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Wer hier Merkel fragen darf, entscheidet sie immer noch selbst #NetzFragtMerkel #YTfragtMerkel [Updates]

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Link zum Original-Tweet

UPDATE Ich habe mir für WIRED das Videoresultat der Aktion angesehen: Bitte klicken Sie hier. Und hier gibt es noch weitere Ergänzungen von mir.

Natürlich schaut man als deutschsprachiger Blogger und/oder Podcaster etwas neidisch über den Teich, wenn ein US-Podcaster den US-Präsidenten Obama zu Gast hat. Solche Formate finden hierzulande einfach nicht statt.

Umso mehr freute es mich, als ich von der Aktion #NetzFragtMerkel gehört habe. Am Freitag, den 10.7.2015 nämlich, wird YouTube-Star LeFloid die Kanzlerin interviewen und ihr eine Auswahl der Fragen präsentieren, die er bis dahin im Netz eingesammelt hat. Am folgenden Montag soll dann das Ergebnis bei YouTube zu sehen sein, wie LeFloid in diesem Clip (gegen Ende) erklärt:

LeFloid ist ein prima Absender für die Aktion, finde ich. Jung genug, alt genug, glaubwürdig, klug.

Das fanden auch viele junge YouTube-ZuschauerInnen schon Anfang dieses Jahres, als nämlich die ziemlich genau gleiche Aktion schon einmal gestartet wurde und sich viele Teenager in vielen Kommentaren LeFloid als Fragensteller an die Bundeskanzlerin wünschten.

Gut, es gibt ein paar Unterschiede zwischen der damaligen und der aktuellen Aktion:

1) Der Hashtag war damals #YTfragtMerkel und nicht #NetzFragtMerkel.

2) Die Absender waren damals die YouTuber darkviktory und Tense, welche die Idee mit Unterstützung des Mesh Collective und der BpB in die Welt posaunt, immerhin einige tausend Fragen von jungen Menschen eingesammelt und über RTs und Shares mehrere zehntausend Jugendliche erreicht haben.

Die wichtigsten Unterschiede sind aber wohl diese:

3) Damals haben nicht – wie jetzt bei der neuen Aktion – SpiegelOnline, die FAZ, die Süddeutsche, die HAZ, n-tv, Merkur, der Tagesspiegel, N24, der STERN, die FR, Focus, Meedia, Horizont und eigentlich fast jedes andere Online-Medium und sogar internationale Kanäle über die Aktion berichtet bzw. die Pressemitteilung veröffentlicht.

4) Auf die damals gestellten Fragen gab es nach meinem Kenntnisstand keinerlei Antworten von der Kanzlerin.

Und nun darf man sich fragen, warum plötzlich alle Medien über eine Aktion berichten, die sie wenige Monate zuvor nicht interessiert hat. Und warum einige Absender der damaligen Aktion von der aktuellen – sagen wir – ziemlich überrascht sind.

Die Antwort könnte sein: Weil der Absender diesmal die Bundesregierung selbst ist.

Das ist natürlich in gewisser Weise verständlich, vielleicht geht sowas nicht anders. Politische PR muss wohl sein, und auch die Obama-Podcast-Aktion war natürlich von oberster Stelle initiiert. Aber man könnte das Ganze dann etwas transparenter kommunizieren und die ursprünglichen Initiatoren (die sich ja selbst ganz transparent an US-Vorlagen orientiert hatten) vielleicht sogar einbinden oder wenigstens informieren. Credit to whom credit is due.

Vielleicht sehe ich das alles zu kritisch, vielleicht muss man froh sein, dass überhaupt etwas passiert. Aber wir sollten nicht denken, dass der aktuelle Zirkus irgendetwas mit Bürgerjournalismus, Volksnähe oder gar Aufbrüchen ins Neuland zu tun hätte. Und wir sollten vielleicht auch nicht glauben, dass sich die Kanzlerin tatsächlich für Initiativen und Fragen von Jugendlichen interessiert. Das war vor kurzer Zeit ganz offensichtlich nicht der Fall – jetzt passt es ihr vielleicht nur besser in den Kram und ins PR-Timing. Wer hier wann Merkel fragen darf, entscheidet sie immer noch selbst.

(Eine Anfrage ans Bundespresseamt nach den ursprünglichen Initiatoren der Aktion habe ich gestellt, die Antwort trage ich hier nach.)

UPDATE Meine Frage wurde wie folgt beantwortet: „Dazu kann ich Ihnen als ‚eine Regierungssprecherin‘ mitteilen, dass es sich bei #NetzfragtMerkel um ein Interview von LeFloid mit der Bundeskanzlerin im Rahmen des Bürgerdialogs ‚Gut leben in Deutschland‘ handelt. Die Idee dazu entstand im Kontakt zwischen der Bundesregierung und LeFloid.“ (Der Link zur Site des Bürgerdialogs wurde von mir eingefügt.)

