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Über den Wolken

blickausmfenster

(Foto: Sunfox)

Das wichtigste Utensil auf Langstreckenflügen ist für mich mein Nintendo DS. Erstens vergeht die Zeit wie im… naja, und zweitens gibt es kaum einen besseren Ort zum Daddeln als hoch oben in der Luft. Ab und an eine Winzcola, dazu ein semileckeres Pappbrötchen und hier und da ein Anschnall-Befehl. Mehr Unterbrechung gibt’s nicht — perfekt eben.

Letztes Jahr bin ich nach Shanghai geflogen, und ein Freund teilte mir mit, dass sie »an Board in den Rückenlehnen eine Playstation eingebaut« hätten. Jeder Fluggast könnte also »Nintendo« spielen, und seiner Meinung nach sogar gegeneinander: »Jaja, das ist vernetzt.«

Ich habe ihn gelöchert und ausgefragt, und er erzählte mir weiterhin die wunderlichsten Dinge, und ich dachte »macht zwar keinen Sinn, aber er fliegt ja ständig« und kümmerte mich nicht weiter darum.

Am Vorabend der Reise wollte ich wie üblich die Doppelschirm-Konsole ins Handgepäck stecken, aber meine Freundin erinnerte mich an die unklare Energieversorgungslage in China, an die stetig präsente Gefahr der Taschendiebe und vor allem an die Worte des befreundeten Vielfliegers.

»Du spielst doch eh nur im Flugzeug.«

»Naja, schon, aber…«

»Du ärgerst Dich hinterher nur, dass Du es mitgenommen hast.«

»Ich…«

»Vermutlich vergisst Du das Ding noch im Hotel.«

Ich ließ Â»das Ding« also uneingepackt und träumte in der Nacht von packenden Mehrspieler-Autorennen in einer Boeing 747.

Auf der Fahrt zum Flughafen stellte ich mir das reichhaltige Spieleangebot im Flieger vor, die Wartezeit beim Check-In überbrückte ich mit Lockerungsübungen für die Finger, und während des Boardens guckte ich mir bereits meine Gegner aus.

Selbstverständlich war die »Playstation« im Flugzeug ein absoluter Witz. Ich habe keine Ahnung, wer solche Geräte baut — Sony, SEGA, Nintendo oder Microsoft ist es jedenfalls nicht. Die beiden verfügbaren Spiele handelten (in meiner verärgert-vertrübten Erinnerung) von pixeligen Hündchen auf Bananenjagd und Holzeimern zum Äpfelauflesen. Bei grob geschätzt 0,5 Frames pro Sekunde, versteht sich. Single-Player.

Der Flug wurde zur langweiligsten Veranstaltung meines Lebens. Das Boardkino zeigte einen unerträglichen Kinderfilm mit Vin Diesel, mein Platznachbar sprach weder Deutsch noch Englisch, und zu allem Überfluss hatten wir einen 3-stündigen Zwischenstopp in Nowosibirsk (kein Witz).

In dieser Nacht, auf diesem Rollfeld in Sibirien, habe ich mir geschworen, nie wieder ohne Spielkram in ein Flugzeug zu steigen, und vor allem nie wieder auf Leute zu hören, die Nintendo und Playstation nicht auseinanderhalten können.

Bei aller Freundschaft.

Irgendwo hört’s auf.

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