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Micha ist nicht mehr mein Freund

(Ein Gastbeitrag von Ingo Neumayer.)

Ich kenne Micha* seit der fünften Klasse, also seit über 35 Jahren. Wir haben viel erlebt. Ich habe ihn gestützt und zum Sanitäter geschleppt, als er sich im Zeltlager beim Holzkleinmachen in den Fuß gehackt hat. Wir waren in derselben Handballmannschaft, ich im Tor, er als Spielmacher in der Mitte. Als wir Meister wurden, haben wir im Sportheim die mit Sanwald-Weizen gefüllten Stiefel kreisen lassen, so lange, bis auch alles andere kreiste. Wir haben zusammen bei Karstadt geklaut, einer stand Schmiere, der andere hat eingesackt: Comics von Walter Moers, die „Nevermind“ von Nirvana. Einen Sommer, als Michas Eltern im Urlaub waren, hing ich ständig bei ihm ab. Wir haben „Bachelor Party“, eine echt flache Tom-Hanks-Komödie, in Dauerschleife gesehen, wir haben Fliegen gefangen, ihnen Bindfäden ans Bein gebunden und sind dann mit ihnen Gassi gegangen. Dienstags sind wir ins „Musicland“ gefahren, da war Mark-Tag: Bier, Wodka-Lemon, Batida-Kirsch, alles für eine Mark. Und samstags sind wir die 100 Kilometer nach Stuttgart, zum Fußball. Erst nur ab und zu, später mit Dauerkarte zu jedem Spiel. 

Als der VfB 1992 in Leverkusen Meister wurde, waren wir natürlich auch dabei. Eigentlich wollte Micha gar nicht mit. „Das wird eh nix“, unkte er. Doch ich habe einfach ein Ticket für ihn mitbestellt und ihm einen Platz im Fanbus reserviert. Das wird eh nix? Von wegen: Kurz vor Schluss köpfte Buchwald das 2:1, der VfB war Meister, eine Sensation. Noch bevor das Spiel abgepfiffen war, sind Micha und ich über den Zaun geklettert und auf den Platz gestürmt, haben den VfB-Spieler Maurizio Gaudino auf Händen getragen und in jede Kamera geblökt, gebrüllt und gejubelt, die am Spielfeldrand herumstand. Später sah man uns auf SAT 1, zwei selige Idioten, weiß-rot angemalt und mit der puren Freude im Gesicht. „Dafür werde ich dir immer dankbar sein“, sagte er, als wir nachts im Bus saßen und zurückfuhren in unser schwäbisches Nest.

Ein Jahr später, das Abitur war in der Tasche, trennten sich unsere Wege. Micha blieb im Dorf und fing eine Ausbildung an, ich ging in die Stadt zum Studieren. 450 Kilometer lagen nun zwischen uns, der Kontakt schlief schnell ein. Keine Telefonate, natürlich auch keine Briefe. Und SMS gab es damals noch nicht. Das fand keiner von uns beiden schlimm, glaube ich. Man lebt sich auseinander, und wenn man sich dann wiedersieht, ist es entweder peinlich oder eben so wie früher. Je nachdem, was man noch teilt und welche Gemeinsamkeiten man hat. 

Wir hatten dann schnell nur noch eine Gemeinsamkeit: den VfB. Ab und zu haben wir uns bei Spielen getroffen. Das hat mich immer gefreut, wenn ich im Auswärtsblock in Duisburg, Köln oder Gladbach auf einmal ein bekanntes Gesicht traf. Groß geredet haben wir eigentlich nicht, außer über Fußball. Wieso man Balakows Vertrag nicht hätte verlängern sollen und ob Hitzlsperger eine gute Verstärkung sei. Aber das war okay. Es gibt Freunde, die kennen einen komplett, denen schüttet man sein Herz aus. Und dann gibt es Freunde, mit denen hat man nur ein Thema. Micha war mein Fußballfreund und blieb es für die nächsten Jahre und Jahrzehnte. Wir sahen uns vielleicht einmal im Jahr, das war nett, das war gut. Bei der VfB-Meisterschaft 2007 lagen wir uns wieder in den Armen, beim Klassentreffen 2018 haben wir auf den 4:1-Sieg bei den Scheiß-Bayern angestoßen.

