Ich habe ca. 250 deutschsprachige Blogs abonniert, und in vielen geht es zu, wie am Reklamationsschalter eines schwäbischen Möbelhauses. „Da ist Farbe abgeplatzt!“, „SIE HABEN EINE NUSS ZU WENIG GELIEFERT!!!1!“, „Das nennen sie ein Spaltmaß?“
Don Dahlmann mag nicht mehr so recht bloggen. Ich kann Don Dahlmann gut verstehen.
Im Urlaub habe ich gemerkt, dass ich zwar weite Fußwege in Kauf nehme, um meine Süddeutsche zu bekommen, aber das Internetcafé auf mich den Reiz eines Langnesestands am Nordpol hat. Ich hatte große Lust, lange, ausschweifende Texte zu verfassen, aber bloggen? Dann könnte ich ja auch Campen in der Niederlausitz (wobei das möglicherweise ein schlechtes Bild ist, denn vielleicht ist Campen in der Niederlausitz ein Riesenspaß, was ich damit sagen will ist: Bloggen erschien mir plötzlich wie das denkbar spießigste, langweiligste und falsch-angezogenste).
In dieser Stimmung fing ich einen Text an mit der Überschrift Der Weltgeist wohnt hier nicht mehr hatte. Darin habe ich einen Gedanken aufgegriffen, den ich schon einmal gegenüber Johnny geäußert hatte:
„Ich komme mir vor wie ein Blumenliebhaber, der feststellt, dass es im Kleingärtnerverein um alles Mögliche geht, nur nicht um Blumen.“
Und was sagte Johnny, der Hobbyindianerhäuptling, dazu?
„Dann lass uns beweisen, dass es eben doch um die Blumen geht.“
Als mir das wieder einfiel, habe ich den Text nicht weiter geschrieben und wir haben uns stattdessen um die Blumen gekümmert. Und ich habe wieder gelernt, es zu lieben: Quatsch machen, wirre Ideen in Texte gießen, Leute um mich haben, die grandiose Illustrationen machen können, Videoprofis, die so lange tüfteln, bis ein Spreeblickvideo aussieht wie Star Wars, kurz: Alles machen zu können, was mir einfällt.
Das geht so nur beim Bloggen. Aber die Süddeutsche kann man besser am Strand lesen. Da kann man nichts machen.
In regelmäßigen Abschnitten scheinen einige Blogger von der Existenzfrage gequält zu werden. Aber am Schluss kommen sie doch alle zu dem Ergebnis: Sie haben sich ein wenig verfahren, schlagen sich etwas frei, machen eine kleine Auszeit und hüpfen dann mit Elan zurück ins Haifischbecken. Bloggen soll Spaß machen – sowohl beim Schreiben, als auch beim Lesen. Und wer das immer wieder erkennt, nunja, der kann nicht viel falsch machen, wa?
Sehe ich auch so. Und schließlich gibt es nichts, was andauernd Spaß macht, dann pausiert man halt und wartet, ob der Spaß wiederkommt.
kickt die süddeutsche dein ego? eben.
ganz ehrlich, wenn ich das als dauerzustand in meinem feedreader feststellte, würde ich die entsprechenden blogs ganz schmerzfrei da rausschmeißen. ich umgebe mich ja auch nicht freiwillig jeden tag mit menschen, die vergessen haben, was leben bedeutet. das hat weniger mit „aus den augen, aus dem sinn“ zu tun, als vielmehr damit, dass ich nicht als seelischer mülleimer enden möchte.
Sehe ich wie Frau Dear. Wenn mich abonnierte Blogs deprimieren, fliegen sie raus. Das hab ich dieses Jahr schon oft gemacht (weil es wie Don Dahlmann schreibt eben in Deutschland schon zugenommen hat). Das ist einfacher als man denkt, und man vermisst auch nix. Und die Angst, etwas zu verpassen ist sowieso albern. Falls doch vorhanden, gibt es für Vieles immer noch das grandiose Rivva.
