Vor ein paar Wochen wachte ich morgens schweissgebadet auf. Ich war wütend. Erst jetzt begriff ich, dass sie es wirklich tun würden – ich hatte länger als bis zum letzen Augenblick fest daran geglaubt dass die Einfallslosigkeit sich nicht durchsetzen würde, dass die Zweifel überwiegen würden. Dieser Glaube war in diesem Augenblick zerstört.
Es ging um den Palast der Republik, jenes umstrittene Gebäude das am 25. April vor dreißig Jahren eröffnet wurde. Ich mag dieses Gebäude, es ist ein Teil von Berlin so wie das Brandenburger Tor oder der Fernsehturm. Aber es geht mir nicht um Nostalgie.
Klar, ich war hin und wieder mal im Palast. Klar, es hat Spaß gemacht. Jedes Jahr zu Weihnachten wurden alle Ostberliner Schulen zu Weihnachtsvorstellungen im Großen Saal gekarrt. Die Größe, die gigantischen Videoleinwände haben mich jedes mal beeindruckt. Klar, habe ich einige schöne Stunden in diesem Gebäude verbracht. Aber auch in meinem Baumhaus hatte ich viel Spass und dennoch habe ich dem Apfelbaum auf dem es sich befand nie eine Träne nachgeweint. Für Nostalgie bin ich noch zu jung.
Schön fand ich dieses Gebäude nie. Die braunen Fenster erinnerten mich immer furchtbar an die achtziger Jahre, als – zumindest in der DDR – jedes neue Gebäude in diesem miefigen Braunton gestrichen wurde. Aber wenn jedes hässliche Gebäude abgerissen würde wären Deutschlands Innenstädte recht leer. Für mich hat der Palast eine ganz andere Bedeutung als ein Ort des sich-selig-errinerns. Schliesslich steht das Gebäude schon seit fünfzehn Jahren fast genau so da, wie es noch immer steht: als gigantisch Ruine mitten im rausgeputzten Zentrum Berlins. Als Mahnmal für große Versprechen die nicht gehalten wurden. Als Zeichen für die Veränderung, für den Wandel, für den Aufbruch. Für den Bruch. Aus diesem Gebäude fanden alle Fernsehübertragungen von den ersten (und letzten) freien Wahlen in der DDR statt. Ich werde diesen Anblick niemals vergessen: der ganze Parkplatz vor dem Gebäude war gerammelt voll mit Fernsehübertragungswagen. Überall waren Satelitenschüsseln in den Himmel gerichtet um über die Wahlen in einem lächerlich kleinen, furchtbar provinziellen Land in die ganze Welt zu berichten. Weil sich dort Weltgeschichte abspielte, weil an diesem Tag in diesem Gebäude die Veränderung der Welt filmbar war. Im Palast wurde dann auch der Untergang des Landes beschlossen, dessen größtes Symbol er doch war.
Aber Symbole ändern sich. In meinen Augen ist er kein Symbol für die gute alte DDR sondern für ihren Untergang. Ein Symbol für den Umgang eines neuen, größeren Landes mit seiner Geschichte. Ein Symbol für den Willen das Alte und für viele fremde in die Entwicklung einzubeziehen, aus den gemeinsamen Erfahrungen zu lernen. Ein Symbol die Veränderungen in der Welt anzuerkennen und mit ihnen umzugehen. Als Chance etwas neues entstehen zu lassen, dieses Gebäude zu nutzen nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Symbolkraft.
Aber da Deutschland im Umgang mit Symbolen wahrscheinlich noch nie sonderlich gut war wird auch diesem Symbol der kurze Prozess gemacht: abreissen, weg, platt machen, Geschichte war gestern. Das Neue muss her, das ganz alte Neue, ein Gebäude aus einer anderen Zeit. Das Parlament einer von Zukunftsängsten geplagten Republik beschliesst den Wiederaufbau eines Schlosses aus der lange vergangen Zeit der Monarchie. Irgendwie will die Symbolik von diesem Ort nicht weichen – egal ob mit oder ohne Palast.