Irgendwann im Frühjahr diesen Jahres hat Micha sein Profilbild geändert. Statt seinem Gesicht sah man nur noch ein in Flammen stehendes Q. Ich hatte ihn jahrelang auf Facebook gar nicht wahrgenommen und wunderte mich. Dass er, den ich nie als besonders politisch interessiert gesehen hatte, sich zu dieser Bewegung bekannte, hat mich letztendlich dazu gebracht, mich näher damit zu beschäftigen. Ich las und recherchierte über Q Anon und konnte es nicht fassen, und das gleich doppelt. Erstens, dass es tatsächlich Zehntausende von Leuten gab, die diesen gefährlichen Schwachsinn glaubten. Und zweitens, dass ich einen davon kannte. Gut kannte. Als Freund bezeichnete. 

Dieser Freund postete auf einmal Bilder von der Querdenken-Demo in Stuttgart, Arm in Arm mit einem Typen, auf dessen roter Mütze „MAKE AMERICA GREAT AGAIN“ stand. Dieser Freund hatte auf einmal 1.000 neue Freunde auf Facebook, die kamen aus aller Welt, viele trugen rote Kappen und schmückten ihre Profile mit Qs und Trump-Sprüchen. Ich trat einer Facebook-Gruppe bei namens „Q Anons – Deep State, Verschwörungen, dunkle Kabalen“, da ich mehr darüber erfahren wollte. Der haltlose Bullshit voller Hass, der dort zu lesen war, verdarb mir schnell die Laune. Versuche, mit Argumenten zu antworten oder einfach nur Nachfragen zu stellen („Bist du sicher, dass er das gesagt hat?“ „Wo steht das genau?“ „Gibt es einen Beleg?“), versandeten. Sie wurden entweder gar nicht beantwortet oder mit der patzigen Standard-Antwort all dieser Menschen: Google doch selbst, findest du alles im Internet. Irgendwann haben die Admins mich aus der Gruppe rausgeworfen. Ich habe wohl zu viele und zu kritische Fragen gestellt. Und dass ich dort ein Anti-Trump-Meme aus der „Titanic“ postete, um die Trolle zu trollen, war bestimmt auch nicht hilfreich.

Im August, kurz nach der ersten großen „Querdenken“-Demo in Berlin, postete Micha dann ein Video, das angeblich beweisen würde, dass es ja doch 1,4 Millionen Demonstranten waren und nicht maximal 40.000, wie es von den verlogenen Systemmedien kolportiert würde. „Hier, da könnt ihr selbst nachzählen“, schrieb er triumphierend. Das Video, auf dem 90 Minuten lang von einer Brücke herab auf Menschen gefilmt wurde, sagte rein gar nichts aus. Es hätte bearbeitet und geloopt sein können. Ich machte mir dennoch die Mühe und zählte die Menschen, die innerhalb einer Minute durchs Bild gingen. Hochgerechnet auf 90 Minuten kam ich auf 35.000. „Ich habe mal gezählt und gerechnet: Es sind weniger als bei einem Heimspiel vom VfB“, schrieb ich. Es gab Proteste und Wut-Smilies. Micha schrieb, wenn ich das ernst meinte, sei mir wirklich nicht mehr zu helfen. Ich fragte ihn, ob er diesen ganzen Q Anon-Quatsch wirklich glaubte. Der Post verschwand kurz danach, ich vermute, weil das Video, das in ihm verlinkt war, gelöscht wurde.

Micha antwortete mir im Messenger. Er stehe „zu 1000 Prozent“ hinter Q Anon, habe sich seit Monaten damit beschäftigt und glaube aktuell einiges nicht mehr, vor allem was den „tödlichen Virus“ anginge. Ich bin Journalist, Micha weiß das, und so bezog sich der Schluss seiner Antwort auf meinen Job: „Du als Branchennaher, was sagst du denn zu der völligen Gleichschaltung aller Medien?“ Wow. Dieser Satz traf mich einerseits wegen der persönlichen Beleidigung, die er beinhaltete, andererseits wegen der unverfrorenen Selbstsicherheit, mit der er diesen Bullshit ohne den Hauch eines Zögerns vom Stapel ließ. Die Monate in den Q Anon-Foren schienen ihre Wirkung hinterlassen zu haben, nicht umsonst vergleichen viele Experten Q Anon mit gehirnwaschenden Sekten wie Scientology.

