Die Deutschen sorgen sich um ihre Privatsphäre, Google und Facebook sind „unter ständigem Beschuss“ – aber in gemischten Saunen alle Hüllen fallen zu lassen ist für sie völlig normal. Jeff Jarvis nennt es das „deutsche Paradox„.
Aber, so sagte er in seinem Vortrag auf der re:publica: „Es geht nicht um Privatsphäre. Es geht um Kontrolle!“ Wir bräuchten Kontrolle über unsere Daten, weil wir unsere Identitäten – als Freunde, Angestellte, Vorgesetzte – kontrollieren wollen.
Eigentlich war Jarvis allerdings gekommen, um über den „Wert von Öffentlichkeit“ zu reden. Und da kamen die Penisse ins Spiel, die im Untertitel seines Vortrages – Privacy, publicness, and penisses – angekündigt wurden. Über seine Prostatakrebs-Erkrankung zu bloggen habe ihm „unglaublichen Nutzen“ gebracht. Nicht nur hätten Kommentatoren ihm Beistand ausgesprochen und Informationen zugeschickt – vor allem hätten sie ihre eigenen Erfahrungen mitgeteilt.
„Ich habe über meine Erkrankung geschrieben, damit Leute, die nach ‚Prostatakrebs‘ suchen, andere Menschen finden, die das durchmachen mussten“, sagte Jarvis. Beinahe messianisch verkündete der Journalismus-Professor: „Es gibt Weisheit in der Masse!“ Jede Masse habe Wissen, das lediglich zugänglich gemacht werden müsse: „Wenn du dein Wissen nicht öffentlich machst, dann bist du asozial!“
Nun gehe es darum, die Öffentlichkeit zu schützen. Was öffentlich sei, gehöre der Öffentlichkeit, „und das sind wir“: „Wer etwas aus der Öffentlichkeit herausnimmt, der stiehlt von uns allen!“ Das ging auch gegen die Kritiker von Google StreetView: Wer etwas nicht in der Öffentlichkeit abgebildet sehen will, solle es auch nicht öffentlich tun. Datenschutz könne sonst zur Gefahr werden, etwa für Journalisten: Google StreetView etwas zu verbieten heiße auch, Pressephotographen das gleiche zu untersagen.
„Das Internet selbst ist die Öffentlichkeit, und wir müssen es verteidigen“, sagte Jarvis. Er habe sein iPad zurückgegeben, weil er keinen Nutzen darin gesehen habe. Aber es gebe auch eine „Glaubensfrage“ für ihn: „Leute sagen mir, ich würde das iPad nicht verstehen. Es gehe um Konsum, nicht ums Schaffen. Das macht mir Angst!“
Das Publikum, das keines mehr gewesen sei, solle wieder in seine frühere Rolle zurückgedrängt werden; dagegen gelte es sich zu wehren: „Ihr seid Schöpfer!“, rief Jarvis der re:publica-Gemeinde zu und forderte sie auf, für ein offenes Internet zu kämpfen.
Wirklich kreativ und schaffend kann man nur mit Dingen sein die man selbst aus der blanken Erde geformt hat – schon der Feuerstein schränkt meine Freiheiten ein!
Dass es als paradox empfunden wird, dass es mir gleichzeitig egal ist, ob jemand meinen Penis sieht, ich aber großen Wert darauf lege, dass ich meine Daten (mit denen man mir schaden kann) kontrollieren kann, ist doch in erster Linie der U.S.-amerikanischen Prüderie geschuldet. Mit dem Wissen, wie mein Penis aussieht, kann mir keiner wirklich schaden. In der Sauna ist Kleidung einfach großer Unsinn.
Genau so geht’s mir mit meiner Synovialen Chondromatose.
Seit ich darüber im Weblog geschrieben habe, bekomme ich viele sinnvolle Ratschläge und Tipps!
Was für ein bodenloses unerträgliches Gesülze. Seit wann wird das Geschehen in einer Sauna ohne Zustimmung der Betroffenen in die ganze Welt übertragen? Und das vergleicht er dann mit öffentlichen Blog-Posts?!