Dieses fucking Schloss wird hoffentlich niemals gebaut. Überhaupt ist es eine Frechheit, dass der Bundestag, der ja mit außerordentlicher Architekturkompetenz gesegnet ist, über den Abriss entschieden hat. Ich wette darauf, dass es einigen Abrissbefürwortern in ein paar Jahren leid tun wird, dass der Palast weg ist. Es ist eine Schande, dass in Berlin sowieso nur noch mutlose Architektur verwirklicht wird. Man betrachte nur mal den Kaufhof am Alex. Diese Sandsteinfassade. Ich könnte kotzen.
Ich war schon lange nicht mehr am Alex. Sandstein? Standen die Waben nicht unter Denkmalschutz?
Ach ja: Architekturkompetenz war ja auch gar nicht gefragt. Schließlich war es ja eine rein politische Entscheidung. Das sozialistisches Symbol (was es durch die Entkernung und Zwischennutzung schon lange nicht mehr war) musste halt weichen.
Was hätte man alles aus dem Palast machen können. Genügend Vorschläge gab es. Die wurden aber nicht ernsthaft von den Leuten diskutiert, die über das Schicksal des Palastes entscheiden sollten. Naja, so wird wegen der knappen Haushaltslage eben ein Hundeklo auf dem Schloßplatz entstehen.
Nein, die Waben sind weg. Meines Wissens konnte man sie sogar ersteigern. Der alte Kaufhof passte wunderbar in das städtebauliche Erscheinungsbild des Alexanderplatzes. Naja, aber da wird ja jetzt auch kräftigst die Vergangenheit entsorgt. Hauptsache man baut nebenan ein Kaufhaus im orientalischen Stil. Das ist die Architektur die Berlin will. Erbärmlich.
Ich bin in Westberlin im amerikanischen Sektor groß geworden und habe die „DDR“ daher immer nur als SBZ betrachtet. Folglich fand ich den „DDR“-Bau schon immer zum Kotzen. Neben seiner ausgesprochenen Häßlichkeit war dieser Bau für mich immer der Inbegriff des sozialistischen Unterdrückungsstaates. Es gibt für mich keine Grund das Ding nicht abzureissen. Allerdings können sie das ICC in Charlottenburg auch gleich mit sprengen.
Ob es aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll ist, das Stadtschloss wieder zu errichten, mag in der Tat fraglich erscheinen. Es würde aber zumindest den Baustil der Nachbargebäude (wars Schinkel?), wie Staatsoper usw. vervollständigen.
als bürger berlins mit östlichen wurzeln, kann ich auch nur sagen, dass dieses gebäude für mich nicht die ddr, sondern einen (einfach mal verdammt wichtigen) teil geschichte dieser stadt repräsentiert. ein schloß, das quasi in neuer form als alter bestandteil aufgebaut werden soll, entbehrt jeglicher logik und wirkt schlichtweg absurd – hat denn niemand darüber nachgedacht, dass auch dieses schloß mal platt gemacht und ihm später nachgetrauert wurde? was lernt diese stadt denn eigentlich aus der vergangenheit?? oder sind gebäude nur toll, wenn man sie als faksimile neu errichtet? eine kopie bleibt doch immer noch eine kopie.
außerdem fand ich die (wirklich nicht gerade wenigen) vorschläge einer integrierenden architektur von palast und schloß teilweise echt gut – das wäre sogar eine gute verbindung von „damals doof, heute dazugelernt“ gewesen. aber es wird wohl bei „heute immer noch doof (dorf?)“ bleiben. die wut muss trotzdem bleiben.
Mich erinnert der neue Kaufhof eher an die stramme Sandsteinarchitektur der Reichsministerien während der dunkeldeutschen Zeiten.