Noch ein UPDATE:

ytfragtmerkel

ytfragtmerkel2

News-Ergebnisse zur Aktion im Februar: 1 bis 4

netzfragtmerkel
News-Ergebnisse zur aktuellen Aktion:618. Your mileage may vary.

Unser eigener Versuch in eine ähnliche Richtung verlief 2009 übrigens aus diversen Gründen eher mäßig toll.

10 Kommentare

  1. 01

    Vor allem entscheidet sie, welche Fragen sie beantworten möchte, da wird nix Schwieriges bei sein.

  2. 02
    andreas

    Na, sie kann schon auch die schwierigen Fragen beantworten. Dazu sind alle Spitzenpolitiker in Rhetorik gut genug geschult. Der Trick mit „nicht öffentlich“ heißt nicht gleich „geheim“ hat doch gezeigt, wie windelweich man seine eigenen Worte verpacken kann, um unangreifbar zu bleiben. In der Wahlkampfarena hat sie über die Ehe für alle doch auch nur gesagt, dass sie dafür keine Argumente hat, aber halt ein komisches Gefühl und das solle man ihr doch bitte lassen. Politiker können aus jeder kritische Frage eine Frage machen, auf der sie eine passende Antwort haben. Das ist deren Alltagsgeschäft. Notfalls sagt man halt nichts, weil man es ja gar nicht darf.

  3. 03
    Jens Best

    Mein Tipp: Das wird eine absolut naive Nullnummer. Gewürzt mit einem pseudo-kritischen Nachfrage-Moment, auf den dann alle abheben werden. Im Endeffekt wird auch die Kunstfigur Le Floid an Teflon-Merkel abtropfen wie alle anderen auch. Kritischer Journalismus wäre mal gefragt und nicht diese Inszenierungen.

    Postdemokratie ist eben auch Postjournalismus.

  4. 04
    LHME

    Sorry, was wird die Aktion so gefeiert? Merkel die sich zusammen mit ihrer kompletten Regierung vor Interviews mit kritischen Journalisten drückt darf sich jetzt an die Wähler von morgen rankuscheln. Lefloid wird die gute Dame schon geil aussehen lassen. Da wird keine Nachfrage kommen wenn sie ausweicht und am Ende wird sie von ihm sympathisch geheißen. Er kriegt Kohle sie die Aufmerksamkeit die ihre eigenen Kanäle im Leben nicht bringen. Win Win, alle freuen sich superdeutschland ole ole… Sry da bin ich n bißchen ins polemische abgedriftet.

  5. 05
    Sebastian

    Verstehe daa Problem nicht.
    Damals hat die Regierung nicht reagiert, weil die Aktion eine Antwort auf #YTasksObama war – 1:1 eine Kopie einer US Kampagne, inklusive Hashtag. Keine innovative Idee auf die irgendjemand ein Recht hat.
    Nicht nur wollten die bestimmt nicht direkt damit verglichen werden, sondern sowas braucht Zeit in der Bürokratie.
    Damals hat die Presse nicht drüber berichtet, weil die Pressemitteilung nicht vom Bundespresseamt kam, sondern von einer Produktionsfirma die blind eine Sache aus den USA kopieren wollten.

    Und zu guter letzt: Hat der Autor mal unter das Video des YouTube Kanals darkvictory geguckt, der die Kampagne am prominentesten promotet hat? ALLE Top Kommentare sind dort – „Das muss unbedingt LeFloid machen“. Kein einziger sagt da: Ja, die beiden YouTuber, die das hier in den Raum werfen sind perfekt dafür.

    Ich denke alle Beteildigten sollten einfach stolz sein, dass YouTube soweit gekommen ist und das Video abwarten, bevor sie schimpfen es würde hier irgendjemand jemandem etwas wegnehmen. Dafür ist die Idee echt nicht originell genug.

  6. 06
    Jens Best

    @#1655833:

    Möchtest du kurz erläutern, auf was „alle Beteiligten einfach stolz sein sollen“.

    Was meinst du mit „dass Youtube soweit gekommen ist“?

  7. 07
    Sebastian

    @#1655869: Mit „allen Beteildigten“ melne ich die Initiatoren der ersten Kampagne, die der Autor hier so darstellt, als wären sie hintergangen worden.

    Und mit „soweit gekommen“ meine ich, dass YouTube inzwischen relevant genug ist, um für so etwas in Erwägung gezogen zu werden. Wie man im ersten Bild des Artikels sieht, ist somit einer der YouTuber einer von zwei Interviewpartnern im ganzen Jahr. Darauf können auch die Initiatoren der ersten Kampagne stolz sein, egal ob sie eingeladen wurden oder nicht – YouTube hatte schon immer einen großen Community-Gedanken.

  8. 08

    Wenn Thilo Jung und Merkel so lange in einen Raum mit Lifestream-Kameras eingeschlossen würden, bis Thilo keine Fragen mehr hätte: DAS wäre was.