Der Seddinsee ist sehr schön.
In den Herbstferien traten wir mit der ganzen Bande den Beweis an, dass man auch in Berlin Urlaub machen kann, solange man sich von den Betonstraßen fern hält und stattdessen die Wasserwege wählt. Ein Spreereisebericht.
Eine dieser Wasserkutschen war unsere.
Mit einem Hausboot und wenig Ahnung ließen wir uns drei Tage lang durch die Spree treiben, absolutes Natur-Highlight dabei war der oben gezeigte Seddinsee, die einzige Seele, der wir dort begegneten, gehörte einem Adler. Und überhaupt: ein wunderschönes Fleckchen. Auch toll zum Baden. Im Sommer.
Wo’s rot ist, da waren wir.
Das Spree-Schippern macht wirklich Spaß, zumal wir wirklich Glück mit dem Wetter hatten, viel Sonne, rund 14 Grad: Voll okay für eine Bootstour im Herbst.
Käpt’n, Steuerfrau, Smutje. Nicht im Bild: Klabautermann.
Wer etwas ähnliches probieren möchte, dem sei gesagt, dass das Auftanken eines batteriebetriebenen Bootes nicht ganz so profan ist, wie man denken könnte. Auf einer unbedingt mitzuführenden Wasserkarte muss man nicht nur nach den öffentlich zugänglichen Anlegestellen suchen, sondern anhand ihrer Nummer in der Legende der Karte auch nachschlagen, ob wirklich Steckdosen vorhanden sind. Fährt man gemäßigt, mit etwa 5 km/h, kann man mindestens sechs Stunden über die Spree gleiten, leicht höhere Geschwindigkeiten (7 km/h) sorgen gerne mal für einen Anstieg des Stromverbrauchs auf das Sechsfache, das lohnt sich also nicht. Obwohl es noch Benzin-Reserve gibt, falls alles schief geht: Nachts muss „getankt“ werden, die Auswahl einer entsprechenden Stelle sollte man gut ein paar Stunden im Voraus planen. An einer Stelle zahlten wir fürs Anlegen und Strom gar nichts, weil wir im angeschlossenen Restaurant gegessen haben, an einem anderen Platz zahlten wir 12 Euro inkl. Toiletten- und Duschen-Nutzung für vier Personen. Es hält sich also alles im Rahmen, solange man einen Plan hat. Aber bei uns ging es auch, und wir hatten keinen.
Sieht toll aus, ist aber schließlich nicht Tach der offenen Tür: Brandenburger Anlegestelle.
Immer wieder schön: Brandenburg. Nicht immer schön: Brandenburger. Wir konnten die Gastfreundschaft der Ureinwohner aus nächster Nähe erfahren, als man uns auf einem Anlegeplatz mit den wohltuenden Worten „Watt wollt’n ihr hier?“ begrüßte, den Zutritt zum Land mit der vermutlich inhaltlich korrekten, aber etwas harsch vorgetragenen Ansage „Ditt is hier nich Tach der offnen Tür!“ verwehrte, und unsere Bitte, das angrenzende und ganz offensichtlich geöffnete Restaurant über das Gelände der Anlegestelle betreten zu dürfen, mit den Worten „Haut endlich ab!“ tendenziell negativ beantwortete. Zum Glück hatten die keine Forken, sonst hätten wir noch mehr lachen müssen. Immerhin lohnte sich die Begegnung aber für ein Stück Erziehung. „So dürft ihr niemals werden!“, trichterten wir unseren von dieser Begegnung sichtlich verstörten Jungs ein, die genau das dann auch schwörten. Was nicht viel heißen muss, aber es geht ja um die Geste.
Ist nur nachts so dunkel und absolut empfehlenswert: Isola di Capri in Köpenick.
Natürlich waren alle anderen Brandenburgerinnen und Brandenburger sehr nett zu uns, allen voran die aus Italien stammenden Betreiber des Restaurants Isola di Capri in Köpenick (Alt-Köpenick 1), die uns trotz Überfüllung und unserer wegen Winterkopfbedeckung äußerst unschönen Frisuren einen Tisch freimachten, wunderbare Pizza und Nudeln servierten und nach dem Essen auch noch einen zwei ausgaben. Kulinarisch hat Brandenburg aber auch an anderen Stellen viel zu bieten, die Folienkartoffel „Aluschwan“ zum Beispiel könnte weltweit einmalig sein. Hoffentlich.
Brandenburger Spezialität: Die Folienkartoffel „Aluschwan“.
Bei einer Anlegestelle mit Campingplatz begegnete uns dann ein offensichtlich entflogener Nymphensittich oder etwas ähnliches, Tanjas zunächst geglückter Versuch, ihn zu fangen, musste nach der vierten äußerst schmerzhaften Hack-Attacke des Vogels abgebrochen werden, ebenso wie das bis dahin durchaus gelungene Video, das ich von dem Fang machen wollte. Ich kann ja nicht einfach weiter filmen, während meine Frau mit blutenden Händen gegen ein Raubtier kämpft.
Kurz vor der Attacke: Sittich.