Was ich allerdings auch sagen muss, ist, dass die deutsche Blogwelt in großen Teilen schon ganz schön grottig ist. Ich glaube, ich schreib das jetzt zum 342sten Mal in irgendeinem Kommentar, aber wenn 3/4 der abonnierten Blogs englischsprachig ist, und man dort sieht was man mit den Mitteln der Blogs machen kann, dann wird einem schlecht angesichts dessen was hier in D auch von den größeren Blogs oft geboten wird.
Der Kleingärtnervereinvergleich ist übrigens so passend, wie er passender nicht sein könnte. :/
„Ich hatte große Lust, lange, ausschweifende Texte zu verfassen, aber bloggen?“
Musst Du halt endlich mal ein Buch schreiben.
@martha dear: Aber das ist doch auch irgendwie mies, das ist wie mit Freunden, die nur für jemanden da sind, wenn man fröhlich und glücklich ist und sobald dann mal dunklere Zeiten anbrechen sind sie plötzlich weg. Dann sollte man lieber ein paar aufmunternde Worte schreiben, als denjenigen aus dem Reader zu schmeißen, meinste nicht?
Ich glaube, es könnte noch viel interessanter sein, wenn man nicht so viel Angst haben müsste. Könnte man zum Beispiel Gesetze brechen, ohne abgemahnt zu werden. Oder richtig anonym gegen Mafia, Waffenhändler und Nazis bloggen, ohne ermordet zu werden, dann wär das echt mal sexy.
Ich glaube, hierin liegt das ganze Problem in der deutschen Blogosphäre – nämlich in der typisch deutschen Vereinsmeierei. In der Einbildung, dass alle das gleiche Ideal vom Bloggen verfolgen müssen. Und dann kommen auf einmal die Enttäuschung und der Frust, weil man erkennen muss, dass andere zwar dem gleichen Hobby frönen, es für sich aber anders, weil individuell, interpretieren.
@ Mar Ci: Es sind ja Nichtigkeiten und keine realen Kontakte. Das ist nicht übertragbar. Wenn ein Angebot mir nicht gefällt nehme ich es nicht wahr.
Ich habe nur gerade das Gefühl das Blogs ein ähnliches Problem haben wie in meinem Augen die neue deutsche Welle. Da war es so, dass sie an der eigenen Masse zerbrach. Jeder der ein Mikro halten konnte, hat versucht selbst kreativ zu sein. Das hat der Qualität geschadet. Ich glaube die letzten Tage der Blogosphäre sind gezählt, nachdem letztes Jahr jedes zweite Mädel bei MyBlog schrieb was sie nach dem Tennis zu Abend gegessen hat.
Ich glaube immer mehr Blogs werden sich verabschieden oder einfach nur noch sehr sporadisch geführt. Und der Kreis der Leser reduziert sich und der Kreis der viel gelesenen Blogs ebenso. Vielleicht sogar bis nichts mehr da ist, was mal war.
„Aber die Süddeutsche kann man besser am Strand lesen. Da kann man nichts machen.“
Muss man auch nicht. :-)
@Nico: Naja ok, ich glaube es kommt darauf an wie lange man den jeweiligen Blog schon liest und wie eng man sich dem Blogger verbunden fühlt. Umso kürzer man den Blog liest und in ihm kommentiert, umso schneller kann man ihn wohl kicken.
Der große Unterschied zwischen der deutschen und der internationalen Blogosphäre stimmt allerdings tatsächlich. Bei uns ist das Höchste der kreativen Gefühle ein Stöckchen, ein Blogkarneval oder die Neuigkeit, dass man seine eigene Simpsons-Figur gestalten kann. Viele Blogger sollten ihrer Kreativität und der Fantasie einen viel freien Lauf lassen, dann kommen auch weniger Depressionen auf.
