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Nächste Ausfahrt – links einordnen

Das scheint sich ja zur Pandemie auszuweiten: Jetzt hat das Pinup-Girl der französischen Philosophie, der André Rieux des Bedeutungsvollen, Bernard-Henri Lévy, ein Buch geschrieben. Ce grand cadavre à la renverse. Toller Titel: Der wäre was für Godard gewesen, wenn er mit John Wayne hätte drehen wollen. Aber genug des Spottes, es wird ernst: Lévy nämlich, die Stirn in Falten und den Finger auf dieselben legend, verhandelt die Frage, was links sein heute noch bedeuten kann.

Das wäre der Moment der Buchbesprechung. Aber – ma foi – ich kann nicht. Ein Buch, das mit dem Anruf des zukünftigen Präsidenten der Republik beginnt, der den Autor flehentlich um Unterstützung im Wahlkampf bittet – ein Ansinnen, das Lévi übrigens, mit Verweis auf seine linke Integrität wenn auch nicht aufs schärfste, so doch entschieden zurückweist – ein Buch also, das sich schon im Vorabdruck als Manifest des medialen Hedonismus, als Buchstabe gewordene Selbstgefälligkeit liest – halt. Nicht Lévis narzistische Selbstbeweihräucherungsorgie soll hier Thema sein, sondern die Linke. Das Linke. Der Linke. Irgendwie sowas.

Ich könnte ja jetzt eine anrührende Geschichte erzählen, wie damals Herr Grau mich aufforderte, eine linke Utopie zu entwerfen, ein Ansinnen, das ich, obwohl aufs Tiefste geschmeichelt, nach einem kurzen Blick in den Spiegel entschieden habe ablehnen müssen, da ich zum wiederholten Male, mit Bedauern und mit aller Klarsicht feststellte: Nein, Du bist nicht Bourdieu. Schade eigentlich. Womit aber auch bewiesen wäre, dass weder ich Lévy noch Herr Grau Sarkozy sind. Was weit weniger schade ist. Für mich jedenfalls.

Also es lieber weiter mit Bourdieu probieren, der das politische Feld in ganz ungefähr so beschrieben hat*: Am linken Spektrum findet man den Intellektuellen, der aus einer relativ autonomen Position interveniert, also aus einem politisch, religiös und ökonomisch unabhängigen Feld heraus, und der seine primär nicht-politische Fachkompetenz und seine Autorität zur politischen Aktion nutzt. Sein Gegenüber ist der Technokrat, der Experte. Ganz grob schematisiert lässt sich sagen: Während der eine sich der Kritik, der Reflexion und der Beschreibung verschrieben hat, interessiert den anderen die Machbarkeit, die Effizienz und die Wirtschaftlichkeit.

Was also den Linken vom Konservativen unterscheidet, sind feste, unverrückbare Werte, die alle in diesem einen, zentralen Punkt enden: dem Recht auf Selbstbestimmung. Im Gegensatz zu den sogenannten ‚konservativen Werten‘, die es im Grunde gar nicht gibt: Man könnte jenes von Stoiber immer wieder gestammelte, von Merkel genuschelte, von Pofalla gefeixte ‚konservative Werte‘ problemlos durch Brauchtum, Tradition, Sitte und solche Worte ersetzen, ohne dass ein bemerkenswerter Sinnverlust eintritt.

Dass Christentum, Familie oder Kurzhaarschnitt überhaupt als Werte verhandelt werden, ist mindestens so erstaunlich wie der natürlich Koalitionskoitus zwischen FDP und CDU/CSU und der konservativen Bereitschaft, sich liberalem Wirtschaftsdenken und technischem Fortschrittsglauben hinzugeben. Dem hat die Linke nicht viel entgegenzusetzen, weil sich der Wille zur Kritik in erster Linie in Selbstzerfleischungsorgien äussert, und Selbstbestimmung gerne mal mit Selbstverwirklichung verwechselt wird.

