Der Zyklon Nargis wirft wenige Monate nach der brutalen Niederwerfung der Mönchs-Aufstände in Myanmar erneut ein grelles Licht auf die Skrupellosigkeit der Militär-Despoten. Im Jura-Studium wurde im Strafrecht anhand der Zeugen Jehovas, die Bluttransfusionen aus religiösen Gründen ablehnen, geprüft, ob der Arzt – wenn zum Beispiel ein Kind eine Transfusion benötigt – ohne Einwilligung der Eltern das Nötige tun darf.
Das Regime macht ein Spiel aus der Frage, ob es internationale Hilfe zulässt. Die Nachrichtenlage zu dem Thema ist noch unklar, mal heißt es, die Erlaubnis sei erteilt worden, dann heißt es, China und Indien dürften helfen, während die Amerikaner draußen bleiben müssen. Nun lese ich (und das ist mir jetzt unangenehm: in einem News-Feed bei Twitter), die US-Regierung würde sich über die Vorbehalte der Regierung in Myanmar hinwegsetzen und Hilfsgüter ohne Genehmigung abwerfen.
Ohne jetzt für den Wahrheitsgehalt der Meldung garantieren zu können – wie seht ihr das? Darf man sich über die Souveränität eines Staates hinwegsetzen, um den Bürgern zu helfen?
Auf jeden Fall, darf sich ein Staat über die Souverinät eines anderen Staates in so einem Fall hinwegsetzen. Gerade wenn ich solche Geschichten von deutschen Helfern höre:
Ein Arzt aus München, der während des Zyklons direkt in der Krisenregion war berichtete sichtlich schockiert darüber, dass die Militärjunta sich zuallererst um ihre Kasernen kümmerte und den normalen Menschen jede Hilfe versagte. Die Leute auf der Straße mussten sich mit Küchengeräten und Muskelkraft von umgestürzten Bäumen etc. befreien…
So wie sich das Bild abzeichnet, mach das Millitär und damit die Regierung Burmas einen SCHEISS, ist mit der Situation komplett überfordert und treibt trotz geschätzter 100 000 Toter/Vermisster politisches Kalkül… damit hat dieses Land meiner Meinung nach einen großen Teil an Souveränität verspielt. Im Übrigen: ein Souverän muss handeln können – das sehe ich in Burma derzeit gar nicht…
Die Argumentation mit der Souveränität halte ich bei Regimen ohnehin für problematisch. – Wenn wir das Selbstbestimmungsrecht der Völker als universell betrachten, muss man nur den Willen eines Volkes akzeptieren und nicht den einer diktatorischen Regierung.
Natürlich muss man Realpolitik betreiben. Aber ich würde es sehr begrüßen, wenn die USA oder wer auch immer auch ohne offizielle Erlaubnis hilft, soweit dies irgendwie möglich ist. Es geht schließlich um die universellen Menschenrechte auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit.
Und da kaum ein Land der Erde mit wirtschaftlichen Folgen dieses Einsatzes rechnen muss, ist es noch viel mehr eine Pflicht zu helfen.
Der französische Außenminister Bernard Kouchner hat auf das Konzept der „responsibility to protect“ hingewiesen, das die UN-Generalversammlung 2005 angenommen hat und das vorsieht, der Bevölkerung in Notsituationen auch ohne Zustimmung der Regierung Hilfe zu leisten. Dieses Konzept bezieht sich explizit aber auf einen Genozid oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen in Konfliktsituationen. Man ist offenbar nicht davon ausgegangen, dass eine Regierung im Katastrophenfall der eigenen Bevölkerung die Hilfe verweigern könnte. Die Crisis Group hat weitere Infos hierzu: http://www.crisisgroup.org/home/index.cfm?id=4521
Das hätte ich gern mal gesehen, was passiert wäre, wenn aus chinesischen, oder kubanischen, oder russischen Flugzeugen Care-Pakete auf die Katrina-Opfer gefallen wären.
Die Beziehung Eltern Kind ist schon eine Andere, als die einer Regierung zu ihren Bürgern – sei es nun ein Regime oder nun der durchschnittliche überforderte Volksvertreter. Hier beschweren sich ja keine kleinen Minderheiten über Lapalien …
Wenn die Bevölkerung um Hilfe ruft und ihre Vertreter (sofern sie es überhaupt jemals waren), die Maßnahmen nicht annimmt – natürlich ganz klar ja. Zu unterlassener Hilfeleistung in schwierigen Fällen, gab es doch bestimmt auch jede Menge Diskussionen.
