Wir hatten ja damals nichts. Den Oberboss zu besiegen bedeutete für uns, einen einzelnen weißen Bildschirmpixel an mehreren übereinander gelegenen weißen Bildschirmpixeln vorbei zu bekommen. Wenn man denn überhaupt Grafik bei seinen Videospielen hatte und nicht nur Texte auf dem Bildschirm sah.
Gerade diese völlig grafikfreie Form der elektronischen Spiele, sogenannte Text-Adventures, hatten es mir jedoch in den 80ern besonders angetan.
Meist englischsprachige Text-Adventures folgten dabei in der Benutzung einem immer gleichen Schema: Wie ein Buch erzählten sie eine Geschichte, die jedoch nach wenigen Absätzen textlichen Input vom Spieler verlangte und nach dessen Kommando den einen oder anderen Verlauf nahm. Dem Spieler standen dafür nur krude Befehle oder kurze Sätze zur Verfügung: Bewegung im vorgestellten Raum fand mit den Anfangsbuchstaben der Himmelsrichtungen statt (North, South, West, East), Objekte wurden mit „Examine [object]“ untersucht und pro Spiel musste man sicher mehrere hundert Male Wörter wie „open“, „close“ oder auch mal „hit“ tippen.
Meine persönlichen Favoriten fanden sich bei den Titeln der Firma Infocom (hier eine Fan-Site). Deadline, Planetfall, A Mind Forever Voyaging, The Lurking Horror oder auch das mehrteilige Zork (der Start ist im Screenshot zu sehen) … kenn‘ ich alles, auch wenn ich mich kaum daran erinnern kann.
Guten Text-Adventures war selbst bei Fehlermeldungen oft ein sehr eigener Humor gemein und es gibt ein paar Perlen, deren Stories und Lösungswege absurder kaum sein könnten. So existiert eine wirklich wunderbare interaktive Version von Douglas Adams‘ „The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“, und unbedingt muss auch das ziemlich abgedrehte „Leather Goddesses of Phobos“ erwähnt werden. Beide Titel tauchen der empfehlenswerten Liste „10 Seriously @#$%ed-Up Text Adventure Games“ von Topless Robot auf, eines jedoch fehlt dabei erstaunlicherweise: Das ebenfalls (u.a.) von Douglas Adams geschriebene Bureaucracy, das den Spieler, der Name deutet es an, mit einer Menge Spaß in den Wahnsinn treiben kann.
Kommerzielle Text-Adventures gibt es meines Wissens nicht mehr, doch eine Amateur-Szene für „interaktive Fiktion“ ist vorhanden. Auf heutigen Computern kann man einige der früheren Games kostenfrei und legal, andere für wenig Geld bekommen und mit Hilfe von „Interpretern“ spielen, ein wenig Recherche findet auch für euer System das richtige Programm. Manche Games, die oben erwähnte Zork-Serie zum Beispiel, gibt es auch als Komplettpaket inkl. Interpreter.
Über all dies habe ich zwar vor beinahe sechs Jahren schon einmal geschrieben, nun aber kann man die netten Wortspielchen ja mitnehmen und tatsächlich recht komfortabel spielen (auch vorher gab es für andere Mobiltelefone schon Interpreter, deren Bedienung mit Zifferntasten aber etwas umständlich war).
Für das iPhone habe ich gerade die kostenlose Version des Interpreters Frotz installiert (iTunes, Entwickler-Site), das schon beim Start mit einigen Spielen im Gepäck daher kommt. Neue Games lassen sich im gleichen WLAN leicht via Rechner-Browser installieren, der Bureaucracy-Screenshot oben stammt von einem iPhone. Für Android-Geräte gibt es Twisty (im Android-Market zu finden), mir ist zwar damit die Installation von Bureaucracy noch nicht gelungen, das sollte aber nur eine Frage der Zeit sein. Und einen Kindle besitze ich zwar nicht, doch auch für dieses Gerät gibt es einen Interpreter (andere Links und Programme bitte gerne in den Kommentaren nachtragen).
Text-Adventures sind ein sehr eigenes Genre der Videospiel-Kultur und dabei sicher nichts, was man auf die Schnelle spielen kann. Ihre Programmierung bzw. die Game-Engine sind im Vergleich zu heutigen Spielen und KIs natürlich lächerlich, dennoch – und deshalb – vermitteln sie eine besondere Atmosphäre, ein besonderes Spielerlebnis, das ich empfehlen kann, obwohl Craig Smith als Entwickler von Frotz in seiner App-Beschreibung eine Warnung ausspricht:
„Warning“ Playing Frotz involves reading, thinking, and typing. If you just want to blow stuff up, this is not the app for you.
Kennst du?:
http://blog.makezine.com/archive/2010/10/play_zork_on_an_arduino-controlled.html
@#780621: Jetzt ja! :) Danke. Irgendwer (war das auch bei Maker?) hat auch Zork auf einen dieser elektronischen Stifte gebracht… :)
Wer keinen Z-Maschinen-Interpreter installieren will oder kann, kann auch einfach einen entsprechenden Webservice nutzen. Übrigens gibt es immer noch neue textbasierte Spiele.
>Thanks, Johnny.
Nothing happens.
>Look under the bed.
Under the bed a voodoo priest watches you.
Mist – WO habe ich meine „Lost Treasures“-Box.
@#780622: Yap: http://blog.makezine.com/archive/2011/01/zork_on_livescribe.html ;)
@#780632: :)
@#780644: Bingo!
vielleicht kann sowas heutzutage ne renaissance erleben, son in der art „interaktives ebook“… wobei ineraktiv ja schon seit den 90ern nen schimpfwort ist
Hi ihr Lieben.
Nur 4 Jahre verspätet schreibe ich hier, aber das passt ja zum Thema – Text-Adventures sind ja auch ein bisschen angestaubt. :)
Ich möchte nur ungern direkte Werbung machen, aber vielleicht erfreut es ja den einen oder anderen Text-Liebhaber, dass ich zusammen mit einem Freund einen Podcast aufnehme, in dem wir Text-Adventures spielen. Quasi als Let’s Play.
Wie man Text-Adventure modernisieren kann, haben wir uns auch schon desöfteren gefragt. Ich bin sehr gespannt, ob es irgendwann mal jemandem gelingt einen erneuten Durchbruch zu erzielen.
Falls jemand gute Tipps für deutsche Interactive Fiction hat, haben wir dafür immer ein offenes Ohr! :)
Liebe Grüße,
Simon