Ist ja schön für ihn, wenn er öffentlich über seinen Prostata-Krebs bloggen will, aber das ist ja seine freie Entscheidung. Was hat das mit Datenschutz zu tun? Es geht dabei ja gerade um unfreiwillig veröffentlichte oder verarbeitete Daten.
Wer nicht mit seinen Kindern in der Öffentlichkeit abgebildet werden will, soll sie offenbar lieber in seinem Haus verstecken, wenn sie nicht abgebildet werden sollen. Tolle Wurst. Es wäre natürlich hilfreich, wenn eingeladene Sprecher etwas von europäischem Recht verstünden oder zumindest mal etwas vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehört hätten.
Und natürlich ist die Behauptung absurd, dass man Pressefotografen verbieten müsse, was man Google Street View verbietet. Nach meiner Kenntnis gilt Google Street View noch nicht als Presse. Im übrigen fotografieren Pressefotografen nicht auf Vorrat, sondern anlässlich eines konkreten Sachzusammenhangs.
Wie man sieht, reicht es nicht aus, mit einem Anzug auf einer Bühne zu stehen und wichtig zu tun. Man muss auch etwas Sinnvolles zu sagen haben.
Bei diesem Niveau kann sich die re:publica ja nur noch steigern.
dieser sauna-vergleich ist einfach nur unglaublich dumm…
edit:
hm, wenn ich’s mir recht überlege, sind die restlichen aussagen eigentlich auch nicht viel intelligenter ;)
Oder mal anders – das U.S.-amerikanische Öffentlichkeitsparadoxon:
Jedem dahergelaufenen Webdienst erlauben, die eigenen Daten zu durchforsten, aber gleich auf Leute schießen, die sich ohne Genehmigung auf ein Privatgrundstück verlaufen. Paradox oder?
Datenschutz in der Sauna? Aha..
Das mit dem iPad sehe ich allerdings genauso. Schickes Gerät – nur, was nutzt es mir? Deshalb werde ich zumindest die nächste Zeit keines besitzen..
Ich hadere sowieso grad mit Medien und Internet. Klaut mir zuviel der wertvollen Zeit, die mit anderen Dingen fruchtbarer und nachhaltiger verbracht werden kann.
HÖHÖ, nackig in die Sauna, HÖHÖ
Sehr geehrte Kommentatoren und Mitleser
Wir,die Roboter, gratulieren den kritischen Kommentatoren!
Willkommen in der vor- mit- und nachdenk Netzwelt.
Noch ein robotischer Beistand für „Jeff Jarvis“:
Mann\Frau sollte nicht vergessen das Herr Jeff Jarvis an ein denkfauleres Publikum (Ver)gewöhnt ist!
MfG
Roboter
Was für ein dummes Gesülze.
Datenschutz mit Saunen vergleichen. Man glaubt es nicht.Naja von etwas wie der Republica kann man wohl nicht mehr erwarten als ein paar Dampflaberer die sich wichtig machen wollen.
Nur ein kurzer Kommentar (und ich hoffe dass er irgendwie so schnell auch Sinn macht): Ich fand es sehr schade, dass Jarvis nicht auf die eventuellen Gefahren der Kontrolle über die öffentlichen Daten (selbst wenn sie die eigene Person betreffen) eingegangen ist. Schon heute sind Suchergebnisse durch Suchmaschinenoptimierung mit Spam befüllt, egal, wie sehr sich bspw. Google dagegen wehren mag. Man kann komplett neue Identitäten erschaffen, und damit die Öffentlichkeit auch täuschen. Wikipedia ist dafür natürlich das beste Beispiel. „Vertraut nichts, was im Internet steht“ schien vor wenigen Jahren jedenfalls noch Konsens zu sein.
Jarvis hat seine ethnozentrische Sichtweise vermutlich deshalb, weil er noch nie in anderen Kulturen gelebt hat.
Ich gehe weder Sonntags in die Kirche, noch verstecke ich meinen Pullermann beim Sonnenbaden am See. Statt dessen trinke ich mein Bier in der Öffentlichkeit, konsumiere mit meiner Freundin Pornografie und rauche unter freiem Himmel.
