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sprach nichts als: heilig heilig heilig

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Karikatur von tantekong

Gott kann nicht besonders groß sein, schließlich hat er neben pubertätsinduzierten Vatermordphantasien, dem ersten Maxi-CD-Kauf und der vier Absagen für den Schulball reichlich Platz gefunden im Unterbewußtsein und es sich gemütlich eingerichtet. Im Alltag begegnet er mir überhaupt nicht, und ansonsten schwimmt an der Oberfläche immer der Glaube, dass ich in einem laizistischen Staat lebe, ein Glaube übrigens, der nur selten getrübt wird von der Erkenntnis, das C in diversen Parteienkürzeln stehe nicht für Cacahuettes.

Auf diese Art und Weise kann ich ganz gut mit dem Christentum leben, und sie mit mir Atheistensau. Ich mag Christen, einige meiner besten Freunde sind Christen, und ich bin selbst in jungen Jahren mit Weihwasser in Berührung gekommen, habe allerdings nicht inhaliert. Christen stören mich nicht, solange sie Sonntag Morgen anderthalb Stunden in ihr Gewissenskino gehen, während ich schlafend im Bett liege – das ist okay, das ist Koexistenz, sie haben ihre zugige Kirche, ich habe mein warmes Bett. Von mir aus.

Nun beschließt die CDU aber im Dezember ein neues Grundsatzprogramm, und Wanderprediger Pofalla rührt kräftig die Werbetrommel. Aber auch die anderen CDU/CSU-Granden scheinen sich darauf verständigt zu haben, mich in meiner bisher eher sorglosen Atheistenexistenz zu verschrecken. Schönbohm beispielsweise erklärt:

Die Grundlage des Denkens des Konservativen ist das christliche Menschenbild.

Nun weiß man nicht so ganz genau, worum es dabei gehen soll, bei diesem ominösen christlichen Menschenbild. Und dann ertappe ich mich dabei, wie ich verzweifelt über der Bibel sitze und herauszufinden versuche, was das sein soll: christliches Menschenbild. Ich weiß, man sollte Politiker eigentlich nicht beim Wort nehmen, aber dieses christliche Menschenbild scheint ihnen ja so wichtig zu sein, sozusagen der Urknall in ihrem Kopf – da muss mal Licht werden.

Soll ich mir beispielsweise die Frau prinzipiell als Heilige Barbara vorstellen, die ständig einen großen Turm in der Hand hält? (Herr Seehofer, hören Sie auf zu kichern!) Soll ich mir mit Kreide ein Habeas corpus über die Tür malen? (Herr Schäuble, Ruhe jetzt!) Oder soll ich mich schicksalsergeben der teleologischen Geschichtsauslegung eines Jens Enneke, eines Joachim von Fiores, eines Hieronymus Bosch‘ hingeben, die Augen zumachen und einfach warten, bis es vorbei ist? (Wer hat hier was von Wahlbeteiligung gesagt?)

Zu meiner Verwirrung haben auch die sonstigen üblichen Verdächtigen nichts erhellendes beizutragen. Pofalla, der für mich so langsam Anlass wird, eine Studie über Äußerungsemissionen machthungriger Politiker und den daraus folgenden Umweltschäden anzuregen, meinte zum selben Thema folgendes:

Die Diskussion ist in der Grundsatzprogrammkommission geführt worden. Ich habe gerade die Elemente genannt, die in unserem Programm wertkonservativ sind. Ich will einen weiteren Punkt nennen. Unser klares Bekenntnis zum christlichen Menschenbild.

Fragen wir doch die Frau, die momentan auf alles eine Antwort haben muss, weil sie dazu gewählt wurde. Von Frau Merkel bekommt man dann solche Sätze zu hören:

Wir sind geprägt von einem christlichen Menschenbild.

Und dann sagt sie mit betretener Miene, dass es viele gebe, „die heute nicht mehr den ursprünglichen Zugang zum christlichen Glauben haben“. Jessas.

