Ich bekomm‘ ja nix mehr mit, was Musik angeht. Die ganzen Musikblogs posten keine Band zweimal, was mich vermuten lässt, dass die alle nur einen Song haben, und sowieso ist mir das alles viel zu hektisch mit dem ganzen Internet. Ach nö, lasst mal, ich hör‘ hier schön meinen Johnny Cash, lausche den Kindern beim „Bettina, pack‘ deine Brüste ein!“-Singen und beobachte meinen MKII beim Zustauben. Und noch schlimmer: Ich hol‘ mir Musiktipps beim Tagesspiegel ab!
Aber wer richtig liegt, liegt eben richtig, und im Fall von Johanna Zeul ist das der Fall. Bereiten wir uns also auf den kommenden Hype um die Neuköllnerin vor: Wer es schafft, deutschsprachige (und gute!) Texte überzeugend und ohne künstliche Eitelkeit so vorzutragen, wie Johanna Zeul das macht, dem sei jeder Erfolg von Herzen gegönnt. Die Frau rockt. Und bloggt. Und ich bedauere, dass ich das erst jetzt bemerke.
Man beachte im zweiten Video (aus Schweden) den mühelosen und unterhaltsamen Wechsel zwischen Deutsch und Englisch, man beachte die Tatsache, dass die Frau immer dann, wenn man befürchtet: „Gleich rutscht sie in dieses alberne, hysterische Mädchen-Gekiekse ab“, es nicht tut und man beachte überhaupt. Bitte.
Eigenständiges, selbstbewusstes Entertainment aus Deutschland, ordentliches auf-die-Gitarre-Hämmern und dabei dann auch noch direkt in die Kamera gucken können: Ich freu mich.
„Hey, Fremder“ bei balconytv.de
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„Nach ner gewissen Zeit“ in Uppsala
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Die Neuköllnerin kommt übrigens aus dem wilden Süden, ziemlich genau aus der Gegend, in der mein Arsch auf dem Stuhl klebt. Sie wurde hier schon gefeiert, bevor Blogs überhaupt populär waren. Aber nun gut, alle von hier gehen nach Berlin, und irgendwann kommt man dann auch in Spreeblick und dann kann ja nichts mehr schiefgehen. ;-)
Ihre Musik gefällt mir nur leider immer noch nicht.
@#673512: Hätteste mal vorher was gesagt! ;)
Großartige Musik, vielen Dank für die Empfehlung!!! Und wer wie ich die ganze Zeit nach der korrekten RSS-Feed-Adresse sucht (ist falsch auf Ihrer Homepage verlinkt):
http://www.johannazeul.de/blog/feed/
´Ne musikalische Empfehlung ist das nicht gerade. Gesanglich und gitarrentechnisch ist das Hobbyniveau – nicht mehr. Schwerlich eine große Entdeckung, aber für einen Hausmusikabend reicht es – sie hat großen Spaß am Performen. An ihrer Stelle würde ich es mit TOP40-Mucke probieren – zur Freude des Publikums. Das wäre ein Weg, wie sie ihren Enthusiamus (νθουσιασμός, enthousiasmós, ursprünglich „Besessenheit durch Gott“) in eine stabile Künstlerexistenz verwandeln könnte.
@#673516: Es ging doch noch nie um das technische Niveau. „Kann“ Neil Young singen? Bob Dylan? John Lennon? Es geht (mir) immer nur um den Spirit, mit dem jemand das vorträgt, was er oder sie meint. Das unterscheidet Kunst von Handwerk.
ist es wichtig zu erwähnen, dass sie von der popakademie in mannheim kommt, wo du auch vorlesungen hältst johnny?
Johnny Cash`s Musik hat auch Nick Cave beeinflusst.
-Cut-
‚Let`s the Music Play‘ :-)
Klingt gut! Vom „Auftritt“ hier in Uppsala hat mir leider keiner was gesagt. ;)
Trotzdem Gruß von da, also hier.
