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The Free Internet Act

Als Reaktion auf SOPA, ACTA und wie sie alle heißen haben einige Reddit-Nutzer mit dem Entwurf eines eigenen Gesetzes begonnen: Dem Free Internet Act, kurz: FIA.

Die Arbeit an dem Dokument (Passwort: redditcat), an dem jede(r) mitarbeiten kann, sowie die Fragen, die sich bei einem solchen Gesetz stellen, sind auf vielen verschiedenen Ebenen spannend. Welche Maßregelungen sollte eintreten, wenn gegen das Gesetz verstoßen wird? Was bedeutet die im Entwurf oft erwähnte „Demokratie“ überhaupt? Wie geht man mit unterschiedlichen, bereits bestehenden Gesetzen in verschiedenen Ländern um?

Der Entwurf zeigt vor allem, wie schwierig Regeln zu formulieren sind. Sätze wie „intolerante Überzeugungen wie Politik oder Religion werden im Internet nicht toleriert“ klingen wie eine Persiflage, sind aber ernst gemeint. Insgesamt aber krankt das Papier bisher vor allem an genau dem Punkt, an dem auch so viele andere Ideen, Vorstöße und Visionen scheitern: An dem Irrtum, die ganze Welt wäre Nordamerika.

Unterschreiben würde ich das Papier nicht. Die Sache aber einfach mal anzugehen, das finde ich gut.

Auch hierzulande gibt es mit ContrACTA mindestens einen Versuch des Gegenentwurfs, der allerdings sehr schlicht ist und an dem anscheinend keine Weiter- oder Mitarbeit stattfindet.

22 Kommentare

  1. 01

    „No law shall supersede the will of the community“

    Welche „community“? Und hat die ueberhaupt einen einheitlichen Willen (oder Meinung, oder Ansicht, oder sonstwas)?

  2. 02

    @#800779: Damit sind wohl alle Nutzer gemeint, es soll, soweit ich es verstehe, auch Abstimmungsverfahren geben.

    (Ich dachte ja eher, dass der erste Kommentar sich darüber beschwert, dass ein kommerzielles Produkt von 37signals als Tool für die Erstellung genutzt wird und kein echtes Wiki … )

  3. 03

    @#800780:

    Das kann dann aber unter Umstaenden lustig werden. Mal angenommen die „community“ gibt sich eine Meinungsfreiheit nach amerikanischem Vorbild, wie passt das zusammen mit der von Dir erwaehnten Intoleranz gegenueber Intoleranz? Und wie werden die Deutschen damit umgehen dass dann auch in Deutschland (rein physisch gesehen, soll ja keine Grenzen geben) Nazis ihre Propaganda ungehindert verbreiten duerfen?

    Oder die „community“ schafft fuer sich das Urheberrecht per Mehrheit ab, haben die Erschaffer die dies nicht wollen dass dann einfach zu akzeptieren? Oder was ist mit den Erschaffern die nicht zu der „community“ gehoeren wollen, haben die sich damit abzufinden?

    Ich sehe da keine einfache Loesung dieser Widersprueche.

  4. 04

    @#800786: Geht mir ähnlich, der Entwurf wirft mehr Fragen auf, als dass er Antworten gibt. Aber auch das kann ja erkenntnisreich sein.

  5. 05

    Ich sehe vor allem nicht, inwieweit so ein Entwurf real wirksam werden kann.
    Selbst wenn wir annehmen, daß aus diesem Projekt ein schlüssiger, prinzipiell realistischer Gesetzentwurf hervorgehen könnte (was nicht per se unmöglich ist, aber seine Schwierigkeiten ebenso aus der offenen Form bezieht, wie es Projekte wie Wikipedia oder die Occupy-Bewegung tun), bewegt er sich nicht in dem Bezugssystem, in dem er seine Wirkung entfalten könnte: seine Schöpfer haben keinen Kontakt zu den Personen und Institutionen, die an Entwürfen wie SOPA oder ACTA arbeiten – das eine sind Privatleute, Mitglieder der „Netzgemeinde“ – das andere sind Lobbyvertreter und Politiker. Beide Bereiche überschneiden sich kaum, bestenfalls und theoretisch in Form von Piratenpartei-Mitgliedern.

    Wie will man demnach zu einem Konsens kommen? Für mich ist schwer vorstellbar, daß diejenigen, die ACTA ausarbeiten, die Vertreter des Gegenentwurfs dazu einladen, sich an einen runden Tisch zu setzen und zu verhandeln. Denn es gibt nichts zu verhandeln, das gäbe es nur, wenn die Machtpositionen auf einer ähnlichen Ebene lägen. Die Vertreter eines Gegenentwurfs haben keine Macht, ihn durchzusetzen oder auch nur ernsthaft mit in den Topf zu werfen, auch wenn er inhaltlich noch so gut ist.

