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Gott ist Italiener

Von Leser Bollermanne sind wir soeben darauf aufmerksam gemacht worden, dass Gott Italiener ist.
Wir haben natürlich sofort recherchiert und Beweisfotos gesichert.

Auf dem vorliegenden Bild sieht man, wie Gott Totti die Gabe der Schauspielkunst schenkt.
Nun gut, gegen göttlichen Beistand konnte die deutsche Atheistentruppe natürlich nicht anstinken.
Als kritischer Laienprediger möchte ich jedoch anmerken, dass zwischen elefantösen Oberschenkeln – wie auf dem Bild deutlich zu sehen – ein welker Wicht sich windet.
Land der Nudeln halt.
totti

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Klinsmann geht

Der Messias wird gehen. Einfach so. Sagt die Süddeutsche. Sagt die BLÖD.

Und ich glaube, ich weiß auch, warum: weil ihn jeder zum Bleiben bewegen wollte, weil plötzlich jede ein Kind von ihm wollte. Klinsmann aber braucht Widerstände und kurzfristige Ziele. UEFA-Pokal holen? Ab zu Inter, Trapattoni in den Wahnsinn treiben, den Pott holen. Mission accomplished, Abgang. Als “German diver” auf der Insel verachtet? Ab zu Tottenham, Spieler des Jahres werden, den Diver als Torjubel einführen, von allen geliebt werden. Mission accomplished, Abgang. Deutscher Meister werden? Ab zu Bayern, gegen Tonnen treten, Trapattoni in den Wahnsinn treiben und die Schale holen. Mission accomplished, Abgang.

Alle DFB-Nörgler überzeugen und deutschen Fußball reanimieren?
Mission accomplished, Abgang.

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Artikel 55, Absatz 4

Auf die Gefahr hin, dass hier ein neuerlicher Kommentarsturm entfesselten Testosterons losbricht, weise ich dezent auf einen SpOn-Artikel hin, der wiederum auf Artikel 55, Absatz 4 des Fifa-Disziplinarreglements hinweist:

Verhalten sich Spieler, Offizielle von Verbänden oder Clubs sowie Zuschauer in irgendeiner Form diskriminierend oder menschenverachtend gemäss Abs. 1 und/oder 2 dieses Artikels, so werden der betreffenden Mannschaft, sofern zuordbar, bei einem ersten Vergehen automatisch drei Punkte abgezogen. (…) In Spielen ohne Punktevergabe wird die entsprechende Mannschaft, sofern zuordbar, disqualifiziert. (Quelle)

Die absurdeste aller Situationen also wäre, wenn die Vergabe des wichtigsten Pokals der Sportwelt von einem Wort oder einem Satz eines italienischen Spielers abhinge. Denn unabhängig von Zidanes berechtigter roter Karte würde eine beweisbare rassistische oder menschenverachtende Äußerung Materazzis nach harter Auslegung der Fifa-Regeln Italien womöglich den Titel kosten.

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Beckmann gegen Wahrheit 1:0

Öffentlicher Unmut gegenüber der eigenen Person ist oft unangenehm. Sogar Gott kam nicht damit klar und erwies sich mehrfach als unsouveräne Mimose (Paradies dicht, Sintflut, Babel, Sodom/Gomorrha, Gebote 1 und 2), anstatt sich cool und laid back eine zu drehen. Reinhold Beckmann wiederum mag die Initiative “Stoppt Beckmann” nicht, die seinen Kommentar beim Endspiel verhindern wollte, aber nicht konnte. Beckmanns Anwälte wollen nun ihrerseits diese Initiative stoppen:

Uns droht nun eine Vertragsstrafe bei Nichtbeachtung einer Unterlassungserklärung. Die Höhe der möglichen Strafe bewegt sich in Sphären die man vermutlich nur als ARD Fußballkommentator erwirtschaftet, für uns jedoch weit außerhalb unserer Möglichkeiten liegt. Das weiß Herr Beckmann. (Quelle)

[via]

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Die Journalistenfalle

Kennt Ihr das auch?
Ihr lest irgendetwas im Netz, Euer Hirn wirft Blasen, weil das Gelesene so schlecht bekömmlich ist, so mittelfaschistisch, langweilig oder was auch immer.
Ihr packt das Rasiermesser aus, um über den Schreiber herzufallen und merkt dann, dass Euer Opfer der beste Freund von Blogger XY ist, mit dem Ihr Euch bei Diskussionen auf Großblog Z immer so schön einig seid.
Oder, hypothetisch gesprochen:
Ein Konzern, der für mehr Fälle von Diabetes verantwortlich ist als Zucker selbst (und das ist das Positivste, was sich über ihn sagen lässt), lädt in eine Wohngemeinschaft ein.