Wenn sie nicht schon zuvor im Niemandsland des kalten Krieges vermisst gemeldet worden ist. Denn das, was man in Deutschland seit dem Ende des Nationalsozialismus gemeinhin als links verstand – die Sozialdemokratie – ist nicht links, nie gewesen. Die Sozialdemokratie ist im Grunde ein englischer Eintopf: Allerlei feine Sachen sind da drin, von denen man geschmacklich höchstens zwei Drittel wiedererkennt, schmeckt so lala, selbst wenn man nichts besseres im Hause hat, und vorher wird brav das Tischgebet gesprochen. Oder, um es anders zu sagen: Der Eintopf ist ein pragmatisches Gericht, ein fadenscheiniger Kompromiss zwischen dem, was der Magen fordert, und dem, was der Kühlschrank, dieser miese kleine dreckige Kapitalist, herzugeben gewillt ist. Auge, Nase und Zunge verharren in der Lafontaine-Rolle (womit ich bei meinem Vergleich deutlich oberhalb der Gürtellinie bleibe).

Das Missverständnis, Sozialdemokratie sei links und ihr Begründer hiesse Erhard (Ludwig), hält sich bis heute. Sogar die Zeit hielt in ihrer vielkommentierten Umfrage die Aussage von 672 deutschen Staatsbürgern, Bahn, Strom und TK sollten in Staatsbesitz verbleiben, für eine linke Position. Was, wenn man gewillt ist, sich einfache Kalauer nicht entgehen zu lassen, zur Anmerkung führen könnte, das sei sehr weit hergeholt. Von rechts nämlich.

Denkt man das linke Konzept der Selbstbestimmung zu Ende, müsste man sagen: Abschaffung des Managements, Selbstorganisation der bisherigen Arbeitnehmer, Überführung des kompletten Besitzes in ihre Hände. Aber sowas darf man heute ja nicht mal mehr denken. Sonst kommt gleich wieder einer und schreit: Und die Gulags? Und Kronstadt? Und wie soll man das anstellen?

Und dann müsste ich wieder mit Bourdieu und der Unterscheidung zwischen Technokraten und Intellektuellen anfangen. Und das, das will keiner, am wenigsten ich.*

*Zugegeben, das ist ein sehr enges Fenster. Wers genauer haben will: Unter anderem in ‚Die Intellektuellen und die Macht‘, ‚Die verborgenen Mechanismen der Macht‘ und ‚Rede und Antwort‘. Viel Spass damit.

23 Kommentare

  1. 01
    corax

    Neue Heimaaaat, wer schützt uns vor den Gewerkschaften?
    BAWAG, coop,….. never ending story
    Peter Hartz, Gabriel und Nutten…. und Schröder macht auf neue schweizer-russische-freundschaft

    Tjaja…

  2. 02
    hans

    „Selbstorganisation der bisherigen Arbeitnehmer, Überführung des kompletten Besitzes in ihre Hände“ – ist das immer noch Marx?
    Ich fürchte das hat nicht genug Strahlkraft, und das braucht eine Utopie, so das die pragmatischen Einwände erstmal abprallen.

    Abschaffung der Arbeit hat mehr Sexappeal

  3. 03
    jonas

    Ein sehr schöner Text—
    Aber Du deutest eines nur an, und so frage ich nach: Könnten wir uns unter Deiner Definition dann aber auch darauf einigen, dass diese Partei DIE LINKE, die vorauseilend sich da das Wort bunkern wollte, auch nicht links zu nennen ist, niemals sein wird?

  4. 04

    in zeiten wo wir deutschen endlich unseren humor beweisen, das leider aber viel zu oft unter dem deckmänntelchen ernsthafter politik, weiss ich nicht ob eine „links von der links partei“ ernst genommen werden würde… viele fühlen sich halt leider nur gelinkt…

  5. 05
    Frédéric

    @ hans: Ich dachte beim Tippen mehr an Bakunin, aber wer weiß ;)
    @ jonas: Unterschrieben.

  6. 06

    „der André Rieux des Bedeutungsvollen“

    génial. j’ai bien rigolé :)

  7. 07
    Max

    Boah Malte, Du bist ganz schön anstrengend zu lesen.

  8. 08
    Max

    – pardon, zweimal abgeschickz.

  9. 09
    Frédéric

    Ich bin gar nicht Malte ;)

  10. 10
    Jan(TM)

    @Frédéric
    Aber sowas darf man heute ja nicht mal mehr denken.
    Du klingst ja fast so selbstmitleidig wie Eva H.