Und in so einer Aufzählung darf natürlich die Lichtgestalt des hallenden Wortes, der personifizierte Lautsprecher und Freund eindeutiger Meinungen, Markus Söder, nicht fehlen, der uns vergegenwärtigt, wie für ihn die Umsetzung des christlichen Menschenbildes aussieht:

Wir wollen einen aufgeklärten Konservatismus. Offen für neue Entwicklungen sein, aber immer auf dem Fundament des christlichen Menschenbildes. Übersetzt heißt das zum Beispiel: In bayerische Klassenzimmer gehören Kruzifixe und keine Kopftücher. Dazu kommt das Bekenntnis zur Heimat. Ich bin stolz auf unser Land.

Das sind doch mal offene Antworten. Um die Symbole gehts also. Scheiß auf die Inhalte, Hauptsache, die Einstellung stimmt. Und wenn irgendwas stimmt, dann stimmts halt einfach, das ist so, wie eben angebratene Zwiebeln zum Leberkäs gehören – muss so, also is so. Das ist der wahre Descartes, die wahre Aufklärung. Und weil Religionsfreiheit sowieso Kokolores ist, setzte der Beckstein 2005 vorab gleich noch einen drauf:

Unsere westliche Zivilisation, geprägt durch Christentum, Aufklärung und den Humanismus, die muss jeder anerkennen, sonst hat er bei uns nichts zu suchen.

Passt gut zusammen, Christentum und Aufklärung. Das wissen wir ja, seit Jesus das Mittelalter abgeschafft hat, und wehe, es wage jemand, jetzt die sexuelle Aufklärung anzusprechen. Kondome für Afrika, da hört der Spaß auf.

Womit wir vor allem eines gelernt haben: Religion dient der Politik, wenn überhaupt, nicht zur Beantwortung der letzten aller Fragen, sondern zu ihrer Vermeidung. Wer auf den Herrgott zeigt, braucht keine Erdung mehr. Muss so, also is so.

40 Kommentare

  1. 01

    Nichts neues, die CDU pocht wie alle paar Wochen auf Christentum, Söder redet sich um Kopftuch und Kragen und Merkel schießt mal wieder mit Hohlmantelgeschossen.

    Grundsatzprogramme sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt werden, die sind zum Beispiel der Grund, warum beim Wahl-o-mat die PDS immer oben ist, die verspricht ja auch jedem alles in ihren Programmen. Von daher, überhaupt kein Grund zur Sorge.

  2. 02
    Maltefan

    Die Werte der Aufklärung sind nu freilich nicht die Werte des Christentums, aber dass unsere „westliche Zivilisation geprägt durch Christentum, Aufklärung und den Humanismus“ ist, das stimmt nun mal. Und mal so ganz am Rande, und das sage ich als alte Atheistensau: Ohne Luther keine Aufkärung. Deswegen ist der Islam ja bis heute so entsetzlich unaufgeklärt.

    Im Übrigen finde ich es gut, dass Du Morgenstern liest ;-)

  3. 03

    @2: Ohne Luther? Also bitte, Luther war ja kaum Ursache oder Grund für die Aufklärung, allenfalls ein kleiner Stein in der Vorbereitung der selbigen.^^

    Netter Artikel aber =)

  4. 04
    schomsko

    Ich erhoffe mir durch die publizistische Demokratisierung des Internets eine Aufklärung über die Unterschiede zwischen politischen Zielsetzungen und Werteblabla. Dafür ist dieser Beitrag ein guter Anfang.
    Grob sehe ich die Entwicklung der Demokratie so.

    1. In der Antike hatten wir Arenen, in denen Politiker zum Volk sprachen. Da war Wirkung alles. Die Masse will unterhalten werden. Und wenn ein Politiker sich als Buddy starker Götter darstellen konnte, war das gut für Ihn. Nebenbei versprach er, die Steuern zu senken und den Wohlstand entweder durch Eroberungen oder durch Frieden zu mehren.