Diese verfasst im Verbund während der WM so herzzerreißend schlechte Texte in einer dem Englischen verwandten Sprache, dass Ihr es nicht schafft, auch nur einen einzigen Text zu lesen. Aber Euer Lieblingsblogger, nennen wir ihn DJ, macht da auch mit.
Der wird sich doch was dabei gedacht haben.
Also lässt man die Sache ruhen.
Das ist die Journalistenfalle.
Oder Sympathiefalle, Gefälligkeitsfalle, Bundespresseballmiteinanderabgestürztseinfalle.
Das ist der Grund, warum die SZ alle Kommentatoren der WM gut findet.
Warum Politiker immer erst nach ihrer Karriere mit ihren Skandalen behelligt werden.
Warum wir die Mainstreammedien so verabscheuen.
Und noch ehe der Scheck vom Spreeblick-Verlag Gelegenheit hatte zu platzen, sitzen wir mittendrin.

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Private Post

“Treffen?”
“Na lego.”
“Scherzkoks.”
Trauer macht lustig.

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Gegendarstellung

In seinem Artikel Ein Halbfinale, zwei Geschichten bezeichnet sich der Fooligan-Autor M.O. als den für die Niederlage der deutschen Mannschaft Verantwortlichen.
Diese Darstellung ist unrichtig.

Lotta ist die Schuldige. Sie hat eine Fahne gekauft. Weil sie die anderen Autokorsler um ihre Schwenkfähigkeit beneidet hat.
Und ich sach noch:
“Verflucht seist Du, Weib, wir werden sie nie schwenken können, denn siehe: Du hast das Ritual* geändert!”
Ein klarer Dolchstoß der in Chiusi geborenen Noch-Ehefrau.

*
Keine Fahne, keine Vorberichterstattung, keine Hymne, anderthalb Minuten nach Spielbeginn den Fernseher anschalten, weil man vorher den wichtigen Dingen nachgegangen ist.
Überrascht sein, dass es noch 0:0 steht und mal ein bisschen weiterschauen, eigentlich aufs Klo müssen, aber erst in der Halbzeit gehen.

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Noch eine Stilfrage

Gibt es bei Fahnen so etwas wie die Weihnachtsbaumregel?

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Ein Halbfinale, zwei Geschichten

Nach dem Halbfinale.
“Scheissdreck!”
Genau das steht in der SMS mit unbekannter Nummer. Da steckt bestimmt der blonde Engel mit neuem Apparat dahinter, denke ich mir. Traue mich nicht, die Nummer anzurufen. Vor allem, weil ich mein schreckliches Geheimnis nicht preisgeben will. Denn ich bin schuld. Ich allein bin schuld an der Niederlage der deutschen Mannschaft.

Aberglaube ist mein Steckenpferd nicht, aber von Zeit zu Zeit simuliere ich ihn, um mich nicht so alleine und nirgendwo dazugehörig zu fühlen wie das kleine dicke Mädchen in der Ecke des Schulhofs, das wir alle noch kennen. Ich also an jedem Spieltag des deutschen Teams brav morgens mein Spreeblick-Hemd an, heimlich auf Groupies hoffen (klappt nicht), jubeln (klappt), Ketchup drauf, Bier drüber, Schweiß rein – was man eben so macht mit Hemden. Dabei immer schön die üblichen Aberglaubenregeln beachtend: nicht für andere Zwecke entweihen, nicht ausleihen und vor allem auf keinen Fall vor dem Endspiel waschen.

