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Die Arbeit an „Netzgemüse“

netzgemüse
Netzgemüse: Gliederungsversuch, verworfen.

Fertig. Tanja und ich haben nach einem intensiven halben Jahr das Netzgemüse-Manuskript abgegeben.

Das bedeutet natürlich keineswegs, das unsere Arbeit beendet ist, denn noch ist das Werk nicht lektoriert und vielleicht gibt es noch Änderungs- oder Ergänzungsbedarf. Dennoch erlaube ich mir schon jetzt ein paar Gedanken, denn ich habe zum ersten Mal ein Buch geschrieben.

Zu Beginn des Schreibprozesses war da diese Angst vor der schieren Text-Menge. 220 Seiten sollten es werden, das entspricht etwa 400.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen), und am Anfang habe ich alle paar Minuten die Zeichenanzahl überprüft um dauernd festzustellen, dass ich immer noch nicht mehr als vier Seiten geschrieben habe. Und Tanja ging es nicht anders. Obwohl wir uns die Arbeit teilen konnten, waren wir eine ganze Zeitlang sicher: Das schaffen wir nie. Das bekommen wir nicht voll. Was wir zu sagen haben, können wir auf 60 Seiten sagen.

Dabei stand uns die Erfahrung des Bloggens sogar ein wenig im Weg. Denn obwohl ich auch gerne mal ausufern kann in meinen Blog-Texten, habe ich mir angewöhnt, nicht auf jedes Detail einzugehen. Dass man bei einem Buch gerade dafür die Zeit – besser: den Raum hat, das musste ich erst lernen und dann zum Besten nutzen. Denn Details brauchte das Buch. Aber welche?

Die Frage nach dem Kenntnisstand der Leserschaft war nämlich die nächste Herausforderung. Klar war, dass es kein Buch für Internet-Dauernutzerinnen oder Nerds sein wird. Aber auch nicht für komplette Einsteiger, denen man wirklich jeden Begriff erklären muss. Aber für wen dann? Eltern, klar. Aber wie alt sind diese Eltern? Wie viel eigene Erfahrung mit dem Internet haben sie bereits?

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Als wir mal dachten, man könne an einer Hotelbar Bücher schreiben.

Wir entschieden uns, für Eltern ab etwa Mitte 30 zu schreiben, die selbstverständlich und vielleicht aus beruflicher Notwendigkeit das Netz in seinen Grundfunktionen nutzen, darüber hinaus aber eher mit Sorge auf die Mediennutzung ihrer Kinder schauen. Das hat die Arbeit etwas klarer gemacht. Denn Sorgen wollten wir nehmen.

Doch auch das war nicht ganz simpel. Wer Kinder hat, der weiß: Man kann den digitalen Medien noch so aufgeschlossen gegenüber stehen, man ist in vielen Bereichen doch einsam und überfordert. Und einfache Antworten auf die vielen Fragen gibt es nicht. Zudem kamen wir uns irgendwann bei den Beschreibungen der Netzbereiche vor, als würden wir die ganze Welt erklären wollen, was wir wiederum nicht einmal auf 22.000 Seiten hätten schaffen können, außerdem wollten und konnten wir aber auch keinen Erziehungsratgeber schreiben, denn Ratgeber sind sowieso Mist und passen nie fürs eigene Kind und meine Güte, das steht doch im Grunde genommen alles schon im Netz, sollen die doch selbst einfach mal …

… es war sehr kompliziert. Unzählige Gliederungen und Stichwortsammlungen später, nach der achtzehnten Revision des Facebook-Kapitels und nachdem wir feststellen mussten, dass wir uns die Arbeit zwar teilten, genau das aber oft genug dazu führte, dass wir Dinge doppelt geschrieben hatten und alles wieder umstellen mussten, beschlossen wir, im Grunde eine Art Manifest zu schreiben mit einer nicht im Buch auftauchenden Überschrift, die heißen könnte: The Kids are alright.

Überhaupt, das Schreiben zu zweit. Anfangs war es leicht: Du machst YouTube, ich mach Facebook. Und dann tauschen wir das aus und lektorieren uns gegenseitig. Und damit begannen die stundenlangen Diskussionen. Was schreibst du denn da für Unsinn? Wieso bist du jetzt seitenweise auf Smartphones eingegangen, das habe ich doch schon gemacht? Das ist gähnend langweilig, was du da die die letzten zwei Wochen getippt hast, das will doch keine Sau lesen! So siehst du das? Darüber müssen wir aber noch mal reden!