    2. In Massenmedien gab es dann zwar mehr Platz für ausführliche Erörterungen über politische Ziele, doch wurden sie wenig genutzt. Dank der Urenkel der Aufklärung erfuhren die Menschen, das alles relativ ist und schon war auch mit allem kein großer Blumentopf mehr zu gewinnen. Das heischen um den Hit in der Populärkultur der Medienökonomie tat sein Übriges zu der Verflachung des politischen Content. Gemeinplätze waren sichere Treffer ins Herz der Massenzielgruppe.

    3. Doch jetzt beginnt den Politikern der Long Tail auch in ihrem Geschäft zu grauen. Der Advent der diversifikativen Abbildung der partikulären Interessen jeder noch so kleinen Lobby lässt die Menschen Entscheidungsträger suchen. Sie werden Zeitverschwendung hassen und abstrafen. Gemeinplätze werden auf Dauer gemieden werden. Lediglich Frühpupertäre und Offliner werden sich mit Klischees begnügen. Mit dem Pop stirbt der Gott.

    Pop ist tot.

  5. 05
    Matthias

    Ob du willst oder nicht – geprägt bist du auf jeden Fall vom christlichen Menschenbild. Selbst du beziehst dein Vorstellung von Gott aus der Bibel, auch wenn du ihn hinterher leugnest.

  6. 06

    Gott kann nicht besonders groß sein, schließlich hat er …

    — Wenn er „hat“ dann weiss man ja was er „ist“ – Stupid – ! –

    Es geht aber schon um einen Kulturkampf – denn Atheismus und Monotheismus
    sind viel identischer als man auf dem ersten Blick sieht!

    Ob Talmut oder altes Testament oder Koran – drei Krallen des Teufels!

    Christentum – Buddhismus – Sufismus – dann gibt es deren Viele!

    Also Erfahrungreligionen – die nicht Trennen – auch nicht den Atheismus als Monotheistische Negationsrelegion!

  7. 07

    Moin!

    Bin nicht gläubig und denke in manchen Punkten trotzdem in christlichen Maßstäben. An den letzten Besuch einer Messe kann ich mich allerdings nur noch sehr dunkel erinnern. Auch sehe ich einige kirchliche Standpunkte sehr (!) kritisch (zB: Kondome&Afrika) und mich besorgt auch immer wieder Kreationismus/Fundamentalismus à la Bush.

    ABER: Ich denke, dass du es dir etwas zu leicht machst. Einige Schwatzköppe (zB Söder) sprechen nicht für die Masse – das sollte man als Blogger eigentlich wissen!

    Auch ist unser Menschenbild – das menschliche Miteinander – durchaus durch das Christentum geprägt. Sätze wie „Liebe den nächsten wie dich selbst“ (auch deine Feinde) sind heute wieder hochaktuell und gerade zur Zeit ihrer Entstehung Meilensteine der menschlichen Entwicklung gewesen. Das christliche(=europäische) Menschenbild unterscheidet sich in diesen Punkten von anderen Kulturen und ihren herrschenden (!!) Ansichten (zB Islam) grundlegend (!). Dass auch andere Kulturen (zB Buddhismus) vergleichbare fortschrittliche Ansichten zT schon seit Jahrtausenden vertreten, ist ebenfalls bemerkenswert, ändert aber nichts an der Sache an sich.

    Art 1 GG (Die Würde des Menschen) ist ein direktes Produkt christlicher Weltanschauung und große Teile des BGBs ohne Christentum gar nicht vorstellbar (bin kein Jurist, aber soweit reicht meine Allgemeinbildung). Am Rand: Hier sei nur an die heidnischen Götter der Germanen erinnert.

    Ohne Christentum wäre auch die Aufklärung nicht möglich gewesen (auch wenn sie in einigen Punkten auch nicht nötig gewesen wäre…). Eine genaue Analyse dieses Gedankens sprengt den Rahmen, aber vielleicht lohnt es sich hierüber mal einige Gedanken zu machen…

    Gott sei Dank ist das kirchliche Wort heute nicht mehr automatisch Gesetz, denn hinter kirchlichen Institutionen stecken auch nur Menschen (ebenfalls im Glauben verankert: Jesus= Gott und Mensch zugleich) deren Unnahbarkeit (Papst) meiner Meinung nach das nächste Jahrhundert auch nicht überleben wird.

