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Berlusconi Pinup-Girl

Das widerlichste an der momentanen Causa Berlusconi ist, mit welcher Selbstverständlichkeit und mit welchem Voyeurismus selbst seriöse Medien die Halbnackt-Bilder eines Teenagers vorzeigen. Alles lechzt nach den Enthüllungen, wie der alternde Charmeur an das junge, naive Dessousmodell denn nun rangegangen ist. Erklären soll er sich, das fordert inzwischen halb Europa. Wenn Berlusconi über diese Affäre stolpert, solls recht sein. Allerdings aus anderen Gründe als ein minderjähriges Modell.

Der eigentliche Skandal, die eigentlichen Skandale sind irgendwo hinter der blonden Lolita verschwunden: Berlusconi plant eine Demokratie nach seinem Geschmack. Ach was, Demokratie. Ein Unternehmen nach seinem Geschmack. Italien Inc. Vielleicht aber auch Berlusconien GmbH und Co KG.

Sie haben eine Regierung, die zum ersten Mal von einem Unternehmer und einem Team von Ministern geführt wird, die in ihrer Effizienz einem Firmenvorstand gleicht, aber wir müssen mit einer Legislative rechnen , die modernisiert werden muss, weil der Premier praktisch über keine Macht verfügt.

Das ist kein Satz aus dem vorletzten Jahrhundert, um die Entmachtung des Parlaments voranzutreiben. Das ist ein Satz aus diesem Jahrhundert, um die Entmachtung des Parlaments voranzutreiben. Gesagt hat ihn Silvio Berlusconi.

Nun kann man nicht behaupten, dass Berlusconi ein lausiger Geschäftsmann ist. Seit er Mitte der Neunziger in der Politik mitmischt, hat sich sein Privatvermögen auf 9,7 Milliarden Euro verdreifacht. Und der Börsenwert seiner Firma Mediaset hat sich seit 2001 beinah verdoppelt.

Obendrein verfügt er über die beste aller Eigenschaften, die einen international erfolgreichen Manager auszeichnet: absolute Skrupellosigkeit. Für die letzten Parlamentswahlen hat sich Berlusconi eigens eine Partei zusammengeschmiedet. Dafür hat er seine eigene Partei Forza Italia mit den Postfaschisten der Alleanza Nazionale zusammengehen lassen. Denn Antifaschismus, so Berlusconi, sei „vorgestrig“.

Da ist es nur stringent, dass Berlusconi gegen „kriminelle Ausländer“ hetzt und Italien am liebsten mit 30.000 Soldaten und Bürgerwehren vor der Ausländerkriminalität beschützen will. Inzwischen vergeht in Italien kaum mehr eine Woche, ohne dass es zu rassistisch motivierten Übergriffen kommt. Roma-Lager werden angegriffen, ein indischstämmiger Obdachloser wird mit Benzin übergossen und angezündet, rumänische Einwanderer sind seit Jahren Opfer von Übergriffen. Und die Medien klatschen Applaus.

Berlusconis Medien. Es ist ja inzwischen hinlänglich bekannt, dass Berlusconi die italienische Medienlandschaft dominiert. von dort ist kaum Widerspruch oder Kritik zu erwarten. Und weil das so ein angenehmer Zustand ist, dass er wenn überhaupt nur noch im Parlament kritisiert wird, erklärt er, es sei übertrieben groß und unnütz.

Da baut sich einer seinen eigenen Staat, und Europa schaut auf den Arsch das Gesicht eines Teenagers.

21 Kommentare

  1. 01
    Lebedjew

    „Wenn Berlusconi über diese Affäre stolpert, solls recht sein. Allerdings aus anderen Gründe als ein minderjähriges Modell.“
    In der Tat. So sollte es sein.
    Andererseits – wenn es kein wahres Leben im falschen gibt, dann muss man sich wohl damit zufrieden geben, dass wenigstens manchmal die richtigen Dinge aus den falschen Gründen geschehen. Sofern sie es tun (bei Berlusconi fürchte ich nun allerdings, dass er uns noch eine Weile erhalten bleibt.)