Katastrophen ereignen sich überall rund um den Blauen Planeten, egal ob dort viele oder wenige Menschen leben, egal das betroffene Land eine Demokratie ist oder ein Militärregime die Macht inne hat. Die Folgen können aber sehr unterschiedlich sein, je nachdem wie gut vor- und versorgt wird. Während tausende Chilenen vor dem Vulkan Chaiten in Sicherheit gebracht wurden, bleibt die Frage ob Birmas Militärregierung rechtzeitige Warnungen verabsäumt hat. Und die jetzigen verzweifelten Versuche von Hilfsorganisationen, ins Land zu kommen, sind gehen sicher in die Historie ein.
Mit UN-Mandat: Ja. Ohne UN-Mandat: Nein.
Ich folge hier mal der Staatstheorie von John Locke: Der Staat ist souverän und legitim wenn legislative und exicutive getrennt sind und beide zum wohl des Volkes handelt.
Oder anders gesagt: Myanmar ist nicht Souverän.
Und dem Kind der Zeugen Jehovas darf der Arzt auch Blut geben, weil das Leben des Kindes über der Meinung der Eltern steht.
Das dürfte doch Probleme mit der Luftraumsicherheit geben, was wenn dadurch die Hilfe mehr erschwert als erleichtert wird?
Das mit dem Kind der Zeugen (ja, genau dieses Szenario), hat mir ein Arzt so erklärt: Vorsprechen bei Gericht (notfalls „Gefahr im Verzug“) → (zeitlich begrenzter) Entzug des Sorgerechts (für die OP) → Blut kann im Notfall gegeben werden. Und die Eltern müssen nicht einmal zustimmen, deren Gewissen bleibt also rein – wir sind in Deutschland, hier steht man gut da, wenn man nicht zuständig ist.
Ein guter Freund von mir ist in der fürchterlichen Situation in London zu sitzen, und auf sein Visum zu warten. Er würde sehr gerne für eine Hilfsorganisation dort hinfliegen, wie er und seine Kollegen es noch bei jeder Katastrophe in den letzten Jahren von Tsunami bis Erdbeben gemacht haben, und Sattelitenkommunikation aufsetzen um HIlfskräften Logistische Unterstützung zu geben.
Leider darf er das nicht. Er wartet auf das Visum, das ihm nicht erteilt wird.
Statt Ausländischen Hilfskräften verlangt die Burmesische „Regierung“, so sagt mein für gewöhnlich ausgezeichnet informierter Freund, Finanzielle Unterstützung. Leider ist das Burmesische Regieme eines der korruptesten der Welt und es ist sehr wahrscheinlich, dass das Geld eher in den Ausbau der neuen Hauptstadt im Dschungel gesteckt würde, als in die Krisengebiete.
Ob es juristisch in Ordnung ist, das mit der Souveränität, ließe sich sicher diskutieren und möglicherweise verneinen. Aus Ethischer Sicht ist es jedoch geradezu die Pflicht, das Menschenmögliche zu tun um den Opfern zu helfen.
Ich schließe mich in dem Fall auch der Meinung an, dass sich andere Staaten, die Hilfe leisten wollen, über den Regimewillen hinweg setzen dürfen und sollten.
Punkt 1: Sobald das Regime nicht mehr das tut oder zulässt, was für sein Volk am besten ist, sollte es nach der Theorie des Gesellschaftsvertrages (nicht der Demokratie) sowieso seine Legitimität verlieren oder verloren haben. In dem Falle würden Staaten, die sich über die Anordnung hinweg setzen, sowieso im Sinne des Volkes handeln.
Punkt 2: Regime und Diktaturen haben die dämliche Angewohnheit, sich nicht helfen zu lassen oder nach außen nicht einzugestehen, dass sie Hilfe brauchen. Dann müssten sie zugeben, dass ihnen die Situation entglitten ist und u.a. ausgerechnet bei Staaten, deren Systeme sie nicht akzeptieren, Schwäche zeigen (ihre subjektive Einschätzung). Dass dafür Menschenleben geopfert werden, hat nichts mehr mit staatlicher Sorgfaltspflicht zu tun.
@#675633:
²Ein guter Freund von mir ist in der fürchterlichen Situation in London zu sitzen, und auf sein Visum zu warten. Er würde sehr gerne für eine Hilfsorganisation dort hinfliegen, wie er und seine Kollegen es noch bei jeder Katastrophe in den letzten Jahren von Tsunami bis Erdbeben gemacht haben,“
Aha, dein Freund lebt also von „žKatastrophenhopping“ ein Berufsbetroffener also, wie traurig, dass er sein Visum nicht rechtzeitig erhält um uns anständige Bilder zu liefern. Oder was ist Satellitenkommunikation sonst?