Ein Problem war auch, dass wir beide sehr unterschiedlich schreiben. Ich schreibe schneller und mehr, aber Tanja schreibt um Längen besser und hat für fast jeden Punkt sowohl kluge als auch richtige und wohl formulierte Vergleiche, die bei mir immer doof sind und die ich daher gleich weglasse, was dann schnell langweilig wird. Dass wir – hoffentlich – beide Stile und Herangehensweisen in einem Buch zusammen bekommen haben, ohne dass die Leserin oder der Leser den Eindruck bekommt, zwei verschiedene Bücher vor sich zu haben – das ist vielleicht unser eigentlicher persönlicher Erfolg.

Wir haben uns ordentlich gefetzt während der Arbeit, aber auf eine gute Art, meistens mit positiven Resultaten und immer mit dem Ziel: Es soll ein gutes Buch werden.

Netzgemüse
Sehr frühe Stichwortsammlung. Teilweise hilfreich.

Wir wussten ab einem bestimmten Zeitpunkt, dass es nicht darum gehen konnte, Antworten auf alle Fragen zu liefern. Wir wussten, dass wir niemanden von der Großartigkeit des Netzes überzeugen würden, dessen Leben zum Großteil aus Sorge und Angst besteht. Stattdessen haben wir eine positive Sicht auf die digitalen Dinge gewagt, haben einen Gegenentwurf zu Horror und Paranoia geschrieben, der sich der Gefahren und Herausforderungen bewusst ist, aber sich von ihnen nicht den Spaß verderben lässt.

Denn im Verlauf der Recherche und Arbeit wurde uns immer klarer: Es geht im Kern und bei fast allen Themen, über die man nachdenken und schreiben kann, immer um die individuelle Lebenseinstellung, die wir mit einem Buch nicht ändern werden. Sehen wir in erster Linie das Gute in neuen Technologien und Möglichkeiten, dann können wir auch mit ihrer Hilfe die Welt verbessern und voran schreiten. Sehen wir vor allem das Schlechte, werden wir Verbote und Restriktionen fordern und ewig darauf hoffen, dass sich die Zeit zurück bewegt.

Dass dies nicht passieren wird, das haben in unser Buch geschrieben. Und außerdem, warum manche Videogames so großartig sind; was für wahnsinnig tolle Familien-Abende man mit YouTube haben kann; warum man Kinder nicht bestrafen sollte, wenn man Pornografie im Browser-Verlauf gefunden hat; dass Foren, in denen es um Gewalt geht, keineswegs voller Sadisten sein müssen; warum unserer Meinung nach Kinder und Jugendliche so oft das Virtuelle dem Körperlichen bevorzugen; warum die aktuelle Medienerziehung keine ist und uns daher tierisch auf den Senkel geht … und vieles mehr. Auch, dass das Internet Bielefeld ist.

275 Seiten sind es geworden (ob es alle ins endgültige Buch schaffen, steht noch in den Sternen), unsere Angst vor der Zeichenmenge war also unbegründet, denn letztendlich haben wir uns selbst oft genug gekürzt.

Wir haben viel gelernt während der Arbeit an diesem Buch. Auch, dass sich viele Probleme, die das Netz in Sachen Erziehung und Kinder nicht wegdiskutieren lassen und jede Menge Fragen offen bleiben. Das wird auch bei unserem Buch so sein, das garantiert und hoffentlich auch jede Menge Haue bekommt. Denn wirklich erfolgreich wäre es, wenn es einen Ansatz zur öffentlichen Debatte jenseits von medialer Panikmache liefern könnte.

Wir sind gespannt, aufgeregt, erleichtert und ziemlich fertig. Und auch ein bisschen stolz.

Als nächstes setzt vermutlich die Panik ein, dass wir totalen Scheiß geschrieben haben könnten, alle das Buch blöd finden und es niemand kauft oder liest. Aber vorher machen wir Ferien. Gemeinsam mit unseren äußerst geduldigen und hilfreichen Kindern, die in den letzten Wochen (erstaunlicherweise ohne viel Beschwerden) zu Minecraft-Experten geworden sind. Während wir das Kapitel „Spielregeln“ fertig geschrieben haben …

Es wird natürlich ein eigenes Blog zum Buch geben, wir sagen dann Bescheid.