  11. 11
    Frédéric

    Selbstmitleidig? I wo. Das ist der rhetorische Trick aller Schreiberlinge, die sich irgendwie politisch äußern: Ich bin eine Minderheit, und deswegen ist, was ich sage, unglaublich originell und aufrührerisch. Selbstverliebt, okay, da lass ich nochmal drüber mit mir reden.

  12. 12
    Philippe

    Jaja, Frédéric, wer ist nicht selbstverliebt??

  13. 13

    Oh danke – schöner Text, sehr „soigné“ :-)

  14. 14
    beggar

    Hallo Frédéric,

    ich bin ueberzeugt, dass bourdieu falsch zitiert wird. Es liegt an der uebersetzung.

    Weiterhin ist es offensichtlich, das die medien „erwacht“ sind. Im gegensatz zu den 68ern agitatieren sie nicht mehr allein ueber ihre bekannten meinungsorgane, sondern greifen aktiv in markt und politik ein. Das ist eine neue qualitaet: Springer ist gegen mindestlohn und eigentuemer der PIN-postzustellung; die bertelsmann-stiftung mit angrenzenden instituten beraet politiker.

    Natuerlich hast du recht mit deinem entwurf der selbstbestimmung, der sich bei inhaltlich neutraler betrachtung kaum von neokonservativen zielen unterscheidet. Denn jeder frei denkende und selbstbestimmte mensch wird natuerlich versuchen, sein ziel zu erreichen, egal ob links oder rechts. Und wie immer geht es um sicherung des lebensstandards, der lebensqualitaet, der familie. Nur weil man in der gewerkschaft ist, muss man nicht dumm sein. Doch heute scheinen tagesaktuelle interessen im vorteil gegenueber langfristiger konzeption und planung. Die daraus entstehenden wiedersprueche sind ueberall sichbar, wie bei der bahn: Lange zeit rufen die arbeitnehmer nach einer aktiven vertretung ihrer forderungen, die arbeitgeber wiederum fordern eine aufloesung der starren gesamttarife zu gunsten von flexbilen, kleinen gewerkschaften und tarifvertraegen. Jetzt steht die GDL auf um genau diesem (linken?) ideal der selbstbestimmung zu folgen. Die reaktion in den medien – viel drastischer als an den bahnsteigen – zeigt, das es so einfach nicht ist.

    Das hat natuerlich auch was mit wahrnehmung zu tun. Oder Be-Greifen, dem greibar machen von schwer verstaendlichen themen. Dabei handelt es ich um makroinformationen, die durch die entwicklung der medien immer mehr in den hintergrund ruecken. Die menschen lesen blogs, micropublishing – kurzfristige, am aktuellen bedarf ausgerichtete informationen (in zusammenhang mit der monetarisierung von information die einzeige moeglichkeit von medienkonzernen ihre internen strukturen in zukunft aufrecht zu erhalten). Dabei faellt auf, das die mikroinformation durchaus kontraer zur makroinformation stehen darf – vielleicht sogar muss, um in einem noise aus mirkodata wahrgenommen zu werden. In diesem wachsenden grundrauschen liegt das problem der linken: „Die linke“ ist ein langfristiges konzept, pure makrodata. Sie ist bekannt – und heute ist nichts schlimmer, als die news von gestern. Und nicht ist schlimmer, als sich schlecht zu verkaufen. Die konservativen werte werden immer wieder zur tagesaktuellen mikrodata verknuepft, deshalb auch deine irritation bei woertern wie brauchtum, tradition, sitte. Es fehl „der Linken“ ein ent-kopftes, tagesaktuelles konzept, die eigenen werte immer wieder mit mirkodata in verbindung zu bringen. Schleche PR und ein fehlendes grundkonzept, koennte man sagen. Aber welches konzept?

    Ich bin davon ueberzeugt, das „links sein“ in der heutigen zeit nicht mehr bedeuten kann, als allgemeine gerechtigkeit einzufordern. Keine gleichheit, wie sie die „neue linke“ fordert. Denn ohne gerechtigkeit waere die im grundgesetz geforderte gleichheit nicht zu erreichen. Natuerlich ist das GG eine sache der auslegung, doch genau darueber kann man die heutige linke – nach meiner meinung – definieren: Links ist dort, wo das grundgesetz die richtschnur der gemeinschaft und zusammenarbeit vorgibt, das „wir“ steht ueber dem „ich“. Rechts ist demnach dort, wo der persoenliche erfolg, der individuelle vorteil ueber dem wohl der gemeinschaft steht.