Ich fande den Palast ganz knuffig. Und als ich vor nen paar Wochen zu Besuch in B. war, war das Ding ja schon zum großen Teil dem Erdboden gleich gemacht. Irgendwas fehlte es mir da schon. Apropos Stadtschloß: Mir als Nicht-Berliner geht mir das nicht so richtig auf. Ihr habt doch knackige Schlösser in Charlottenburg und Sans-Souci (gut, ist nicht in Berlin). Was wollt ihr denn dann mit ’nem Stadtschloß? Und welche Majestät soll denn drin regieren? Oder soll hier nur das Touri-Gesamtbild auf „im Ensemble“ auf schön gemacht werden?
PS. Ist denn dann das Olympiastadion kein Symbol?
Wie Max aber schon schreibt: Würde es um ästhetische Gesichtspunkte gehen, müsste man die halbe Stadt abreißen. Für was auch immer der Bau für jeden einzelnen stehen mag, die Frage ist halt, ob man solche Symbole immer wieder ständig wegreißen muss. Aus den Augen, aus dem Sinn?
Der gesamte Alex und der Palast sind städtebaulicher Müll.
Gut das das geändert wird..es kann nur schöner werden. Selbst wewnn da nur eine Freifläche entsteht.
Die Stadt ist voller Mahnmale wie man es nicht machen soll.
Wenn nur halb soviel Gedöhns um das Kranzler gemacht worden wäre.. Das war wirklich ein Teil Berlins…und jetzt? Gerry Weber!
Für die Trauerndern:
http://www.nickelartist.de/coppermine/displayimage.php?album=20&pos=2
Pussykiss:
Die Staatsoper steht meilenweit vom Palast entfernt und ist barock. Schinkel ist klassizistisch.
Warum sollte man einen jahrhundertealten Baustil wieder rekonstruieren. Das ist doch kein Disneyland hier.
Nachtrag:
Mit ähnlichen Argumenten hätte man auch für einen Erhalt des Führerbunkers kämpfen können…Geschichte, Wendepunkt, Mahnmal blablabla…
Ja, hätte man. Wäre das falsch gewesen?
Abgesehen davon hinkt der Vergleich natürlich. Wie auch immer man es dreht, der Palast war nie ein Bunker.
Ich hatte mal die Ehre, mir mit einem sehr rüstigen älteren Herrn das Zugabteil von Hamburg bis Berlin zu teilen. Architekt war der Mann, und fürs ICC zuständig. „Klar“, meinte er, „da ist genug Asbest verbaut worden. Aber das ICC steht halt auf der richtigen Seite der Mauer.“
Bloß: was kratzt das im Jahr 2006 noch einen Ostdeutschen? Die sind die Siegerjustiz doch längst gewohnt und genaugenommen war nichts anderes zu erwarten, als sie am 18.3.1990 für die Annektion stimmten. Der Palast, der DDR-größte Lampenladen, ist da doch nur eine Immobilie. Wir hätten noch zu bieten:
Das Gelände des Rundfunks der DDR mit seinem einzigartigen Sendesaal und den hervorragenden Hörspielstudios (D-Radio baut im Innenhof an der Kufsteiner Straße gerade versteckt einen neuen Hörspielkomplex). An der Nalepastraße wurde wertvolle kulturelle Substanz der DDR zerschlagen, obwohl das im Einigungsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen ist. Mehr dazu unter
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/467177/
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2006/02/15/dkultur_200602151308.mp3
http://www.rbb-online.de/_/abendschau/beitrag_jsp/key=rbb_beitrag_mini_4049738.html
Den Inhalt dieses Gebäudes: DT64.
Oder auch das DDR-Schulsystem, in dem nicht nach der 4. Klasse entschieden wurde, ob ein Kind raus ist oder nicht. Genaugenommen wurde Neufünfland mit dem West-Schulsystem in die Steinzeit zurückgebombt.