Deutschland bleibt im Turnier. Das Hemd bleibt ungewaschen. Am Morgen des Halbfinales also lasse ich mich von einem Gefühl der Rücksicht auf meine Mitmenschen täuschen wie einst Holofernes von Judith und lege das Glücksbringer-Hemd zunächst zur Seite, um vorher ein anderes mit hochsommerlicher Körperflüssigkeit zu durchtränken. “Das Gewinnerhemd ziehe ich erst kurz vor dem Spiel an”, sage ich zu mir in Anbetracht des noch sehr langen, sehr heißen Tages. (Ich wiederum stehe ja auf durchschwitzte Hemden von in mein Beuteschema passenden Individuen, aber manchmal muss man sich der deo-fehlgeleiteten Mehrheit beugen und überhaupt gehört das gar nicht hierher, was erzähle ich denn!)

Nie hat die deutsche Mannschaft verloren, wenn ich das Gewinnerhemd ganztätig durch die Hitze getragen habe.
Gestern hat sie verloren. Weil ich schwach war.
“Scheissdreck!”


Nach dem Halbfinale.
Eine seltsame Stimmung herrscht in den Straßen: eine Mischung aus Melancholie und beginnender Nostalgie wie am letzten Tag eines wunderschönen Urlaubs in Südfrankreich. Vielleicht wird man irgendwann wieder nach Südfrankreich reisen, doch diesen einen Urlaub wird man nicht wiederholen können, das weiß man am Tag der Abreise.

In der Bahn.
Ihr leerer Blick starrt durch das Fenster oder in ihr Spiegelbild oder auf die letzten zwei Spielminuten in ihrem Kopf. Sie sitzt mir schräg gegenüber und trägt eines der WM-90-Trikots mit diesen assymetrischen Streifen, die ihre Brust unvorteilhaft assymetrisch erscheinen lassen. Sie sieht aus, als sei sie gerade von einem wunderschönen Urlaub in Südfrankreich nach Hause gekommen. Traurig, aber nicht trauernd.

Für einen kurzen Moment treffen sich die Blicke unserer Augen, und in diesem Augen-Blick lächeln wir uns an, ganz schwach nur, eher mit den Augen als mit den Mundwinkeln, weil mehr nicht nötig ist heute nacht. Wir beide waren zuvor in genau derselben Minute geschockt, haben in genau denselben Minuten gebangt, gehofft, gejubelt, ohne uns zu kennen. Da reicht ein schwaches Lächeln.

Natürlich habe ich sie nicht angesprochen. So etwas tue ich nie. Und natürlich schlägt mein Herz heute abend für Frankreich. Zu schön waren all die Augenblicke mit Zidane.

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Die Fifa spricht italienisch

Torsten Frings erhält eine Sperre für zwei Spiele. Die Sperre wird jedoch für das zweite Spiel zur Bewährung ausgesetzt. Nur gegen Italien fehlt er.

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Auf dünnem Eis

Unser Mo hat vor einigen Tagen einen vielbeachteten Artikel über die verbindende Kaft des Fußballs geschrieben.
Ich selbst habe gestern mit Franzosen die Marseillaise gesungen, mit genug Weißwein im Blut würde ich sie aber auch abseits der Weltmeisterschaft singen, ein großartig blutrünstiger Hassmarsch, man möchte gleich einen Feldzug nach Russland organisieren.
Der Fußball ist jedoch zugleich auch Spaltpilz.
Ob man sich die Fehde zwischen Achim Achilles und Birgit Schönau anschaut (online leider nicht mehr verfügbar, Birgit Schönau tappte in die von Achilles aufgestellte Falle der Vulgärklischees, indem sie mit Phrasen wie “Italians do it better” konterte), die britische Yellow Press oder auch die Kommentare auf youtube zu meinem Wayne-Rooney-Video, bei denen die Äußerung you german wankers will pay noch zu den harmloseren gehört: Überall wird Fußball zum Anlass genommen, Klischees aus den untersten Schubladen des Plattitüden-Schranks zu nehmen und sie als Waffe einzusetzen.

Fußball ist durchaus ein Hilfsmittel, um Rassimus zu überwinden. In fast allen Mannschaften wirken Spieler mit, deren ethnische Wurzeln fernab von ihrer Fußballheimat liegen.
Aber bermerkenswert ist, wie heftig nationale Ressentiments geschürt werden, besonders angesichts der Tatsache, dass alle vier Halbfinalmannschaften aus Ländern der EU kommen. Wird da deutlich, dass die EU keine Herzensangelegenheit der Bürger Europas ist? Oder handelt es sich bei den nationalistischen Parolen doch nur um Fanmetaphorik?
Bei einem Spiel zwischen Alemannia Aachen und Saarbrücken schallte aus dem Fanblock der Gäste:

Ihr seid alle Ruhrpott-Assis.

