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Frankreich – Uruguay 0:0

Und plötzlich war da Fußball.

(Zehn Minuten lang.)

Das erste Spiel des Tages war ja mehr Wille und Willkür: das hier aber war ein anderes Spiel. Zehn Minuten lang. Spieler, die einen Ball aus 15 Metern annehmen können, Spieler, bei denen man den Eindruck hat: wenn die was machen, dann könnten die auch was damit meinen. Zehn Minuten lang. Die keine Angst hatten vor dem, was der Gegner kann, sondern vor allem Vertrauen darin, was sie selbst können. Zehn Minuten lang.

Anfangs waren es die Franzosen. Man steckte sich den Ball hin und her, während Uruguay versuchte, wannimmer möglich, über Konter zum Tor zu kommen. Es war selten möglich, aber auch eine Kernschmelze ist selten: deswegen blieb es spannend von Anfang an. Die Franzosen spielten überraschenderweise ihre Angriffe zu Ende, und weil sie die meiste Zeit den Ball hatten, sah es so aus, als wären sie besser; zumindest im Nanobereich.

Trotzdem. Wer bei den Franzosen in vorderster Linie den Ball erhielt, war so einsam wie eine von Hesses Romanfiguren: überall Feinde. Das langt für Pathos, aber nicht bis zum Tor. Du musst Deinen Weg alleine gehen, heißt eine der Kernschmelzen Kernaussagen Hesses Werk; die, die konnten, wollten nicht. Die, die wollten, konnten nicht. Toulalan schoß aufs Tor, Gourcuff nicht. Ribéry stand, Evra dribbelte. Und alles muss jeder alleine machen. Scheiß Dialektik.

Sie, die Franzosen, spielten Fußball, zehn Minuten. Dann war mehr Verdun: man verkroch sich in seine Stellungen. Nichts riskieren, da ist die Grande Nation ganz bei Merkel. Frankreich goss Beton auf, damit nichts unvorhergesehen explodiert: dabei blieb es zur Halbzeit.

Uruguay spielte das klug: zweikampfstark, aber unaufgeregt. Immer konterbereit, aber ohne Selbstmordabsicht. Zerstörerisch, aber nicht selbstzerstörerisch. Abwartend, aber nicht passiv. Defensiv, aber mit Alternativen nach vorne. Trotzdem (oder alldieweil oder gerade deswegen) kein Land, dass man in die EU aufnehmen will, noch. Naja, vielleicht statt Griechenland.

Pausentee.

Raymond Domenech, der Ludwig van Beethoven der Trainergilde (weil taub für jede Kritik und Locken wie Erdnussflipps), sah die Schwierigkeiten nicht. Er vermied es zu wechseln, vielleicht hatte Henry keine Lust. Der wechselt sich im Zweifelsfall sowieso selber ein.

Das Spiel wurde flach und flächer, man wähnte sich beinah auf Fronturlaub in der Lüneburger Heide. Nichts verband den französischen Sturm mit dem Mittelfeld, nichts verband die Abwehr mit dem Spiel. Jeder Spieler wirkte wie in einem Theoriekurs für Psychosen, wo jeder vor sich hinspricht: „Ich bin eine Insel.“ Hell yeah. Mit einer Palme drauf, is klar.

Uruguay war glücklich. Dann und wann ein Freistoß vornedrin, ansonsten ein Punkt. Ich will mir gar nicht vorstellen, was passieren worden hätte werden können, wenn die ein wenig mutiger gewesen wären. Frankreich hatte soweiso keine Lust mehr, da half auch nicht, dass Uruguay das Spiel zu zehnt beendete.

Ich will mir es tatsächlich nicht vorstellen. Ober, Pastis bitte!

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22 Kommentare

  1. 01
    Thomas

    Wieviele dieser Grottenspiele der Franzosen muss man eigentlich noch ertragen bis sie den Domenech los werden? So viele gute Einzelspieler und überhaupt nichts kommt dabei raus. Völlig planlos.

  2. 02
    ass

    wenn ich über so einen scheiß was willen will, dann les ich die sportbild. spreeblick, bleib bei deinen leisten. lena-topics sind auch tabu.