    Ich wünsche mir von dir mehr aufgeklärte (!) Distanz und mehr Gedanken über ein so sensibles Thema wie Glauben und christliche Weltanschauung!

  8. 08

    Abseits aller Grundsatzdiskussionen über Religion und so sollte man mal kurz festhalten, daß das christliche Menschenbild einfach folgendes besagt: Wir alle sind von Geburt an sündig und der Hölle verfallen. Und zwar per sogenannter „Erbsünde“. Eva hat im Paradies gesündigt, wir haben die Sünde geerbt. Erlöst wurden wir erst dadurch, daß Jesus sich stellvertretend für uns geopfert hat. Aber eigentlich ist der Mensch seiner Natur nach nicht gut, sondern schlecht, kann sich allerdings für das Gute entscheiden, also Christ werden mit allem, was daraus so folgt.
    Das kann man so oder so sehen – mich stört daran das mythisch überhöhte Gerede von der Erbsünde, das der Kirche immer gelegen kam, um Schuldgefühle hervorzurufen und Angst einzujagen. Wenn man es weglassen würde, bliebe die banale Erkenntnis, daß der Mensch sowohl gut als auch schlecht ist, aber das ist dann halt nicht mehr das christliche Menschenbild.

  9. 09

    Der Mensch ist nicht von Natur aus schlecht – das ist genau das Mittelaltertheater –> provozierte Schuldgefühle! Sonst stimme ich dir aber zu. Die Erkenntnis ist banal (wobei einige Menschen trotzdem so weit nicht kommen…) – die daraus erwachsenden Folgen sind es nicht!

  10. 10
    Maltefan

    @3
    Luther war weder Ursache noch Grund der Auklärung, aber er hat ihr gedanklich den Weg bereitet, indem er den Christen vom Untertan und Herdentier zum denkenden Subjekt erhoben hat, das in persönlichen Dialog mit Gott treten kann und als höchste Instanz nur sein eigenes Gewissen anzuerkennen hat. Der Schritt zum „Sapere Aude“ war damit immerhin nicht mehr ganz so weit.

  11. 11
    david

    @maltefan (2): ja ja, unsere heutige lebensweise wurde auch durch das christentum geprägt. und durch die klimatischen bedingungen der mittleren breiten. und dadurch, dass wir opponierbare daumen besitzen. und durch das geräusch, das die blätter von birken machen, wenn der wind durch sie fährt.

  12. 12
    Maltefan

    david: :-P
    Geh mal nach Saudi-Arabien, dann wünschst Du Dir auch einen islamischen Luther …

  13. 13

    Das ist jetzt aber nicht sonderlich originell oder neu. Reliogion dient Politik schon seint tausenden von Jahren als verlogene Letzbegründung. Guten Morgen.

  14. 14
    Frédéric

    @ Matthias:

    Ob du willst oder nicht – geprägt bist du auf jeden Fall vom christlichen Menschenbild. Selbst du beziehst dein Vorstellung von Gott aus der Bibel, auch wenn du ihn hinterher leugnest.

    Dann magst Du mir vielleicht erklären, was es mit diesem „christlichen Menschenbild“ auf sich hat? Was das ist? Was das vorstellen soll?

  15. 15
    Maltefan

    Fred:
    http://www.kas.de/wf/de/71.4463/
    Könnte ich Ex-katholische Atheistensau schwerlich besser zusammenfassen.
    Und ja, natürlich wurde all das, was da drinsteht, von allen Kirchen zu allen Zeiten mehr oder weniger schlimm mit Füßen getreten. Unsere Geistesgeschichte hat’s trotzdem geprägt, es führt kein anderer Weg zu Kant.

