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ITALIEN IST WELTMEISTER

Aus, aus, aus!
Die WM ist aus!
Italien ist Weltmeister!
Herzlichen Glückwunsch!

Und Zidane… ach, ach, ach, mir fehlen die Worte.

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Didn’t watch the game?

Wir haben gewonnen. 3:1. Alle sind Weltmeister. Und Papst und Kaiser und Fußballgott. Jetzt husch, husch! Feiern gehen! Stimmung überall.

(Ich darf drei Minuten im Internetcafé umsonst ins Netz. Wegen meines Trikots.)

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Zaghafte Annäherung an die Ananas-Realität (Golden)

Realität wird im Allgemeinen völlig überschätzt. Ich war gestern im Regenwald des Kölner Zoos.
Eine LSD-Welt mit buntschillernden, aufgeblasenen Tauben, flirrend, doch fliegenlos, bedenkenbefreites Tropfenlassen, nie waren Schweißflecken besser begründet.
Dagegen konnte auch der draußen brutzelnde Rekordsommer nicht anschwitzen.
Wie ich aus dem Regenwald in die plötzlich kühle Kölner Luft, wird Jürgen Klinsmann heute in sein erstes Spiel in der Wirklichkeit treten.

Spielern wird überraschend klar, dass sie schwer verletzt sind, Zuschauer vergessen ihren Text (Deutschland, Deutschland) und beginnen zu pfeifen, Huth bleib Huth und für Ballack gibt es keinen Ersatz.
Was kann diese Mannschaft aus dem Fußgelenk schütteln, was ist ihr kleinster gemeinsamer Nenner, wenn nicht ein alles überschattendes Ziel zum Greifen nah scheint?
Tim Borowski nannte das Spiel um den dritten Platz der Heim-WM “Spiel um die Goldene Ananas.”
In der sprachlichen Sahelzone des Fußballs ist die Goldene Ananas die Fata-Morgana der Bilder.
Sie schimmert vor sich hin, soll ein Bild tiefster Verachtung sein und entblößt doch nur den, der sie in den Mund genommen hat.
Spiele der Nationalmannschaft sind beinahe immer Spiele um die Goldene Ananas. Und dann wird es plötzlich ernst, vier Spieler stehen um einen Italiener herum und fragen sich, ob sie bei früheren Gelegenheiten nicht einmal den Ernstfall hätten proben sollen, statt auf die Einflüsterungen ihrer Vereinstrainer zu hören: “Komm Basti, fahr doch nicht da hin, wir brauchen dich hier, Michael, der Klinsmann nominiert dich doch sowieso, Arne, wir bezahlen dein Gehalt, nicht der DFB.”
Bei beinahe jedem Spiel zwischen den Weltmeisterschaften hatte die DFB-Elf mehr Verletzte als eine durchschnittliche US-Einheit im Irak.
Wie oft konnte in der anvisierten Stammbesetzung gespielt werden?
Ich weiß es nicht. Waren schließlich bloß Spiele um die Goldene Ananas.

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Die Erben Klinsmanns

Der Kadaver der Deutschen Elf ist noch nicht kalt und schon spekuliere ich über die Klinsmann- Nachfolge?
Natürlich, denn die EM-Qualifikation wird schwer und Deutschland braucht einen exzellenten Trainer, nicht jemanden aus dem Schlussverkauf.
Klinsmann selbst wird nicht weitermachen. Dazu ist er zu intelligent. Er weiß, was er kann – und hat mit Sicherheit auch eine Ahnung davon, was er nicht kann.
Die Fokussierung auf die Fitness wird angesichts von Qualifikationsspielen, die wie Eisberge aus dem Meer von Liga- und Europapokalspielen herausragen, nicht möglich sein.