Wer will, darf ergänzen. Da ist mir der Palast relativ scheißegal. Ob Berlin nun am Stadtschloß endgültig pleite geht oder nicht, ist mir auch wurscht. Wie die ganze Stadt…
Um etwas mehr Sachlichkeit in diese emotionale Debatte zu bringen, sollte man vielleicht unterscheiden zwischen dem Palastabriß einerseits und dem Schloßaufbau andererseits. Mir persönlich ist der Palast schnurzegal — außer daß es teuer ist, ihn abzureißen, kann man das von mir aus machen. Beim Abriß wirklicher architektonischer DDR-Kleinode wie dem Ahornblatt habe ich mehr geweint.
Aber muß man dann wirklich das Schloß wieder hinbauen? Warum nicht eine aufregende, einfallsreiche moderne Architektur? Diese dröge Kleingeisterei ist doch das was nervt. Übrigens auch bei einigen Palastbefürwortern, damit meine ich aber nicht dich. Klar ist der Palast ein Symbol, aber in Ostdeutschland im Moment noch ganz andere systematische Kahlschlagorgien statt. Wichtig wäre eine öffentliche Empörung über das ganze Programm Stadtumbau Ost.
Ich weise noch auf einen Text hin, den ich mal als Replik auf einen Spon-Kommentar geschrieben habe.
Vor allem war und bleibt der Palast ein Symbol für Zukunft, wenn wir es wollen! Erinnern wir uns auch an die Zwischennutzung und das Palastbündnis – vom Senat ignoriert!
Wir AktivistInnen haben nun eine offene Plattform zur Vernetzung lokaler Initiativen gegründet:
http://www.abrissberlin.de
http://www.abrissberlin/blog
was mich vor allem stört, ist das es trotz wirklich guter, sinnvoller und noch länger möglicher „zwischennutzung“ des palastes nun über jahre erst einmal ein grüne ruine im stadtzentrum geben wird. wann soll mit dem humboldforum begonnen werden? 2011, 2012? wenn überhaupt die beträchtlichen finanzmittel zusammenkommen, und herr bodin nicht vorher wegen vereinsmeierei vom klassizismus-sockel kippt. habt ihr euch schon die wirklich lieblose, uninspirierte bauzaunausstellung mit aussichtsplattform angesehen? weiteres puzzelsteinchen im hauptsache erstmal weg mosaik.
mir bleiben die erinnerungen an einen unvergesslichen tag im oktober 1988 als ich als zweitklässler von dresden nach berlin fuhr, unsere damalige patenbrigade besuchte. selbige war nämlich die küchencrew im palast, und so einen großen eisbecher hatte ich in meinem leben zuvor noch nie gesehen, geschweige denn gegessen.
Argh – Siegerjustiz , was ein Wort…..ja in der DDR war alles besser….
die Drögis die gerufen haben,“ wir sind das Volk“ – hätte die Stasi mal besser aufgepasst..Erich und Erich, die hatten einen Plan…die wussten was gut ist, gelle Radiowaves…wurde die DDR von der BRD annektiert? Gab es einen Einmarsch der Bundeswehr? Hab ich was verpasst?
Ach ja, „Sonnenallee“ und „NVA“, es war so lustig und heimelig in der DDR
In der Nalepastr hab ich auch gearbeitet, bei Rockradio.
Schönes Gelände – aber so ist halt der Lauf der Zeit..
Vorwärts immer, rückwärts nimmer..
BTW: Der Abriss des ICC wird auch diskutiert…
Ende letzten Jahres während der Pro-Palast-Demos habe ich mich zu dem Thema schon mal geäußert:
http://kreuzblog.de/archives/189/symbole-der-macht
Entwurf von Thomas van den Valentyn/S. Mohammad Oreyzi:
http://www.schlossberlin.de/interessenbekundungsverfahren/unternehmensgruppe_ernst
West-Berlin geht vor die Hunde: http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/220/74146/3/
Ich finde Max hat völlig Recht. Da hat man ein „lebendes“ Denkmal für das scheitern des Sozialismus, wie er in der DDR betrieben wurde, ein Mahnmal, in dem nicht nur ein Großteil der DDR- Zukunft beschlossen wurde, sondern wo auch das Ende der DDR beschlossen wurde. Und dann reisst man es ab um das Stadtschloß wieder hinzustellen, als wenn man am liebsten die DDR ausradieren wolle. Die gabs nie.