27 Kommentare

  1. 01

    Herzlichen Glückwunsch erstmal zur (vorläufigen) Fertigstellung. Alles Gute für die nächsten Schritte. Und letztendlich viel Erfolg. Ich werde es auf jeden Fall bestellen, natürlich nicht für mich, sondern zum Verschenken!

  2. 02
    Meee

    „Wir entschieden uns, für Eltern ab etwa Mitte 30 zu schreiben, die (…)“

    Hihi… Volltreffer! Auch wenn ich mich eher zu den Heavyusern zählen würde, werde ich auf jeden Fall einmal einen Blick in Euer Werk werfen (zu dessen ‚Fertigstellung‘ ich Euch herzlich gratuliere)!

    Freue mich schon darauf und bin sehr gespannt, was Ihr zum Thema Porn zu sagen habt. Denn gut heißen kann ich den Konsum für unsere heranwachsende Jungs nicht. Blocken macht wohl auch keinen Sinn, da finden sich andere Mittel, Wege und Quellen. Und dann ist da ja auch noch die Sache mit ‚Wasser predigen und Wein trinken…‘. Aber ich bin ja auch nicht mehr heranwachsend, gelle?

    Viel Glück mit Euerm jüngsten ‚Baby’…
    Meee

  3. 03
    Robert

    Alter Tiefstapler … vielen Dank für dieses Making Of und ebenfalls Glückwunsch zur vorläufigen Vollendung.

  4. 04

    @ Johnny und Tanja „The Kids are alright“ (Alter Titel von The Who leider nicht auf der time line gefunden http://www.youtube.com/watch?v=PVglLs3uA8Y&feature=related). Vielleicht hättet ihr eure Kids in den Autorenkreis miteinbeziehen sollen ;-) Das Buch richtet sich schließlich an Eltern und handelt von Kindern und ihrer Rezeption des Internet. Ein Buch schreiben ist immer ein Prozess des Verstehens, schließlich leistet Mensch als Autor, dieses Verstehen zu Teilen vorweg, das die Leser_innen nachvollziehen werden.
    Die eigentliche Leistung bringen eh die Rezipienten eines Textes. Die Autoren geben lediglich Hilfestellung.
    Aber es ist ein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass ‚mein‘ Buch z. B. in ganz vielen Bibliotheken steht und von ganz unterschiedlichen Menschen gelesen wird. In diesem Sinne toi, toi für euer Buch.

  5. 05

    Danke für die Glückwünsche!

    @#807132: Ganz, ganz schwieriges Thema, ja. Absolut. Unter anderem, weil es Eltern zwingt, mit Kindern in einem Alter darüber zu reden, in denen die das alles selbst eigentlich noch gar nicht wissen wollen (und auch nicht wollen bräuchten). Sexualerziehung findet übers Netz statt, aber gelehrt wird nur Sexismus. Absolut nicht so leicht, wie sich manch einer das machen mag („Da müssen sich halt die Eltern kümmern …“).

  6. 06

    @#807134: Danke auch dir sehr. Und die Kinder haben natürlich mehr mitgeschrieben, als sie selbst denken. :) Ohne sie hätte ich keine Ahnung von einigen Netz-Themen.

  7. 07

    Ich bin gespannt und freue mich sehr auf das Buch. Glückwunsch zumindest also erstmal zur Fertigstellung.
    Das Thema Content-Filterung bzw. -kontrolle oder alles mit Aufklärung hinbekommen zu wollen ist schon sehr spannend und sau schwer, finde ich. Ich probiere mit ein paar Tools mit „Jugendschutzfilter“ herum, aber das Wahre ist das auch nicht, auch wenn es bei unter 10-jährigen sicher helfen kann. Bin mal gespannt auf Eure Vorschläge. :)

  8. 08

    Gratulation zur Manuskriptabgabe und dem, was ihr geleistet habt – wird sicher gut weitergehen.
    Da hier im Hause ja auch zu zweit geschreiben wird, musst ich mehrmals grinsen. Am meisten vielleicht darüber, das unsere Jungs mal wieder parallel laufen: hier werden auch seit mehreren Wochen Schlösser mit U-Bahnanschluss gebaut und MC Mods installiert.
    Gruß aus FFM

  9. 09

    Ich gratuliere Euch beiden sehr! Beim Lesen des Artikels habe ich mit Euch gelitten – das nächste Buch kann ein Buch über das Schreiben werden :))
    Wann kommts raus?
    (und die eigentliche Panik kommt erst, wenns in der Druckerei ist und man kann nichts mehr, aber auch garnichts mehr ändern….)