>> Und dann kommen auf einmal die Enttäuschung und der Frust, weil man erkennen muss, dass andere zwar dem gleichen Hobby frönen, es für sich aber anders, weil individuell, interpretieren.
Bei mir kommt da eher Verwunderung darüber auf, daß man darüber gefrustet sein kann, statt sich über die Vielfalt zu freuen, deren Teil man ist.
Wenn das Hobby zur Arbeit wird …
mar ci, deswegen sprach ich ja auch vom dauerzustand. ich hau nicht gleich ab, weil jemand mal nen schlechten tag hat (schon gar nicht bei freunden – egal, ob virtuell, oder real) bzw. der verlauf der unzufriedenheit sollte zumindest nachvollziehbar bleiben. wird aber ständig bloß negative kritik um der kritik willen geübt, muss ich passen. solche permanenten provokateure (oder auskotzer) sind mir auch im wahren leben unsympathisch.
aber vielleicht bin ich ja eh merkwürdig, weil ich nur ca. 60 feeds im abo habe und recht regelmäßig schaue, welcher bleibt und welcher nicht. ich hasse diese kultivierung des addens. wenn jemand auf dieser liste landet, muss er mir auch gefallen. ich filtere lieber, anstatt alles mitzunehmen und es tut mir gut.
@martha dear: Ja okay, diese Einstellung gefällt mir. Aber merkwürdig bist du wegen deinen Feeds nicht, ich habe auch nur so wenige abonniert. Aber irgendwie scheine ich kein Freund des Löschens zu sein… Ob ich jetzt mehr darauf achte, wen ich denn jetzt mal kicken könnte? ;)
@8 literatur entsteht wohl immer aus einem grundbedürfnis des menschen selbst heraus. wie ein innerer zwang.
doch was passiert, wenn ein buch aus einem äußeren zwang, aus bitten und drängen heraus, geschrieben wird? vermutlich zielgruppenbedienendes gewäsch. wie soll text entstehen ohne distanz zum möglichen leser? außer man bedient genau das, was gefordert wird, aber solche bücher braucht dann anschließend auch kein mensch. außer eben die, die ständig danach geschrien haben.
es gibt in dieser kommentarkultur nichts unerträglicheres als dieses „schreib mal ein buch“ gelaber. und das beziehe ich nicht spezifisch auf spreeblick bzw. malte, denn es kommt einem an jeder ecke unter.
entschuldigung.
Wenn die Blogs nur jammern wie schlecht die Blogs geworden sind, ist klar das keiner mehr Blogs lesen will.
jan, word! :)
mar ci, im hinterkopf kann man das ruhig haben. ewig und immer währende treue ist doch so 1.0 ;)
@19
Wie genau unterscheidet sich Deiner Meinung nach das Schreiben von Texten für ein Buch oder für ein Blog? Dass ersteres völlig unbeeinflusst vom Gedanken an eine potentielle Zielgruppe geschieht, während letzteres ausschließlich zielgruppenorientiertes Gewäsch enthalten kann? Was einer in ein Blog schreibt, tut er nicht aus einem inneren Zwang heraus und kann auch niemals Literatur sein? Musst Du mir mal genauer erklären.
ein blog ist nichts anderes als ein alphabetisierter stammtisch, bei dem zwar prinzipiell gottunddiewelt mitreden können, faktisch aber nur die bekannten kommentaralkis ihr bier dazukippen. prost!
@ lana
und wie bist du zum kommentaralki geworden?
antwort aus kalau: zu viel maltsbier.
aber das knallt doch gar nicht
mit
Liebe,
Sex und
Drogen
schon
Malte. Wieder gut getroffen mit dem „Kleingärtnerverein“. Nur scheinst Du nicht zu merken, dass Du Dich genau damit bei denen einreihst, die das Bloggen erst dazu machen.
