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Schreibschutzrechte

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Was mir auffällt beim Schreiben eines Buches: Wie sehr ich durchs Bloggen gelernt habe, mich kurz zu fassen.

Das mag jetzt den Einen oder die Andere überraschen, schließlich bin ich bekannt fürs Abschweifen, bei kurzen wie bei langen Texten und somit nicht nur bei solchen wie diesem, auch mitten in einem Satz, der nicht immer.

Es ist wirklich eine Qual, da probt man jahrelang, im möglichst knackiger Form das zu sagen, was man sagen will, und dann merkt man, dass gut 200 Seiten zu einem Thema ein völlig anderes Spiel sind. Sobald man sich jedoch an den Raum zum Atmen gewöhnt hat, macht die neu gewonnene Freiheit Spaß, Gedanken können ihren Lauf nehmen und hätte man annähernd so viel Zeit, wie man Seiten zu füllen hat, wäre alles prima. Hat man aber nicht, weshalb alles nur fast prima ist.

Das selbstgewählte Schreib-Exil hilft jedoch enorm, wenigstens nach den ersten Tagen, die dafür drauf gegangen sind, den besten Kaffee und die Raucher-Lounge zu finden, Wein und andere lebensnotwendige Dinge einzukaufen und das selbst installierte WLAN im Hotelzimmer an den Start zu bekommen. Die Ethernet-Verbindung bzw. der Login ließ nämlich nur ein Gerät bzw. eine IP zu und es war mir nicht gelungen, die an den Router vergebene IP an mehrere Geräte zu übergeben. Ich wusste aber auch nicht einmal, ob das überhaupt geht, und habe mir dann nach vier Stunden des Probierens einfach ein zweites Passwort besorgt. „Learning by learning“ nenne ich das.

Aber das Internet lenkt eh nur ab, und man beschäftigt sich plötzlich doch wieder mit Themen wie geplanten Leistungsschutzrechten—ein Wort, das meine Rechtschreiberkennung nicht erkennt, und ich werde einen Teufel tun, ihr dieses Wort beizubringen. Interessanterweise hat ein Freund kürzlich eine Diskussion über unabhängige Bewertungen im digitalen Raum angestoßen, vor allem in Bezug auf die 코리아카지노사이트 선정 온라인카지노 순위. Er erklärte, wie wichtig solche Rankings für Nutzer sind, um verlässliche Plattformen in einem unübersichtlichen Markt zu finden, aber auch, wie leicht sie manipuliert werden können. Es erinnerte mich daran, wie wichtig Transparenz und kritische Auseinandersetzung sind, besonders wenn man sieht, wie einige „große“ Medien sich mit eigenen Interessen quälen und dabei doch über Unabhängigkeit schreiben sollen.

Bevor nun eines dieser Verlagshäuser aber auf die Idee kommt, Staatsgelder anstelle von Google-Zahlungen für die Rettung ihrer als Armenhäuser bekannten Publikationsmaschinen zu verlangen, plädiere ich für eine schnelle Blog-Initiative, die sich um die öffentlich-rechtliche Förderung von Blogs kümmert. Ich habe zwar keinerlei Ahnung, wie man so etwas fair und sinnvoll umsetzen könnte, aber die haben die Verlage ja auch nicht und fordern trotzdem dauernd irgendwas. „Von den Großen lernen“ nenne ich das.

Heute morgen musste ich übrigens aus Mangel an verfügbaren Alternativen die WELT lesen, also nicht dass ihr denkt, ich würde hier ein leichtes Leben führen.

Für die Chronik: Ich kann Wulff nicht mehr ertragen, weder den Namen noch den Mann, es tut mir weh, das alles noch weiter mitansehen zu müssen, der soll jetzt bitte weg sein, der soll nur noch irgendwo sein, wo sonst niemand sein will. Hannover also, das Aldi der deutschen Städte. Jeder war mal da, aber eher zufällig und nicht gerne, und was man mitnimmt, sah zuerst nach einem guten Angebot aus, war am Ende aber doch nur die durchschnittliche und qualitativ mindere Kopie eines Produkts. Die Scorpions lagen in einem dieser Mittelregale zwischen Anoraks und hautfarbenen Sport-BHs, „Rockband inkl. Hit“ stand da und es war die letzte und sie war noch einmal runtergesetzt, also nahm man sie mit und stellte erst zuhause fest, dass man in Wirklichkeit eine Schlagerkapelle gekauft hatte, deren achtzigjährige Bandmitglieder an jeder Hand nur einen Mittelfinger haben. Mit Wulff war das so ähnlich, den gab’s aber nur via Online-Shop, „Deutscher Bundespräsident, neu, 199.000 Euro“ war dort zu lesen und niemand hat auf das Kleingedruckte „Mindestgebühr pro Jahr“ geachtet.