Und ich finde es super, dass „Unter den Linden / Karl-Liebknecht-Str.“ so ein riesen kontrast darstellen. Mit der HU, der Staatsoper, dem deutschen historischen Museum und dem Brandenburger Tor auf der einen Seite und dem Alex, dem Palast und dem Fersehturm gefolgt von der komplette Karl Marx Allee auf der anderen Seite.
Dieser Kontrast ist ein großartiges Bild für die DDR und ihrem Umgang mit geschichte und Architektur.
Klar ist das häßlich, unfassbar häßlich sogar.
Aber darum gehts doch! Um Erinnerungen!
Berlin ist nich überall Dahlem, und Berlin war auch nicht immer mit Architekturkompetenz gesegnet!
@oliver
„Warum sollte man einen jahrhundertealten Baustil wieder rekonstruieren. Das ist doch kein Disneyland hier.“
Richtig, es ist kein Disneyland hier, in Disneyland werden nämlich Dinge aufgebaut, die vorher gar nicht da waren. Neuschwanstein in Florida (?).
Dieses Schloß stand aber einmal da.
Ich habe nichts dagegen, dieses Schloss wieder aufbauen zu lassen und warum nicht wie Disneyland – mit Planschbad im Kupfergraben?
Im Ernst:
Die Restauration alter Bauten ist doch hübsch.
Wenn ich moderne Architektur höre, sehe ich seltener Hundertwasser, als was, was Marmor, Stein und Eisen verbricht, aber der Klassismus nicht. (Naja, holpert ein wenig.)
Wer sollte auch darüber entscheiden, welcher Entwurf letztlich genommen wird das Volk? Wer bestimmt, welche Entwürfe in die Auswahl kämen?
Das Volk oder irgendeine Planungskommission?
Dann schon lieber Stadtschloß, paßt wenigstens halbwegs zwischen Schinkeloper und Berliner Dom.
Grüße
Ja, und vorher war da mit Sicherheit auch mal eine Höhle aus der Steinzeit. Warum graben wir die nicht wieder aus?
„Die Restauration alter Bauten ist doch hübsch.“
Ja, genau hübsch. Beim Stadtschloss handelt es sich aber um einen Neubau. Du bist mit Sicherheit einer der Menschen, die es möglichst konform und pittoresk haben wollen. Dass Berlin aber von solchen Kontrasten wie Lockengelöt sie weiter oben anführt lebt sollte Dir aber bewusst sein. Berlin war eine zweigeteilte Stadt. Dies sollte sich auch in der Architektur widerspiegeln.
Aber keine Angst. Ihr werdet gewinnen. Es wird alles abgerissen.
Macht Euch mal locker!
Dieses Gequatsche finde ich genauso grotesk, wie den „Volksaufstand“ als damals die S-Bahn neue Farben bekommen sollte.
Mir ist dieser Kasten voellig Wurscht. Die Menschen werden nicht besser oder schlechter sollte das Ding abgerissen werden.
Aber vielleicht bin halt doch nur ein ignoranter Westberliner.
Ich war schon immer dafür, die Karl-Marx-Allee in Karl-May-Allee umzubenennen.
Einer Stadt, die sich sowas wie den Potsdamer Platz baut, der ist aus staedtebaulicher und architektonischer Sicht eh nicht mehr zu helfen.
Ihr Berliner, bewahrt Eure Kieze, verteidigt Eure Biotope.
Die neudeutsche Großmannssucht, wie sie sich in der alten Mitte offenbart, denkt nicht an die Menschen die in Berlin leben.
Sowas kann man sich nur als Centerfold in den Hochglanzwichsvorlagen der Architektenzunft anschauen. Speer und Er haetten an sowas ihre reine Freude…
@ oliver
Wer ist denn ihr? Und es wird alles abgerissen?
