mehr das Deutschland Goethes, Schillers, Heines, Bachs und Mendelsohns!“ Hat Wilders Goethe überhaupt gelesen? „Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“ (aus Goethes West-östlichem Divan)

  89. 89
    Frédéric Valin

    88 Kommentare kann ich bei diesem Thema natürlich nicht stehen lassen. Dies ist ein Füllkommentar gegen meine inneren Reflexe. Man möge mir verzeihen.

  90. 90
    ötze

    martin, batumi, braune soße. frederik, heidrun, tolle menschen. was gibts da zu diskutieren? dachte auch immer gespräche und dialoge wären eine lösung gegen so viel geballte dummheit die in den köpfen solcher menschen herrscht, aber die kennen die argumente schon! die lesen den „gutmenschenscheiß“ und lachen drüber, sieht man doch ganz aktuell an dieser diskussion. die leben in ihrer parallelwelt und wir in unserer. menschenfeinde gegen humanisten. diese ganze argumentation von batumi und martin ist doch voll-kommen hirnrissig! immer wieder! „aber der islam..“ diese leute werden sich hoffentlich selbst zerfleischen, anders weiss ich nicht, wie man die aus unserem tollen land bekommen soll. sieht man ganz aktuell bei PI und ProNRW. nazis bashen nazis. hihi. wie gesagt, aufklärung hilft da nüscht. und töten geht nicht. sind ja schließlich menschen. irgendwo.

  91. 91
    heidrun

    spannender artikel, zionist juice, danke!

  92. 92

    @#773275:
    ‚zionist juice‘ gehört zu den Begrifflichkeiten die ich nicht verstehe.

    Als angelernter RK- Christ begegne ich einem Rabbi mit der selben
    Höflichkeit wie einem Priester oder einen Imam.
    Die sog. Weltreligionen beinhalten so viele in sich übereinstimmende
    Thesen. Das traut man sich als nicht studierter Theologe zu äussern.

    Alles Gute