Ich antwortete kurz, dass ich keine Gleichschaltung sähe und dass das Spektrum der deutschen Medien sehr breit sei und von rechts bis links reiche, von bösartig bis brillant, von hetzend bis konstruktiv, von Julian Reichelt bis Samira El Ouassil. Wie er denn darauf käme? Micha antwortete nur kurz: „Okay, lassen wir das. Wir quatschen mal, wenn das alles vorbei ist.“ 

Ich ließ nicht locker. Mit fremden Spinnern zu diskutieren, in der Q Anon-Gruppe oder sonst wo im Internet, führt ja zu nichts, das weiß jeder, auch ich (obwohl ich es immer wieder versuche). Aber wenn der Spinner dein Freund ist, dachte ich, ist man doch schon mal einen Schritt weiter. Ignorieren fällt da etwas schwerer, genauso wie ein gewisses Grundvertrauen da ist und nicht jedes Gegenargument als Abwertung oder Beleidigung verstanden werden muss. Ich versuchte noch einmal einen Dialog, nett, freundlich, mit Bezug auf unsere Vergangenheit. Dass ich gerne mit ihm diskutieren würde, das Thema interessiere mich wirklich. Er schrieb zurück, freundlich und entschlossen: „Wir können grundsätzlich bestimmt diskutieren, aber bei dem Thema macht das keinen Sinn, da sind wir zu weit auseinander, sorry. Lass uns nicht streiten, das passt alles so, wie es ist. Lassen wir es auf uns zukommen und schauen, was passiert, dann sprechen wir wieder.“

Das war das letzte Mal, dass ich mit Micha zu tun hatte und wir uns austauschten. Beim Fußball konnten wir uns nicht treffen wegen Corona, und auf Facebook hatte ich keine Lust mehr, mich auf seinen Quatsch einzulassen. Je näher der November rückte, desto mehr änderte er seinen Fokus. Weg von der „Corona-Lüge“, hin zur US-Präsidentschaftswahl. Er änderte sein Profilbild, da stand jetzt „Trump 2020“, unterlegt mit der US-Flagge und der Q Anon-Parole „Where We Go One We Go All“. Ein Hirni-Spruch, der ja inzwischen ähnlich funktioniert wie Dieter Nuhrs „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten“ oder „Danke für nichts“ von den Böhsen Onkelz: Für die Anhänger und Fans wirkt das auf seltsam erhebende Art weise, gar philosophisch, auf jeden Fall aber gruppenbeschwörend, allen anderen dient es nur als lachhaft abgeschmackter Bullshit-Detektor: Here be idiots.

Kurz vor der Wahl postete er dann ein Propaganda-Video der Republikaner: Trump, wie er in der Menge badet, wurde gegen Biden geschnitten, der auf fast leeren Parkplätzen steht. Trump im Helikopter, Biden, der unbeholfen zur Bühne stakst. Trump als viriler Held, Biden als tattriger Loser. „Sieht schlecht aus für Trump“, schrieb Micha, und setzte einen Lachsmiley dahinter. Als am Freitag die Wahl endgültig in Richtung Biden kippte, konnte ich nicht anders. Drei Monate lang, seit Anfang August, hatte ich mich zusammengerissen und den Troll, der mein Freund war, nicht gefüttert. Jetzt war Schluss damit. „Stimmt. Sieht wirklich schlecht aus für Trump“, schrieb ich unter das Video. Kein Smiley, nichts. Klar, ein bisschen Häme war dabei. Aber als VfB-Fan müsste er das doch gewohnt sein. Und für mich war es trotz allem auch ein Versuch, vielleicht doch noch mal ins Gespräch zu kommen. Für ihn offenbar nicht. Am nächsten Morgen hatte er meinen Kommentar gelöscht. Das machte mich richtig sauer. Wann er denn ein solcher Loser geworden sei, unliebsame Kommentare löschen ginge ja wohl gar nicht, postete ich unter seinem dämlichen Profilbild. Eine Stunde später war auch dieser Kommentar gelöscht. 