  10. 10

    wann wart ihr denn in neuruppin ? :)

  11. 11

    toll, ich bin sehr gespannt!

  12. 12

    @#807141: Irgendwann vor ca. drei Monaten. Du hättest mich u.a. beim Brillenladen treffen können, die haben meine kaputte Brille exzellent repariert! :)

  13. 13

    Spannende Ein- und Ausblicke. Ich bin gespannt!! :)

  14. 14

    Glückwunsch. Selbst wenn Ihr nicht jede Bergetappe gewonnen habt, ist die Ziellinie doch bereits in Sichtweite.

    Für mich, Jahrgang 1963, kommt das Buch leider einige Jahre zu spät. Die Tochter ist – und das ist gelegentlich ein befreiendes Gefühl – seit vier Jahren für alles, was sie im Netz oder sonst wo so treibt, selbst verantwortlich.

    Aus dem Gemüse werden irgendwann reife Früchtchen. Gut so.

  15. 15
    Lea

    „Herzl. Glückwunsch“, „Ich gratuliere“. Diese leeren, harmonisch-deutschtümlisch-leeren Floskeln.

  16. 16
    jochen

    urlaub … auch schoen!
    glueckwunsch zur gemeinschaftsleistung und gute erholung :)

  17. 17

    Nörgeln kann ich.
    Lesen kann ich auch.
    Das mit dem verstehen ist so lala…


    Ich brauche Action wie bei dem Kurzfilm
    ‚PUNISHER Dirty Laundry‘

    Wünsche den Autoren viel Erfolg.

    PiPi

  18. 18
    flubutjan

    Die aufgezählten Inhalte/Themen klingen wirklich ganz interessant. „Bonne chance!“ (wie wir Alt-Ruppiner gerne mal so ganz „undeutschtümlich“ jemandem zurufen.)

  19. 19

    Netzgemüse Positionen Reflexionen

    Tanja und Johnny haben bereits bewiesen sich artikulieren zu können.
    Anstatt ein auf gedrucktes Papier (Zellulose) könnte der Inhalt auch
    ganz einfach als Hörbuch erzählt werden. Was den Blinden u. sonstig
    beeinträchtigten Menschen es ermöglicht zumindest tlw. Probleme zu
    verstehen worüber sich andere emotional echauffieren (kümmern).

    Mein ja nur.

    Alles Gute

  20. 20

    @#807167: Hörbuch sollten wir auch machen, ja. Ich schätze, das ist ein wenig abhängig von der Nachfrage.

    Und übrigens freuen wir uns sehr über nette Stimmen und gute Wünsche. :)

  21. 21
  22. 22

    @#807178:

    http://www.REVOLVERMAPS.com
    .
    @#807177:
    Nette Stimmen?

    Sonor oder Tenor

    Meine letzte Ton- u. Bildaufnahme war ein teuer bezahltes Projekt des damaligen Arbeitsamtes.

    Im Resultat waren nur Zeitarbeitsfirmen an mir interessiert.
    Monate später erhielt ich penetrante Telefonanrufe von mir
    subjektiv empfundenen Neppern.
    Der seinerzeitige Datenschutz war so gut wie nicht
    gegeben. Mittlerweile lebe auch ich vom Geld anderer.

    Immer gerne gesehen:

    http://www.bfdi.bund.de

  23. 23

    #24
    Nachtrag

    Bin mir manchmal nicht sicher mit meinen Aussagen,
    ob diese konform mit anderen Meinungen einhergehen.

  24. 24

    @#807533: Ich hab den Spam-Kommentar vorher gelöscht und deinen, der sich darauf bezog, dann auch. Ergibt jetzt alles nicht mehr viel Sinn, sorry dafür.