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Berlinale: Back to School – Filme, Preise, guter Sex

„Filmschnitt ist wie guter Sex“, sagt die selbstbewusste Frau vor der Leinwand und grinst. „Man fragt ja auch nicht ‚darf ich dich hier anfassen?‘, ‚ist das okay?‘ – Man legt einfach los und hofft der andere entspannt sich und geht einfach mit.“

Susan Korda ist Cutterin und erzählt uns in „Kill your Darlings“ davon, wie schwer es ist, sich beim Filmschnitt von liebgewordenen Szenen zu trennen, wie überschätzt doch Continuity und Match-Cuts sind, und dass die emotionale Logik einer Geschichte wichtiger ist als die narrative. Der Schnittraum ist ein Sandkasten, in dem alles geht, alles probiert werden kann und muss. Sie verweist öfter auf die Liebesbeziehung zwischen Publikum und Film, wie der Film seine Zuschauer umwerben und herumkriegen muss, will er sein Ziel erreichen.

Susan erzählt augenzwinkernd und nachvollziehbar, hat sichtlich Spaß am Thema und wenn die Stühle, auf denen wir alle sitzen, nicht im Mittelalter genutzt worden wären um unwilligen Hexen Geständnisse zu entlocken, und wenn die Flachpfeife mit der Zottelfrisur und dem würzigen Eigengeruch neben mir nicht beständig Kaugummignatschen und Kuliklickern würde, wäre das Ganze noch viel spassiger.

Ich sitze nach Jahren mal wieder in der Uni. Zumindest temporär, für ein paar Tage nur, derweil sich Berlin im Filmfieber sonnt. Es spricht für Susan und ihre Kollegen, dass ich mich trotz Leuten wie Käptn Kackstelze neben mir schon auf die kommenden Veranstaltungen freue. Moment, wo bin ich hier eigentlich?

Ich fang nochmal an: Die Berlinale – sie hat die Hauptstadt fest im Griff. Einmal im Jahr gelingt es Berlin ja zumindest einen Hauch von Glamour und großer Welt an die Spree zu locken, wo es sich ansonsten zwar sehr angenehm, aber oft auch recht unspektakulär leben lässt. Doch während die Flitterpresse die roten Teppiche wundwartet, um einen Blick auf Clive Owen werfen zu dürfen, passieren die wirklich interessanten Dinge an anderen Orten. Zum einen in den weniger Tinselaffinen Berlinale-Kategorien, vom Panorama bis zu den Teddy Awards und zum anderen auf dem Berlinale Talent Campus, der dieses Jahr schon zum sechsten Mal stattfindet.

Hinter der international aufgezogenen und größtenteils in englisch stattfindenden Veranstaltungsreihe verbirgt sich tatsächlich eine Vielzahl an themenbezogenen Seminaren, Diskussionsrunden und Vorlesungen zu allen Themen des filmischen Lehrkosmos. Nichts für die Laufkundschaft, die nur mal gucken will, und selbst Cineasten sind hier nur teilweise gut aufgehoben, denn der Talent Campus wird seinem Namen gerecht. Er bietet Crashkurse für Filmschaffende, für Filmstudenten, junge Regisseure, Drehbuchautoren, Cutter, Kameramänner und Frauen. Als Ergänzung zum Studium, aber auch als niedrigschwelligen Einstieg in die Materie, plaudern hier Profis aus dem Nähkästchen und geben kondensierte Informationen zu ihren Fachgebieten. Im Anschluss darf gefragt und diskutiert werden. Die Atmosphäre ist konzentriert, aber unkompliziert. Das Publikum rekrutiert sich international, vom deutschen Regiestudenten über den Dokumentarfilmer aus Ghana, die australische Jungregisseurin und den interessierten Industriefilmcutter aus Spanien. Sie alle nutzen die lockere Atmosphäre um ins Gespräch zu kommen, sich auszutauschen.