Johnny hat recht: Bloggen heißt nicht von anderen fordern, dass undsoundso… Sondern es selber genau so zu machen, wie man es haben will. Alles andere, sogar die Forderung „zurück zu den Blumen“, ist Kleingärtnervereinsgemeiere.
@ mspro
zunächst einmal: willkommen zurück:)
ansonsten: ich fordere das nicht, ich mache das
1. Ich kann niemandem lange böse sein, den ich mag ;-)
2. alles andere hätte mich auch enttäuscht.
Ich denke schon, dass sich das Publizieren im Internet in einer Sinnkrise befindet. Und ich möchte versuchen diesen Punkt zu diskutieren, weil es interessant werden könnte. Hierzu möchte ich meinen oben genannten Gedanken fortführen.
Irgendwie wiederholt es sich alles sehr schnell und so mancher stellt fest dass es aufregender ist Menschen in der Realität kennenzulernen als über ihre selektive Selbstdarstellungen in Blogs. Und sie merken, dass es vielleicht einfacher ist Zeitung zu lesen anstatt auf allen möglichen Blogs immer nur zu sehen, dass in der SZ was lesenswertes drinsteht, SPON hingegen scheiße ist.
Worum dreht es sich noch und was unterscheidet favorisierte Blogs noch groß von anderen Internetangeboten? Die Filmfreunde schreiben über Filme die auch von Zeitungen rezensiert werden. Ab und an mal ein witziges YouTube-Video. Und überhaupt erst selbst schreiben.. Was denn? Rezepte, Reiseberichte, wie man das Wochenende verbracht hat, was einen aufregt, was man toll findet. Und warum zum Teufel ins Netz damit und nicht im Café um die Ecke in die Ohren netter Leute mit denen man sich schon lange nicht getroffen hat? Weil die von so viel Nähe Platzangst kriegen weil sie sie nicht gewohnt sind, da sie den ganzen Tag nur noch über InstantMessenger kommunizieren. Mir stellt sich die Frage nach dem Sinn.
@Nico: Nene so schwarz darfst du das nicht sehen, es gibt Blogs, die inspirierend sind, die Spaß machen und die einem den Tag versüßen können. Und es gibt welche, die einen zum Nachdenken bringen, die einem neue Welten öffnen und die einem noch nie Gekanntes näher bringen. Auf solche Blogs sollte man sich konzentrieren und wenn man selbst Blogger ist, sollte es sein Ziel sein so einen wunderbaren Blog zu gestalten.
@ Nico
der übliche antagonismus, der entworfen wird, ist: print gegen blogs. den halte ich schon für herbeigeredet.
aber du erfindest noch einen dazu: blogs gegen das persönliche gespräch.
und da komme ich nicht ganz mit.
ich habe mich kürzlich mit ein paar leuten unterhalten, die ganz privat bloggen, für die ist das bloggen eine möglichkeit des sich-auskotzens oder eine spielwiese für kurze geschichten, mit denen sie ihre freunde erfreuen. aber doch kein ersatz für das persönliche gespräch. wie kommst du denn darauf, dass es so wäre?
neben blumen gibt es ja noch fussball.
Im Urlaub ist der nächste Computer üblicherweise weit genug weg. Und das ist auch gut so.
ihr müsst doch alle mal an die frische luft :-) wo genau kriegt man so viel freizeit?
@ Malte: Die Frage ist warum teile ich mich einer Internetöffentlichkeit mit und nicht Leuten aus meinem persönlichen Umfeld?
Da mich mein Provider in letzter Zeit dank eines Domain-Streits 2mal zu Zwangspausen verdonnert hatte, kenne ich das Gefühl des „ins-Haifischbecken-zurückspringens“ recht gut. Andererseits erwische ich mich auch dabei, jede Straßenszene auf ihre Blogtauglichkeit hin zu überprüfen.
Ist wohl doch was dran: http://www.uli-kutting.de/blog/archives/blogsuechtig-oder-was.html …