Und mir geht’s dabei prima, ich vermisse weder Schusswaffen für mich noch die Todesstrafe.
Ich glaube nach der Durchsicht des Jarvis-Blogs eher dass der Mann die Gefahren von Datenkraken nicht erkennt.
läuft ja gereade ein Interview mit Jeff Jarvis in 3sat. ;-)
die kommentare sind wie immer das beste…. ähem.
Die Vergleiche, die Jarvis anführt, hinken nicht, die stolpern. Was für ein hirnverbrannter Schwachsinn…
War der Vortrag auf Englisch? Vielleicht beruht der Scheingegensatz zwischen Privatheit und Kontrolle über die persönlichen Daten einfach auf der sprachlichen Unschärfe im Englischen oder einer nachlässigen Übersetzung? „Privacy“ entspricht in etwa dem, was hierzulande gemeinhin unter Datenschutz verstanden wird, also der Kontrolle über die persönlichen Daten – und eben nicht der Privatsphäre. Das ist eine völlig andere Baustelle. Und wie etliche Vorredner bereits zu Recht angemerkt haben, ist der Vergleich mit der Sauna ziemlich hochkonzentrierter Rinderdung.
Ich bin gerade entsetzt darüber, dass ich mir den Vortrag nirgends noch einmal anschauen kann? Was ist da los? Transparenz als leere Versprechung!
Ich weiß ja, Pauschalitäten und so, aber, die haben dochn Knall die Amis…
@#751928: Same here! Das ist doch witzlos, wenn die Veranstaltungen eh alle live gestreamt werden, müssten doch auch relativ zeitnah Mitschnitte online gehen können. Soll ja Menschen geben, die arbeiten müssen…
ich hab ein bisschen das Gefühl, dass sich bei den ganzen Digitalweltlebenden, Twitterverrückten oder sich auf Plauderrunden Rumtreibenden sich langsam eine Parallelgesellschaft entwickelt. Ich denke die sind alle so kreativ und jung und progressiv? Aber müssen alle Veröffentlichungen aus dieser Ecke immer gleich komplett am Leben vorbeigehen?
@#751906: danke!
Hm, seltsamer Vortrag und der Vergleich Datenschutz Sauna mag ja in Amerika ein echter Schenkelklopfer sein „the germans, ha-ha!“ – aber bringt uns in der Sache keinen Schritt voran.
Die Bezeichnung „re:publica-Gemeinde“ stört mich etwas. Das liest sich schnieke, steht aber im Gegensatz zum sonstigen Inhalt des Beitrags, der ja in Richtung Freiheit, Aufbruch und gesellschaftliche Teilhabe geht. Und dann so ein Begriff, der eher aus dem kirchlichen Bereich stammt … hier wäre „Publikum“ treffender gewesen.
Die Bezeichnung „re:publica-Gemeinde“ stört mich etwas. Das liest sich schnieke, steht aber im Gegensatz zum sonstigen Inhalt des Beitrags, der ja in Richtung Freiheit, Aufbruch und gesellschaftliche Teilhabe geht. Und dann so ein Begriff, der eher aus dem kirchlichen Bereich stammt … hier wäre „Publikum“ treffender gewesen.
Die Bezeichnung „re:publica-Gemeinde“ stört mich etwas. Das liest sich schnieke, steht aber im Gegensatz zum sonstigen Inhalt des Beitrags, der ja in Richtung Freiheit, Aufbruch und gesellschaftliche Teilhabe geht. Und dann so ein Begriff, der eher aus dem kirchlichen Bereich stammt … hier wäre „Publikum“ treffender gewesen. — BTW, dritter Versuch zu posten, irgendwas stimmt da nicht …
„Die“ Deutschen, die gehen „alle“ nackt in die Sauna.
Aha. Ich kenne da jemanden aus dem Topf, in den er gerade alle Deutschen geschmissen hat, der geht gar nicht in die Sauna – und in eine Sauna, in die er nackt gehen müsste, schon gar nicht.