Neben einer dramatischen Verkennung der geographischen Lage Aachens enthüllt diese Anekdote, dass man allzu weitreichende Schlüsse aus den oben aufgezeigten Beobachtungen nicht ziehen kann. Mit Sicherheit haben diese Saarbrücker Fans Aachen zu Deutschland gezählt, sind nach dem Spiel in Aachener Kneipen einkgekehrt und haben ihren Familien Printen mitgebracht (Aus Aachen kann man nur Printen mitbringen).
Eine kriegerische Auseinandersetzung der beiden Städte stand und steht nicht zu befürchten.
Solange Parolen im Stadion bleiben, kann man sie hinnehmen. Vor und nach dem Spiel aber wäre es angenehm, man würde die Fiktion eines zivilisierten und sportlichen Umgangs wahren.
Ein paar Worte noch in eigener Sache:
Auch wir bedienen uns überreichlich im Reservoir der Länderklischees.
Nun ist ein Grundproblem eines monthematischen Weblogs, dass wir unser politisches Profil nicht an anderer Stelle schärfen können, um für einen Ausgleich zu sorgen. Es bleibt uns die Hoffnung, dass unsere Leser die satirisch überspitzten Artikel unterscheiden können von denen, die eins zu eins so gemeint sind, wie sie niedergeschrieben wurden. Wir wissen alle voneinander, wo wir politisch stehen, keiner von uns hat einen nationalistischen Hintergrund, Mo ist britischer als die Queen, Lotta ist in Italien geboren und aufgewachsen, Lena hat ein Herz für Holland, Melville ist Schweizer. Ich selbst kann nur meine Begeisterung für Schwedinnen und ihre Bräuche ins Feld führen, aber das ist ein anderes Thema.

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Die Italiener petzen

Wieviel Angst die Italiener wirklich vor der deutschen Mannschaft haben, zeigt ihr Nachtreten gegen Torsten Frings. Der soll bei den Tumulten nach dem Viertelfinale gegen Argentinien Julio Cruz ins Gesicht geschlagen haben, wie ein Foto der italienischen Zeitung “La Repubblica” beweisen soll. Die fordert natürlich eine sofortige Bestrafung (ergo Sperre) und geht der Fifa damit auf den Blattersack. Inzwischen hat die Fifa Ermittlungen eingeleitet, die noch vor dem Halbfinale abgeschlossen werden sollen. [Quelle]

Doch selbst Argentinien bestreitet deutsche Schläge und gibt zu, ausschließlich selbst rumgeprollt zu haben. Julio Cruz sagte der Gazzetta dello Sport:
“Ich habe keinen Faustschlag bekommen, zumindest habe ich nichts gespürt.” [Quelle]

Julio Cruz spielt übrigens bei Inter Mailand, Italien…

Update um 22:20 Uhr: das ZDF heute journal hat das betreffende Bild samt Video gezeigt. Ein Fall für Radio Eriwan. Die Hand von Cruz berührt das Gesicht von Torsten Frings, was man mit viel Argentinien-Antipathie als “Ohrfeige” bezeichnen könnte, aber nicht muss. Daraufhin nähert sich dem Kinn von Cruz eine Faust, berührt es womöglich, doch Julio Cruz zeigt danach keine erkennbare Reaktion. Der Winkel des Arms kombiniert mit der Kenntnis menschlicher Anatomie lassen den Schluss zu, es habe sich um die Faust von Frings gehandelt. Mit Sicherheit zuordnen konnte zumindest ich diese Faust nicht. “Im Prinzip ja” könnte man antworten auf die Frage, ob Frings Cruz berührt habe. “Geschlagen” oder “geboxt” hat er ihn nicht, doch nach Erhalt von genug Mafia-Geld könnte die Fifa es als “Versuch eines Boxhiebs” interpretieren und nicht als bloßen Reflex im Affekt.
Mehr sage ich ohne Anwalt nicht.