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Dieser Artikel ist ein Leserbeitrag im Rahmen der Open-Spreeblick-Aktion.

15 Jahre NO-TV

Im Juli 1996 zog ich aus einer kleineren Stadt im Ruhrgebiet nach Essen. Großstadt. Freiheit. Denkste. Ich wurde süchtig – süchtig nach NO-TV. Falls hier jemand schon so alt ist, dass er sich bis Mitte der neunziger Jahre zurückerinnern kann, dann werden ihm „Multimedia“, „virtuell“, „interaktiv“ als Modebegriffe der Zeit bekannt sein. Das waren damals große Versprechungen. Die Realität im Internet: ein 28.8K-Modem und tabellenbasierte Textwüsten.

Doch nicht bei NO-TV. Dort waren – und sind – multimediale, virtuelle, interaktive Programme selbstverständlich. Programmschema? Pustekuchen. Der Nutzer war von Anfang an auch Programmchef. Abruf-Fernsehen! Etwas, das selbst die milliardenschweren öffentlich-rechtlichen Anstalten bis heute nicht voll realisiert haben.

Und die Kosten? Je nach Channel. Für den Nature Channel hab ich bis heute keinen Pfennig bzw. Cent gezahlt. Beim Literatur-Kanal muss man sich die entsprechenden Bücher besorgen, werden aber auch von örtlichen Büchereien zur Verfügung gestellt. Fußball kostet natürlich. Dafür werden alle Spiele bis in die Amateurklassen live gezeigt, ohne diese duseligen Kommentare von ahnungslosen Reportern.

Tatsächlich empfinde ich die völlige Abwesenheit von gesprochenem Kommentar bei NO-TV als einen großen Pluspunkt. Dass Frontal-Unterricht in der Schule dem eigenen Erarbeiten eines Themas vollkommen unterlegen ist, dürfte bekannt sein. Gleiches gilt für die Erklärbären-Kommentare, wie sie im normalen Fernsehen üblich sind. Die eigene Recherche und Auseinandersetzung mit den Inhalten von NO-TV fördern kritisches Denken und Kreativität. Im Laufe der letzten 15 Jahre ist das Internet zu einer natürlichen Ergänzung von NO-TV gewachsen. Der Verzicht auf Kommentare entpuppte sich als mutige, aber zukunftsweisende Entscheidung der NO-TV-Macher.

Dass NO-TV technisch dem normalen Fernsehen so weit voraus ist wie der Igel dem Hasen, bedarf wohl kaum noch der Erwähnung. Wer jemals durch die virtuellen Welten des Nature Channels gegangen ist – in 3D, animiert, gefühlsecht, vom richtigen Leben nicht mehr zu unterscheiden –, der hat nur leises Bedauern für Leute, die sich die Welt auf einer Scheibe angucken müssen.

Eins hätte ich fast vergessen: Für GEZ-Hasser ist NO-TV ideal, den es ist der einzige Sender, der von Fernsehgebühren befreit. Ja, kein Scherz: Seit 15 Jahren muss ich als NO-TV-Nutzer keine Fernsehgebühren zahlen. Damit ist leider 2013 Schluss, wenn die Wohnungsabgabe für die staatlich geförderte Flachweltenbespaßung kommt. Es sein denn, ich würde den Landstreicher-Kanal von NO-TV buchen, aber der ist selbst mir als Programm zu radikal.

Loblied auf den Fernseher

Der Fernseher
ist Nahgerät,
er bringt die Welt heran,
doch nie so nah,
dass man sie nicht
sofort vergessen kann.

Mit ihm verkürzt man flott die Zeit,
er macht sie einfach platt;
man guckt und guckt, ein Blick zur Uhr,
kein Leben fand hier statt.

Für Kinder ist’s Idealgerät,
es macht sie taub und stumm;
sie sitzen dran wie festgeklebt
und werden langsam dumm.

Die Politik ist dankbar ihm,
er hält vom Denken ab;
so lang die Leut nur glotzen tun,
lacht man sich oben schlapp.

Der Fernseher
ist Nahgerät,
er bringt die Welt heran,
doch nie so nah,
dass man sie nicht
sofort vergessen kann.