Und nicht nur das. Micha hat mich kurz darauf blockiert und mir die Facebook-Freundschaft gekündigt. Ohne ein Wort, ohne Kommentar, ohne Erklärung. Eine 37 Jahre alte Beziehung, gelöscht mit einem Klick. 

Ich wollte es cool nehmen und mich eigentlich darüber ärgern, dass er mir die Freundschaft gekündigt hat und es nicht anders herum war. Schließlich ist er der Spinner geworden, der einem irren Verschwörungsmythos anhängt und sämtliche Versuche, miteinander zu reden, abgeblockt hat. Aber so cool bin ich leider nicht. Im Gegenteil: Seitdem muss ich ständig an ihn und unseren Streit denken, und das ärgert mich, weil ich das Gefühl habe, dass er „gewonnen“ hat. Er (so glaube ich zumindest) ist mit sich und seinem Scheiß im Reinen, während ich immer noch viele Fragen in meinem Kopf hin- und herwälze: Was lief da schief? War Micha schon all die Jahre so drauf, aber ich habe es nur nicht gemerkt? Was hätte ich tun können? Hätte ich überhaupt etwas tun können? Wie trete ich ihm beim nächsten Klassentreffen gegenüber?

Wenn meine Berechnungen stimmen, wird der VfB Stuttgart übrigens in acht Jahren deutscher Meister. Mit wem ich das dann feiere, weiß ich noch nicht. Micha wird es wohl nicht sein.

(*Micha heißt in Wahrheit anders.)

25 Kommentare

  1. 01
    soleans

    Lang und intensiv, aber analysiert imho viel von dem, was so an semantischen und rhetorischen Mitteln in den Kreisen abgeht und wie man (vielleicht) damit umgehen kann.

    https://www.youtube.com/watch?v=4xGawJIseNY&list=PLJA_jUddXvY7v0VkYRbANnTnzkA_HMFtQ

  2. 02

    Danke für den Text. Das ist irgendwie Blog, wie damals als es noch cool war.

    Ja, die Einschläge kommen näher. Von der einen Seite schlagen bei die Covid-Erkrankten ein, von der anderen Seite die Leute, die mindestens auf alles scheißen, oder gleich völlig abdrehen. Da weiß man gar nicht, wie man sich verhalten soll. Also den Verqueren gegenüber zumindest.

  3. 03
    Rocky

    Aus Unwissenheit und Unsicherheit entsteht Angst dann Wut. Prinzip dieser vereinehmenden Gruppen oder Sekten ist es die Menschen von ihrer bisherigen Gruppe abzuspalten und hörig zu machen. Beide ärgern sich und trennen sich.

    Wie Wut entsteht ist gerade schön hier bei Alexandra Tobors „In trockenen Büchern“ zu hören. Sie fasst wissenschaftliche, trockene Bücher unterhaltsam und aufschlussreich in einer halben Stunde Monolog zusammen.
    Hier: https://in-trockenen-buechern.de/itb024-wut

    Ich diskutiert nicht ernsthaft mit Personen die gefühlsgesteuert sind, da sie Argumenten nicht zugänglich sind. Diese sind dann auch humorlos und nicht zu Ironie und Selbstreflektion fähig.

    Ursprünglich ist der Spruch „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten!“ von „Ekel“ Alfred Tezlaf in der 1970er Jahre Serie „Ein Herz und eine Seele“. Dem war auch immer klar wer hinter allem steckte was ihm nicht behagte, nämlich: „Die …

  4. 04

    Danke für den Text, spricht mir aus der Seele. Habe auch einen Freund der gerade abdrifted, zum Glück noch nicht ganz so krass wie dein Micha. Bisher kann man noch normal mit ihm diskutieren, ich hoffe er kratzt die Kurve noch!

  5. 05
    Tomek

    Habe leider auch so einen alten Freund (seit 33 Jahren). Riesen-Fan von Ken Jebsen, stellt alles infrage, vermutet überall Verschwörung, von 911 über Corona bis hin zu QAnon und „in Wahrheit waren das ja nicht wirklich 6 Millionen Juden“. Dabei ist der Typ Musiker, Schauspieler, Hippie, Kiffer. So ein negatives Weltbild. Kein normales Gespräch möglich, alles kann Stichwort sein für stundenlange Schwurbel-Monologe. Einfach schrecklich.
    Musste den Kontakt abbrechen.