Stattdessen saß das Vieh dann irgendwann seelenruhig auf einem kleinen Ast, den wir auf der Suche nach einem Ansprechpartner mit freiem Käfig durch das Gelände trugen, bis der Sittich dann in die Baumwipfel entflog. Der jüngere Sohn kommentierte: „Naja. Besser in Freiheit sterben als in Gefangenschaft leben“, und ich musste fast ein bisschen weinen. „Hab‘ ich aus einem YouTube-Video“. Natürlich.
Macht gerne einen auf harmlos: Sittich.
Ebenfalls unbedingt erwähnenswert, wenn man von einer Brandenburger Bootstour berichtet: Neu-Venedig. Ich übergebe für diesen Teil des Berichts an Tanjas Logbuch:
In Neu-Venedig kann man dem Mittelstand beim Überlebenskampf zuschauen. Hier ist es ordentlich und soll es auch bleiben. Das Maß der Dinge ist das Mittelmaß, es ist gepflegt und vernünftig, Risiken kann man sich nicht leisten. Rosen, Büsche, Hecken sind genauestens zurechtgestutzt, es ist leblos und gruselig, und selbst die Jungs äugen besorgt nach dem Stand der Sonne, hoffend, vor Einbruch der Dunkelheit da raus zu sein (Zombies). Als sich einer der vielen Deko-Plastikreiher plötzlich bewegt, quieken wir alle.
Wir haben auch gefilmt, vielleicht schneiden wir in den nächsten Herbstferien oder früher mal was zusammen. Besonders die Stelle mit der sehr niedrigen Brücke ist ganz lustig, dafür brauchen wir aber die Freigabe des Jüngsten …
Mit dem Hausboot durch Brandenburg…das wäre der absolute Hit. Ich würde den ganzen Tag nur am Angeln und Fischgrillen sein :)
Aaach, schön geschrieben, Herr Klabautermann!
Nett auch, dass Du Berlin schon mal großzügig wieder nach Brandenburg „eingemeindet“ hast, insbesondere Köpenick und Neu-Venedig: Ihr wart laut Karte von mir schlecht geschätzte 95% in Berlin unterwegs, zum Teil entlang der Landesgrenze und – weil ich gerade dabei bin – auch mehr als die Hälfte der Strecke auf der Dahme.
@#815673: LOL, okay, da hast du recht. Aber nun nimm‘ uns doch nicht noch das Gefühl, mal RAUS gekommen zu sein. ;)
„haut endlich ab“
Schön wenn man willkommen ist.
5km/h….sehr löblich, Johnny. Eure Strecke ist teilweise meine regelmäßige Ruderstrecke, und alles was uns da (verbotenerweise) mit mehr als 10 km/h überholt, haut uns nicht nur Wasser ins Boot und nervt, sondern ist auch gefährlich.
Deine Begeisterung für den Seddinsee teile ich uneingeschränkt, und ich hoffe die Strecke nach Müggelheim habt Ihr auch genossen.
Na, das klingt nicht nur gut. Das sieht auch noch viel besser aus. Zum Nachmachen. Wenn unsere Jungs größer sind, dürfte eine Hausboottour wirklich mal in die engere Wahl kommen.
@#815676: Wir waren vermutlich die rücksichtsvollsten Wassernutzer überhaupt, selbst die Enten haben mehr Stress gemacht als wir. ;) War aber auch nicht viel los, insofern hatten wir leichtes Spiel. Und klar, Müggelsee war auch super!
11 Millionen Touristen pro Jahr – aber Johnny Haeusler muss erst noch den Beweis antreten, dass man auch in Berlin Urlaub machen kann.
Es ist einfach schön,
zu sehen wie es ist.
Die Leserschaft -Unterstellung- hat bestimmt bereits viele Länder bereist.
Was auch in Ordnung ist. So manche/r kennt sich in Sevilla bestens aus.
An mir sehe ich,
dass es mir unmöglich ist, Touristen in meiner Geburtsstadt zu führen.
Das is Peinlich
☺
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/BinnenhandelGastgewerbeTourismus/Tourismus/Tourismus.html
@#815687: ALS BERLINER! I’m not a tourist. I live here. :)
Mich würde interessieren, wie hoch die Miete für die 3 Tage war und wie das Boot innen aus sah.
@#815673: Jetzt müsste Johnny eigentlich nochmal überlegen, ob die pampigen „Brandenburger“ nicht doch eher pampige Berliner waren.
@#815721: Auf wasserkutsche.com (erster Link im Artikel) findet man Infos zu Preisen und Ausstattung der Boote. Es gibt aber mehrere Anbieter zum Vergleichen.
@#815724: Da grübele ich auch drüber. Ich fürchte aber, wir waren da tatsächlich schon in Brandenburg. Möchte aber keinen Lokalpatriotismuseindruck erwecken: Unfreundliche Säcke gibt es auch in Berlin zuhauf.
BITTE BITTE BITTE macht nen Podcast draus. Als ihr damals in UK wart hat unser eurer Podcast zum Reisen animiert und wunderbar begleitet… bitte wieder einen, ich schick auch ne Kiste Lübecker Marzipan als Dankeschön (oder vielleicht vorher, so zur Motivation)
„…. die genau das dann auch schwörten.“
Außer gutem Benehmen sollte man auch die Feinheiten der der deutschen Sprache vermitteln.
Deutschland hat schon wunderschöne Ecken. Sehr schöne Fotos aus Brandenburg.