Und auch das Einpeitschen gestaltet sich schwieriger, wenn nicht ein alles überragendes Ereignis bevorsteht, sondern eine Reise nach Tirana.
Einfacher als 2004 gestaltet sich die Trainersuche nicht.
Die Bundesligatrainer, die in Frage kommen, sind alle mit ihren Vereinen in der Champions- League. Guus Hiddink wird Russland zur Fußballmacht für zwei Jahre machen.
Bleiben die üblichen Verdächtigen: Ottmar Hitzfeld, Christoph Daum, Lothar Matthäus.
Natürlich will niemand, dass Lothar Matthäus Trainer wird, er hat überall als Trainer komplett versagt aber die Bild-Zeitung wird ihren Spaß daran haben, ihn zu fordern. Ottmar Hitzfeld ist ein großer Trainer gewesen, ehe er gemerkt hat, dass der Job Falten in sein Gesicht und seinen Magen gefräst hat. Die Frage, wo seine Frau all die jahre zuvor war, drängt sich auf. Er hat sich nie als ein Förderer der Jugend hervorgetan, er wusste nur immer ziemlich genau, wen er auf seinen Wunschzettel, den er Sommer für Sommer Uli Hoeneß vorlegte, schreiben sollte.
Christoph Daum ist laut Jens Nowotny ein Trainer wie Klinsmann: Er lässt seine Spieler an sich glauben, ein Meister der Motivation. Die Kokserei interessiert mich nicht und das Lügen darüber: menschlich nachvollziehbar. Ich würde auch alles leugnen, was Hoeneß mir via Bild unterstellt.
Matthias Sammer ist nicht so schlecht als Trainer, dass man ihn für eine Katasrophe halten müsste, immerhin war er der jüngste Meistertrainer der Bundesliga. Aber er hat aus den jungen Wilden Stuttgarts die jungen Bankkaufmänner gemacht, eine kaum zu verzeihende Sünde.
Als diplomierter Lebensberater muss ich dem DFB einen Perspektivwechsel anraten.
Der DFB sollte sich nicht fragen: Wen kann ich bekommen?
Sondern: Wen will ich? Und diesen gefassten Entschluss in die Tat umsetzen, koste es, was es wolle.
Was sollte also der DFB wollen?
Einen Trainer von höchstem Renomée, der großes Taktikverständnis hat, mit jungen Leuten arbeiten kann und deutschsprachig ist.
Da gibt es nur einen:
Arsène Wenger.
Der will nicht?
Jeder hat seinen Preis.
Ein Abend mit Franz Beckenbauer, einem guten Wein und einem sehr guten Blankoscheck und die Welt sieht ganz anders aus.
Oh, der ist kein Deutscher?
Das war schon bei Guss Hiddink ein Problem.
Wer sich durch solche Feinheiten in seiner nationalen Eitelkeit gekränkt fühlt, wie es manche DFB-Funktionäre gern mal sind, wenn die Fitnesstrainer keinen Ariernachweis liefern können, der ist bestimmt sehr stolz, wenn Deutschland in der Qualifikation scheitert.

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Allez les Vieux *

Eine Mannschaft, in der ich noch als Jungspund gelten würde, eine Mannschaft, die einen Torwart durch das Turnier schleppt, weil er im vergangenen Jahrtausend eine Glückglatze war, eine Mannschaft, die einen Mythos in ihren Reihen hat:

Es würde nicht erstaunen, wenn Domenech im finalen Spiel kurz vor Schluss Napoleon Bonaparte einwechseln und dieser Robbespierre bedienen würde, der die Italiener allesamt wegen Betrugs am Sport durch einen Lupfer guillotinierte.
Was uns aber bewusst sein muss: Neben der Wiederauferstehung Zidanes wird alle Selbstzelebrierung der Deutschen im Blick der Nachwelt verblassen. 2006 wird das Turnier der frohen Botschaft sein.
Wo war das nochmal?
Ach ja, bei diesen Mitteleuropäern.

* Die Formulierung
Allez les Vieux
ist von Spreeblick-Leser/In Pat
vom Whistleblog der französischen Presse entnommen

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Dritter. Danke!

Ich kann nicht mehr sehen, nicht mehr hören, nicht mehr schreien, das Bier ist schal und vom Geruchssinn ganz zu schweigen. Und fühlen? Ich kann nicht mehr. Habe alles gegeben, eben. Ihr auch, Odonkor, Lehmann, Friedrich und das ganze Team, ich weiß. Danke.

“Und wenn das hier mal ein Traum war, ist er böse, denn hier geht er…So sieht’s aus. Unter’m Strich. Es tut uns nicht leid.” (kettcar)

Immerhin. Lahm ist grandios, egal, wo auf dem Platz. Lehmann, oh ja. Selten eine Meinung so geändert. Mertesacker, defensiv fast ohne gelbe Karten. Überhaupt. Alle. Das ist ein Team! Und letzteren Satz kann man nicht auf jede der angetretenen Mannschaften anwenden. Ach, es war toll. Und Italien hat es irgendwie dann doch verdient? Ich weiß nicht. Heute blieb sämtliche Rationalität nach dem Anstoss irgendwie woanders zurück. Also Dritter. Wäre mehr als verdient.
Danke.

