Frankreich – USA 1:3
Allez adieu. So ist das eben, wenn man eine Torhüterin hinten drin hat, die den Strafraum beherrscht wie ein Suppenhuhn den Fond. Traurig und enttäuscht bin ich nicht, weil Frankreich ausgeschieden ist: traurig bin ich, weil der pragmatischere, weniger verträumte, weniger überraschende Fußball einmal mehr den Sieg davon getragen hat. Aber der Reihe nach.
Das Spiel im Sinne eines Spieles begann eigentlich erst nach 30 Minuten. Davor waren die Franzosen nervös wie auf Turkey. Mich erinnerte das an die liebenswerte Unbeholfenheit und naive, aber bestimmte Tappsigkeit aus Pieces of April, was Frankreich da spielten. In der neunten Minute sah man bereits, was ihnen später endgültig zum Verhängnis werden sollte: die Innenverteidigerin Laura Georges, die langsam ist und immer, wenn sie raus muss zur Seitenlinie hilflos wirkt wie eine Provinz-Familie in der großen Stadt; und die Torhüterin Berangere Sapowicz, die eigentlich Dérangere Sapowicz heißen müsste und auf der Linie hängen blieb wie Frédéric Moreau auf seinen Gefühlen: und genau wie bei Moreau war es am Ende das kleine Glück, das den Franzosen ausreichen muss, das Glück, tatsächlich einmal in einem Halbfinale gestanden zu haben. Zur großen Tragödie reicht es nicht. (Noch nicht.)
Es ist nicht so, dass die USA diesen Sieg nicht verdient gehabt hätten: es gab Momente in dieser Partie, da wunderte man sich, Lepailleur und Abily überhaupt noch sehen zu können, so sehr wurden sie links hinten plattgewalzt. Aber man sah auch, was sich diese WM im Frauenfußball geändert hat: dass Physis allein nicht mehr reicht, dass Intelligenz und Fantasie eine Chance haben gegen Kraft und Statik. Wäre Frauenfußball Architektur, könnte man sagen, dass dies die Entdeckung war: auch Glas kann ein tragendes Element sein.
Nur: Die Mischung muss stimmen. Frankreich hat teilweise berauschend nach vorne gespielt, aus allen Ecken den Abschluss gesucht, immer eine Idee gehabt, und wenn es nicht immer die beste war, dann versuchte man es eben ein zweites Mal anders. Das war kreativ, das war trial and error, und es war gedankenschnell: Der Ausgleich fiel, nachdem die USA links hinten trippelten und den Ball nicht klären konnten. In der Folge leitete Necib einen Seitenwechsel ein, weswegen Bonpastor mehr Zeit als Verstand hatte, eine Flanke zu schlagen, die sich ins lange Eck packte.
Am Ende kosteten zwei verheerende Torwartfehler und die fehlende Schnelligkeit der Abwehr Frankreich den Erfolg, oder um es andersrum zu sagen: die USA hatten sich den Erfolg erarbeitet. Mit ihren schnellen, bewunderswert durchsetzungswilligen Stürmerinnen waren sie am Ende effektiver. Loben kann ich eine solche Spielanlage nicht, aber gesagt werden soll es doch: Fair enough.
Japan – Schweden 3:1
Erstaunlich spiegelverkehrt verlief das Spiel der Schweden gegen Japan: auch hier führte der Favorit nach einem fatalen Fehler der Hintermannschaft, auch hier kamen die Blauen nicht nur zurück, sondern machten in dem Tanz, der der Fußball ist, den Führenden. Am Ende aber gewann der bessere Fußball, Netzer sei Dank. Zwei Kleinigkeiten muss ich anmerken, um nicht nochmal das gleiche wie oben unter veränderten Länderbezeichnungen zu schreiben: erstens sah ich das erste Mal eine Frau auf den Rasen spucken (Annica Svensson), zweitens würde jede Männermannschaft bei einem solch nassen, flutschigen Boden Fernschüsse als Aufsetzer gestalten: im Frauenfußball schießt man immer hoch. Immer. Und meistens drüber.
Nur die Moral ist viel erhabener: dass ein Team, das sich einerseits gut organisiert, andererseits aber viel Platz für die Vorstellungen, Instinkte und Fähigkeiten seiner Spieler vertraut, gegen Erfahrung und Kampfeskraft gewinnen kann. Eine andere, weniger erhabene Moral wäre: zwei Torwartfehler brechen jedem WM-Halbfinalisten unweigerlich das Genick.
Aber die zweite ist weniger wert als die erste: denn Schweden ist in diesem Halbfinale nichts eingefallen, gar nichts. Vom System her war das zu sehr Ikea: durchsichtig, unflexibel, instabil. Und die Schnittstellen in der Viererkette waren breiter als das Skagerrak, und in diese Lücken stieß Japan immer wieder konzentriert, schnell und zielgerichtet vor.
Ich habe bisher, was den Titel anbelangt, auf die USA gesetzt und auf Schweden: gönnen würde ich es Japan. Überhaupt nicht wegen des Tsunamis oder Fukushima: schlicht, weil sie bisher den eindruckvollsten Fußball geboten haben: Mutig, klar und luzide.
Luzide? Fängt man irgendwann an so zu schreiben wenn man das länger macht? Aber immerhin ein neues Wort gelernt. Soll ja nie zu spät sein…
Ich habe echt gelitten während des Frankreichspiels. War ja zu erwarten, dass die Dampfwalzen gewinnen würden, aber der Verlauf war doch echt bitter. Gefreut habe ich mich für Japan, eine sehr unaufgeregte und technisch gute Mannschaft. Es ist aber zu befürchten, dass es ihnen im Finale ähnlich wie Frankreich ergehen wird, wobei ich nicht weiß, wie gut die japanische Torhüterin ist. Besonders groß ist sie jedenfalls schon mal nicht.
Na war doch echt scheene dit Nippon Ding nich? Also weiter den roten Button drücken Mädels.
Ach ein Punkt sollte man zur Ansprache bringen. So toll es auch ausah was Japan auf dem Rasen brachte, es erinnert mich vom System her an Barcelona, und mit einem guten Gegner kann dieses “ 70% Ballbesitz – aber 0:0 Punktestand – 1:0 Ecken – System“ schnell elendich uninteressant aussehen.
Habe die Schwedinnen bei der Frauen U20 WM in Bielefeld gesehen und schon da hatten sie mit ihrer einfallslosen Spielweise gegen quirlige Kolumbianerinnen keine Chance. Und wenn die Frauen aus Japan jetzt im Finale FEINSCHMECKER – GROBIANE den Cup holen, dann wäre meine Fußballwelt in Ordnung.
Nun können die Japanerinnen gerne gewinnen! Dann sind wir wenigstens gegen die Sieger rausgeflogen…und das kann ja mal passieren! ;)
selber luzide!
@#790487:
Oder Frankreich gewinnt das Spiel um Platz 3, und die haben wir ja schließlich auch geschrubbt in der Vorrunde. Macht uns zum Zweieinhalbten der Herzen oder so.
Das ist fast so gut wie Weltpokalsieger-Besieger ;-)