Mittags soll man ja was essen. Also gehe ich auf die andere Straßenseite zum Imbiss. Der macht belegte Brötchen, die nicht nur gut schmecken, sondern auch noch hervorragend aussehen. Bei McDonalds sehen die Hamburger ja nie so aus wie auf den Fotos – nicht mal annähernd. Aber diese belegten Brötchen können sich problemlos mit jedem Hamburgerfoto auf der ganzen Welt messen. Kunstvoll steckt der Imbissbudeninhaber sie aus Salami, Käse, Tomaten, Gurken, Brötchen und Butter zusammen. Dann werden sie in der Verkaufsvitrine auf kleinen Ständerchen wie Kunstwerke angeboten. Leider auch zu einem entsprechenden Preis – Handarbeit eben.
Aus diesem Grund entscheide ich mich für ein warmes Mittagessen. Irgendein Kartoffelauflauf, der zwar lange nicht so gut aussieht wie die Brötchen, aber alles in allem doch billiger ist. Außerdem ist der auch handgemacht. Ich bestelle und der Inhaber löffelt meine Portion in eine Schale aus Alublech, um sie zum Aufwärmen in die Mikrowelle zu stellen.
Er ist ein untersetzter Mann mit einem stoppeligen Bart rund um Mund und Kinn. Ein wenig wie ein Musketier, nur nicht so kunstvoll und aristokratisch. Sein Haupthaar ist dunkel und kurz, mit ein paar grauen Strähnen und von struppigem wuchs. Man möchte fast durchwuscheln um den drahtigen Wiederstand der Haare zu spüren. Ich kann mich gerade noch zurückhalten und bestelle stattdessen einen gemischten Salat zu meinem Kartoffelauflauf.
“Tomatensalat?” fragt er.
“Nein, nein” sage ich, “den gemischten Salat den Sie sonst auch immer machen, mit Eisbergsalat, Gurken, Tomaten…”
“Tomatensalat! Sag ich doch!” unterbricht er mich barsch.
Dann schaltet er die Mikrowelle ein und verschwindet in der Küche um meinen Salat zu machen. Während ich vor dem Tresen stehe und warte, beginnt eine Feuershow in der Mikrowelle. An der Aluschale meines Kartoffelauflaufs knistern blaue Funken. Zuerst sehe ich sie nur aus dem Augenwinkel, als würde ich es mir einbilden und wenn ich genau hinschaue, dann passiert natürlich nichts. Aber dann sehe ich sie. Statische Entladungen wie in einem Physiklabor für Blitze. Als würde mein Kartoffelauflauf in einem künstlichen Gewitter erwärmt. Das Knistern wird lauter und der Verkaufsraum vom Flackern der Blitze bläulich erhellt. Zuerst fürchte ich nur um mein Essen, doch dann überlege ich mir, das es ja sein könnte, das dieses Höllengerät explodiert und rufe leise
“Äh… Hallo…?!”
in die Küche. Doch gegen das elektrostatische Knistern der Blitze komme ich nicht an. Angst schnürt mir die Kehle zu, ich weiche vom Tresen zurück…
Da! Eine Flamme! Der Auflauf brennt! Es stinkt und qualmt… Dann brülle ich:
“HALLO!”
“HÄ? ruft der Imbissmann mit dem Strubbelkopf aus der Küche.
“FEUER!” Er sieht die Panik in meinem Gesicht, aber versteht nicht was ich sagen will.
“FEUER IN DER MIKROWELLE!” Er denkt kurz nach, dann springt er aus der Küche, öffnet Blitzschnell die Mikrowelle und befördert – als hätte er es schon tausendmal gemacht – mit einer geschmeidigen Bewegung meinen Auflauf in den Mülleimer.
“Ach, dann nehme ich eben ein belegtes Brötchen” sage ich, um die Lage in dem verqualmten Imbiss ein wenig zu entspannen.
“Mit Salat?” fragt der Verkäufer zurück.
“Nein, mit Tomaten und Salami.” sage ich.
“Mit Salat! Sag ich doch!” brummt er zurück.
So kriege ich zwar keinen Kartoffelauflauf, aber dafür ein teueres, künstlerisches Bröchten mit Erlebnis gratis obendrauf. Der Mann weiß wie man Kunden zufrieden stellt – zur Kunst auch noch die Performance eines Monsieur 100.000 Volt samt Feuershow – das nenne ich wahre Erlebnis-Gastronomie!
Schönen Feuerabend!
Björn Braune