  3. 03
  4. 04

    @#762782: Stimmt. Völlig unerwartet schreibt Frédéric auf Spreeblick etwas über die WM – konnte man ja nicht ahnen nachdem er dies bereits bei der letzten WM, EM und sogar für die Bundesliga tat. Ich für meinen Teil bin empört.

  5. 05

    Ich weiß schon warum die Franzosen bei meiner Favoritenliste keine Rolle spielen. Das war echt mal wieder gar nix.
    Und @ass: Spreeblick=Frédéric, Frédéric=Fußball, Spreeblick= Fußball

  6. 06

    Schöner Artikel.

    Ich nehm auch nen Pastis.

  7. 07
    xconroy

    @#762782:

    Jetzt hacken alle auf deinem Kommentar rum. Dabei war der um Längen besser, gehaltreicher und inspirierender als das Spiel der Franzosen.

  8. 08
    kkaddi

    Vom Vize Weltmeister Frankreich hätte man mehr erwartet können. Also kann man gespannt sein, wie Frankreich sich bei den nächsten Vorrunden-spielen präsentierten wird.

  9. 09
  10. 10

    toll geschrieben, danke!

  11. 11
    kkaddi

    Heute Abend Spielt ja schon England gegen USA .Einer der beiden Mannschaften könnten, im Achtelffinale auf die deutschen treffen. USA wäre mir persönlich lieber, da Deutschland durch England in der Vorrunde 2000 in Belgien/Niederlande EM ausgeschieden ist.

    Wenn das Achtfinale England – Deutschland heißen sollte, müsste es bis zum Elfmeter schießen kommen, da England die einzig Mannschaft ist die keine Elfmeter schießen kann und nicht trainiert werden

  12. 12

    Auch ganz schlimm: Frankreich übertrifft die niedrigen Erwartungen

    *gehtabstillleidendindenkeller*

  13. 13
    kkaddi

    @creeze (12 ) Da Stimme ich dir zu, was Frankreich betrifft. Das was Frankreich gestern, da präsentiert hat ging ja Garn nicht als Vize Weltmeister.

    Mal schauen, ob die drei Spiele heute schöner und besser werden und mal ein Spiel gewonnen wird. Lassen wir uns einfach mal überraschen , wie es bei der WM weiter gehen wir

  14. 14
    Frédéric Valin

    @#762788: Word!

  15. 15
    Shanti

    Wenn ein Franzose in den letzten 10 Minuten des Spiels beim Stand 0:0 nur gemächlich zum Einwurf joggt, weiß man: die haben gar nicht soooo viel Bock.

  16. 16
    Martin

    Tollen Fussball werden wir von den Franzosen nicht sehen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass sie dennoch wieder weit schaffen. Die Franzosen sind die neuen Deutschen.

  17. 17

    Baut sich bei euch die Seite von Spreeblick auch so langsam auf? Es dauert bei mir sekunden bis der weiße hintergrund zu sehen ist. Habe das bei anderen Seiten nicht, mein Rechner ist high end, die Leitung läuft…daran kann es eigentlich nicht liegen.

    freu mich über eine antwort

  18. 18
    Lois Lane

    Fussball ist immer noch ein Mannschaftssport und es wäre Domenechs Aufgabe, dafür zu sorgen, dass aus guten Spielern eine wird. Frankreich ist TROTZ Domenech Vizeweltmeister geworden. Er ist Inspecteur Clouseau, glaubt es mir! Das Einzige, was ich gerne wissen würde ist, mit wem er eine Leiche im Keller hat und welche. Nach der WM kommt Laurent Blanc!!!

  19. 19

    @zettes
    Das ist altbekannter Spreeblick-Style, der soll uns sagen „think before read!“ ;-)

  20. 20
    Frédéric Valin

    @#762830: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht genau, seit zwei tagen scheint irgendwas zu hängen. Wir sind dran! Danke für den Hinweis.

  21. 21

    @19 Lol – der ist jut! :)

    @20 hab ich doch gern gemacht, ist doch in meinen eigen interesse ;-)