  16. 16

    Dankeschön für diese Worte:

    „Religion dient der Politik, wenn überhaupt, nicht zur Beantwortung der letzten aller Fragen, sondern zu ihrer Vermeidung. Wer auf den Herrgott zeigt, braucht keine Erdung mehr. Muss so, also is so.“

    Genau meine Worte. Wobei sich das ja nicht auf Politik beschränkt. Religion ist in allen Lebensbereichen probates Mittel zur Problemverdrängung.

  17. 17
    Frédéric

    Gut und Böse, da bekomm ich gleich wieder Kopfschmerzen… Im Ernst, das christliche Menschenbild, das da propagiert wird, ist nichts als weichgespülter Heidegger mit christlicher Folie. Gut, wird man mir antworten, Heidegger kommt ja vom Katholizismus her. Stimmt aber gar nicht, könnte man dann sagen, nämlich von Aristoteles. Muss man aber gar nicht sagen.
    Andersrum wäre vielfach schöner: Die Aufklärung gabs nicht wegen des Christentums, sondern trotz. Und gerade deswegen wegen. Statt Deiner kausalen Lesart der Geistesgeschichte, Maltefan, würd ich gern ein bißchen Dialektik ins Rund werfen. Aber nicht mehr heute Abend: Muss schlafen.

  18. 18
    Maltefan

    Fred:
    „Die Aufklärung gabs nicht wegen des Christentums, sondern trotz.“
    Da rennst Du bei mir offene Türen ein, ich sagte ja, dass die Werte der Aufklärung nicht die Werte des Christentums sind. Deswegen auch die possierliche Volte im Text zur Menschenwürde, für die dann auf einmal doch wieder die alten Griechen und die Universalwaffe Kant zur Unterstützung herangezogen werden.

    Ohne den Umweg über das Christentum und v.a. Luther wären aber heute unsere Vorstellungen darüber, was den Wert des Menschen und seine Möglichkeiten ausmacht, andere. Vielleicht bessere, vielleicht aber auch schlechtere. Ich möchte hier bitte nicht in den Ruch kommen, christliche Ideen oder Werte zu verteidigen. Meine Werte sind die der Aufklärung, und die gehen nicht genuin auf das Christentum zurück, sondern darüber hinaus.

  19. 19

    Nun weiß man nicht so ganz genau, worum es dabei gehen soll, bei diesem ominösen christlichen Menschenbild. Und dann ertappe ich mich dabei, wie ich verzweifelt über der Bibel sitze und herauszufinden versuche, was das sein soll: christliches Menschenbild.

    Frage: Weißt Du das wirklich nicht oder stellst Du Dich absichtlich so blöd, in der Hoffnung, irgendwie besonders witzig zu sein? Falls Letzteres: nicht geglückt. Wirkt sehr gezwungen und peinlich. :)

    Frag doch mal Deine „žchristlichen Freunde“, vielleicht können sie es Dir erklären. Vielleicht hätte es auch schon gereicht, mal kurz Google oder Wikipedia zu bemühen. Mir jedenfalls ist dafür die Zeit zu schade. Die „žneuen Atheisten“ (Spiegel) sind mir eindeutig zu aggressiv und zu dogmatisch. Das stößt mich ab.

    (Um irgendwelchen wilden Vermutungen vorzubeugen: nein, ich wähle nicht die CSU, nein, ich habe nichts mit Markus Söder zu tun, nein, ich will nicht die Union verteidigen — um genau zu sein, bin ich SPD-Mitglied.)