Was für eine erbärmliche Aussitzer-Politiker-Riege, diese Generation Kohl. Jammerlappen, Weicheier, Sich-ins-Trockene-Bringer. Ich will Unternehmer, keine Allesmitnehmer, ich will Typen und keine Polypen. Wenigstens hat Merkel nicht Putin gratuliert. Immerhin. Vermutlich hat Schröder das übernommen.

In der Newsweek habe ich einen langen Artikel über die Euro-Krise gelesen und so gut wie nichts verstanden, außer, dass offenbar niemand etwas versteht, vor allem Merkel nicht, und dass Europa kein Jahr mehr Zeit für Lösungen hat, weil der ganze Kram von Beginn an falsch aufgestellt wurde. Zuerst muss man nämlich für eine ökonomische Angleichung der einzelnen Länder sorgen, erst dann kann man die Währungen vereinen. Kohl und Konsorten haben das aber genau anders-, also falschrum initiiert, und da haben wir den Schlamassel, denn während bestimmte Steuerungsmechanismen wie Kreditzinsen für Europa zentralisiert wurden, blieben andere Themen, zum Beispiel fiskale, bei den Ländern, was dazu führte, dass sich zum Beispiel Griechenland absurd günstige Darlehen besorgt hat, die unter anderem deshalb so günstig waren, weil sich Deutschland damit gesund leihen wollte. Und nun können wir Griechenland auch nicht hängen lassen, denn sowohl Deutschland als auch Frankreich sind so dermaßen mit griechischen Bonds vollgepackt, dass wir alle mit drin hängen.

Wie gesagt: Das kann alles völlig falsch wiedergegeben sein, es ist ja aber auch völlig egal, ob ich das verstehe oder nicht, denn wenn ich es verstünde: Was würde das ändern? Eben.

Im Großen und Ganzen bleibt alle beim Alten: Das Scheißsystem ist schuld. Auch beruhigend, auf eine Art.

Während der Recherche zu einem Buch stößt man auf viele Artikel-Leichen bei den großen Qualitätsmedien, Artikel also, die allein der Suchmaschinenoptimierung der Site dienen, Texte, die einem das dpa-Abo irgendwo ins System packt und die wahrscheinlich nie das Licht der Start- oder Themenübersichtsseite erblickt haben. Artikel, die man nur über Google findet, wofür Google ja jetzt bezahlen soll, und die nicht selten einen suchmaschinenoptimierten Titel tragen, der das genaue Gegenteil von dem sagt, was dann im Text steht. Drüber steht dann zum Beispiel „Facebook macht Kinder dumm“, darunter liefert ein dpa-Text die Feststellung auf Grundlage einer Studie, dass dies nicht der Fall zu sein scheint. So in etwa. Auch ein Scheißsystem.

„Ihr aber, ihr Reichen, weint nur und klagt über das Elend, das euch treffen wird.“
(Aus der Hotelbibel, war die erste Stelle, die Tanja beim zufälligen Aufschlagen gefunden hat.)

24 Kommentare

  1. 01

    ‚rechtschreiberkennt‘ – geil. Viel Erfolg!

  2. 02
    Martin

    Hannover das Aldi unter den deutschen Städten? Berlin dann das Sozialkaufhaus? Hannover-Bashing sucks so allmählich…

  3. 03
    berlinerbaer

    Jaja, also bitte, nichts gegen Hannover. Wer die Stadt nicht mag, kennt sie nicht. Warum dieses oberflächliche gebashe? Ist auch nicht besser, als das freie Internet zu diskreditieren, weil es ja nur zum Content-Diebstahl dient. Kommt auch nur von Leuten, die keine Ahnung haben. Spreeblick ist doch sonst so antipopulistisch.

