Der Brasilianer* spielt ja heuer wie ein Eisbär: meistens behäbig, in der entscheidenden Situation flink wie die Harpune. Meistens ruhen sie oder wandern sie in ihrem angestammten Terrain hin und her, nur vereinzelt schnappen sie nach vorne: in dieser Hinsicht ist Lucio in jedem Fall das Gesicht der Mannschaft. Gebiss sollte man sagen.
Chile spielte von Anfang an, Brasilien begann erst nach vier Minuten. Dann aber eindrucksvoll, wenngleich ohne messbares Ergebnis: denn Fabiano bewies kein Händchen im Abschluss, und die Roberto Carlos-Gedächtnisabschlüsse aus 30 Metern endeten alle in Bravos Händen.
(Keine Ahnung, was das zu bedeuten hat, aber die Hauptfigur in Rio Bravo heißt – verhältnismäßig einfallsreich – John T. Chance. Wenn das mal kein Orakel ist, was auch immer es heißt.)
Chile spielte das sehr, sehr clever: so defensiv wie nötig, offensiv schnell und bissig, aber ohne großartige Drohgebärde. Es war ein bisschen Mungo gegen Klapperschlange. Und natürlich gehören die Sympathien dem süßen Außenseiter.
Der so süß nicht war, sondern biss und kratzte und hieb und einstieg und den Ball nach vorne trieb und … Schiller hätte eine komplette Ballade gemacht aus den diversen Aktivitäten der Chilenen.
Mit einem bitteren Bruch in der Mitte. Juan bekommt perfekt einen Eckball auf die Schädelplatte serviert, nickt kurz, als hätte er gerne noch ein Glässchen vom selbsen Saft, was richtig reinhaut: Tor nach Standard, einsnull. Kaum zwei Minuten später konterte Brasilien über seinen Kurzen, Robinho, der legt den Ball in die Mitte, Kaka macht schon wieder einen seiner kürzesten Pässe, Luis Fabiano, zwonull.
Zur Halbzeit: gesammelte Weiheiten. Über alles. Fußball, Hitler, Bier, here we go.
Chile mühte sich, aber vergebens. Sie spielten bis zur Bikinizone, wenns dann allzu haarig wurde, fing Brasilien sie ab. Mit drei Leutchen marschierten sie dann durch die gegnerische Hälfte, und wenn zufälligerweise nicht Kaka an den Ball kam, wurde es gefährlich: zum Beispiel in der 59. Minute. Da dachte sich Ramires, geh ich mal nach vorne, im Zweifelsfall hau ich den Ball ins Seitenaus, das ist immer noch zielführender, als ein Steilpass von Kaka. Stattdessen legte er den Ball auf Robinho, der hats nicht so sehr mit Butter und Brot, der schnippelte lieber: dreinull.
Danach bunkerte Brasilien mit einer Disziplin, die die Frage offen ließ, ob Dungs Trainingslager nicht als Umerziehungslager durchging: aber wir pflegen hier keine nationalen Klischees. Brasilien steht heuer nicht für Taschentricks und Zauberei, sondern für Effizienz und durchdachte Sicherung. Wehe uns, wenn diese Mannschaft anfängt, Autos zu entwickeln.
Souverän wie Ludwig XIV., gefühlskalt und effizient: das war eine Demonstration. Brasilien ist der Titelfavorit für dieses Turnier.
So also sieht er aus, der Endspielgegner für Deutschland.
*Gemeint ist hier nicht der Brasilianer an sich, sondern der Brasilianer auf dem Platz. Ebensowenig sind mit „den Brasilianern“ alle Brasilianer, die es so gibt, gemeint, sondern nur jene, die auch tatsächlich auf dem Feld stehen. Dies allen denen zur Mahnung, die glauben, „wir“ würden am Samstag ums Halbfinale spielen, dabei aber keinen Meter laufen (außer zum Kühlschrank) und erst dann auf sich bewegende Objekte (Bierflaschen, Hunde, eigene Kinder) treten, wenn abgepfiffen wurde.