  20. 20
    Maltefan

    Christian:
    Fakt ist doch aber, dass die Typen, die das christliche Menschenbild so locker auf der Zunge führen, sich häufig schwertun, einem zu sagen, was das eigentlich sein soll. Und wenn sie was sagen, dann ist das Menschenbild, das dabei rauskommt, meist eben nicht christlich sondern das hierzulande vorherrschende, das eben wesentlich von der Aufklärung geprägt wurde. In dem von mir zitierten Link ist mMn auch nur das genuin christlich, was beschrieben wird, bevor Kant und die alten Griechen ins Spiel kommen. Was danach kommt haben wir der Aufklärung zu verdanken, die sich zwar in und aus einer christlichen Gesellschaft entwickelt hat, aber eben gerade nicht als Strömung innerhalb der Kirchen, sondern gegen sie.
    Dass die Kirchen die Werte der Aufklärung übernommen haben, macht sie ja noch nicht christlich. Menschenrechte wie Gleichheit vor dem Gesetz, Religionsfreiheit, Abschaffung der Sklaverei, etc. haben wir ja nicht wegen der Kirche, sondern tw. gegen ihren heftigen Widerstand.

  21. 21

    @Maltefan. Danke für die intereressante Textstelle, ich habe mich schon immer gewundert, wer letztlich für die „Sichtbarwerdung“ politischer Pauschalismen zuständig zeichnet.

    Über die Jahrhunderte hatte stets entweder die Politik der Kirche, oder die Kirche der Politik gedient. Beide haben ein einig Interesse: Es möge sich nichts verändern. Und dazu brauchen sie führbare Untertanen. Mangelnde Bildung stellt hierzu eine gutes Mittel dar.
    Es ist schon interessant in die Statistiken zu schauen: Es ist längst bekannt, dass Deutschland aufgrund mangelnder eigener Arbeitskräfte in rund 25 Jahren überhaupt keine Chance mehr hat, Renten zu zahlen. Bekannt ist auch, dass wir Deutschen es uns leisten, 25 – 30 % der nachkommenden Jugendlichen ohne Zukunftschancen vom Arbeitsmarkt fern zu halten. Ich muß nicht mal 1 und 1 zusammenzählen, es genügt schon einfach „1“ zu sagen, das hier dringender Handlungsbedarf ist.
    Warum passiert aber nichts? Ich glaube nicht (unumschränkt) an die These, dass die Politik verlernt hat in Zeiträumen größer vier Jahren zu denken. Wer also mag ein Interesse daran haben, dass möglichst viele bedürftige und schlecht ausgebildete Menschen im Lande sind? Die nach „Vater“ Staat rufen?

  22. 22
    sys.error

    Konservative halt…

    Heilig heilig, haupsache für den schein. Dieses gelaber (ja, ich mag dass Wort auch nicht aber es pass hier ganz genau) vom christlichen Menschenbild nehme ich schon lange nicht mehr ernst. Wenn es hilft, ein paar erzkonservative Hinterweltler aus Bayern, Baden oder dem Eichsfeld zum nicken und ja sagen zu bewegen, bitte…

  23. 23

    Manchmal habe ich das Gefühl, dass hier Kirche und christilicher Glaube gleichgesetzt werden. Dem ist nicht so!

    Natürlich ist die „Institution“ Kirche in manchen Punkten äußerst kritikwürdig, auch ist der dogmatische Glaube einiger Anhänger (auch außerhalb der Kirche) erschreckend, doch deshalb Christentum mit Kirche gleichzusetzen ist ein großer Fehler!

    Im übrigen kann ich Christian (bis auf die Parteizugehörigkeit :) ) voll zustimmen!

  24. 24

    @Atatoerk:
    Ist der Name Programm? Der Vorwurf, dass die Kirchen ein Interesse an einem niedrigen Bildungsstandart haben ist ziemlich weit hergeholt und traf allenfalls noch im frühen 20. Jahrhundert zu (extreme Ansichten mal ausgenommen). Wer derartige Ansichten vertritt ist im 21. Jahrhundert noch nicht angekommen.

    Laizismus ist ein Weg (und im Falle der Türkei mE der Beste!), jedoch nicht immer der Goldene!

  25. 25
    lana

    immer diese jungen genossen…

    folgende anmerkungen zum artikel:

    1. die gegenüberstellung „christen“ vs. „atheisten“ ist weder trennscharf noch hilfreich: es gibt christen, die „atheistisch an gott glauben“, um mit frau sölle und herrn bloch zu sprechen. oder atheisten, die pantheistische vorstellungen haben. zwischen agnostikern und „starken“ atheisten passen philosophische welten. und schließlich gibt es auch atheistische religionen, zB den stalinismus.