    Ansonsten finde/fände ich es ganz interessant mehr zum (kreativen) Prozess des Bücher-Schreibens zu lesen. Vielen Dank!

  4. 04

    „die öffentlich-rechtliche Förderung“ von Blogs

    Vielleicht klappt das ja 2013, wenn die Rundfunkgebühr als Haushaltsabgabe
    etabliert werden soll. Schließlich kassieren die dann wirklich jeden ab. Geräteunabhängig, und das obwohl ich den kompletten Content der öffentlich-rechtlichen gar nicht zu 100 % im Netz empfangen kann, weil die privaten Anbieter dies gerichtlich durchgesetzt haben. Hoffentlich gibt es ne Klage vor dem Verfassungsgericht gegen die Rundfunkgebühr als Haushaltsabgabe, dann finden sich vielleicht Argumente und die „Blogs“ könnten bei der Gelegenheit mit ins Boot.

  5. 05
    rezz

    initiiert heißt das

    @Martin: Kennst Du das Buch „Öde Orte“? Da Steht über Heilbronn: stadtgewordener Rudolf Scharping – Hannover wird auch erwähnt, aber ich weiß nicht mehr genau wie …

  6. 06

    @#801292: @#801293: Okay, korrigiere mich: Hannover ist die Stadt mit den humorvollsten Einwohnern. Besser? ;)

    Im Ernst, ich mag Hannover und war schon recht oft dort. Entspannt euch. Die Scorpions sind trotzdem blöd, aber da kann die Stadt ja nix für.

    @#801296: Da steht doch „initiiert“, oder übersehe ich etwas? (Update: Hab’s gefunden, es war einmal falsch, danke!)

  7. 07
    flubutjan

    Hi, Johnny,

    1. allen, die mir über den Weg laufen und gerade damit beschäftigt sind, irgendjemand anderes blöd zu finden (und seien es die Scorpions), empfehle ich z. Z. das Werte- und Entwicklungsquadrat von Schulz von Thun:

    http://www.schulz-von-thun.de/index.php?article_id=72

    Die (wie ich finde) absolut mindblowing Tendenz dabei: Die Eigenschaft, auf die man allergisch reagiert, weist nur in die Richtung des eigenen Entwicklungspotentials. Etwas Besseres zum Thema ‚Liebe Deinen Feind‘ kenne ich nicht.

    2. Wulf. („Ah!“) Wulf. („Autsch!“) Wuuuulf! („Aaaaargh!“). Nee, im Ernst, eins zu Wulf MUSS ich noch loswerden, nämlich, dass es immer noch zum Bepfeifen ist, dass W. in seiner Abtrittsrede in Zusammenhang mit diesem seinem Rücktritt das Wort „zügig“ verwendet hat (in Worten: zügig). Auf youtube gibt’s was vielleicht Passendes für seinen Zapfenstreich, erste Zeile: „Faster than the speed of light“.

    http://www.youtube.com/watch?v=YZHaqss0nno

    Tschöh.

  8. 08
    Martin

    @Johnny: Besser. ;)

  9. 09
  10. 10
    murmel

    @flubutjan
    „was vielleicht Passendes für seinen Zapfenstreich“…

    hätte da auch ´ne Idee…

    Wulff´s 5. – als Geschenk sozusagen den „Gefangenenchor aus Nabucco“ gesungen/gesummt oder wie auch immer – vom Volk!

    Bei genug „Volk“ wäre das sicher ein spektakuläres Ereignis!!!

  11. 11
    flubutjan

    @#801329: Flashmob, ick hör Dir trapsen. Bei Zeit-online waren die Vorschläge „Gitte, Ich will alles“ und „Dire Straits, Money for Nothing“ sehr beliebt.