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Die Reize von Stuttgart

Das Halbfinale ist zweifellos der beste Zeitpunkt für eine Niederlage. Man kann sich langsam von dem Turnier verabschieden, alle Spieler dürfen im letzten Spiel nochmal ran. Italien war gegen Ende hoch überlegen, die Niederlage ist nur vom Zeitpunkt her unglücklich, ansonsten war sie verdient.
Damit kann ich leben, Deutschland war auf die Gesamtdauer des Turniers besser, als es die meisten erwartet hätten. Italien hatte im Achtelfinale einen Hänger, ist jetzt aber in Hochform, fit über 120 Minuten, fähig, überraschende Nadelstiche zu setzen.
Autokorso wäre jetzt trotzdem schön gewesen.

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Kehl UND Borowski

Der Kicker spekuliert berichtet, dass Tim Borowski Bastian Schweinsteiger ersetzen wird. Kehl wird vor der Viererkette den Abräumer geben, während Michael Ballack hinter die Spitzen vorrückt. Die deutsche Mannschaft wäre demzufolge offensiver aufgestellt als gegen Argentinien. Es musste eine Verbindung zu den Spitzen her, da die Italiener sonst im umkämpften Mittelfeld immer eine Überzahlsituation hätten.

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preparing…

Fiebrige Hitze, warten auf das Halbfinalspiel und Rituale aus plötzlich existierendem, nicht nachvollziehbarem “Aberglauben” wiederholen.

Trikot? Wo ist es? Suchen. Wie die letzten Male auch. Dabei habe ich es keineswegs versteckt.
Noch zwei Tattoo-Abziehbildchen mit der Deutschlandfahne übrig. Immer nur eins benutzt. Ein Omen? Wie immer nur last minute draufpappen (fast vergessen) und auf dem Weg zum Public Viewing noch an der Bank vorbeifahren, wie bei jedem Deutschlandspiel. Dabei will ich diesmal gar kein Geld abheben.


Nein, das Fußball-Plugin vom Firefox nicht deinstallieren und auch nicht die Einstellungen ändern. Am ersten Tag auf Saudi-Arabien eingestellt und aus Langeweile nicht geändert. Nicht ändern!
Halbzeitbier. Kommt dann später. Muss sein. Selbst wenn ich nicht will. ;)
Das Cap nicht vergessen, auch wenn diesmal wohl keine Sonne mehr scheint. Deswegen auch, wie jedesmal, die Sonnencreme vergessen. Ist ja zum Glück abends. Mal kein Sonnenbrand.

Mehr kann ich nicht tun, aber mitzittern, mithoffen, mitglauben, mitapplaudieren und mitdaumendrücken sind inklusive. Und Herzblut. Und der kleine opportunistische Gedanke, dass ein WM Titel vielleicht etwas ändern würde. Was? Ich weiß es nicht. Aber es gibt doch genug, oder? Jeder kann sich für sich etwas aussuchen und vielleicht wird etwas Gemeinsames draus. Und ich schwelge wohl mal wieder in übertriebenen Hoffnungen. Nun. Erstmal Halbfinale. Sie haben alle Chancen und volle Unterstützung. Auf dass sie das nutzen! (Können mal nicht in Frage gestellt)

2

Virtual Replay aller WM-Spiele

Viel zu spät germerkt:
Man kann auf der Seite der BBC alle Spiele der WM aus selbstgewählten Perspekiven virtuell mit dem ShockWavePlayer anschauen.

gefunden bei SanDiego.de

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Endgegner

Wer wie ich in einer metaphernarmen Umgebung aufgewachsen ist, freut sich schon, wenn ihm das Bild gelingt, eine WM sei wie die Besteigung eines Achttausenders. Auch wenn der größte Teil des Weges geschafft ist, wird die Luft soviel dünner, dass die letzten tausend Meter schwieriger sind als der bisherige Aufstieg. Durch das Ausscheiden Brasiliens ist dieses Bild jedoch verrutscht.
Jetzt ist die Situation vergleichbar mit der des letzten Levels bei einem Computerspiel; man hat den Endgegner vor sich, muss aber dann noch das einstürzende Gebäude verlassen. Dabei ist der Endgegner die anspruchsvollere Aufgabe, aber das Verlassen hat durchaus seine Tücken, man ist angeschlagen von dem großen Kampf, gleichzeitig euphorisiert und plötzlich heißt es you lose.