Och menno, und ich hatte so gehofft…
Endspielgegner seh ich da noch nicht, da sei Oranje vor. Aber einen Vorteil hat das heute: wenigstens ein weiteres Spiel kommt man in den Genuß, Maicon zuzugucken. Jetzt nicht, weil er so toll spielen würde (er ist ein brauchbarer Flügelspieler, der gute Flanken schlägt und solide verteidigt, was in einem Land, wo die Referenzgröße für diese Position immer noch Roberto Carlos heißt, nicht selbstverständlich ist), sondern wegen seiner fantastischen Mimik.
Oder fällt das nur mir auf? Der Mann hat ein Repertoire an offenbar naturgegebenen dramatischen Gesichtsausdrücken wie kein anderer. Tiefer, innerlich zerfressender Schmerz wechselt sich ab mit leuchtend-kindlicher Hoffnung und einem Gesicht, wie es wohl Ford Prefect in den letzten Minuten vor der Zerstörung der Erde machte. Wenns mal mit dem Kicken nicht mehr hinhaut, dürfte ein Platz in der nächsten erreichbaren Telenovela sicher sein.
Lass wen-auch-immer drei Tore schießen – wenn „meine“ *Mannschaft vier Tore reinschafft, gewinnt wer-auch-immer nicht.
(Aus der Kategorie: Man wird doch noch mal träumen dürfen.)
*Es ist, juristisch betrachtet, tatsächlich nicht „meine Frau“ und „meine Firma“ – aber irgendwie gehöre ich dazu, wenn auch – manchmal oder meistens – nur als Randfigur.
Ich wäre dafür. die Brasilianer erst ab Halbfinale ins Turnier zu lassen oder ganz zu sperren. Da die ja Multikulti eh überall dabei sind!
gogogo #ned – das ist glaube ich das erste mal, dass ich den niederlanden in einem spiel die daumen drücke.
I tried to enjoy the vuvuzela concert but some pricks kept playing football.
Meh.
Das wird ein Fest: Niederlande gegen Brasilien.
Ich tippe auf Niederlande.
Oah, gut dass wir nicht am Samstag spielen, da muss ich auch eh arbeiten…
Finde das albern, sich über das Wir aufzuregen. Das ist irgendwie die Light-Version von Leuten die sich über die Masse an Deutschlandflaggen (bspw. Pannierstraße Ecke Sonnenallee) aufregen.
was mich erschreckt ist ja, dass deutschland passicherer wirkte als brasilien.
aber da titel ja bekanntlich in der defensive entschieden werden (5€ ins phrasenschwein) wirds wohl doch brasilien werden, egal wer ihnen im finale gegenüber steht
@#764618: mal jenseits davon, dass du der gefühlt erste bist, der offenbar weiß, dass das geflatter da draußen flagge und nicht fahne ist – „wir“ sagen, in dem zusammenhang, ist auch ne hübsche light-version. von was auch immer.. such dir was schön bescheuertes aus.
Wozu werden eigentlich diese Millionenbeiträge der GEZ für FIFA-Lizenzen und Übertragungsmaschinerie rausgehauen? Ein Sky-Abo plus ein ordentliches Honorar für Frederic Valin und dann einfach die Berichte in den Teletext. Besser wärs.
Ganz großes Lob an dieser Stelle!
Wir sehen uns im Finale. Obwohl ich immer noch glaube, das Urugway nicht zu unterschätzen ist!!!
Mungo gegen Klapperschlange? Tolles Bild!
WÄRE DER MUNGO AUF DEM AMERIKANISCHEN KONTINENT BEHEIMATET!!¡
So, zur Strafe noch mal Dschungelbuch lesen! ;-)
(weiter so tolle texte!)
@#764625: Ja, es muss Mungo gegen Cobra heißen. Und außerdem gewinnt bei Kipling der Mungo. Seufz. Esse jogo brasileiro nao è nada gostoso.
@#764625: Kobra! Das macht natürlich Sinn. Eine Klapperschlange kann ja auch den Hals nicht so breit machen.
@#764623: Vielen Dank!
@#764611: Doch, das ist mir auch aufgefallen. Der könnte Shakespeare spielen!
@#764618: Und ich finde es albern, dieses Wir zu benutzen. Vor allem, weils dafür überhaupt keinen Anlass gibt.
Mungo vs Klapperschlange… das bedeutet in 99% der Fälle dass die Tage der Schlange gezählt sind!
laaaaaaangweilig! muss denn brasilien immer gewinnen?
naja, im finale haut cacau denen dann die bude voll…
;-)