Außerdem wird doch nicht ALLES abgerissen! Einige DDR-Bauten wurden doch restauriert, außerdem wurden einige Bundesdeutsche Bauten auch restauriert.
In Dresden wurde die Frauenkirche wieder errichtet und viele gucken sich’s an.
@johnny
Karl May Allee, weil die Roten mit den Cowboys dort zusammentrafen oder weil dort der Treck gen Westen zieht, ins gelobte „Märchen-Land“?
@msc
„Aber vielleicht bin halt doch nur ein ignoranter Westberliner.“
Ja, ganz bestimmt ;-) nee, Du bist kein Berliner, ein Berliner meckert doch immer. Bitte nicht gegen die eigenen Klischees verstoßen.
@Oliver
„Du bist mit Sicherheit einer der Menschen, die es möglichst konform und pittoresk haben wollen.“
Und was, wenn nicht? Was ist, wenn ich die Oper in Sydney hübsch finde, genauso wie Hundertwasser in Dessau, Retdächer in Friesland und das Guggenheim-Museum in Bilbao?
Was wenn ich das Deutsche Bank Hochhaus in Frankfurt häßlich, das Dresdner Bank Hochhaus dagegen hübscher finde?
Viele Grüße und nicht so verbittert sein.
@ Matze: „Die Restauration alter Bauten ist doch hübsch.“
Aber Restauration ist nicht Rekonstruktion. Glaubst du wirlich, dass man im neuen „alten Stadtschloß“ den Flair des echten alten Stadtschloßes haben wird? Wohl kaum.
Und ja Restauratuion mag schön sein, aber ich fände es auch fatal, wenn die ganzen Einschusslöcher der Gebäude auf der Museumsinsel zu gekleistert würden.
Das ist Geschichte. Sonst erinnert sich doch keiner, oder begreift es auch nur ansatzweise…
matze: Okay, ich habe es überspitzt formuliert. Es wird nicht alles abgerissen, aber vieles. Ein Überblick gefällig?
http://www.bdaarchitekten.de/sixcms_4/sixcms/list.php?article_id%5B%5D=105277&article_id%5B%5D=0&x=38&y=10&page=pg_gefbauten_suche&connect=1
„Und was, wenn nicht? Was ist, wenn ich die Oper in Sydney hübsch finde, genauso wie Hundertwasser in Dessau, Retdächer in Friesland und das Guggenheim-Museum in Bilbao?“
Ja, diese Gebäude kann man gut finden oder auch nicht. Hier muss man aber den Berliner Kontext betrachten. Alt und neu, Ost und West, wie vorhin schon mal angedeutet. Hier extistieren nun mal einmalige Verrhältnisse, die durch die Teilung geschaffen wurden. Warum soll man die Nachkriegsgeschichte einstampfen, um aus heiterem Himmel ein Stadtschloss zu bauen?
Hundertwasser! Na dann doch lieber ein Stadtschloss. Ich bin auch kein Freund vom großen Wiederaufbau. Was weg ist, ist weg. Extrem gelungen finde ich persönlich die Reichstagskuppel, ob die uns noch in zwanzig Jahren gefällt sei mal dahingestellt. Der gnadenlose Abriss ist eine vertane Chance.
@lockengelöt
Mit dem Flair, hm. Also, den Kaiser und seine unzähligen Uniformen würde ich nicht vermissen, obwohl, die sollen ja farbenfroh gewesen sein.
Ich verstehe schon, daß eine Rekonstruktion schwierig ist. Ich kann Dir nur sagen, daß mir die Frauenkirche in Dresden imponiert hat.
Ich fand jedenfalls damals diese Aktion mit dem Kunsstadtschloß hübsch (ist heute mein Lieblingswort), als es auf Stoff-Bahnen gedruckt an einem riesigen Baugerüst in Originalgröße zu sehen war.
Das Geschichtsargument stimmt sicherlich.
@oliver
zugegeben, ich verstehe wenig von Architektur, aber viele sog. Bauten der Moderne sind einfach häßlich, eckig, seelenlos.