  6. 06
    Mister T

    Wunderbarer Text. Es ist gut zu sehen, dass es anderen auch so geht. Dieser Q-Scheiß erinnert mich an das Nichts in der Unendlichen Geschichte – alles, was einmal erfasst wurde, wird absorbiert und es gibt nichts, was man dagegen tun kann.

  7. 07
    Honk

    Sorry, dein Text ist scheisse. Jemanden permanent als Spinner oder Loser zu bezeichnen, sein nicht-studiert-haben hervorzuheben, „Micha“ gleichzeitig als Freund und Nicht-Freund zu bezeichnen, sorgte beim Lesen nicht für Sympathie. Weder zu Micha noch zu dir.
    Die Thematik anzusprechen, dass Menschen aus dem näheren und entfernteren Umfeld abdriften ist aber richtig.

  8. 08
    Ingo Neumayer

    @#2147197: es ging mir bei dem text nicht um sympathie, sondern um wahrhaftigkeit.

    und wer glaubt, dass hillary clinton, lady gaga und halb hollywood in unterirdischen verließen entführte kinder foltern, um ihnen hormone abzuzapfen, dass bill gates uns alle mikrochippen will, und dass der einzige, der uns aus der weltweiten verschwörung rettet, ein ausgewiesener lügner, rassist, narzisst und wirklichkeitsleugner namens donald trump ist, ist in meinen augen eben ein spinner. und das ist ja fast noch milde ausgedrückt.

  9. 09
    Oliver

    OMG, ich habe fast genau dasselbe erlebt! Mein bester Freund aus der Teenager-Zeit (auch aus BaWü, auch dort geblieben) ist jetzt voll auf Facebook aktiv, um den Leuten klarzumachen, dass Covid eine Lüge sei. Ich habe auch versucht, ein bisschen mit ihm zu sprechen. (Eigentlich habe ich nur Fragen gestellt, weil ich verstehen wollte, was seine Ansichten sind und woher sie kommen.) Aber das hat er dann genauso abgebrochen, obwohl er ja zu Beginn die Fragen angeblich interessant fand. Sein Vorschlag: dass „die energetische Sichtweise“ und die Wissenschaft Hand in Hand gehen und man beides gleich bewerten sollte. Als ich dann gefragt habe, was denn diese „Energie“ sei, von der er spricht, wollte er nicht mehr.

  10. 10

    Ach, das kenn ich auch.
    Schulkamerad, damals dicke Freunde, heuer einer derer, die ständig über Flüchtlinge hetzen. Er selbst, ein Serbe.

    Als ich dann die Kriminalstatistiken des BKA herauskramte, ihm zeigte, dass Serben um Faktoren mehr Straftaten begehen als seine verhassten xy, sprangen gefühlt nicht nur Scheuklappen an den Seiten seines Kopfes hervor, sondern er erblindete umgehend.

    Ende vom Lied, wir haben uns nun blockiert, er mich noch kurz beleidigt… Na ja, schade, aber solche Menschen muss ich mir nicht geben.

  11. 11
    jochen

    aber was macht man mit diesen menschen?
    wenige koennen als spinner tituliert werden, kann man ignorieren. was aber wenn die spinner eine kritische masse werden? wenn sie einfluss bekommen?
    aussitzen?
    darauf warten dass gegen das gesetz verstossen wird um gerichtlich vorgehen zu koennen?

    populisten / verschwoerungstheoretiker / brauner sumpf … das alles scheint zuzunehmen :-(

  12. 12
    Mister T

    @#2147201: Das ist in der Tat schon das Problem mit den Demos. Generell fühlt es sich undemokratisch an, jemandem das Recht abzusprechen, sich zu äußern und bemerkbar zu machen. Aber gleichzeitig ist das Akzeptieren dieser postfaktischen und anti-intellektuellen Haltung ebenfalls undemokratisch.

