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Dieser Artikel ist ein Leserbeitrag im Rahmen der Open-Spreeblick-Aktion.

Ostermaiers Hamlet an der Berliner Schaubühne

(Güldenstern):“Was sollen wir sagen mein Prinz?“
(Hamlet): „Sagt irgendwas, aber bitte zum Thema.“

Die Geschichte, die erzählt wird, ist immer wieder dieselbe. Das trifft sicher für die meisten Stücke, die an Theatern inszeniert werden, zu. Und ganz besonders wahrscheinlich für Shakespeare’s Hamlet. Es ist ein absolutes Phänomen, dass dieses Stück, das mittlerweile mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel hat,   inszeniert wird und die  bis zum bersten füllt.
Das trifft zumindest zu im Falle der Hamlet-Inszenierung von Thomas Ostermaier an der Berliner Schaubühne. Die Version des Deutschen Theaters bleibt noch aus. Ist aber sicher spannend im direkten Vergleich.
Dass es gerade im Falle eines so bekannten Stoffes wie dem der Hamlet Geschichte ganz besonders auf die Inszenierung ankommt ist fast selbstredend.
Dass Ostermaier diesen Brocken der Theatergeschichte und dessen Interpretation spielend, ja fast blind meistert, auch.
Alles beginnt mit einem großen Haufen Torf.
Das Bühnenbild ist in dieser Hinsicht wohl über alle Maßen spartanisch, erfüllt aber natürlich trotz seiner überaus starken Reduktion auf das wesentlichste – eben den Torf- seine Funktion und bleibt das ganze Stück über wichtigstes szenisches Mittel.
Dass dieses Material mal in irgendeiner von mir besuchten Inszenierung eine so wichtige Rolle spielen könnte, war mir bis dahin nicht klar.
Doch schon die erste Beerdigungsszene, die so slapstickartig und brilliant inszeniert ist mit Sarg, Kunstregen, Regenschirmen, einer trauernden Gertrude und einem sich ständig in den Dreck langenden Totengräber, überzeugt und wirft seinen Schatten gewissermaßen voraus.
Lars Eidinger als Hamlet verkörpert den Prinzen mit einer Sicherheit und Exzellenz-
er schafft es sogar mitten in einem seiner Monologe einen Mann aus Publikum mit dem Satz, „… jetzt mach doch endlich mal dieses scheiß grüne Licht vom Fotoapparat aus, das nervt mich schon die ganze Zeit tierisch, ey. Solche Leute gehören aus dem Theater geworfen“ ohne mit der Wimper zu zucken  , seinen Fotoapparat während des Stücks auszuschalten.  Eine verhaltenes „Ja, mach ich“ folgt aus dem Publikum.
Der Schachzug Ostermaiers, die meisten der Figuren (unter anderem Gertrude und Ophelia) doppelt zu besetzen ist so einfach wie genial und ist ganz sicher nicht dem Mangel an Schauspielern geschuldet.
Auch die Musik von Nils Ostendorf ist geschickt gewählt und schickt den Zuschauer gleich in der ersten Szene in ein Meer aus Postrockgitarren.
Das ganze gipfelt  im Einsatz des populären Battles  Songs „TONTO“ bei einer der Szenen, in denen Hamlet alias Lars Eidinger völlig  frei dreht, wobei Inhalt und Musik an dieser Stelle eine wirklich ganz große Synthese einzugehen vermögen. Es zeigt auf großartige Weise, welches unheimliche Potential diese Musik hat. Sie fügt sich nahtlos an den Rest der Musik im Stück an. Dass gefühlte 80% des u wahrscheinlich keine Ahnung davon haben, von wem dieses Lied stammt, ist dann aber wieder völlig nebensächlich.
Dass in vielen Shakespeare- Stücken am Ende alle Protagonisten sterben ist hinlänglich bekannt und bildet im Falle Hamlets natürlich auch keine Ausnahme.
Aber selbst da schafft es Ostermaier, Slapstickelemente einzubauen und verpaßt der auf den ersten Blick so dramatisch  wirkenden Situation einen neuen Anstrich.
Konsequenter hätte eine Hamlet-Inszenierung wohl kaum sein können. Schon gar nicht mit solchen Schauspielern, einem solchen Bühnenbild und solcher Musik.
Es war ein Erlebnis.