    Vielleicht laienhaft ausgedrueckt!? Doch ohne gerechtigkeit und gemeinschaft brauchen wir keinen staat, keine politik, keine volksvertreter und kein volk. Dann brauchen wir deutschland nur nach aldi nord und aldi sued einteilen und warten. Wir warten auf den tag, an dem die ach so gut funktionierende freie marktwirtschaft sich mit ihrer gier zu grunde richtet.

  15. 15

    Den Gegensatz Intellektueller – Technokrat (der durchaus sinnvoll ist und dem vielleicht auch ein konservativer Denker wie Arnod Gehlen, der ja eine ganz ähnliche Auffassung vom Intellektuellen hatte wie die, die hier Bourdieu vertritt, hätte zustimmen können) mit dem Gegensatz Linker – Konservativer gleichzusetzen, ist schon einigermaßen eigensinnig. Das würde ja bedeuten, dass Intelektuelle (im obigen Sinne) immer links, Technokraten immer konservativ sein müssten. Dabei sind doch gerade die Linken die großen Gesellschaftsplaner, die einen großen Entwurf von „funktionierenden Gesellschaften“ im Kopfe haben und diesen wie Gesellschafts-Ingenieure umzusetzen trachten. Und Leute wie Ralf Dahrendorf, der genannte Arnold Gehlen, Fr. v. Hayek, das wären alles keine Intellektuellen?

    Und wo bitte steht im Grundgesetz das „wir“ über dem „ich“? Genau das Umgekehrte ist der Fall, zum Glück für uns alle. Vom „wir“ ist da nirgens die rede, von den Rechten des Einzelnen um so öfter.

  16. 16
    Frédéric

    @ beggar: Ich glaube nicht, dass ich Bourdieu falsch zitiert habe: obwohl er da verschiedene Ansätze verfolgt hat über die Zeit. Eine Medienkritik zur Grundlage einer rechts-links-Definition zu machen erscheint mir sehr gewagt, muss ich sagen. Gleichzeitig seh ich schon die Stoßrichtung, die Du meinst, und finde die auch gut – ob das aber in der Definition hilft, weiß ich nicht.
    @ Jörg Friedrich: Ganz krass ausgedrückt: Der Intellektuelle sorgt für die Problematisierung, der Technokrat für die Erläuterung bzw. die Lösung des Problems. Der Technokrat bleibt also im Diskurs und damit „konserviert“ er. Der Intellektuelle sprengt die Diskursregeln (vielleicht durch interdisziplinäres Arbeiten) und „revolutioniert“ damit die Argumentation. Ob ihm dabei ein Gesellschaftsentwurf zur Seite steht oder nicht, ist für meine Begriffe irrelevant: Gesellschaftsentwürfe zeichnen sich aber normalerweise dadurch aus, verschiedene Felder miteinander zu verbinden, was ja wieder interdisziplinär wäre, und somit intellektuell. Und damit links. Somit steht die Methode der Intervention über den Absichten. Klar: Strukturalistisch. Aber der Ansatz, den Bourdieu da aufzeigt, den finde ich hochspannend.

  17. 17

    „was ja wieder interdisziplinär wäre, und somit intellektuell. Und damit links.“

    Diese Schlüsse von interdisziplinär auf intellektuell und von intellektuell auf links kann ich nicht nachvollziehen. Und falls sie nicht logisch (als Schluss) gemeint sein sollten, sondern deskriptiv (als Definition) halte ich sie für wenig hilfreich.

  18. 18
    Frédéric

    Das war schon ein bißchen übers Knie gebrochen ;). Abgesehen davon find ichs aber sehr spannend, den Gedanken links-rechts nicht über ein Selbstverständnis oder bestimmte „Werte“ zu brechen, sondern über die Art, wie man Politik macht.