@corax: auch wenn ich mich darauf nicht einlassen muss, tu ich’s mal:
Hilfsorganisationen brauchen im Chaos aktuelle Information und Kommunikation. Das heißt wo die Infrastruktur fehlt: aufbauen. Mehr dazu unter http://www.mapaction.org/content/view/52/49/
@#675637:
Aha, und warum hilft dein Freund nicht hier?
Und warum gibst du da keinen Kommentar ab?
Ist doch viel, viel näher dran bei uns.
PS: Was kriegte dein Freund bisher für’s „Infrastruktur aufbauen“ ’ne Schale Reis am Tag, oder doch mehr?
@corax:
Ich finde es gut, dass es Gutmenschen gibt. Du magst sie Berufsbetroffene nennen, aber die verändern die Welt zum Guten. Und ich habe gehört, dass es Menschen geben soll, die den Wert ihrer Arbeit nicht an Geld messen. Letztlich sind die eigentlichen Motivationen (zB Elendstourimus) völlig Banane, was zählt ist, dass den Menschen da geholfen wird.
Dem schließe ich mich mal vorsichtig an: Selbst wenn die Hilfe darauf hinaus läuft, dass man damit Geld verdient; es wird geholfen. Und davon abgesehen ist so manche Hilfsorgansisation froh, wenn sie ihre spezifisch gebundenen Spenden überhaupt los wird. Siehe so ziemlich alle nennenswerten HOs während der Tsunami-Katastrophe, die nach zwei Wochen massig Geld zuviel hatten, was sie zweckgebunden, so wie es das Gesetz vorschreibt, nicht mehr einsetzen konnten.
Und mal völlig davon abgesehen: Die großen HOs bezahlen – wenn auch nur in geringem Maße einer Aufwandsentschädigung (ich war selbst lange Zeit Mitglied einer solchen) – ihre Helfer in Katastropheneinsätzen auch. Von daher könnte man den entsprechenden freiwilligen Helfern auch in geringem Maße Monetarismus vorwerfen, denn die Teilhabe am Einsatz bringt für’s Ego wesentlich mehr, als der normale Arbeitsalltag. Und spätestens, wenn Lohnausfall geltend gemacht werden kann, verdienen die Helfer definitiv mit ihrem Einsatz.
nunja, ein feuerwehrmann wird auch entlohnt damit er anderen aus der misere hilft. waere ja auch noch schoener wenn dem nicht so waere.
was ist dein problem, corax? wie kann deiner meinung nach den menschen am besten geholfen werden?
@#675638: aber Corax, das sind doch die Guten(TM)! Ohne westliche Hilfe sind die primitiven Völker doch völlig aufgeschmissen. Chinesen können das nicht leisten, dann doch lieber 592 westliche, unkoordinierte Spendensammelunternehmen reinlassen.
Was Sahel angegeht, ja super Idee dort zu helfen und wo nehmen die dann das Kind für die Weihnachtsbettelkarte her?
@#675638: Die komplizierte Antwort auf die Frage, wie „richtig“ geholfen werden kann (egal, wo), habe ich auch nicht. Den bitteren Zynismus, der bei deinen Kommentaren durchklingt, kann ich aber als Teil einer Lösung ganz sicher ausschließen. Ich würde ihn sogar als Teil des Problems bezeichnen.
Was genau hat eigentlich dazu geführt, dass Menschen, die sich für Andere engagieren oder auch nur interessieren und die sich (von mir aus auch beruflich, warum nicht?) in Hilfsorganisationen einsetzen, als „Gutmenschen“ quasi beleidigt, belächelt und verhöhnt werden? Und was bleibt danach als Lösungsvorschlag? Politik ist korrupt, Hilfsorganisationen sind albern, man selbst kann vermutlich sowieso nichts ausrichten „¦ und nun?
Nihilismus kann ja hin und wieder ’ne feine Sache sein, ist aber auf Dauer eher langweilig und feige.
@#675658: Das mit dem als „Gutmenschen“ beleidigen seh ich genauso, und das wollte ich auch nicht. Diese Bezeichnung benutze ich auch nicht.
Natürlich ist es immer gut, wenn Leute sich für andere in Not einsetzen, und dafür verdienen sie Respekt und meinen haben Sie auch.
Ich wollte hier auch niemanden persönlich angreifen oder die Hilfe für Birma schlecht machen.
Ich wollte nur Maltes Frage:
erweitern mit meiner Überlegung, was das wohl für seltsame Mechanismen sind, dass Hilfe in einer Gegend der Welt offenbar mit der Brechstange durchgesetzt werden soll, während man anderer Stelle ebenfalls Menschen in Not helfen könnte und zwar ohne solche Probleme. Macht aber keiner. Ich kann mich nicht entsinnen, dass so entschieden in Darfur versucht wurde Hilfe zu liefern.