Auch toll finde ich den Satz
„Wenn du dein Wissen nicht öffentlich machst, dann bist du asozial!“.
Hömma, das is jetz aber mal etwas ungünstig, wenn dein Geschäftsmodell auf einem Wissensvorsprung beruht, welcher Betriebsgeheimnis ist.
Der Typ stellt viele Dinge zu undifferenziert dar. Pauschales Geschwurbel kommt hier nicht mehr so gut an.
Mir hat der gestrige Vortrag von Jeff Jarvis sehr gut gefallen. Das mag zum Teil der Art und Weise seiner Präsentation geschuldet sein, zum Teil aber auch seinen Thesen. Ich denke nämlich tatsächlich, dass das die Diskussion um das Bedürfnis nach Kontrolle über die eigenen Daten in Deutschland etwas zu hysterisch geführt wird (es ist ein Verständliches und gutes Bedürfnis, aber nur zu einem bestimmten Grad). Das Argument, dass öffentliche bzw. veröffentlichte Daten einen Mehrwert für die Allgemeinheit darstellt, finde ich stichhhaltig — auch wenn Jarvis dabei nicht auf die Probleme Korrektheit, Systematisierung und Filterung des unüberschaubaren Daten-„Tsunamis“ einging. Er nannte am Anfang ja den Fakt, dass in Schweden sämtliche Steuerdaten (und damit Einkommensverhältnisse) aller Bürger einsehbar sind. In Deutschland wäre das nicht vorstellbar, aber dieses Verfahren hat durchaus einen Wert, etwa in Bezug auf die Bekämpfung von Lohndumping. Auch die Rolle von Google hat Jarvis in meinen Augen besser dargestellt als in allen Kommentaren unter diesem Artikel. Ja, natürlich sammelt Google Daten, das ist ihr Geschäft. Dem Konzern dabei aber bösen Willen oder gar Welteroberungsgelüste vorzuwerfen, finde ich (mittlerweile) albern. Im Gegenteil: Der Konzern bemüht sich um Transparenz und wirft eine Menge guter Produkte auf den Markt, größtenteils zur kostenlosen Nutzung. Wer die üblichen Datenkraken-Metaphern aus dem Schrank holt, sollte sich bitte auch mal fragen, welche Daten bspw. die United Internet AG (gmx, web.de) über einen aggregiert und ob es dort opt-out-Optionen gibt.
Kurz zurück zu Jeff Jarvis: Ich war und bin trotzdem skeptisch gegenüber seiner Argumentation gegen Ende, dass sich Google nur eine große schlimme Sache (weiß den genauen Wortlaut nicht mehr) leisten müsste und die Leute würden zu gleichwertigen alternative Technologien wechseln. Ganz so marktgäubig bin ich dann doch nicht. Trotzdem Kudos an Jeff Jarvis, der mein Hirn ganz schön zum Rattern gebracht hat.
Also ich muss sagen, daß ich die Analogie Sauna/Penis – Streetview/mein Haus von Herrn Jarvis ziemlich dämlich und unpassend finde.
Um die Analogie korrekter zu gestalten müsste man schon auch noch eine Kamera in der Sauna mit sich führen mit der Absicht die damit geschossenen Aufnahmen im Internet zu veröffentlichen.
Meiner Meinung nach ist dann offensichtlich, daß KEIN Saunagänger das gut fände.
Also der Vergleich mit der Sauna ist echt der Hammer! Hab mich halb totgelacht!
Aber trotz allem ist das ein sehr interessanter Artikel und regt echt zum Nachdenken an!
Ich hätte da zwar an seiner Stelle zwar einen anderen Vergleich als die Sauna gewählt aber ok :-)
Die letzten Äußerungen von Xing-Gründer Lars Hinrichs haben die Diskussion um das deutsche Privatsphäre-Paradoxon ja wieder ordentlich angeheitzt. Bei Interesse, hier ein aktueller Blogbeitrag zum Thema:
http://blog.yasni.de/business/mal-wieder-das-deutsche-privatsphaere-paradoxon/