  2. 02
    Martin

    Hier in Deutschland ist es vielleicht subtiler, aber hier werden die Reichen auch immer reicher, werden Menschen zu Opfern von Tätern. Täter, die von Menschen (Menschen stehen hinter Justiz, Medien etc.) geduldet, bebeifallt werden (Rostock Lichtenhagen http://de.wikipedia.org/wiki/Ausschreitungen_von_Rostock-Lichtenhagen) oder auf Bewährung frei gelassen werden.

    Wie kann man sich mit den Tätern identifizieren oder sie gar bemitleiden?

    Wie kann man Bewährung für Taten geben, die wie ANZÜNDEN, STEINE WERFEN oder VERPRÜGELN zum Tod führen?

    Was hindert uns, die Opfer und ihr Leid zu sehen und mitzufühlen? Sind wir vielleicht selbst Opfer und wollen es nicht wahrhaben, wollen nicht den Schmerz wahrnehmen, den wir als Opfer fühlen, wollen uns mit den Aggressoren identifizieren, um den Schmerz bloß loszuwerden, den wir verdrängen?
    Warum sollten sonst viele Stimmen für Fastdiktator Berlusconi zusammenkommen, der die Faschisten benutzt, um an die Macht zu gelangen?

  3. 03

    Arsch und Titten machen halt noch immer die besten Auflagen und Quoten. Wenn’s zotig wird, schaut man doppelt so gern hin, nicht umsonst wirbt fast jede Firma irgendwann einmal mit nackten Tatsachen, die nichts mit dem Produkt zu tun haben. Und wenn ich daran denke, wie genußvoll manches Eis von lüstern dreinblickenden Models geschleckt wird… Naja, da ist ja wenigstens noch ein Zusammenhang ersichtlich.

    Berlusconi ist eben Berlusconi. Ein Schlawiner, ein Schlitzohr, ein schlimmer Finger. Wir in Deutschland können den Kopfschütteln, Europa kann sich wundern, die einzigen, die etwas ändern könnten, sind die Italiener.

  4. 04
    Frédéric Valin

    @#717403: Berlusconi ist gefährlich. Ein Schlawiner, das klingt so verniedlichend. In Italien sprechen Fo und Eco schon von einem neuen Faschismus. Das ist Berlusconis Werk.

  5. 05

    Neuer Faschismus…

    Berlusconi würde an der Macht bleiben, wenn heute in Italien gewählt würde. Demokratie ist schon was schreckliches, wenn die Anderen gewinnen.

  6. 06
    Frédéric Valin

    Berlusconi ist ganz sicher kein Demokrat. Ich würde aus der Ferne nicht sagen, dass da ein neuer Faschismus dreut, aber gleichzeitig kann die EU nicht dasitzen und zusehen, wie eine Postdemokratie eingerichtet wird in einem ihrer wichtigsten Mitgliedsländer.

    Das Wahlgesetz in Italien ist übrigens Makulatur. Und von freien Wahlen zu sprechen, wenn einer der Kontrahenten über eine solche Medienmacht verfügt, ist auch ein Witz.

  7. 07

    @#717404: Naja, man sollte nicht alles, was Berlusconi anstellt zum Faschismus aufbauschen. Diese Model-Geschichte hat zum Beispiel mit Faschismus nichts zu tun. Diverse Äußerungen sind natürlich gefährlich.

    Trotzdem: Es ist Sache der Italiener. Generalstreik, abwählen, was weiß ich. Sie haben ihn ins Amt gebracht und nur sie können ihn wieder rausbringen.

    Fo und Eco wissen natürlich genau, welche Begriffe in der Öffentlichkeit besonders wahrgenommen werden. Wenn der Begriff Faschismus im Zusammenhang mit Italien fällt, ist das natürlich medienwirksam.

    Aber wenn ich mir den Iran anschaue, wenn ich nach Nordkorea blicke, dann sehe ich keinen Vergleich zu Italien, auch das Dritte Reich ist hier nicht zu vergleichen, weil es mit nichts vergleichbar ist. Faschismus ist etwas anderes. Ich würde es vorsichtiger formulieren:

    Italien ist eine gefährdete Demokratie.

    Berlusconi ist ein machtgeiler, abgehobener Regierungschef, er ist frei gewählt. Oder ist Italien jetzt eine Diktatur?