Denn genauso wichtig wie die Veranstaltungen ist das Drumherum. In den drei Häusern des HAU, des Hebbel am Ufer, wird die Wartezeit zwischen den Seminaren mit Erfahrungsaustausch verbracht. Gemeinsamkeiten verbinden. Jeder von ihnen saß schon einmal verzweifelt im Schnitt, weil sich die Geschichte einfach nicht zusammenfügen wollte. Verfluchte sich selbst, weil genau dieses eine Bild fehlt um von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Jeder kennt die Probleme wenn die Technik nicht mitspielt, die Egos von Regisseur und der Kameradiva aufeinanderkrachen, oder schlicht und einfach die Kohle fehlt, um wirklich den Film zu drehen, der im eigenen Kopf schon so perfekt abläuft. Zwischen Pizza, Pasta und ausgesprochen leckerem American-Cheese-Cake werden Leidensgeschichten ausgebreitet und Tipps für die Zukunft gegeben. Zwischen den Veranstaltungen mischt sich auch der ein oder andere Dozent unter die Studenten, antwortet auf Nachfragen oder erfreut sich an den Fragen der nachwachsenden Filmemacher-Generation.

Am Samstag, spät am Nachmittag, fand die Eröffnung des diesjährigen Berlinale Talent Campus statt, der von den Berlinale-Organisatoren wie in jedem Jahr tatkräftig unterstützt wurde. Festivaldirektor Dieter Kosslick gab sich natürlich die Ehre, als die für den Berlin Today Award 2009 nominierten Kurzfilme zum Thema „žMy Wall“ ihre Weltpremiere erlebten. Schon einen Tag später durften sich dann die Gewinner des Preises freuen. Die Jury, zu der u.a. auch Wim Wenders gehört, gab beim „Dine & Shine“-Gemeinschaftsessen die Sieger bekannt.

Der Chronistenpflicht zuliebe seien diese hier auch erwähnt: Der sechste Berlin Today Award ging an Supriyo Sen aus Indien für seinen Kurzfilm Wagah, der von einem außergewöhnlichen Ereignis am einzigen Grenzübergang Indiens zu Pakistan erzählt: Jeden Abend versammeln sich tausende jubelnde Zuschauer, um die patriotische Parade einer rituellen Grenzschließung zu feiern . Eine lobende Erwähnung erhielt die Dokumentation My Super Sea Wall über den Überlebenskampf der 375 Einwohner der alaskischen Insel Kivalina (Produktion: Anna Wendt Filmproduktion).

Wer sich die nominierten Kurzfilme selbst anschauen möchte, hat dazu am Sonntag, den 15.2., findet im CinemaxX 6 um 16.00 Uhr noch einmal die Möglichkeit. Wer mehr Infos über die Campus-Veranstaltungen sucht und überlegt, vielleicht spontan noch eine davon zu besuchen, der bekommt hier alle Details. Ich brauche mehr Details (na, welcher Film?).

Ich bin schonmal gespannt auf die restliche Berlinale-Campus-Woche. Heute steht eine Veranstaltung mit Tilda Swinton (die nebenbei auch noch in der Jury der Berlinale sitzt, aber im Grunde nur hergekommen ist um mit den Studis zu quatschen) auf dem Programm, eine Dame, die ich seit ihren Auftritten in Derek Jarmans Filmen sehr schätze, die als bösartiger Erzengel in „Constantine“ überzeugte und der ich sogar verzeihe, das sie als Eis der Saison im ersten Teil der grauenhaften Narnia-Reihe mitgemacht hat.

Also, Tilda … ich komme!

8 Kommentare

  1. 01
    KnickKnack

    Ganz klar, Didi der Doppelgänger!

  2. 02

    Tilda Swinton würde ich es sogar verzeihen, wenn sie mir kein Autogramm gäbe.
    Könntest du mir bitte trotzdem eins mitbringen?

  3. 03

    Bloggen soll noch besser als Sex sein. Ist aber nicht meine Ansicht.

  4. 04

    @Tanja

    Ick werd mal sehen was sich machen lässt und wie zugänglich die gute Tilda ist.

    @Pabst

    Besser nicht. Nur öfter.

  5. 05

    Schreiben Sie’s auf, ich beschäftige mich später damit!

  6. 06
    Rich

    „würziger Eigengeruch“ – sehr malerisch, kann mich sofort in die Situation hineindenken.