Wenn man früher jemanden anrief, gab es zwei mögliche Ergebnisse: Entweder ertönte das Besetztzeichen, oder es klingelte. Falls es klingelte, aber niemand abhob, gab es nur zwei mögliche Gründe: Entweder war der Angerufene nicht zu Hause, oder er konnte bzw. wollte gerade nicht an den Apparat gehen.
Das war einfach und eindeutig, doch irgendwem war es offenbar zu öde und langweilig. Darum entwickelte man die Idee der multiplen Anschlüsse für einzelne Benutzer in Einheit mit multiplen Telefonnummern für einzelne Anschlüsse. Und weil man damit ganz wilde Probleme schuf, ließ man sich Abhilfe einfallen in Form von »Anklopfen«, »Abweisen« und »Rufumleitungen«.
Mit der Zeit gewöhnte sich alle Welt an die neuen Möglichkeiten, ebenso an die fehlende Eindeutigkeit. Nicht so wild, esiswiesis, ruft man halt wen anders an; im Zweifel zahlt der sogar 90% der Kosten dank International Roaming.
Doch dann, eines Tages, schuf man auch noch multiple Telefongesellschaften. Die entdeckten kurz darauf das Internet, freuten sich über VoIP, die Nutzer freuten sich über rasant sinkende Preise, und seitdem kann ich nicht mehr problemlos mit meiner Mutter telefonieren.
Es begann — wie jeder gute Horror — mit Kleinigkeiten. Ein nicht angenommener Anruf, endloses Klingeln, kein Anspringen der Mailbox, seltsame Gesprächsunterbrechungen, die auf versehentliche Tastendrücke geschoben wurden.
Bis ich eines Tages meine Mutter anrief, und während ich darauf wartete, dass sie endlich an den Hörer ging, mein anderes Telefon klingelte. Auf dem Display stand klar und deutlich ihr Name, ihre Nummer. Ich schaute auf das Mobilteil in meiner Hand, auf die Station, auf das Mobilteil, die Station; und hob ab.
»Hi, ich…«
»Willst Du mich veräppeln, sag mal? Du rufst hier immer an, und wenn ich rangehe, sagst Du nix.«
»Ich… ja, ich ruf Dich gerade an.«
Da standen wir nun, 900 km voneinander entfernt, und während mir mein Mobilteil suggerierte, meine Mutter wäre nicht zu Hause, hatte ich sie bereits wortwörtlich an der Strippe.
Das war vor gut sechs Monaten, und wir haben uns wohl oder übel damit arrangiert. Manchmal komme ich direkt durch, manchmal höre ich zwar den Anrufton, aber es klingelt nicht bei ihr, manchmal klingelt es bei ihr, und sobald sie abhebt, kann sie mich hören (!) während ich weiterhin den Klingelton höre.
Zum Glück hab‘ ich ’ne Flat.
Manchmal rufe ich auch an, lasse zweimal klingeln und lege auf, nur um direkt erneut anzurufen, weil es dann (manchmal) funktioniert.
Das Problem ist nicht zu lösen, was vor allem daran liegt, dass wir es mit einer Unzahl an beteiligten Fakto… ne, Firmen-Hotlines zu tun haben, die dem jeweils anderen die Schuld zuschieben.
So ist meine Mutter z.B. bei 1und1, während ich bis vor kurzem noch bei Arcor war und nun zu Alice gewechselt habe. Mein Telefon ist ein ISDN-Gerät von Siemens, ihres ist ein Analogteil von DeTeWe. Meine Leitung ist vollständig digital/ISDN, bei meiner Mutter wird dagegen je nach Bedarf die VoIP-Leitung verwendet.
Ich bin mir sicher, dass es an der VoIP-Geschichte liegt, weil dadurch auch andere Probleme aufgetaucht sind, aber 1und1 meint, wenn überhaupt, dann gäbe es auf MEINER Seite irgendwelche Einstellungen, die IHREN ansonsten reibungslosen Service blablablah…
Der letzte Hit auf unserer Telefonskala ist jedenfalls, dass nach exakt 30 Minuten die Gespräche unterbrochen werden. Bei mir steht dann »Störung«, und bei meiner Mutter steht »Marcus hat aufgelegt«.
Meist ruft sie dann einfach wieder an, und wir machen Scherze von wegen »Eimsbüttler Terrorzelle« und »der BND musste die Kassette drehen« usw., aber um ehrlich zu sein, ist es nur noch nervig.
Da hilft es auch wenig, dass ich an allen Ecken und Enden Leuten begegne, die zwar nicht die selben, aber ähnliche Probleme mit ihren Telefonanschlüssen haben.
Ein Freund von mir ist z.B. seit neustem bei Congstar. Das ist für ihn recht günstig, hat aber für etliche seiner Kontakte zur Folge, dass sie ihn kaum noch erreichen können. Statt eines Klingeltons hört man nun: »Die von Ihnen gewählte Rufnummer ist nicht vergeben« oder »der Anschluss ist derzeit nicht zu erreichen« oder »wir wissen nicht, was los ist, und es interessiert uns auch nicht«.
Er erhält dann noch nicht mal eine Nachricht, dass er angerufen wurde, und auf die Mailbox kann man ihm auch nicht sprechen. Telefon-Nirvana, Divison durch Null.
Meist schreibe ich ihm dann eine Mail, und er ruft mich an. Kommunikation 0.3b, ich sag’s Euch.
Eine Freundin hat dagagen ein ganz anderes Problem: Sobald sie ihr Handy verstaut (Hosentasche, Handtasche, Mülltüte), gelangen Anrufer ohne jegliche Umwege auf ihre Mailbox. SMS kann sie aber empfangen.
Die Folge ist, dass sie jeden Tag mit SMS zugespammt wird, die ihr mitteilen, dass gerade jemand versucht hat, sie anzurufen, sie aber nicht erreichbar war. Nö, das ist keine Profil-Einstellung, schließlich klingelt ihr Handy »an der frischen Luft« ohne Eingreifen ihrerseits.
Manchmal… also manchmal wünsche ich mir ja tatsächlich die echte Wählscheibe zurück. Und den Handy-freien Alltag, nicht nur im Bus. Und nette Damen an der Vermittlung, die »einen Augenblick bitte« sagen und dann eine echte Verbindung herstellen, so mit Kabel von Anschluss A nach Anschluss B und so.
Auch wenn ich das nur aus dem Fernsehen kenne.
Wie ist das bei Euch? Ähnliche Erfahrungen, vergleichbaren Ärger? Lohnt sich der Umstieg auf Buschtrommeln?