Warum ist das so?
Warum drängeln sich manchmal Hilfsorganisationen und stehen sich gegenseitig auf den Füßen um in einer bestimmten Region zu helfen und anderswo „verrecken“ Menschen und keine Sau interessierts.
Ist doch hier genauso: stellt ihr hier nen China-Tibet-Birma-artikel rein, gibts Kommentare ohne Ende.
Schreibt Fred was über Afrika interressierts keine Sau.
Warum?
Ich versteh das nicht, echt nicht.
Ich stell nicht die Hilfe in Frage sondern dieses seltsame Verteilungsverhalten.
Woher kommt das?
Weiß das einer?
Corax, wenn du in der Sahelzone Brunnen bohren willst, go for it. Ich bin sicher, niemand wird dich aufhalten, erst Recht nicht Julians Freund.
Um deine Frage…
…zu beantworten: Das liegt daran, dass die Hilfsorganisationen zu wenig untereinander koordinieren und kommunizieren. Was häufig genug daran liegt, dass es zu wenig/zu schlechte Kommunikation untereinander gibt.
Was daran liegt, dass es zu wenig Leute wie Julians Freund gibt, die in Krisengebieten eine schnelle Kommunikations-Infrastruktur aufbauen, damit die Helfer vor Ort sich mit den Hauptquartieren und untereinander koordinieren können.
Oder um es noch mal kurz zu fassen:
Satellitenschüsseln aufbauen = Menschenleben retten.
Aber ich bin mir sicher, das wusstest du alles schon.
@#675730: Die haben in London keine Satellitenschüsseln?
Vielleicht sollte da mal einer von hier welche hinliefern.
Danke übrigens für das nicht beantworten meiner Frage.
Ich finde, man darf nicht nur … man muss.
Ein Staat hat meiner Meinung nur solange Souveräntität über seine Bürger, wie seine Bürger Souveränität über sich selbst haben. Und das ist in Burma schon lange nicht mehr der Fall.
@corax:
Ich darf mal zitieren:
erweitern mit meiner Überlegung, was das wohl für seltsame Mechanismen sind, dass Hilfe in einer Gegend der Welt offenbar mit der Brechstange durchgesetzt werden soll, während man anderer Stelle ebenfalls Menschen in Not helfen könnte und zwar ohne solche Probleme.
Wenn ich as richtig deute, hieße das ja: Vergesst Birma, da gibt es zu viel Widerstand, lasst uns lieber in der Sahel-Zone Brunnen bohren.
Ich finde so einfach darf man es sich nicht machen.
@#675781: Nein, das hab ich so pauschal nicht gemeint. Und einfach mach ich mir das auch nicht. Ich frage lediglich, und zwar ernsthaft und nicht rhetorisch, was das für Mechanismen sind, dort wollen alle helfen, und da interessierts keine Sau.
Vielleicht sollte man bei der UNO mal ne Tombola veranstalten, wo Entwicklungsländer und Naturkatastrophenkontingente an Hilfsorganisationen verlost werden. So wie mit diesen Bällen bei der WM.
Oder bei den UMTS-lizenzen.
Ärzte ohne Grenzen kriegt Süd-Ost-Asien bis 2010 und Cap Anamur Zentralafrika und das THW erhält den Zuschlag für Fluten bis 1Milliarde m3 oder so ähnlich.
Wäre doch fair. Da bleibt dann keiner über.
Und das Problem der Sahelzone ist fehlendes Wasser und nicht fehlende Brunnen. Mikrowellen verteilen hilft auch nicht gegen Hunger.
Mal was anderes:
Kann mir einer sagen was nun der offizielle Name dieses Landes ist?
Auf Spreeblick laeuft alles auf Myanmar hinnaus doch z.B. bei Tagesschau scheint man sich auf Birma festgelegt zu haben.
Ich kanns nicht haben ueber ein Land diskutieren zu wollen dessen Namen ich nicht mal sicher weiss (nicht auf eure Diskusion bezogen, ich spreche hier nur von mir).
Also gibt es ein richtig und falsch?
@#675880:
in der wikipedia steht, der amtliche name sei:
Pyidaungsu Thamada Myanmar Naing-Ngan-Daw
wenn ich mich nicht irre, ist myanmar der name, den die derzeitigen machthaber dem land gegeben haben, weshalb hier häufig noch der name birma, der die deutsche version der britischen bezeichnung burma ist, verwendet wird.
am ende weiß man, wenn man eine der drei bezeichnungen verwendet, schon, wovon die rede ist:)
@Malte Welding
Das war fix… herzlichen Dank!