    2. d’accord: die cdu ist so christlich, wie die sed sozialistisch war. klar basht man als erstsemester ganz gerne mal die schwächere fraktion, aber das gibt sich mit der zeit. irgendwann hat man es gern etwas genauer, wenn es um ideengeschichte geht.

    3. wenn die katholiken- und handwerkerparteien cdu/csu mit kruzifixen multikulturelle klassenzimmer exorzieren wollen, hat das eher etwas mit merzens „leitkultur“ als mit theologie zu tun. wäre es anders, hätte die cdu längst schon konservative muslime als potentielle wähler entdeckt. mit von der leyen geht es aber eher in die richtung „neues spießertum“ im stile florian illies‘.

  26. 26
    PS

    Peanuts sind das neue C – das musste mal gesagt sein.

    Früher (Bonner Republik) suchte man die vermeintliche Bananenrepublik.

    In der Berliner Republik herrscht nun die Frankfurter Erdnuss. Ist ja auch viel praktischer, den moralischen Verfall der Wirtschaft mitzumachen, als sich kaufen zu lassen.
    Da sind die Ablenkungsscharmützel auf dem Rücken des Schwimmers an der Wand (SCNR) doch immer willkommen.

  27. 27
    Maltefan

    Von der Leyens „Einspannen“ der Kirchen für ihre Politik mag antilaizistisch sein, aber was sie politisch gerade durchzusetzen versucht ist das genaue Gegenteil des neuen Spießertums zumindest im Sinne Christian Rickens‘. Flächendeckende Kinderbetreuung bringt mMn die Emanzipation weiter voran als noch 100 Jahre Gender Studies.

  28. 28
    lana

    @maltefan: die forderung nach flächendeckender kinderbetreuung ist aber kein alleinstellungsmerkmal der cdu. und in welchem kontext steht diese forderung bei von der leyen? familienpolitik als „vorsorge“ für pflegebedürftigkeit und flicken fürs soziale netz. dazu braucht man doppelverdiener. dass die cdu dann auch beim spreeblick-publikum attraktiv wird („die tun was, bei rot-grün gab es ja nur tee und schwulenreferate“), wundert mich nicht.

  29. 29
    Frédéric

    @ Christian: Fakt ist, dass es ein einfaches „christliches Menschenbild“, wie es so gerne propagiert wird, schlichtweg nicht gibt. Wie du von diesem Artikel auf Hitchens rüberschwenkst, versteh ich nicht, muss ich aber vielleicht auch gar nicht.
    @ lana: So ist das mit weiter gefassten Artikeln: Die einen schreien bashing, die anderen langweilig.Ich persönlich hätte es gern etwas genauer, wenns um Ideengeschichte geht – es geht aber nicht um Ideengeschichte, da bin ich einverstanden. Mit dem dritten Punkt bin ich allerdings nicht einverstanden, schließlich geht es nicht um multikulturelle Klassenzimmer, sondern um neutrale. Mit Theologie hat das ganze nichts zu tun. Auch Leitkultur ist so eine Hohlphrase, die allerdings in Europa seit Aznar auf beeindruckende Art und Weise Schule macht. Das wäre allerdings ein neuer Artikel. Was die konservativen Muslime angeht, glaube ich nicht, dass sie prinzipiell der CDU den Rücken kehren. Was wiederum nichts mit Theologie zu tun hat, sondern vielmehr auf die sekundär-konservativen Werte zurückgeht. Moral, Familie, blabla, plus Aktionismus, quasi Sarkozys Wahlprogramm. Müsste man sich aber mal genauer anschaun, ob mir da die Realität nicht widersprechen wird. On verra.

  30. 30
    Frédéric

    Ach so, und Genossen hab ich genossen. Du liegst allerdings knapp daneben.