  12. 12
    sim

    „Hannover also, das Aldi der deutschen Städte. Jeder war mal da, aber eher zufällig und nicht gerne, und was man mitnimmt, sah zuerst nach einem guten Angebot aus, war am Ende aber doch nur die durchschnittliche und qualitativ mindere Kopie eines Produkts.“

    Huch, das trifft ja sogar für mein Studium zu. Aua… :(

  13. 13
    flubutjan

    @#801380:

    “ ‚(…) qualitativ mindere Kopie eines Produkts (…)'“

    – je länger ich darüber nachdenke, desto wahrscheinlicher erscheint es mir, dass die Qualitätsdifferenzierungen des anspruchsvollen, „kompetenten“ Kunden viel mit den Trennungen und Hierarchisierungen zu tun haben, die wir ständig allgemein vornehmen, und die es uns ermöglichen, einiges „Hui“ zu finden und anderes „Pfui“, leider auch Menschen, „leider“, weil Wertungen ohnehin …, aber dann noch in Bezug auf Menschen …

    Blödfinden muss ja sowas Tolles sein, ich z. B. finde Trennungen und Hierarchisierungen irgendwie blöd. Aber Blödfinden selbst stellt m. E. gleichzeitig ein Problem dar, um nicht zu sagen: Blödfinden kommt mir blöd vor. (Wie kommt man aus DER Nummer raus?)

    Ich weiß, ich weiß, ein könnerhaft operierter Blinddarm ist besser als ein nicht könnerhaft operierter Blinddarm (um zum Thema ‚Produkte‘ zurückzukehren). Daher möchte ich (ausnahmsweise mal PiPi zitierend) nun nur noch hinzumurmeln: „Mein ja nur.“

    Ach ja, und Jazz ist toll.

  14. 14
    Monika

    Kannst du das mit dem SEO von Spiegel.de & co noch ein wenig genauer beschreiben? Und achja was schreibst du eigentlich für ein Buch?

  15. 15
  16. 16
  17. 17
    flubutjan

    Sorry, dass ich nochmal störe, aber: Ick hab‘ ooch ’n Jedicht.

    Das handelt in Anlehnung an meinen Kommentar 13 von (und heißt)

    PROFESSIONALITÄT

    Zur Instanz schön aufgeblasen,
    nennt Wert und Unwert tät’ger Nasen.
    Halali!

    Das Urteilsrecht ihr zugeschoben,
    Es wird gewollt so: Sie ist oben.
    Hollahoh!

    Qualität ist Qualität,
    Und die woll’n alle, früh und spät.
    Her, her, her!

    Und wenn’s nicht klappt, dann ärgern sich
    Die mau Beschenkten fürchterlich.
    Hrngh, grrr, mpfh!

    Doch was uns stört am Pfusch-Unhold
    – Ihr hört’s nicht gern – ist auch gewollt.
    Hallelujah!

    So lässt man ab vom Spitzenwerk?
    Wohl kaum. Wir kill’n den Könnenszwerg.
    Hi, Hi, Hilfe!

    In seinem Bauch steckt dann ein Messer
    Mit der Aufschrift „Uns ziemt’s besser“.
    Hach, ach, ach!

    So hat geschmecktes Leid gerächt
    Der Konsument, und das ist auch nicht gut.

  18. 18

    Oh

    Monsieur flubutjan

    fühlt sich angepisst.

    Das mit den Reimen überlasse besser denen, die es verstehen.

    (Hierbei geht es definitiv nicht – die Mädels sollten am besten wegschauen –
    um irgendwelche unsinnige Schwanzvergleiche. )
    Wer keine positive o. kritische Respons erhält, hat entweder
    totalen Blödsinn von sich gegeben, oder aber beeindruckt.

    Alles Gute ;)

  19. 19
    flubutjan

    @#801444: Danke, P., für den Empathie-Versuch, aber nee, ich fühlte mich (bis eben:) gar nicht „angepisst“, echt. Dass Dir meine Reimerei nicht gefällt, muss ich versuchen zu ertragen (bisher hatte ich den Inhalt nicht auf mich bezogen, doch so kann’s gehen … hätten sich ja wieder ein Pfuscher und ein abgeneigter Konsument gefunden).

  20. 20

    Ich bin der Konsument.
    Danke für den Beweis.

  21. 21
    flubutjan

    @#801453: lol :-)

  22. 22
    gustav mit der hupe

    Hannover?
    …ist das Stuttgart des Nordens.