Ja klar, die habe ich mal auf so einem Universal-Talent-Abend gesehen. Da hatte ich irgendwie Angst um ihre Gitarre.
Lach. Bettina pack deine Brüste ein ist momentan auch die Nummer eins beim Vierjährigen und der fast Dreijährige tanzt dazu.
Irgendwie erschrecken. Ich darf nicht mal mehr zu Hause singen weil es die Fünfjährige nicht ertragen kann muss dafür aber Cinema Bizarre kaufen und auf die mp3-Player wipen.
Und dann hänge ich sehnsüchtig vor http://www.duckhome.de/tb/archives/2282-Dave-Dudley,-Hank-Snow-und-Charley-Pride.html
Ist doch irgendwie OK, ihr alten Meckerköppe.
@#673524: Ich weiß nicht, ob ihr Studium wichtig ist, was meinst du? Ich halte an der Popakademie übrigens keine Vorlesungen, sondern ich war (vor knapp zwei Jahren, glaube ich) einmal als Gastredner eingeladen.
Die Herren, feiner Rock ist das. Aber wenn hier schon Neuköllner-Frauen-Musiker-Content angepfiffen ist: bitte nicht die bezaubernde Illute vergessen!
http://www.myspace.com/illute
Das Argument von Johnny, dass es auf „technisches Niveau“ beim Musikmachen wenig ankomme, hat einiges für sich. Ich bin absolut dafür, dass mehr gesungen und musiziert wird, bin für mehr Mut und dafür, dass sich jeder traut und sein Ding macht. Aber, sorry, bei einer musikalischen Entdeckung sollte wenigstens etwas musikalische Substanz vorhanden sein. Oder?
Ich höre sie nicht.
Bei Johanna sieht man viel Habitus, Willen und diese unfassbar sprudelnde Begeisterung. Das ist berührend, oft auch niedlich, aber wenn man Johanna in ihrer koketten Überschwenglichkeit nicht sieht – wenn man also wegschaut und nur ihrer Musik zuhört, dann bleibt zuwenig Musik übrig, sorry, zu wenig Substanz, die man als Entdeckung feiern könnte.
Man vergleiche damit (meine neueste musikalische Entdeckung…- und zugleich m/ein musikalischer Gruß an Johnny & Team nach dem re:publica-Stress) – oder mit der großartigen Kleingeldprinzessin, die übrigens gerade auf Tour ist.
Hört Euch meine Musik an:
http://www.myspace.com/saaiinmusic
Ein Versuch ists ja Wert, nach Monaten:
Hallo Dr. Dean – nun da das Album erschienen ist, hör dirs mal an, bevor du der Dame musikalische Substanz aufgrund eines akustischen Gitarrengeplänkels absprichst. Mal drüber nachgedacht, dass du diese vielleicht nicht erkennst? ;)
Ganz erstaunlich und mit Band nochmal 10 Schritte weiter. Sogar der olle Musikexpress vergibt 5 Sternchen, falls einem das was bedeutet.
Also, Dr. Dean, nachdem ich die Platte gerade gehört habe, muss ich mal kurz was loswerden:
Gute Musik berührt mich. Im Herzen. Sie macht Spass. Im Kopf. Sie überrascht mich. Und bringt meine Zehen und noch so einiges anderes zum wackeln. Mit welchen Mtteln das passiert, ist mir dann ehrlich gesagt total egal. Hauptsache, es funktioniert. Manchmal macht gerade der Charme des nicht ganz Perfekten, dafür aber sehr Lebendigen das besondere Etwas aus. Schon klar, dass Geschmäcker verschieden sind. Aber bloss, weil dir die Dame nicht gefällt, solltest du ihr nicht gleich jegliches Talent absprechen. Und: Johanna steht erst am Anfang ihrer Karriere. Ich bin mir sicher, dass da noch einiges kommt.
Übrigens auch richtig, richtig gut (wenn auch nicht deutsch) und vielleicht bringt mich da gerade Johannas schöne Live-Performance-Energie drauf: Regina Spector.