  31. 31

    @Christian:

    Da ich nicht den Spiegel lese, weiß ich auch nicht, was „neue“ Atheisten von „normalen“ Atheisten unterscheiden soll, aber sie dogmatisch und aggressiv zu nennen ist eine Umkehrung der Tatsachen.

    Wenn man sich energisch und vielleicht auch polemisch gegen die Leute wehren will, die immer wieder versuchen, ihr aus irgendwelchen „heiligen“ Schriften generiertes Weltbild über eine Gesellschaft zu stülpen, die mittels Aufklärung und Wissenschaft eigentlich ebenjene religiösen Weltbilder überwunden zu haben schien, ohne dem einzelnen Mitglied der Gesellschaft vorzuschreiben, was für ein Weltbild auch immer er nun verfolgen möchte…; Wer also sich gegen sowas wehren will, der verteidigt nur diese freie Gesellschaft vor Kräften, die rückwärtsgewandt zurück ins Mittelalter wollen. Undzwar dogmatisch und aggressiv zurück ins Mittelalter wollen.

  32. 32
    Maltefan

    @lana:
    Natürlich ist das kein Alleinstellungsmerkmal, aber nun war rot-grün nun mal erst kürzlich zwei Legislaturperioden im Amt und hat sich keinen Furz in diese Richtung bewegt. Aus welchen Gründen vdL das Thema hier voranbringt, kann ich nicht sagen, aber selbst wenn es aus den falschen Gründen wäre brächte es die Emanzipation immer noch weiter voran als 100 Jahre Gender Studies. Die CDU insgesamt macht das für mich zumindest immer noch nicht besonders attraktiv, denn ich denke auch dass der Effekt eher ein Unfall denn Programm ist. Das Gegenteil der neuen Spießigkeit ist es aber trotzdem.

  33. 33

    Nicht für Cacahuettes? Ich will mein Kreuz zurück.

  34. 34

    Da nicht jeder Philosoph werden kann (sei es wegen geistiger, zeitlicher oder sonstiger Defizite), um die komplexen Zusammenhänge der menschlichen Massenansammlung auf der Erde zu erkennen und sein eigenes Dasein danach auszurichten, braucht es für die meisten Mitglieder dieser Ansammmlung vereinfachte Regeln, quasi einen Reiseführer / eine Bedienungsanleitung für das eigene Leben. Das Christentum kann sowas anscheinend in der Form der Bibel vorweisen.
    Die Annahme, sie hätten _die_ Bedienungsanleitung aka „christliches Menschenbild“, ergibt sich bei den den Christen wohl aus ihrem Blickwinkel als Christ auf diese Welt. Da kann ich mich jetzt nicht groß wundern.
    Nunja, nur so Gedanken eines Nichtphilosophen ohne Bedienungsanleitung.

  35. 35

    @Andreas. Pauschale Verschlagwortung ist noch kein Argument. Was Du als scheinbar „geheiligtes“ 21. Jhdt. vergötterst scheint mir deutlich hinter dem herzuhinken, was hoffnungstaumelige Futuristen Mitte des 20. Jhdts. vorhersehen wollten.
    Ich kann nicht ganz Deinen Glauben teilen, das Menschen dieses Jahrtausends klüger seinen als jene des vorherigen, gleich welchen Jahrzehnts.
    Wenn Du schon eine Jahrhundertwende als besonderes Ereignis erwähnst, dann wäre es wohl angemessen, die Entwicklung der zwanzig vorangegangenen mit in Betracht zu ziehen.
    Ich sehe jedenfalls keinen Unterschied in der politisch / kirchlichen Beweglichkeit zwischen dem 20. und dem 21. Jhdt.
    Aber vielleicht hast Du ja tiefere Erkenntnisse?

  36. 36
    Niclas

    Wenn’s Gott gibt, kriegt er von mir auf die Fresse für den Scheiss.

  37. 37
    xy

    Ich hab‘ nichts gegen Gott, nur seine Fanclubs gehen mir auf den Sack“¦