Ich persönlich verlaufe mich z.B. lieber in den klassizitischen Gängen der Humboldt-Uni als in denen der Freien Universität.
Vielleicht sollte man Architektur für arbeitende Menschen evidenzbasiert und randomisiert machen, wie Medizin.
(Doppelblind-Studie, man läßt Probanden in einem 1970er Jahre Hochhaus arbeiten und dann unter den gleichen Bedingungen in einem 1880er Gründerzeitbau.)
Ich war des öfteren mal in dresden und wenn man durch teile der altstadt geht, hat man wirklich ein bisschen das gefühl in disneyland zu sein. Viele dresdner machen einen grossen bogen um diese teile der altstadt.
Früher gab es im westen immer diese vorzeigewohnzimmer, die nur benutzt wurden, wenn besuch kam.
Ansonsten wurde in anderen zimmern gelebt. So kommt mir das mit diesen neubauten und restaurierten
gegenden auch immer vor.
@oliver:
Danke – sehr schöner Artikel.
architektur ist einfach ein thema, bei dem jeder meint mitreden zu können, auch ohne architektonisches hintergrundwissen. „schinkeloper“ finde ich besonders gut;) das da drüben am lustgarten ist das alte museum.
daher wird auf politischer ebene entschieden, dass der palast abgerissen wird und auf investorebene, dass die shopping mall keinen bezug zum stadtraum haben muss…
ach ja, und der oft angeführte schinkel hätte das schloss sicherlich nicht rekonstruiert, der war seiner zeit nämlich einen großen schritt voraus. da müsste man sich aber mal mit seinen entwürfen beschäftigen, nicht nur mit dem, was seine auftraggeber bauen ließen…
@britta
ok, ja, ist die Knobelsdorff-Oper (hm, vielleicht hat der Schinkel drinnen mal ein Bild für eine Deko gemalt?-)
wäre aber nett, wenn Du noch gesagt hättest, was Schinkel noch plante.
Es ist schon immer wieder erstaunlich, wer sich in solchen Diskussionen engagiert. Ich kenne einige Leute, die wie ich ihre Kindheit und Jugend im Osten verbracht haben und die jetzt vehement gegen den Palastabriss problematisieren.
Meine eigenen Palastbesuche zu Ostzeiten kann ich an einer Hand abzählen. In dem Moment, in dem ich politisch reif in der Birne war, war dieser Glaskasten ein verhasstes Symbol der „Zone“ und ihrer greisen Repräsentanten. Ich hatte überhaupt keine Lust, dort hinzufahren. Mehr noch. Hätte man mich und vermutlich viele andere damals gefragt, wir hätten lieber sofort als gleich die Abrissbirne kommen lassen.
Natürlich halte ich den Wiederaufbau des Stadtschlosses für bedenklich und auch Nachnutzungsmöglichkeiten des Palastes gab es sicher auch interessante und preiswerter realisierbare. Aber ich finde in dieser ganzen Diskussion, dass eben viel zu viele Leute, die „damals“ beim Abriss des Palastes gern geholfen hätten, heute aus sehr kruden Gründen Stimmung gegen den Abriss machen und dabei architektonische, geschichtliche oder andere Gründe vorgeschoben werden. Ich vermute, bei vielen spielt die Tatsache, dass es chic ist, „dagegen“ oder „gegen die da oben“ zu sein und sich damit einer größeren, linksintellektuellen Gruppe zugehörig zu fühlen, eine gewichtige Rolle.
Ich selbst bin mir übrigens noch immer nicht im Klaren, ob ich den Abriss gut finden soll oder nicht. ;-)
„Ich vermute, bei vielen spielt die Tatsache, dass es chic ist, „dagegen“ oder „gegen die da oben“ zu sein und sich damit einer größeren, linksintellektuellen Gruppe zugehörig zu fühlen, eine gewichtige Rolle.“
Was ein Unsinn, min Jung. Was soll daran chic sein? Das ist ein Grundrecht.