    Also sollen ihn die Italiener aus dem Amt schießen! Den Vorwurf, der nun mit Recht Berlusconi trifft, müssen sich auch die BürgerInnen Italiens gefallenlassen. Wählt er sich denn selbst immer wieder oder wird er gewählt? So langsam mußte man doch wissen, mit wem man es zu tun hat.

    Erinnerst Du Dich an 16 Jahre Helmut Kohl? Was wurde da geredet, wie wurde der Mann verlacht, veralbert, was wurde ihm unterstellt! Man hat ihn immer wieder gewählt. Berlusconi und Kohl kann man nicht vergleichen, aber das Phänomen, daß jemand unbeliebt ist, aber immer wieder ins Amt gebracht wird, ist nicht neu. Leider.

  8. 08

    @#717408: Führt Berlusconi den Bürgern beim Wählen die Hand? Wer sich von den Medien das Denken abnehmen läßt, wer sich sagen läßt: „Berlusconi schafft Arbeit“ und selbst seit Jahren arbeitslos ist, der tut mir leid. Es gibt das Internet, da hat Berlusconi wohl auch die Hoheit? Nach Deiner Theorie müßten Du, ich und alle potenzielle CDU-Wähler sein, wenn die CDU die Presse dominieren würde. Das will ich nicht glauben. Wir sollten die Wähler nicht unterschätzen und die Medien nicht überschätzen.

    Ich habe mal bewußt die CDU als Beispiel genommen. Kann auch gern durch Extreme ersetzt werden.

  9. 09
    Frédéric Valin

    Um das mal festzuhalten: Berlusconi ist nicht völlig unfähig. Selbst Kritiker geben zu, dass er seinen Vertrag mit den Italienern zu 60 Prozent eingehalten hat. Die Arbeitslosigkeit ist gesunken, der allgemeine Lebensstandard ging leicht nach oben. Er hat den SChwarzarbeitsmarkt viel stärker integriert als die Regierung Prodi, etc etc

    @#717412: Das italienische Wahlgesetz sieht das genau so und wird schlichtweg übergangen. Berlusconi steht über dem Gesetz und will jetzt auch noch das Parlament entmachten. Wer soll den denn noch kontrollieren? Tut ja jetzt schon keiner.

    Und wie soll man ihn abwählen, wenn keiner sagt, was alles schief läuft? So inszeniert er sich als Macher und als allwissender Papa. Kaum jemand kann ihm Widerworte geben.

    Ich schau mir die Rumänen- und Romahetze in der italienischen Presse an und staune, wwelche Auswirkungen konkret das hat.

  10. 10

    @#717414: In der italienischen Presse? In Berlusconis Presse? Glaubst du der etwa? ;) Sorry, kleine Spitze.

    Warum sind nicht Hunderttausende auf der Straße? Kannst Du mir das erklären? Berlusconi wird ja nicht wie auf dem Platz des himmlichen Friedens alle niederwalzen. Oder hat er die Türen vernagelt? Was ist mit dem legitimen Recht des Generalstreiks? Ich sehe das alles genauso problematisch wie Du. Ich frage mich nur, warum da nicht die Hölle los ist. Wo ist das italienische Temperament? Ich verstehe das einfach nicht.

  11. 11
    ZeroG

    Berlusconi ist die Inkarnation des „Furbismo“ – und der ist in Italien halt mittlerweile salonfähig.

    Gewählt, um vor Strafverfolgung sicher zu sein mittels einer Partei von TV-imprägnierten Claqueruren, gelogen, und mafiös in die Tasche gewirtschaftet … und dann 2 mal wiedergewählt.

    Und nun Profiteur erst des 2008 Booms und nun der Versuch Emotionen und Ängste per Fremdenhass zu kanalisieren.

    Jedes Volk kriegt die Politiker, die es verdient, oder ?
    Brot und Spiele, Kaka und nun Lolita – offenbar mögens seine Leut‘ wartet mal den 7 Juni ab …

  12. 12
    Tim

    Ein Link zu dem Teenie-Skandal wäre nicht schlecht gewesen. Ich habe keine Ahnung um was es dort geht. Um Gossip zu verfolgen fehlt mir die Zeit.