    Durch ihre eigene Verpflichtung zur pluralistischen Haltung destabilisiert sich die Demokratie selbst, wie ein Fieber, dass beim Versuch eine Krankheit zu überkommen das Blut des Patienten zersetzt und ihn somit selbst tötet. Ich befürchte, dass es auf dieses Dilemma hinausläuft. Der eigene Anspruch wird bei soviel Dummheit auf die eine oder andere Art unhaltbar.

  13. 13
    Anderer Max

    Ich erlebte auch ähnliches, allerdings unter völlig anderen Vorzeichen.
    Ich bin in der Story der Micha, der in der Provinz blieb und eine Ausbildung begann, der jetzige QAnon-Freund ist in die USA abgewandert und hat irgendein Wirtschafts-Master Studium abgelegt.
    Der hatte aber immer schon Tendenzen, Quatsch zu glauben.
    Will nur sagen, dass nicht jeder, der nicht studieren geht nach dem Abi automatisch zum Verschwörungshanserl wird.
    Außerdem kann ich nur empfehlen, den eigenen Facebook Account zu löschen.
    Einen Geburtstagskalender kann man auch anderweitig anlegen.

  14. 14

    Gute Texte tun weh und dieser erinnert mich auch an den ein oder anderen, für den irgendwann kein Platz mehr war. Nicht mehr sein konnte.
    Stoßen wir drauf an, wenn Sille irgendwann doch mal feiern kann.

  15. 15
    Ingo Neumayer

    @#2147209: ich hoffe sehr, dass „studium und landflucht schützt vor quatschglauben“ nicht die essenz ist, die aus dem text gezogen wird. denn das war nun wirklich nicht beabsichtigt, sondern sollte lediglich die unterschiedlichen lebenswege illustrieren, die micha und ich eingeschlagen haben. ich habe das studium übrigens nie beendet..

  16. 16
    Anonym ohne Q

    Als Journalist wäre es mMn deine Aufgabe, zu recherchieren wie Micha zu diesen Meinungen kommt, und nicht pauschal Ressentiments zu bedienen. Es gibt durchaus Hinweise, dass mit dem Journalismus nicht alles so rosig ist wie Journalisten gerne behaupten. Es scheint nur unter Journalisten einen großen Konsens zu geben dass dem anders ist ;)

  17. 17
    Martin

    Ich habe den Eindruck, dass es bei so quasi ersatzreligiösen Handlungen sehr viel um Selbstermächtigung geht. Vielleicht hat das auch was spirituelles, die Leute fühlen sich evtl. nicht mehr „connected“ und zugehörig. Bei dem ganzen geht es ja auch viel um vibes und Gemeinschaft. Wie bei Musik/Religion usw…
    Und bei dem starken binären politischen Denken was wir gerade haben, ziehen sich dann alle in ihre echo chambers zurück und die Zentrifugalkräfte schlagen voll ein.
    Es ist ein Jammer, ihr seid beide einfach Kumpels und plötzlich werden Gräben eingezogen.

  18. 18
    Ingo Neumayer

    @Anonym ohne Q:

    wo habe ich ressentiments bedient?

    und wie soll ich recherchieren, wenn ich keinen zugang habe? deine forderung klingt für mich so, als ob es nur ein einziges journalistisches format gebe und nur eine art, wie ich meine aufgabe angehen könnte. davon abgesehen: wer definiert denn meine aufgabe?

    wenn du aufmerksam gelesen hast, ist dir bestimmt der teil mit dem breiten medienspektrum aufgefallen. so viel zum thema „journalistischer konsens“ und „alles rosig“…

  19. 19
    Anderer Max

    @ Ingo Neumayer, #15:
    Ich bin zwar nicht angesprochen (oder doch? verstehe das Zahlensystem hier nicht, sorry) aber antworte mal:
    Das ist nicht das, was ich aus dem Text mitnahm, nein! Man fühlt sich halt durch unterschiedliche Dinge persönlich angesprochen, bei mir war es die Studium/Stadt vs. Ausbildung/Land Geschichte. Das liegt aber an mir, das weiß ich wohl ;)
    Wer zu faul ist, neben dem Studium zu arbeiten (und auch keine reichen Eltern hat) der versauert dann halt in der Provinz. Hört sich hart an, is‘ aber so. Hat aber auch seine Vorteile, hoffe ich …