Italien ist der Gottseibeiuns des deutschen Fußballs. Technisch beschlagene Mannschaften werden in Zweikämpfe verwickelt und geschlagen, defensive Mannschaften werden mit Katapulten belagert und geschlagen. Aber eine Mannschaft, die technisch hoch gerüstet ist und ihr defensives Konzept keine Sekunde vernachlässigt, das überstieg bisher meist das Vermögen der Deutschen.
Wenn man allein die Vereine, bei denen die Argentinier angestellt sind, mit denen der Italiener vergleicht, wird deutlich, wie groß die Steigerung ist, die die deutsche Mannschaft bewältigen muss. Musste man sich in der letzten Woche mit Spielern von Villareal, Athletico Madrid und anderen Vereinen der zweiten spanischen Kategorie herumschlagen, so trifft man morgen auf die feine Auslese der Seria A. Allerdings nicht auf die allerfeinste. Luca Toni mag der erfolgreichste Stürmer der vergangenen Saison gewesen sein, aber das waren Fritz Walter jr., Klinsmanns Terzettpartner, und Ulf Kirsten auch häufig. Trotzdem standen sie in der Hierarchie immer unter Völler und Klinsmann. Die im internationalen Vergleich besten Stürmer der Seria A sind Schewtschenko und Adriano, beide schon ausgeschieden, die besten Mittelfeldspieler sind Kaka und Nedved, nicht Totti. Aber gerade das Nicht-Vorhandensein von Superstars ist das Geheimnis der aktuellen italienischen Mannschaft. Deren größter Star ist der tief in den Juventus-Skandal verstrickte Marcello Lippi.
Trotzdem spielen die Italiener weniger schematisch als die Argentinier, ausgerechnet in der Offensive sind sie einfallsreicher und durchschlagskräftiger.
Nun läge es nah Defensive mit Defensive zu beantworten, gerade in Erinnerung an jenen Abend in Florenz. Doch damals ist die deutsche Mannschaft nicht an ihrer stürmischen Herangehensweise gescheitert, sondern an einer überdurchschnittlichen Fehlerquote beim Passspiel, die die ganze Mannschaft erfasst hat und wie einen Hühnerhaufen auf Ecstasy aussehen ließ. Schon angesichts des Schicksals der Ukraine mit ihren sechs Verteidigern verbietet sich ein Ausweichen auf eine Defensivtaktik. Man geht ja auch in den Straßenkampf mit einem Boxweltmeister nicht mit Handschuhen sondern mit einem Messer.
Aber nur offensiv sein ohne den Todesstoß zu platzieren, das wäre auch blöd.
Wie macht man also ein Tor gegen Italien?
Man kann es sie selbst erledigen lassen, wie es die Amerikaner vorgemacht haben, aber auch dafür braucht man zunächst einen Eckstoß.
Lehrreich sind die Heimspiele von Bayern und Werder gegen Turin.
Dort war zu sehen, dass auch die beste Abwehr ins Taumeln gerät wie ein Ephebophiler beim Anblick von Tokio Hotel, wenn die Herrschaft über das Mittelfeld energisch errungen wird, die Außen dribbelstark in den Strafraum vordringen und über Allem der Geist schwebt:
Wir schlagen sie.
Um letzteres braucht man sich bei Klinsmanns Psychodoping keine Sorgen zu machen.
Und noch eins ist tröstlich:
Italien ist zwar der Endgegner, der stärkste verbliebene Widersacher. Aber es ist ein altes Videospiel aus den 90ern, der Gegner ist einschätzbar, die Moves und Skillz nicht State of the Art. Italien 2006 ist keine Übermannschaft wie Frankreich 2000 oder Ajax Amsterdam 1995, beides Mannschaften, für die es nur ein Gegenrezept gab: Cheats aus dem Internet besorgen.
Die Cheats kann man den Blauen mit den Schwitzeflecken an der Achsel überlassen, sollte der Schiedsrichter über keinen eigenen Telefonanschluss verfügen, dann hat Deutschland insgesamt die eindeutig besseren Karten.

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Warum Brasilien kein Weltmeister wurde, diesmal

Von der ersten Spielminute an stand der dicke Brasilianer vor dem gegnerischen Strafraum herum und tat so, als wartete er auf einen Kumpel, aber da kam kein Kumpel, also stand er weiter herum, setzte noch etwas Fett an und knöselte in der Nase bis kurz vor Spielschluß ein Ball in seine Richtung kullerte, “Ayy, da ist ja mein Kumpel!” schluchzte der Dicke und trat drüber.