  19. 19

    Man kann natürlich definieren, wie man mag, die Frage ist nur, ob diese Definitionen dann in der Kommunikation brauchbar sind. Fangen wir mal mit der „Definition“ an, die Du Bourdieu zuschreibst (ich kann diese Zuschreibung hier nicht prüfen, Du gibst 3 Quellen an, die ich jetzt nicht daraufhin durcharbeiten möchte, ob sich diese Definition darin halbwegs wörtlich findet oder ob sie sozusagen als Resultat daraus ableitbar ist):
    „Am linken Spektrum findet man den Intellektuellen, der aus einer relativ autonomen Position interveniert, also aus einem politisch, religiös und ökonomisch unabhängigen Feld heraus, und der seine primär nicht-politische Fachkompetenz und seine Autorität zur politischen Aktion nutzt.“

    Daraus leitest Du, wenn ich das recht verstehe, ab, dass links sich bestimmt über das Intervenieren aus einer relativ autonomen Position, also aus einem politisch, religiös und ökonomisch unabhängigen Feld heraus, bei gleichzeitiger nicht-politische Fachkompetenz und unter Ausnutzung von Autorität zur politischen Aktion.

    Wenn das die Definition von links ist, dann war Le Pen ursprünglich genauso ein Linker wie Berlusconi oder Lech KaczyÅ„ski. Kann man natürlich so machen, scheint aber irgendwie für einen konstruktiven Diskurs ungeeignet.

  20. 20
    Frédéric

    Stellt sich natürlich die Frage nach der Art der Intervention und vor allem auch, welches Kapital darin eine Rolle spielt. Das könnte man jetzt aufdröseln, dann müsste man eine Analyse des politischen Feldes anhängen, um das zu begründen.
    Allerdings, auch das sei erwähnt, ist die Konzeption Bourdieus ziemlich umstritten: Es ging ihm schon auch darum, seine politischen Interventionen zu begründen. Ein Intellektuellenbild zusammenzuzimmern. Also ein Selbstbild.
    Trotzdem glaube ich, dass das hilfreich sein könnte: Plitik hängt viel zu viel mit Gesichtern und Personen zusammen, Zuordnungen zu politischen Richtungen sowieso.

  21. 21

    Ich habe mich also hingesetzt und das Buch gelesen. „Le grand cadavre a la renverse“.
    Vorurteilsfrei. Nun, ich bin nicht unbelastet, aber doch frei von allzu tiefem Diskurs.
    Mein Weltgebäude steht mehr oder weniger fest auf einem bunten Sammelsurium aus christlicher Nächstenliebe, Humanismus und der praktischen Überzeugung, daß man Menschen ab und zu mal die Wahrheit sagen sollte.
    Das ist weit genug um die Welt verstehen und das bizarre Verhalten von Menschen erklären zu können und eng genug, um politische Ideen einordnen zu können.

    Wie gesagt, ich habe das Buch gelesen. Tatsächlich das erste Buch, daß ich auf Französisch gelesen habe – und einige Dinge sind mir sicher durchgerutscht, schließlich habe ich kein Wörterbuch mit in den Urlaub genommen.

    Was habe ich gelernt? Viel über das Selbtsverständnis von Lévy, die historische Verankerung in die Aufklärung. Die europäische Dimension wurde mir etwas deutlicher, auch die Reduktion des Antiamerikanismus auf den Antisemitismus war für mich vorher nicht logisch – seine Argumente können jedoch überzeugen. Daß die Achse Rot-Braun vielbefahren ist wußte ich, aber auch hier ist der Diskurs spannend zu lesen, genau wie die Darstellung des Totalitären als dauernde Versuchung für die Linke – tatsächlich haben „wir“ nicht unbedingt eine Tradition als Bewahrer der Bürgerrechte. Und auch heute sind „wir“ nur all zu gerne bereit, Freiheit aufzugeben für „Sicherheit“, was auch immer diese „Sicherheit“ dann noch beschützt.

    Lévy wollte einen Punkt setzen, ein ideologisches Manifest schreiben. Das erklärt, warum er Sarkozy nicht unterstützt hat und es auch in Zukunft nicht tun wird. Das ist ihm gelungen. Das Bekenntnis zum Liberalismus, zur Weltpolitik, die klare Abgrenzung zu faschistischen und rassistischen Tendezen gefallen mir – ich kann mich darin wiederfinden.

    Also – danke für den Buchtipp.