    Das Problem ist also nicht nur die Kooperation bzw. das Sich-auf-einen-Entwurf-Einigen, sondern vor allem, diesen Entwurf auch wirksam zu machen. Man braucht eine eigene Lobby, die an den Orten des Systems, an denen Wirksamkeit erzeugt wird, Macht ausüben kann. Oder sehe ich da was verkehrt?

  6. 06

    @#800791: Ich glaube, das Zusammenbringen der verschiedenen „Parteien“ bzw. der Ausgleich zwischen denen mit klaren wirtschaftlichen Interessen und denen ohne besondere Lobby (dafür aber mit anderen, mindestens ebenso wichtigen Interessen wie Bildung, Kultur usw.) ist Aufgabe der Politik.

    Und dass diese in dem Ruf steht, ihrer Vermittlungsaufgabe nicht mehr nachzukommen, sondern stattdessen ausschließlich auf wirtschaftliche Interessen einzugehen, das ist ein wichtiger Teil des ganzen Problems. Wäre dem nicht so, könnte man sich also auf faire und gerechte politische Lösungsbestrebungen (natürlich unterstützt durch entsprechende Experten für verschiedene Bereiche) verlassen, dann müssten sich vielleicht nicht ganz so viele Privatleute den Kopf zerbrechen.

    Hinzu kommt aber auch noch, dass Privatinteressen nicht gleich Privatinteressen sind. Manche wollen eine faire Lösung für alle z.B. in Sachen modernes Urheberrecht, basierend auf im Groben existierenden, demokratischen Prinzipien. Manche andere wollen ein komplett neues System. Vielleicht klingt vieles derzeit noch recht einstimmig („Wir brauchen ein neues UrhG“), im Detail wird sich aber zeigen, dass es dabei viele sehr unterschiedliche Ziele gibt.

  7. 07
    blickwerfer

    Dieses Projekt zeigt den Mitwirkenden bestimmt, wie schwierig es für die Gesetzgeber ist, eine einheitliche Lösung für ein internationales Problem zu finden. Vor Allem wird es zeigen, dass man es nicht allen recht machen kann und immer irgendeiner Nachteile erleidet.

    Eine reale Umsetzung dieses „Entwurfs“ kann es nicht geben. Höchstens dann, wenn das von der Politik so übernommen wird, was ich sehr bezweifle. Gesetzesvorschläge und Gesetzgebung obliegt nicht direkt dem Volk bzw. Interessensgemeinschaften.

  8. 08

    Hm, aber „viele einzelne Interessen“ dürfte eigentlich nicht so ein großes Problem sein – um Verträge wie ACTA wurde wohl auch lange verhandelt, und die Interessen diverser Parteien sind mit eingeflossen.

    Was auf der einen Seite geht, müßte prinzipiell auch auf der anderen gehen. Vielleicht ist hier tatsächlich das informelle, offene Konzept eine zweischneidige Sache. Wenn dagegen zb. ein freiwilliges Zeitlimit gesetzt werden würde („bis zum 31. 3. muß ein funktionsfähiger Gesetzesentwurf formuliert sein“) würden die Beteiligten (abzüglich derer, die auf dem Weg ganz aussteigen, was sich kaum vermeiden läßt) vllt eher an einem Strang ziehen und die internen Differenzen hinter das vordringliche Ziel, überhaupt erst mal einen Gegenentwurf zu produzieren, zurückstellen.

    (daß sich Privatleute den Kopf zerbrechen, finde ich sogar grundsätzlich gut, selbst wenn sie es nicht müßten. Initiativen „aus dem Volk heraus“ sollten immer Bestandteil demokratischer Politik sein. Nur fehlen wie gesagt die „Schnittstellen“, an denen diese Initiativen die Möglichkeit erlangen können, gleichberechtigt bei denen mitzuspielen, die dank Position oder Geldbeutel mehr Einfluß haben. Noch. Ich bin mir relativ sicher, daß innerhalb der nächsten 5-10 Jahre da vor allem piratigerseits einiges verbessert werden kann ).

  9. 09
    S. Schwarzmeister

    Hat ein bischen was von Sozialkunde-Unterricht; „Entwerft ein eigenes Grundgesetz für einen fiktiven Staat“ .

    Meine Vorraussage: Da werden ein paar Leute sehr schnell sehr leise werden und von da an nicht mehr so vehement gegen „die Idioten da oben“ lamentieren. Das wäre schonmal ein Erfolg.