  13. 13
    malo

    Auch wenn der Kerl die Pest ist, daß der Premier in Italien, im Vergleich zu anderen Ländern in Europa, keine Macht hat ist Tatsache.

  14. 14

    Man sollte der Fairness halber erwähnen, dass es in Italien durchaus Opposition gegen Berlusconi gibt, nicht nur im Parlament. Die Linke schafft es immer wieder, mehrere hundertausend Menschen gegen die Regierung auf die Straße zu bringen, und das seit vielen Jahren. Das „italienische Temperament“ ist schon noch vorhanden. Als ich 2002 eine Sprachschule in Rom besuchte, kam der Schulchef persönlich in jede Klasse und forderte uns Ausländer auf, bei einer Anti-Berlusconi-Demo mitzulaufen.

    Und zum Wahlverhalten: In Italien reicht es, relativ wenige Wähler ins Berlusconi-Lager zu ziehen, und schon sitzt er in der Regierung. (Ähnlich wie in Deutschland, knappe Mehrheiten). Da ist die Medienmacht von Berlusconi natürlich von Vorteil. Es geht immer nur um ein paar Prozent.

    Die Italiener werden mehrheitlich verarscht und die Mehrheit entscheidet nun mal.

  15. 15
    Babsie Biene

    @#717406: Was willst du damit sagen? Ich kenne einen sehr berühmten Faschisten — aus der Gegend hier — der ist auch gewählt worden. Als wären demokratische Wahlen ein Garant gegen Faschismus … Das sind sie nicht!

  16. 16
    Babsie Biene

    Übrigens die Frau ist 18, steht voll im Berufsleben und hat nen 21jährigen Freund.

    Warum nennen sie alle Teenager? Oder minderjährig. Volljährig ist man in Italien auch mit 18. Wobei die da dieses krasse Gesetz haben das niemand mit unter 18jährigen Sex haben darf – ist ja bei uns bald auch so. Erst durfte man sie nicht mehr dabei fotografieren und um der „Logik“ willen wurde es dann ganz verboten.

    Ich finde nicht nur das hinter solchen unwichtigen Affären die Untaten der Regierung versteckt werden, sondern auch das die Behandlung dieser Sache als Skandal selbst eine Untat darstellt.

    Religiöse Moral für jeden – selbst wenn er sie nicht haben will. Schlaft nicht mit 17jährigen aber nehmt den Zigäunerblagen die Fingerabdrücke ab und lasst staatlich engagierte Schlägertrupps die Strassen von Ausländern reinigen.

  17. 17
    Frédéric Valin

    @#717726: Warum sie alle Teenager nennen? Vermutlich, weil sie 18 ist.

  18. 18

    @#717726:
    Nun vergessen wir mal bitteschön nicht: die Frau war noch nicht 18 als Herr Berlusconi bereits engeren Kontakt zu ihr pflegte.

  19. 19
    Babsie Biene

    @#717729: Das ist falsch. Das ist der Grund dafür warum sie es können, nicht warum sie es tun. Leute nennen Volljährige normaler weise nicht Teenager. Wenn sie zum Beispiel wollen das sie Pünktlich zu Arbeit kommen. Oder ihre Miete zahlen sollen.

    Teenager werden sie in Situationen genannt in denen man nicht etwas von ihnen will, sondern etwas mit ihnen will. Zum Beispiel sie als Skandalvorwand zu benutzen oder Moralvorstellungen durchzusetzen.

    @#717791: Was keine Relevanz hat – sie haben ja keinen Sex gehabt. Und was nach meiner Argumentation auch keine Relevanz haben sollte wenn sie welchen gehabt hätten. Und da es hier auch (noch) keine hätte wenn sie 16 (ja sogar 14) gewesen wäre nehme ich an du siehst das genauso.

  20. 20

    Ich verweise an dieser Stelle gern auf das Ergebnis von Berlusconis Partei zur Europawahl: Haushoher Sieg. Kann es sein, daß die Menschen das nichts gegen ihn haben und mit seinen Skandalen gut zurechtkommen?;)

  21. 21

    @#718567: Deshalb vorhin meine Überlegung: „žWenn die Türkei in die EU will, was spräche dagegen wenn wir im Gegenzug Italien an die Afrikanische Union abtreten?“