Nun ja — auch das Ausüben von Grundrechten kann schick sein.
Und daß die Wahl der politischen Präferenzen durchaus auch vom Freundeskreis geprägt ist, hat vor Jahren schon Max Goldt recht eindrucksvoll beschrieben. Leider haben dessen Bücher keine Suchfunktion, weswegen ich nicht mit einem Zitat dienen kann.
@matze
wenn man sich die friedrich werdersche kirche im vergleich zu seiner neuen wache oder dem museum am lustgarten anschaut, merkt man schnell, dass schinkel seine fassaden ganz einfach den wünschen seiner bauherren anpassen konnte. folglich müssen seine entwürfe und ideen mehr als reine fassadenarchitektur gewesen sein!
eigentlich haben wir die reine fassadenarchitektur ja auch schon im 18. jahrhundert hinter uns gelassen, nur hitler spielte im 20. jahrhundert noch einmal mit kulissen… soviel zum thema: meine haltung zum schlossneubau. über geschmack lässt sich ja streiten, aber ehrlich sollte architektur schon sein.
@britta
den Vergleich mit der neuen Wache und der Friedr. Werd. Kirche kann ich nicht beurteilen. Ich verstehe leider davon nichts.
Werde mich mal schlau machen, was Fassaden-Architektur ist (ich wünschte mir aber manchmal, wir hätten davon mehr, obwohl, Du meinst Sie sei überwunden, hm, was aber ist mit den neu verputzten und aufgemotzten Trabantenhochhäusern in Ost und West (vulgo Plattenbau oder Arbeiterschließfach) ist das ehrlich?
Mich würde Deine Meinung interessieren.
Ansonsten: Schönes Frühlingswochenende.
@oliver
„Was ein Unsinn, min Jung. Was soll daran chic sein? Das ist ein Grundrecht.“
wenn man diese meinung vertritt, weil man der meinung ist, dann ist es ein grundrecht, keine frage. wenn man eine meinung vorgibt, um sich einer gruppe zugehörig zu fühlen, dann ist es bullshit.
die friedrich werdersche kirche steht da aktuell als gotischer bau, es gibt aber auch klassizistische entwurfsvarianten…
die plattenbauten (in ost und west) spiegeln schon die gesellschaft der 60/70er wieder und vor allem den stand der technik! das sind schon ausgetüffelte konstruktionen, weil industriell vorgefertigt! städtebaulich sind die trabantenstädte ja gar nicht schlecht gewesen, kombination stadt+land, will man aber heute nicht mehr. tja. abgesehen davon gibt es interessante projekte, wie plattenbauten alternativ zur farbigen gestaltung aufgemotzt werden könnten, die module lassen sich wunderbar zu geschossigen wohnungen zusammenschalten…
auf jeden fall war es immer so, dass der letzte bzw. der aktuelle architekturstil von der allgemeinheit abgelehnt wurde, im barock und im klassizismus genauso wie im 20. jh. bauhaus und funktionalismus usw. beispiel dresden: die semper oper gab es einige jahre vorher auch schon mal in einer klareren formensprache, aber die gesellschaft war noch nicht so weit, baute sie nach einem brand ornamentreich wieder auf, nicht genau nachweisbar, inwiefern semper bei dem 2ten bau noch seine finger im spiel hatte.
architektur ist einfach ein sehr komplexes feld, bei dem man mehr wissen muss als dass, was im reiseführer steht, auf jeden fall um sie bewerten zu können und um daraufhin entscheidungen treffen zu können, palastabriss und schlossneubau!
Hallo zusammen! Mir geht die ganze Diskussion um den Palast der Republik auf die Nerven. Irgendwie trauern die einen um Gebäude ihrer Jugend, in denen sie Spass hatten, die anderen nörgeln wegen dem lieben Geld oder der politischen Symbolik. Was Gebäude alles für Emotionen zu Tage befördern können. Tolles Beispiel dafür, wie im modernen Deutschland über Architektur Politik gemacht wird…