  10. 10

    Ich glaube, das grundlegende Problem ist Ungeduld. Es wird vernachlässigt, dass viel Zeit nötig ist, um vielen Interessen gerecht zu werden. Natürlich fördert das Netz dieses Geschwindigkeitsdenken, aber es wird nie auf die Kohlenstoffwelt übertragbar sein. Kleinere Anliegen kann man vielleicht schnell(er) entscheiden, aber die großen Themen wie die Änderung des UrhG erfordern Geduld.

  11. 11

    @#800798: Dass da ein paar Leute „sehr schnell sehr leise“ werden glaube ich nicht. Manch einer wird vielleicht erkennen, dass Gesetze zu finden, die mehrheitstauglich sind und gleichzeitig alle Interessen abdecken, ein Ding der Unmöglichkeit ist – trotzdem werden sie es weiter fordern. Denn man hört ja auch nicht auf, darauf zu hoffen, dass das eigene Leben den Weg einschlägt den man sich erhofft (was weiß ich: Gewinn im Lotto, reich & berühmt werden), nur weil es nicht machbar scheint.

  12. 12

    @#800796: Den Gedanken, mit den Privatleuten, hatte ich auch. In einer idealen Welt, würde sich *jeder* dafür interessieren, was an Gesetzen ausgehandelt wird.
    Und schade ist dabei tatsächlich, dass die Schnittstellen zwischen Gesetzgebung und Volk so indirekt sind. Ich hab das Konzept der Stellvertreter-Demokratie ehrlich gesagt nie gut gefunden. Es ist ein Kompromiss, geboren aus dem Pragmatismus, da sich halt nicht viel bewegt, wenn jedes Thema in aufwändigen Wahlen abgestimmt wird. Trotzdem – die Interessen der Einzelnen würden bei einer Direktdemokratie besser zur Geltung kommen.

    Mit den Möglichkeiten von heute – obwohl Internetwahl sowie Wahlmaschinen werden ja vielfach abgelehnt – ginge da aber vielleicht was.

  13. 13
    ctn

    @#800812: Ein alter Grundsatz: Je mehr Leute man unter einen Hut bekommen muss, desto schwieriger wird’s. Ich habe es leider viel zu oft erlebt, dass wenn sich jeder einmischen soll und darf, das Ganze schnell in Endlosdebatten ausartet, die zum Fulltime-Job werden. Somit bin ich über Stellvertreter oft ganz glücklich.

    Doch selbst in unserer Stellvertreter-Demokratie zeigt sich das Fulltime-Job-Problem: Die meisten von uns haben nicht die Zeit und das Geld, den Stellvertretern rund um die Uhr mit eigenen Wünschen gut vorbereitet auf die Nerven zu gehen (besser bekannt als „Lobbying“).

    Den „Free Internet Act“-Entwurf finde ich von der Herangehensweise interessant: „Crowd-Lobbying“ (verzeiht mir die Wortschöpfung) als neue Komponente des Politikbetriebs? Spannend. Mag der Entwurf auch teilweise weltfremd erscheinen, das tun andere Lobbyvorschläge auch. Doch eben als Lobby-Vorschlag leistet er meiner Meinung nach einen wichtigen Beitrag.

  14. 14

    @#800884: Das ist das, was ich damit meine, wenn ich sage, dass es ein Kompromiss ist, der aus dem Pragmatismus geboren ist :)

  15. 15

    Luftschlösser

    Global zu denken ist überheblich, so lange es uns nicht gelingt die einzelnen
    Regierungen davon zu überzeugen den freien Datenverkehr zuzulassen.

    Wo wir dann wiederum mit dem Problem des kriminellen Missbrauches priv.
    Meldungen umgehen müssen.

    Schlagwort:
    Privatsphäre

    Schwierig

  16. 16

    @#800884: Lobbyismus ist ja nicht per se schlecht – es ist schließlich das Recht eines jeden, auch einer Branche oder eines Unternehmens, seine Anliegen vorzutragen und sie möglichst gut (und halt auch egoistisch) zu vertreten.

    Die Probleme entstehen ja nur daraus, dass sich halt bestimmte Bevölkerungsgruppen keine Lobby leisten können. Aber am Ende machen die DigiGes oder andere Gruppierungen, Vereine, AKs auch: Lobbyarbeit.

  17. 17
    ctn

    @#800894: Genau deshalb finde ich den „Free Internet Act“-Vorschlag ja auch so interessant. Das ist für mich ebenfalls Lobbyarbeit, aber eben in der „Crowd-Version“. Ich halte das für eine wichtige Entwicklung, da solche Bewegungen das Spektrum neben den bisherigen Lobbies ergänzen können. Da jeder die Möglichkeit hat, daran mitzuwirken, wäre das meiner Meinung nach ein Weg zum besseren Funktionieren der repräsentativen Demokratie.