  20. 20
    Tiffy

    Bewegender Text. Mir selber noch nicht in dieser Härte passiert- aber ja, die Thematik rückt näher.
    Interessant beim Lesen derKommentare war es für mich, einen inneren Perspektivwechsel zu versuchen. Und tatsächlich: Das was ihr schreibt könnte haargenau so auch in den Q-Foren stehen. Nur halt andersrum. „Mit dem ging kein diskutieren mehr. Nur noch hirnloseFragen, eindeutig von der Presse indoktriniertes Gedankengut. Beruft sich ständig auf die einschlägigen Medien, von denen wir ja wissen, dass sie gefälscht sind.. usw. Da war kein rankommen. Den musste ich leider blocken. Meinen besten Freund. Was ist nur aus ihm geworden? War er schon immer so leicht beeinflussbar von der Presse und der Regierung? Hätte ich ihm helfen können wenn ich es eher bemerkt hätte?“…
    kann mir das richtig vorstellen. Und es wird in ihren Kreisen sehr auf offene Ohren stoßen und sie werden sich baden in ihrer Überzeugung und einander bedauern für die vielen Verluste, die sich auftun in ihrem Freundeskreis und der Familie. – ein bisschen so, wie auch wir das hier tun. ;-)
    Diese Überlegung wiederum macht mir deutlich wie unlösbar dieser Konflikt zu sein scheint. Wenn zwei so gegensätzliche Weltanschauungen aufeinanderprallen und so gleichartig argumentieren, dass es zu einer Patt-Situation kommen muss.
    Und dann verlang mal von einem „einfachen“ Menschen denjenigen zu erkennen, der Recht hat.
    Ich bin froh und dankbar für alle Satiriker, die in der aktuellen Lage mit Wortwitz jeden Menschen erreichen und mit Charme zum Umdenken bewegen. Denn die Qs lesen keine ernstgemeinten „gegnerischen“ Medien. ÜberSatire stolpern sie aber auch:-) Wobei sie bei Zuviel Witzigkeit dann der Satire auch den Rücken zudrehen. Aber na gut- immerhin haben sie es einmal gehört bevor sie beschlossen haben es Sch**** zu finden.

  21. 21

    Ich bin echt froh, dass es bei mir nur entfernte Bekannte bzw. ehemalige Geschäftspartner „erwischt“ hat, dass sie einen bei der ersten Widerrede gleich blocklen spricht nicht gerade für Diskursbereitschaft – wir können nicht alle retten, johnny. Jegliches hat seine Zeit, Steine sammeln,Steine zerstreu’n, Bäume pflanzen, Bäume abhau’n; Leben und Sterben und Streit… Props fürs versuchen und Rinnjhaun :)

  22. 22
    Ingo Neumayer

    @Tiffy: findest du wirklich, dass es viel verlangt ist von „einfachen“ menschen, hier zu erkennen, wer recht hat? das glaube ich ehrlich gesagt nicht. bill gates will die menschheit mit einem impfstoff versklaven, in dem chips enthalten sind, die sich über das 5g-netz steuern lassen? hillary clinton, brad pitt und lady gaga entführen kinder und halten sie gefangen, um ihnen hormone abzuzapfen, die einen verjüngen? das ist doch so wahnsinnig absurd, es muss doch jedem/r, der/die seine sinne halbwegs beisammen hat, einleuchten, dass das bullshit ist. egal, wie „einfach“ er/sie gestrickt sein mag oder nicht.

  23. 23
    Martin

    @Ingo Neumayer: ich weiss nicht ob es um Recht haben geht, sondern mehr darum was die Menschen fühlen und spüren. Zumindest wenn man versuchen will dass ganze zu entwirren.
    Ist ja recht oft so bei einem Streit, dass ne Unzufriedenheit sich in ganz anders gelagerten Vorwürfen äussert.

  24. 24
    Markus

    Hallo Ingo, danke für deinen Blogbeitrag. Mir ist es ähnlich ergangen wie dir, und habe einen guten Freund und ehemaligen Kollegen an die Verschwörungstheoretiker verloren. Wirklich schade.
    Grüße,
    Markus